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Newsletter vom 20.05.2015
Betreff: Rechts-Newsletter 20. KW / 2015: Kanzlei Dr. Bahr


anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 20. KW im Jahre 2015. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Schwerpunkten Recht der Neuen Medien, Glücksspiel- / Gewinnspielrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Datenschutzrecht, Presserecht und Wirtschaftsrecht.

Die Kanzlei Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: http://www.Dr-Bahr.com/kontakt.html


1. BGH: Keine Nutzung eines Gemäldes für Online-Möbelkatalog

2. OLG Hamm: Telefonnummer gehört in fernabsatzrechttliche Widerrufsbelehrung

3. OLG Köln: Werbe-Aussage eines TK-Unternehmens muss bei neuen Technologien (Vectoring) genau sein

4. OLG Schleswig: Streitwert bei illegaler Boot-Doppel-LP liegt bei 4.400,- EUR

5. LG Aachen: Ungebrauchtes, aber 20 Jahres altes Produkt keine "neue" eBay-Ware

6. LG Bonn: Fotos durch Privatpersonen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten rechtswidrig

7. LG Frankenthal: Heimliche Werbeanzeige eines gewerblichen Partnervermittlers ist wettbewerbswidrig

8. VG Münster: Gemeinde dürfen kostenlose Passfotos anbieten

9. VG Wiesbaden: Stopp der angekündigten Erteilung von 20 Sportwetten-Konzessionen an ausgewählte Bewerber

Die einzelnen News:

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1. BGH: Keine Nutzung eines Gemäldes für Online-Möbelkatalog
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Im Rahmen eines Online-Möbelkatalogs kann es problematisch sein, wenn fremde Gemälde als Beiwerk mit abgelichtet werden (BGH, Urt. v. 17.11.2014 - Az.: I ZR 177/13).

Die Beklagte veräußerte Möbel und setzte hierfür u.a. einen Produktkatalog ein, der auch online abrufbar war. Auf einer der Seiten war neben den Verkaufsgegenständen auch das Gemälde des Klägers zur Dekoration abgelichtet.

Die Vorinstanzen verneinten eine Urheberrechtsverletzung, weil es sich bei dem Gemälde lediglich um unwesentliches Beiwerk handle (§ 57 UrhG).

Dieser Ansicht ist der BGH in seiner aktuellen Entscheidung nicht gefolgt, sondern hat die Klageabweisungen aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückgewiesen.

Die Prüfung, ob ein Werk unwesentliches Beiwerk sei, setze zunächst die Bestimmung des Hauptgegenstandes voraus. Wird ein Gemälde zusammen mit zum Verkauf stehenden Möbeln in einer Fotografie und diese Fotografie im Verkaufskatalog des Möbelherstellers und auf seiner Internetseite abgebildet, sei der Hauptgegenstand im Regelfall nicht der gesamte Möbelkatalog oder der gesamte Internetauftritt des Anbieters, sondern lediglich die konkrete Fotografie.

Ein Werk sei im Verhältnis zum Hauptgegenstand unwesentlich, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könne, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffalle oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst werde.

Diese Fragen wird nun das Instanzgericht erneut zu entscheiden haben.

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2. OLG Hamm: Telefonnummer gehört in fernabsatzrechttliche Widerrufsbelehrung
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Das OLG Hamm hat in zwei aktuellen Entscheidungen (Beschl. v. 03.03.2015 - Az.: 4 U 171/14 und Beschl. v. 24.03.2015 - Az.: 4 U 30/15) geurteilt, dass ein Unternehmer seine Telefonnummer in der fernabsatzrechtlichen Widerrufsbelehrung angeben muss. Tut er dies nicht, liegt ein Wettbewerbsverstoß vor.

Das amtliche Muster verlange, so die Robenträger, die Angabe der Telefonnummer. Es handle sich um eine zwingende Angabe und keine freiwillige Option.

Geschehe dies nicht, so komme der Unternehmer nicht den gesetzlichen Anforderungen nach und handle wettbewerbswidrig.

Diese Pflicht gelte jedoch selbstverständlich nur dann, wenn der Anbieter über einen entsprechenden geschäftlichen Telefonanschluss verfüge.

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3. OLG Köln: Werbe-Aussage eines TK-Unternehmens muss bei neuen Technologien (Vectoring) genau sein
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Die Werbeaussage eines Telekommunikations-Unternehmens "Beim Herunterladen verdoppelt sich die Geschwindigkeit im VDSL-Netz von maximal 50 MBit/s auf 100 MBit/s. Beim Heraufladen vervierfacht sich die Geschwindigkeit sogar. Von 10 auf 40 MBit/s." ist irreführend, wenn es sich bei den angegebenen Werten um Maximal-Geschwindigkeiten handelt, die jedoch nicht immer (u.a. wegen technischer Gegebenheiten oder Auslastung des Netzes) erreicht werden (OLG Köln, Urt. v. 27.03.2015 - Az.: 6 U 134/14).

Die verklagte TK-Firma warb für ihre neue VDSL-Technik (Vectoring) u.a. wie folgt:

"Vectoring gleicht elektromagnetische Beeinflussungen zwischen den Kupferleitungen aus. Dadurch sind höhere Übertragungsgeschwindigkeiten möglich.

Beim Herunterladen verdoppelt sich die Geschwindigkeit im VDSL-Netz von maximal 50 MBit/s auf 100 MBit/s. Beim Heraufladen vervierfacht sich die Geschwindigkeit sogar. Von 10 auf 40 MBit/s."

Das OLG Köln sah darin eine irreführende Werbung, denn die genannten Geschwindigkeiten seien Maximalwerte, die jedoch nicht immer (u.a. wegen technischer Gegebenheiten oder Auslastung des Netzes) erreicht würden.

Herkömmlicherweise sei dem Kunden eine solche technische Einschränkung bekannt, so dass er nicht explizit darauf hingewiesen werden müsse. Im vorliegenden Fall handle es sich jedoch um noch nicht allgemein bekannte Technologien, so dass der Verbraucher eine solche eingeschränkte Erwartungshaltung eben nicht habe.

Daher führe die Werbung in die Irre und sei wettbewerbswidrig.

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4. OLG Schleswig: Streitwert bei illegaler Boot-Doppel-LP liegt bei 4.400,- EUR
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Der Streitwert für das Anbieten einer illegalen Boot-Doppel-LP mit 22 Musikstücken liegt bei 4.400,- EUR (OLG Schleswig, Beschl. v. 20.01.2015 - Az.: 6 W 36/14).

Die Beklagte bot eine Doppel-LP mit 22 Titeln (Bootleg-Album) einer bekannten Musikgruppe an. Die klägerische Rechteinhaberin ging daraufhin dagegen vor.

Das OLG Schleswig legte den Streitwert iHv. 4.400,- EUR fest.

Pro Musikstück sei von einem Wert von 50,- EUR auszugehen, der sich durch die Lizenzkosten vervierfache. Insgesamt ergebe sich daher ein Gesamtbetrag von 4.400,- EUR.

Streitwertmindernd sei zu berücksichtigen, dass - anders als CDs - der Bereich der Langspielplatten keine relevante wirtschaftliche Bedeutung mehr habe

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5. LG Aachen: Ungebrauchtes, aber 20 Jahres altes Produkt keine "neue" eBay-Ware
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Ein ungebrauchtes, aber 20 Jahres altes Produkt darf auf eBay.de nicht als neuwertige Ware verkauft werden (LG Aachen, Urt. v. 13.01.2015 - Az.: 41 O 60/14).

Der Beklagte bot bei eBay Kugellager wie folgt an:

"neu: Neuer, unbenutzter und unbeschädigter Artikel in nicht geöffneter Originalverpackung“

und

"Lager stammt aus einer Lagerauflösung ist NEU und original verpackt. Es sind mehrere Lager vorhanden.“

Die Produkte waren zwar ungebraucht, lagen aber seit 20 Jahren auf Lager. 

Das LG Aachen sah angesichts dieser Umstände den Beschreibungstext als irreführend an.

Wenn ein eBay-Artikel als "neu" deklariert werde, sei aus Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers davon auszugehen, dass der Artikel fabrikneu sei. Als fabrikneu könne eine Ware nur dann gelten, wenn sie noch nicht benutzt worden sei, durch Lagerung keinen Schaden erlitten habe und nach wie vor in der gleichen Ausführung hergestellt werde.

Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Angesichts der jahrelangen Lagerung könne eine Beschädigung nicht mehr ausgeschlossen werden. Es sei daher unzulässig, solche Waren als neuwertig zu bezeichnen.

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6. LG Bonn: Fotos durch Privatpersonen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten rechtswidrig
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Das Anfertigen von Fotos, auf denen unangeleinte Hunde mit ihrem Herrchen zu sehen sind und die Ordnungswidrigkeiten (hier: freies Laufenlassen des Hunden in einem Naturschutzgebiete) beinhalten, darf nicht durch Privatpersonen erfolgen (LG Bonn, Urt. v. 07.01.2015 - Az.: 5 S 47/14).

Der Beklagte, eine Privatperson, fotografierte den Kläger, weil dieser seinen Hund unangeleint in einem Naturschutzgebiet ausführte. Hierbei handelte es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Als der Betroffene sich gegen die Foto-Anfertigung wehrte, argumentierte der Beklagte, er setze sich für die Belange des Naturschutzes ein. Zudem sei sein Verhalten durch das "Recht auf effektive Anzeige" gerechtfertigt, da nur so der Verstoß beweissicher dokumentiert werden könne.

Das LG Bonn ist dieser Ansicht nicht gefolgt, sondern hat das Verhalten des Beklagten als rechtswidrig eingestuft.

Eine Privatperson könne sich nicht auf die Belange der Allgemeinheit, wie z.B. den Naturschutz, berufen. Auch gebe es kein subjektives Recht des Einzelnen, seine Anzeige so sicher wie möglich zu machen.

Vielmehr bestünde, so das Gericht, in Deutschland ein Gewaltenmonopol des Staates. Nur dem Staat stünden entsprechende Rechte zu. Auf diese Rechte könne der sich der Bürger grundsätzlich nicht berufen.

Darüber hinaus sehen die Robenträger auch die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt. Durch die Ablichtungen werde massiv in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingegriffen. Ohne sein Wissen wurde er mehrfach bei seinem Spaziergang und in der Nähe des Autos fotografiert. Eine solche Einschränkung stünde jedoch in keinem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Zweck.

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7. LG Frankenthal: Heimliche Werbeanzeige eines gewerblichen Partnervermittlers ist wettbewerbswidrig"
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Die heimliche Werbeanzeige eines gewerblichen Partnervermittlers, die als private Kontakt-Annonce getarnt ist, ist wettbewerbswidrig (LG Frankenthal, Urt. v. 13.01.2015 - Az.: 1 HK O 14/14).

Die verklagte Partnervermittlung inserierte in einem Wochenblatt die Annoncen "Er 54 s. Partnerin (gerne Ausländerin)” und “Sie 54 mollig sucht Partner”. Die Anzeigen waren in der Rubrik "Herzenswünsche" unter der Überschrift "Bekanntschaften" platziert.

Fragte ein Interessent nach, verlangte die Beklagte ein entsprechendes Vermittlungsentgelt.

Das Gericht stufte dies als irreführend ein, da der gewerbliche Charakter der Anzeige verschleiert werde. Der Leser gehe vielmehr davon aus, dass es um eine private Anfrage handle. Das Angebot einer gewerblichen Partnervermittlung erwarte er hingegen nicht.

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8. VG Münster: Gemeinde dürfen kostenlose Passfotos anbieten
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Das Verwaltungsgericht Münster hat mit Urteil vom 8. Mai 2015 (ohne mündliche Verhandlung) entschieden, dass das Angebot einer Gemeinde, ihren Bürgern bei der Beantragung von Ausweispapieren kostenlos Passfotos anzufertigen, nicht gegen Vorschriften insbesondere der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen verstößt.

Klägerin war eine Firma, die in der Stadt Vreden ein Foto-Fachgeschäft betreibt. Dort bietet sie unter anderem Passbilder an, die den Anforderungen des biometrischen Personalausweises bzw. Reisepasses entsprechen. Die beklagte Stadt Vreden, die für ihr Gemeindegebiet die zuständige Pass- und Personalausweisbehörde ist, bietet seit 2011 an, erforderliche Passbilder in ihrem Bürgerbüro durch ihre Mitarbeiter in digitaler Form kostenlos anzufertigen. Die  Mitarbeiter sind angewiesen, die Bilder ausschließlich für das jeweilige Ausweisdokument zu verwenden und nicht auszuhändigen.

Hiergegen wandte sich die Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung: Der öffentlichen Hand sei es verboten, über das sachlich gebotene und verfassungsmäßig zulässige Maß hinaus in den privatwirtschaftlichen Bereich einzugreifen. Die Beklagte handele durch ihr Angebot kostenloser Passbilder und die Werbung hierfür als Wettbewerberin. Sie trete privatrechtlich auf demselben sachlichen und räumlichen Markt auf wie die Klägerin und andere Passbilderhersteller in Vreden und Umgebung.

Die Handlungen der Beklagten seien auch geschäftlich. Hierfür sei unschädlich, dass sie die Leistungen unentgeltlich anbiete. Vielmehr sei der Eingriff der Beklagten eine besonders krasse Marktverzerrung, da sie ihre amtlichen Beziehungen einsetze, um den Absatz der eigenen Produkte zu steigern. Sie nutze hierbei auch das Vertrauen der Bürger in ihre Objektivität und Neutralität aus. Hierbei werde eine marktbeherrschende Position geschaffen und Unternehmen wie die Klägerin würden aus dem Markt gedrängt.

Dieser Argumentation folgte das Gericht jedoch nicht und wies die auf die Unterlassung des Angebots gerichtete Klage ab. In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es unter anderem: Der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch zu. Eine wirtschaftliche Betätigung der Beklagten im Sinne der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen durch die Herstellung der Lichtbilder sei zu verneinen.

Die Beklagte werde nicht am allgemein zugänglichen Markt tätig, sondern nur als Behörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens. Das Erstellen und Verarbeiten der Fotos könne nicht losgelöst von der hoheitlichen Aufgabe der Beklagten als Pass- bzw. Personalausweisbehörde betrachtet werden. Vielmehr sei das Erstellen der Passbilder ein nicht eigenständig zu bewertender Teil der Tätigkeit des Bürgeramts als Pass- bzw. Personalausweisbehörde, einer Einrichtung, zu der die Gemeinde gesetzlich verpflichtet sei.

Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen beantragt werden.

(Az.: 1 K 94/14 – nicht rechtskräftig)

Quelle: Pressemitteilung des VG Münster v. 13.05.2015

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9. VG Wiesbaden: Stopp der angekündigten Erteilung von 20 Sportwetten-Konzessionen an ausgewählte Bewerber
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Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden hat durch Beschluss vom 05.05.2015 das Land Hessen auf den Eilantrag eines österreichischen Sportwettenanbieters verpflichtet, bis zu einer Entscheidung im Klageverfahren die angekündigte Erteilung von Sportwetten, Konzessionen an die 20 ausgewählten Bewerber zurückzustellen.

Glücksspiele dürfen in Deutschland nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde veranstaltet und vermittelt werden. Der Glücksspielstaatsvertrag sieht deshalb vor, dass ab Juli 2012 für 7 Jahre Sportwetten probeweise mit einer Konzession veranstaltet werden dürfen, u.a., um insgesamt eine bessere Bekämpfung des Schwarzmarktes zu erreichen. Insgesamt dürfen 20 Konzessionen bundesweit vergeben werden. Für die Erteilung der Konzessionen in einem ländereinheitlichen Verfahren für alle Bundesländer ist das Land Hessen zuständig, das bei der Aufgabenerfüllung von dem Glücksspielkollegium der Länder unterstützt wird. Die Ausschreibung im Konzessionsverfahren erfolgte am 08.08.2012 europaweit. Das Verfahren wurde in zwei aufeinanderfolgenden Phasen abgewickelt. In der 1. Stufe mussten die in der Ausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt werden, in der 2. Stufe erhielten die Bewerber Gelegenheit, ihre Bewerbung zu ergänzen. Von den ursprünglich 73 Bewerbern um eine Konzession verblieben 35 Bewerber, die am 02.09.2014 die Mitteilung erhielten, dass die Konzessionserteilung an 20 ausgewählte Antragsteller am 18.09.2014 erfolgen solle. Aufgrund eines Eilantrags eines anderen Bewerbers, der einen ablehnenden Bescheid erhalten hatte, gab die Kammer dem Land Hessen auf, das Konzessionsverfahren offen zu halten und zunächst keine Konzessionen zu erteilen (5 L 1428/14.WI).

Auch die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens erhielt am 02.09.2014 einen ablehnenden Bescheid, da sie im Rahmen des Auswahlverfahrens nicht die erforderliche Punktzahl erreicht habe.

Nach Auffassung der Kammer weist das bisherige Verwaltungsverfahren zur Auswahl der Bewerber verschiedene Rechtsverstöße und Ausführungsmängel auf, die die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und den Anspruch auf ein diskriminierungsfreies und transparentes Auswahlverfahren (§ 4b GlüStV, Art. 3 Abs. 1 GG) verletzen.

Zwar sei der mehrstufige Aufbau des Auswahlverfahrens nicht zu beanstanden. Es fehle jedoch an der hinreichenden Transparenz, weil die Bewerber weder aus der Ausschreibung noch aus dem Gesetzestext des Glücksspielstaatsvertrags voll umfänglich hätten entnehmen können, was letztlich für eine erfolgreiche Bewerbung von ihnen gefordert werde. So sei den Bewerbern mitgeteilt worden, dass alle Einzelheiten zu den Mindestanforderungen sowie zur Auswahl der Konzessionäre erst mitgeteilt würden, wenn sie sich für die 2. Stufe qualifiziert hätten. Dabei hätten, so die Kammer, die Kriterien für das erfolgreiche Absolvieren der 2. Stufe bereits vor der Ausschreibung feststehen müssen.

Auch die inhaltliche Gestaltung des Auswahlverfahrens verstoße gegen die Anforderungen an eine rechtmäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Während in der Ausschreibung die Anforderungen für die 1. Stufe des Verfahrens aufgelistet und auf verwendbare Formblätter verwiesen werde, würden für die Erfüllung der Mindestanforderungen auf der 2. Stufe 5 Konzepte genannt, die eingereicht werden müssten, ohne dass inhaltliche Anforderungen hieran, Maßstäbe für Ergänzungsverlangen und Vorgaben für die schrittweise Verringerung der Zahl der Antragsteller genannt würden. Aus dem Glücksspielvertrag selbst ergebe sich weder die Forderung von 5 Konzepten noch enthalte er Verfahrensregelungen für das Auswahlverfahren. Im Hinblick auf die bereits laufende und auf 7 Jahre beschränkte Experimentierphase hätten im Voraus bestimmte Fristabschnitte festgelegt werden müssen, um das Behördenverfahren in einem absehbaren zeitlichen Rahmen zu halten. Die Bewerber hätten sich aber weder auf Fristabläufe/Fristverlängerungen noch auf Nachforderungen oder Änderungen von Memoranden und neugestaltete Formblätter einstellen oder bei ihre Bewerbung von vornherein einkalkulieren können. Der Glücksspielstaatsvertrag überlasse die Gestaltung des Konzessionsverfahrens weitestgehend dem Land Hessen, ohne dessen Gestaltungsermessen zu begrenzen oder in nachprüfbare Bahnen zu lenken.

Auch die Anzahl von 600 Fragen der Bewerber zur Klärung des Anforderungskatalogs zur 2. Stufe zeige, dass die Anforderungen nicht von vornherein verständlich und transparent gewesen seien. Die maßgeblichen Kriterien müssten aber auch im Verwaltungsvergabeverfahren sowohl für die Mindestanforderungen als auch für die Auswahlentscheidung so klar, präzise und eindeutig formuliert und im Vorhinein bekannt sein, dass jeder Bewerber sich gebührend informieren und deren Bedeutung verstehen und auslegen kann. Es sei nicht Aufgabe der Bewerber, so lange Fragen an die Behörde zu richten, bis deren Anforderungen und Entscheidungskriterien hinreichend deutlich geworden seien.

Auch der Prüfungsablauf und die Entscheidungsfindung seien intransparent geblieben. So werde nicht offengelegt, welche Personen mit welcher Qualifikation im jeweiligen Prüfteam eingesetzt gewesen seien und wie eine durchgängige Beurteilung des für alle Bewerber gleichen Kriterienkatalogs durch jeweils dieselben Prüfer gewährleistet worden sei. Auch die Entscheidungsfindung im Glücksspielkollegium, dessen Beschlüsse für das Land Hessen bindend seien, sei intransparent und fehlerhaft. Zwar müssten die Beschlüsse dieses Gremiums begründet werden, in den entsprechenden Sitzungsniederschriften fänden sich jedoch keine Begründungen für deren Entscheidungen, sondern nur das Abstimmungsergebnis. Außerdem könnten Behörden, die nach hessischem Landerecht tätig werden und Landesgewalt ausüben, ihre Entscheidungsfindung nicht einem Gremium überlassen, das aus Vertretern aller Bundesländer bestehe und dessen Beschlüsse nicht einstimmig, sondern nur mit 2/3 Mehrheit, also auch gegen die Stimme des hessischen Mitglieds getroffen werden. So sei auch die Auswahlentscheidung für die Vergabe der 20 Sportwetten, Konzessionen nicht einstimmig getroffen worden. Die Beschlüsse des Glücksspielgremiums könnten das Land Hessen keinesfalls von einer eigenständigen Entscheidung entbinden.

Neben den Durchführungsmängeln bestünden auch konzeptionelle Defizite des Konzessionsverfahrens. Das bislang zur Rechtfertigung des Monopols und nunmehr zur Begründung der nur beschränkten Konzessionierung herangezogene öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Spielsucht und der Lenkung des Spieltriebs in geordneten Bahnen sei das überragende Gemeinwohlziel. Entsprechend sei das Sozialkonzept von hervorgehobener Bedeutung, was aber in der konkreten Ausgestaltung nicht zum Ausdruck komme, da die Einzelanforderungen aller 5 Konzepte zur Erfüllung der Mindestvoraussetzungen gleich gewichtet würden.

Auch das eigentliche Auswahlverfahren zwischen den 35 verbliebenen Bewerbern weise zusätzliche Rechtsfehler auf, da an die Bewerber durch die Behörde Anforderungen gestellt wurden, die im Glücksspielstaatsvertrag nicht genannt seien. So seien von den Bewerbern Maßnahmen zur Unterstützung der Glücksspielaufsicht bei der Bekämpfung des Schwarzmarktes und zum Vorgehen gegen illegale Mitbewerber gefordert worden. Von dem einzelnen Konzessionär werde eine Ermittlungstätigkeit eingefordert, die nicht sein eigenes Geschäft, sondern die Tätigkeit anderer Glücksspielanbieter betreffe und die originär der behördlichen Glücksspielaufsicht obliege.

Die tatsächliche Bewertung der einzelnen Anforderungen im Auswahlverfahren könne nicht nachvollzogen werden, da der der Antragstellerin übermittelte Bescheid selbst hierzu keine Ausführungen enthalte. Aus den Beurteilungsbögen lasse sich eine individuelle und aus sich heraus verständliche Begründung für die konkrete Punktvergabe nicht feststellen. Die Begriffe „durchschnittlich“ oder „unterdurchschnittlich“ seien mangels Vergleichbarkeit nicht nachvollziehbar. Soweit der Prüfungsumfang in internen Besprechungen der Prüfteams festgelegt worden sei und sich die Prüfer im Fall divergierender Bewertungen auf eine Punktzahl einigten, könne von einer transparenten und für die Bewerber vorhersehbaren und nachvollziehbaren Auswahlentscheidung nicht gesprochen werden.

Außerdem müsse die gesamte oder jedenfalls die überwiegende Zeit der Experimentierphase den Konzessionären zur Verfügung stehen und dürfe nicht auch dazu dienen, der Behörde ein Experimentieren, wie ein Konzessionsverfahren gestaltet und abgewickelt werden könne, zu ermöglichen.

Gegen diesen Beschluss können die Beteiligten Beschwerde erheben, über die der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu entscheiden hat (Az.: 5 L 1453/14.WI).

Quelle: Pressemitteilung des VG Wiesabden v. 11.05.2015