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Newsletter vom 20.04.2011 |
Betreff: Rechts-Newsletter 16. KW / 2011: Kanzlei Dr. Bahr |
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____________________________________________________________ 1. BGH: An welchem Ort muss ein Verkäufer mangelhafte Kaufware nachbessern? _____________________________________________________________ Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zu der Frage getroffen, an welchem Ort der Verkäufer einer mangelhaften Sache die zur Mangelbeseitigung geschuldete Nacherfüllung vornehmen muss. Die in Frankreich wohnhaften Kläger erwarben bei der in Polch (Deutschland) ansässigen Beklagten einen neuen Camping-Faltanhänger. In der Auftragsbestätigung heißt es "Lieferung: ab Polch, Selbstabholer". Gleichwohl lieferte die Beklagte den Anhänger an den Wohnort der Kläger, die ihn in einem Urlaub nutzen. In der Folgezeit rügten die Kläger verschiedene Mängel und forderten die Beklagte unter Fristsetzung auf, den Faltanhänger abzuholen und die Mängel zu beseitigen. Nachdem dies bis Fristablauf nicht geschehen war, erklärten die Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit ihrer Klage haben die Kläger Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Faltanhängers sowie Erstattung von Rechtsanwaltskosten begehrt. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Kläger hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass sich der Ort, an dem der Verkäufer die von ihm geschuldete Nacherfüllung zu erbringen hat, mangels spezieller Regelung im Kaufrecht gemäß § 269 Abs. 1 BGB nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmt, wenn – wie hier – vorrangige Parteivereinbarungen nicht getroffen worden sind. Zu diesen Umständen gehören die Ortsgebundenheit und die Art der vorzunehmenden Leistung sowie das Ausmaß der Unannehmlichkeiten, welche die Nacherfüllung für den Käufer mit sich bringt. Letzteres folgt aus den Vorgaben der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, nach deren Art. 3 Abs. 3 die Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss. Da die Beseitigung der von den Klägern gerügten Mängel des Camping-Faltanhängers den Einsatz von geschultem Personal und Werkstatttechnik erfordert und ein Transport des Anhängers nach Polch oder dessen Organisation für die Kläger zumutbar erscheint, liegt der Erfüllungsort der Nachbesserung am Firmensitz der Beklagten. Die Kläger wären daher gehalten gewesen, den Anhänger zur Durchführung der Nacherfüllung dorthin zu verbringen. Solange dies nicht geschieht, besteht kein Recht der Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag. Urteil vom 13. April 2011 – VIII ZR 220/10 LG Koblenz, Urteil vom 3. Juni 2009 – 8 O 277/08 OLG Koblenz, Urteil vom 16. Juli 2010 – 8 U 812/09 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 13.04.2011 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. KG Berlin: Keine Veröffentlichung von E-Mails durch Axel Springer-Verlag _____________________________________________________________ Die Axel Springer AG darf bestimmte E-Mails in direkter oder indirekter Rede weder verbreiten noch verbreiten lassen, die die Privatsphäre des früheren brandenburgischen Innenministers Rainer Speer betreffen. In einem Berufungsverfahren bestätigte heute das Kammergericht insoweit ein entsprechendes Verbot des Landgerichts Berlin durch eine einstweilige Verfügung vom 2. September 2010. Das Gericht bejahte jedoch ein hohes öffentliches Informationsinteresse an den Umständen, die zum Rücktritt des Ministers geführt haben und beschränkte das Verbot auf die Wiedergabe in wörtlicher oder indirekter Rede. Der Vorsitzende Richter des für Pressesachen zuständigen 10. Zivilsenats, Stefan Neuhaus, erläuterte im Termin zur Urteilsverkündung, bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit und dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens sei nach den Umständen des Falles dem Persönlichkeitsrecht Speers der Vorrang einzuräumen. Zwar bestehe am Verhalten von Personen des politischen Lebens unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Aus den umstrittenen E-Mails sei jedoch ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis der Beteiligten erkennbar: Sie hätten darauf vertraut, dass ihre Korrespondenz nicht einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht werde. Das verstärke den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht im Falle einer Veröffentlichung. Der Senat halte es für überwiegend wahrscheinlich, dass die E-Mails durch Straftaten Dritter beschafft worden seien. Die Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung könne den verantwortlichen Redakteuren nicht verborgen geblieben sein. Andererseits stehe es nicht fest, dass der Antragsteller eine Straftat begangen habe. Ein Mindestbestand an Beweistatsachen, der eine Verdachtsberichterstattung rechtfertigen könne, läge ebensowenig vor. Letztlich könne der Senat bei dieser Sachlage nicht feststellen, dass die Bedeutung der Information für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiege, die sich aus der strafbaren Informationsbeschaffung für den Politiker und die Geltung der Rechtsordnung ergäben. Die Entscheidung des Landgerichts, jede publizistische Nutzung der E-Mails zu verbieten, sei allerdings zu weitgehend. Es sei nur gerechtfertigt, ihre wörtliche oder sinngemäße Verbreitung zu untersagen. Mit ähnlicher Begründung hat das Kammergericht – abweichend vom Landgericht und in Abänderung erstinstanzlicher Entscheidungen – in drei weiteren Verfahren zu ähnlichen Themenkomplexen die Erledigung der Hauptsache festgestellt. Die dort gestellten Unterlassungsanträge - zwei davon gegen die Bild digital GmbH & Co. KG - seien zunächst gerechtfertigt gewesen. Der Rücktritt Speers sei jedoch als erledigendes Ereignis im Sinne des Prozessrechts anzusehen, weil dadurch ein neues Informationsinteresse der Öffentlichkeit an den Umständen der Amtsaufgabe entstanden sei. Da die Entscheidungen sämtlich in Eilverfahren ergangen sind, können sie nicht mit einem Rechtsmittel angegriffen werden. 1) Kammergericht, Urteil vom 18. April 2011 - 10 U 149/10 - Landgericht Berlin, Urteil vom 21. September 2010 - 27 O 685/10 - 2) Kammergericht, Urteil vom 18. April 2011 - 10 U 163/10 - Landgericht Berlin, Urteil vom 23. September 2010 - 27 O 729/10 – 3) Kammergericht, Urteil vom 18. April 2011 - 10 U 161/10 - Landgericht Berlin, Urteil vom 5. Oktober 2010 - 27 O 748/10 - 4) Kammergericht, Urteil vom 18. April 2011 - 10 U 162/10 - Landgericht Berlin, Urteil vom 5. Oktober 2010 - 27 O 742/10 Quelle: Pressemitteilung des KG Berlin v. 18.04.2011 zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 3. KG Berlin: Werbe-Einwilligung des Axel Springer-Verlages doch nicht rechtswidrig _____________________________________________________________ Das KG Berlin (Urt. v. 26.08.2010 - Az.: 23 U 34/10) hat entschieden, dass die von der Zeitung "Welt am Sonntag" eingesetzte Werbe-Einwilligung rechtmäßig ist. Der Axel Springer-Verlag verwendete nachfolgende Klausel auf einem Teilnahme-Coupon: "Ich bin damit einverstanden, dass die Welt am Sonntag meine Daten für Zwecke der Werbung, Marktforschung und Beratung nutzt und selbst oder durch Dritte verarbeitet und dass ich schriftlich, telefonisch oder per E-Mail über weitere Angebote informiert werde." Die Vorinstanz, das LG Berlin (Urt. v. 18.11.2009 - Az.: 4 O 89/09) stufte die Klausel als rechtswidrig ein. Ähnlich entschied das LG Berlin in dem Parallverfahren der "Berliner Morgenpost" (LG Berlin, Urt. v. 18.11.2009 - Az.: 4 O 90/09). In der Berufungsinstanz hat nun das KG Berlin im Fall der "Welt am Sonntag" die erstinstanzliche Verurteilung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die verwendete Klausel unterliege nicht den Regelungen der AGB-Kontrolle, so dass eine gerichtliche Überprüfung nicht in Frage komme. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Die vorliegende Entscheidung beruht ausschließlich auf formal-juristischen Gründen. Inhaltlich hat sich das KG Berlin mit der Frage der Zulässigkeit des Einwilligungstextes nicht näher beschäftigt. Trotz ausdrücklichem Hinweises durch das Gericht hatte der klägerische Bundesverband der Verbraucherzentralen seine Klage weiterhin ausschließlich auf § 1 UKlaG gestützt. Nach dieser Norm können Verbraucherschutzverbände rechtswidrige AGB-Klauseln gerichtlich verfolgen. Die Richter des KG Berlin nun verneinen die Eigenschaft der Einwilliungserklärung als AGB. Da sie außerhalb der sonstigen Bestimmungen gestanden habe und zudem eine Zustimmung keine Pflicht gewesen sei, handle es sich um keine AGB. Somit greife § 1 UKlaG nicht als Anspruchsgrundlage für eine Unterlassung. Hätte die Klägerseite ihren Anspruch auch auf wettbewerbsrechtliche Normen nach dem UWG gestützt, dann ist davon ausgegangen, dass sie mit der Klage erfolgreich gewesen wäre. Denn die verwendete Klausel ist in puncto sachliche Reichweite (= in welchen Inhalt von Werbung willige ich ein?) zu unbestimmt und damit rechtswidrig. Das KG Berlin erlaubt somit keineswegs die o.g. Klausel, sondern weist die Klage nur aus formalen Gründen ab. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OLG Celle: Weitergabe von Architekten-Entwurfsplan kann Schadensersatz auslösen _____________________________________________________________ Ein Entwurfsplan eines Architekten kann bei ausreichender Originalität und Individualität urheberrechtlichen Schutz genießen. Wird der Entwurfsplan ohne Zustimmung weitergegeben und genutzt, so liegt eine Urheberrechtsverletzung vor. Diese kann einen Schadensersatz in Höhe von 10.000,- EUR auslösen (OLG Celle, Urtl. v. 02.03.2011 - Az.: 14 U 140/10). Bei ausreichender Schöpfungshöhe können die Entwurfspläne eines Architekten urheberrechtlich geschützt sein. Wer diese Skizzen übernimmt und nachahmt, begeht eine Urheberrechtsverletzung. Die Celler Richter sprachen dem klägerischen Architekten einen Schadensersatz iHv. 10.000,- EUR zu. Er hatte ursprünglich für seinen Kunden, den Beklagten, einen Entwurf für eine Gewerbehalle entwickelt. Es kam schließlich jedoch nicht zu einer Zusammenarbeit. Wenig später erfuhr der Kläger, dass der Kunde seine Dokumente an einen anderen Architekten weitergeleitet hatte, der die Ausführungen übernommen hatte. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 5. OLG Frankfurt a.M.: Wettbewerbswidrige Reklame mit "Unabhängigkeit" bei eigentlicher Aktienmehrheit _____________________________________________________________ Ein Finanzdienstleistungsunternehmen darf nicht mit dem Begriff "unabhängig" werben, wenn ein Drittunternehmen einen 97% Aktienanteil am der Firma hat (OLG Frankfurt, Urt. v. 02.12.2010 - Az.: 6 U 238/09). Der Beklagte, ein Finanzdienstleister, warb für seine Produkte mit folgenden Aussagen: "(…) ist Europas größter unabhängiger Finanzdienstleister" Die Frankfurter Richter stuften dies als irreführend und somit wettbewerbswidrig ein. Denn die 97% der Geschäftsanteile der Beklagten würden von dem Unternehmen gehalten, dessen Finanzprodukte verkauft würden. Durch diesen Umstand entstehe zwangsläufig eine wirtschaftliche Abhängigkeit. Durch die Werbeaussagen werde jedoch das genaue Gegenteil erweckt. Nämlich, dass die Beklagte vollkommen autonom sei und vollkommen frei entscheiden könne. Dies sei gerade nicht der Fall. Siehe dazu auch die Entscheidung des LG Hannover (Urt. v. 30.06.2009 - Az.: 18 O 193/08), wo das Gericht auch von einem Wettbewerbsverstoß bei dieser Aussage ausging. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. OLG Hamm: Keine Speicherungspflicht von IP-Adressen und Daten "auf Zuruf" _____________________________________________________________ Ein Internet-Provider ist nicht verpflichtet, die IP-Adressen und weiteren Verbindungsdaten "auf Zuruf" zu speichern. Eine derartige Vorratsspeicherung im Hinblick auf mögliche zukünftige Urheberrechtsverstöße ist im Voraus nicht möglich (OLG Hamm, Urt. v. 02.11.2010 - Az.: I-4 W 119/10). Der Rechteinhaber eines Musikwerkes wollte vom Internet-Provider, dass dieser "auf Zuruf" IP-Adressen speichert. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der urheberrechtliche Auskunftsanspruch ins Leere laufe, weil keine Informationen mehr vorhanden seien. Das OLG Hamm lehnte einen Anspruch ab. Es gebe für diesen Anspruch keine Rechtsgrundlage. Auch wenn die Gefahr bestünde, dass der urheberrechtliche Internet-Auskunftsanspruch praktisch nutzlos werde, weil die Daten nicht mehr vorhanden seien, rechtfertige dies nicht ein solches Vorgehen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. OLG Köln: Keine zwingende Verantwortlichkeit für Internet-Anschlussinhaber bei P2P-Filesharingverstößen _____________________________________________________________ Sind die Umstände einer Filesharing-Urheberrechtsverletzung nicht abschließend geklärt, so kann dem Abgemahnten nicht von vornherein die Prozesskostenhilfe versagt werden. Vor allem, wenn dieser angibt, dass auch andere Personen - vorliegend der verstorbene Partner - zum streitgegenständlichen Zeitpunkt Zugriff auf den Computer hatten (OLG Köln, Beschl. v. 24.03.2011 - Az.: 6 W 42/11). Die Vorinstanz hatte das Prozesskostenhilfe-Gesuch noch abgelehnt (LG Köln, Beschl. v. 21.01.2011 - Az.: 28 O 482/10). Die Richter des OLG Köln hingegen bejahen die Möglichkeit der Unterstützung bei den Prozesskosten. Es führte in seiner Begründung aus, dass - entgegen der Ansicht der Vorinstanz - der Kläger keinen Beweis dafür angeboten habe, dass die Beklagte die Urheberrechtsverletzung begangen habe. Auch könne der Kläger sich vorliegend nicht auf die Beweiserleichterung stützen. Denn die eigentliche Vermutung, die dafür gesprochen habe, dass die Beklagte von ihrem Anschluss aus die Rechtsverletzung begangen habe, sei entkräftet. Denn es bestehe die realistische Möglichkeit, dass der Geschehensablauf tatsächlich abweichend gewesen sei. Denn der verstorbene Ehemann der Beklagten habe gleichermaßen Zugriff auf den PC gehabt, so dass dieser die Rechtsverletzung genauso habe begehen können.
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