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Die einzelnen News
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1.
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BPatG: Zeichen "NPD" nicht als Marke eintragbar, da Verstoß gegen die guten Sitten
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Das Zeichen “NPD” wird als Hinweis auf die verfassungsfeindliche Nationaldemokratische Partei Deutschland verstanden, sodass eine Markenanmeldung gegen die guten Sitten verstößt und nicht durchgeführt werden kann(BPatG, Urt. v. 02.12.2024 - Az.: 29 W (pat) 54/22). Die Buchstabenfolge “NPD” wurde als Wortmarke für verschiedene Waren- und Dienstleistungsklassen (z.B. Bekleidung, Werbung, Unterhaltung) beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) angemeldet. Die Markenstelle wies die Anmeldung zurück, weil das Zeichen mit der “Nationaldemokratischen Partei Deutschlands” assoziiert werde, die nach dem Bundesverfassungsgericht verfassungsfeindliche Ziele verfolge. Die Marke sei geeignet, das politische Empfinden eines erheblichen Teils der Bevölkerung zu verletzen,, sodass ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliege. Eine Anmeldung sei daher nicht möglich: “Nach diesen Grundsätzen verstößt das angemeldete Zeichen NPD gegen die guten Sitten, da es das politische oder moralische Empfinden eines beachtlichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise in erheblicher Weise verletzt. Dies gilt sowohl in Bezug auf die von der Mehrzahl der beanspruchten Waren und Dienstleistungen angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise, insbesondere den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, als auch für die von einem Teil der Dienstleistungen der Klasse 35 angesprochenen Geschäftskunden sowie für all diejenigen, die dem Zeichen im Alltag zufällig begegnen (…).”
Und weiter: "Bei der Buchstabenfolge "NPD" handelt es sich um die Abkürzung des Namens der im Jahre 1964 gegründeten Partei "Nationaldemokratische Partei Deutschlands", der hiesigen Anmelderin und Beschwerdeführerin, die sich im Laufe des Beschwerdeverfahrens in "Die Heimat" umbenannt hat (…). Die Abkürzung "NPD" wird von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres als Hinweis auf diese Partei verstanden, da die NPD regelmäßig und bundesweit Gegenstand medialer Berichterstattung ist bzw. war, vor allem im Zusammenhang mit den beiden NPD-Verbotsverfahren der Jahre 2001 bis 2003 und 2013 bis 2017. Andere geläufige und im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen naheliegende Bedeutungen lassen sich für die Buchstabenfolge "NPD" nicht feststellen, wie die Markenstelle bereits im Beanstandungsbescheid vom 14. Juni 2022 sowie im angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat."
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2.
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BAG: Erschütterung des Beweiswerts einer im Nicht-EU-Ausland erstellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
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Der Beweiswert einer im Nicht-EU-Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert sein, wenn nach der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung des zu würdigenden Einzelfalls Umstände vorliegen, die zwar für sich betrachtet unverfänglich sein mögen, in der Gesamtschau aber ernsthafte Zweifel am Beweiswert der Bescheinigung begründen. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei einer in Deutschland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Der Kläger ist seit 2002 als Lagerarbeiter bei der Beklagten mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.612,94 Euro beschäftigt. In den Jahren 2017, 2019 und 2020 legte er der Beklagten im direkten zeitlichen Zusammenhang mit seinem Urlaub Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Vom 22. August bis zum 9. September 2022 hatte der Kläger Urlaub, den er in Tunesien verbrachte. Mit E-Mail vom 7. September 2022 teilte er der Beklagten mit, er sei bis zum 30. September 2022 krankgeschrieben. Beigefügt war ein Attest vom 7. September 2022 eines tunesischen Arztes, der in französischer Sprache bescheinigte, dass er den Kläger untersucht habe, dieser an „schweren Ischialbeschwerden” im engen Lendenwirbelsäulenkanal leide, der Kläger 24 Tage strenge häusliche Ruhe bis zum 30. September 2022 benötige und er sich während dieser Zeit nicht bewegen oder reisen dürfe. Einen Tag nach dem Arztbesuch buchte der Kläger am 8. September 2022 ein Fährticket für den 29. September 2022 und reiste an diesem Tag mit seinem PKW zunächst mit der Fähre von Tunis nach Genua und dann weiter nach Deutschland zurück. Danach legte er der Beklagten eine Erstbescheinigung eines deutschen Arztes vom 4. Oktober 2022 vor, in der Arbeitsunfähigkeit bis zum 8. Oktober 2022 bescheinigt wurde. Nachdem die Beklagte dem Kläger mitgeteilt hatte, dass es sich ihrer Auffassung nach bei dem Attest vom 7. September 2022 nicht um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung handele, legte der Kläger eine erläuternde Bescheinigung des tunesischen Arztes vom 17. Oktober 2022 vor, in welcher der Arzt bescheinigte, den Kläger am 7. September 2022 untersucht zu haben. Weiter heißt es: „Er hatte eine beidseitige Lumboischialgie, die eine Ruhepause mit Arbeitsunfähigkeit und Reiseverbot für 24 Tage vom 07/09/2022 bis zum 30/09/2022 erforderlich machte.“
Die Beklagte lehnte die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ab und kürzte die Vergütung für September 2022 um 1.583,02 Euro netto. Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt Entgeltfortzahlung für September 2022 in dieser Höhe verlangt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Fünften Senat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die in einem Land außerhalb der Europäischen Union ausgestellt wurde, grundsätzlich der gleiche Beweiswert wie einer in Deutschland ausgestellten Bescheinigung zukommt, wenn sie erkennen lässt, dass der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden hat. Das Berufungsgericht hat aber bei der Würdigung der von der Beklagten zur Begründung ihrer Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vorgetragenen tatsächlichen Umstände nur jeden einzelnen Aspekt isoliert betrachtet und die rechtlich gebotene Gesamtwürdigung unterlassen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der tunesische Arzt dem Kläger für 24 Tage Arbeitsunfähigkeit bescheinigte, ohne eine Wiedervorstellung anzuordnen. Weiter buchte der Kläger bereits einen Tag nach der attestierten Notwendigkeit häuslicher Ruhe und des Verbots, sich bis zum 30. September 2022 zu bewegen und zu reisen, ein Fährticket für den 29. September 2022 und trat an diesem Tag die lange Rückreise nach Deutschland an. Zudem hatte er bereits in den Jahren 2017 bis 2020 dreimal unmittelbar nach seinem Urlaub Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Diese Gegebenheiten mögen – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – für sich betrachtet unverfänglich sein. In einer Gesamtschau begründen sie indes ernsthafte Zweifel am Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Das hat zur Folge, dass nunmehr der Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG trägt. Da das Landesarbeitsgericht – aus seiner Sicht konsequent – hierzu keine Feststellungen getroffen hat, war die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Januar 2025 – 5 AZR 284/24 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 16. Mai 2024 – 9 Sa 538/23 – Quelle: Pressemitteilung des BAG v. 15.01.2025
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3.
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KG Berlin: Preisanpassungs- und Leistungsänderungsklausel bei Playstation Plus von Sony unwirksam
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Die Preisanpassungs- und Leistungsänderungsklausel bei Playstation Plus von Sony ist unwirksam, so das KG Berlin (Urt. v. 30.10.2024 - Az.: 23 MK 1/23). Es ging um nachfolgende AGB-Regelungen in den Playstation Plus von Sony: "[4. PREISÄNDERUNGEN] Wir sind berechtigt, den Preis für das Abonnement zu ändern (d. h. zu erhöhen oder zu senken), um die uns entstehenden Kosten für die Bereitstellung des Abonnements zu decken, um sicherzustellen, dass das Abonnement als Dienstleistung bestandsfähig bleibt, und um auf marktrelevante Änderungen wie Wechselkurse, lokale Steuern oder Inflation zu reagieren. Wir werden dich mindestens 60 Tage vor Inkrafttreten einer Preiserhöhung per E-Mail darüber informieren. Vor Inkrafttreten der Preisänderung hast du die Möglichkeit zur Kündigung. (…) [5. PLAYSTATION PLUS-INHALTE UND-FUNKTIONEN] Die in diesem Abonnement enthaltenen Spiele, die jeweils zugehörigen Online-Funktionen und weitere Funktionen und Vorteile des Playstation Plus-Abonnements können ohne Vorankündigung geändert werden. [...].Die Anzahl und Verfügbarkeit der im Service enthaltenen Spiele können jederzeit geändert werden [...]."
Beides beurteilte das KG Berlin als rechtswidrig, sodass die Bestimmungen unwirksam waren. 1. Preisänderungen: Die Klausel zu den Preisänderungen räume dem Verbraucher keine ausreichende Kontrolle über Änderungen ein. Zugleich werde es der Beklagten erlaubte, einseitig Preise zu erhöhen, ohne Kostensenkungen zu berücksichtigen. Dies verstoße gegen das Transparenzgebot und die Gebote von Treu und Glauben. "Sie benachteiligt den Verbraucher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, weil es nach der Rechtsprechung des Senats an einem berechtigten Interesse für die Klausel mangelt (a), sie keine Verpflichtung der Beklagten als Verwendend vorsieht, gegebenenfalls die Preise zu senken (b) und der Beklagten praktisch unkontrollierbare Preiserhöhungsspielräume eröffnet (c). Die 2. Alt. „um sicherzustellen, dass ..." knüpft zudem nicht an eine Kostensteigerung als Anlass für eine Preisänderung an (d). Die 3. Alt. „um auf marktrelevante Änderungen ..."wiederum enthält keine Regelung, wonach kostensenkende Faktoren gegengerechnet werden."
2. Leistungsänderungen: Die Vorgaben zu den Leistungsänderungen seien unzulässig, da sie grundlos Änderungen an Funktionen und Inhalten erlaube und dem Kunden keine ausreichende Planungssicherheit biete. "Die Klausel (…) über die Änderung des Leistungsinhaltes verstößt gegen § 308 Nr. 4 BGB, da eine Änderung ohne jede Einschränkung und sogar grundlos erfolgen kann. Für den Kunden ist nicht ansatzweise absehbar, welche Leistungsänderungen er ohne Zustimmung hinzunehmen hat."
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, es läuft die Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH (Az III ZR 160/24).
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4.
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KG Berlin: Irreführende Online-Fahrschulwerbung
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Die Werbung für einen Online-Theorieunterricht für Fahrschüler, der den Eindruck erweckt, er sei beliebig mit dem praktischen Unterricht einer anderen Fahrschule kombinierbar, handelt irreführend. Denn erforderlich ist vielmehr eine enge Verzahnung zwischen Theorie- und Praxisteil (KG Berlin, Urt. v. 05.11.2024 - At.: 5 U 1/22). Die Beklagte bot Online-Theorieunterricht für Fahrschüler an und vermittelte diese an Partnerfahrschulen für den praktischen Unterricht. Dabei wurde der Eindruck vermittelt, dass der Online-Unterricht die Voraussetzungen für die gesetzlich vorgeschriebenen Theoriepflichtstunden erfüllt und problemlos auf die praktische Ausbildung anrechenbar ist. Das KG Berlin sah hierin eine wettbewerbswidrige Irreführung. Das Gesetz verlange, dass die theoretische und praktische Fahrausbildung inhaltlich, didaktisch und organisatorisch eng verzahnt sein müsse. Die Werbung der Beklagten suggerierte jedoch fälschlicherweise, dass der angebotene Online-Unterricht vollständig anerkannt und problemlos mit jeder praktischen Fahrschulausbildung kombinierbar sei. Dies sei jedoch unzutreffend, da unklar sei, ob hier tatsächlich eine ordnungsgemäße Theorie-Ausbildung gegeben sei: "Es besteht (…) die konkrete Gefahr, dass alleine schon die Aufteilung des PTU und des Praktischen Unterrichts auf zwei Fahrschulen nicht anerkannt wird, und deswegen die PFS darauf besteht, auch den PTU bei ihr zu absolvieren und/oder die Fahrerlaubnisbehörde die Ausbildung nicht anerkennt. Letztere Gefahr besteht erst recht im Hinblick auf eine zeitlich – und zwar bis zu 2 Jahre – versetzte Absolvierung der theoretischen und der praktischen Ausbildung. Zudem ist aus den obigen Ausführungen ersichtlich, dass die erforderliche Verzahnung von PTU und Praktischem Unterricht eine Zusammenarbeit, wenn nicht sogar eine Kooperation gem. § 20 FahrlG zwischen TFS und PFS erfordert. Dies setzt aber voraus, dass (vor allem) die PFS zu einer solchen Zusammenarbeit bereit ist, die für sie einen (erheblichen) Mehraufwand darstellt, da sie sich mit der nicht selten weit entfernten TFS abstimmen („verzahnen“) muss. Es besteht daher die konkrete Gefahr, dass die PFS nicht oder wenn überhaupt nur gegen eine Vergütung dieses Mehraufwandes bereit ist, lediglich den Praktischen Unterricht vorzunehmen. Damit ist es unzutreffend, dass der Fahrschulinteressent nach Absolvierung der PTU seinen Praktischen Unterricht unproblematisch bei der PFS seiner Wahl absolvieren kann. Selbst wenn die PFS dazu bereit wäre, besteht die konkrete Gefahr, dass die Fahrerlaubnisbehörde den PTU nur anerkennt, wenn zwischen den beiden Fahrschulen eine Kooperation gem. § 20 FahrlG besteht und nachgewiesen ist."
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5.
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OLG Celle: Nach BGH-Vorgabe für Facebook-Scraping 100,- EUR DSGVO-Schadensersatz
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In einem aktuellen Hinweisbeschluss hat das OLG Celle klargestellt, dass es den BGH-Vorgaben folgen und in den Facebook-Scraping-Fällen bereits aufgrund des objektiven Kontrollverlustes einen DSGVO-Schadensersatz iHv. 100,- EUR annehmen wird (OLG Celle, Beschl. 09.012025 - Az.: 5 U 173/23). 1. Objektiver Kontrollverlust ausreichend für 100,- DSGVO-Schadensersatz: In ihren Ausführungen stellen die Richter des OLG Celle klar, dass bereits ein objektiver Kontrollverlust ausreichend ist, um einen DSGVO-Ausgleich zu erhalten: "In Bezug auf die Höhe eines immateriellen Schadensersatzes gilt nach Maßgabe des derzeitigen Beratungsstands des Senats Folgendes: - Der bloße objektive Kontrollverlust stellt bereits einen immateriellen Schaden dar und es bedarf keiner sich daraus entwickelnden besonderen Befürchtungen oder Ängste der betroffenen Klagepartei; Letztgenannte wären lediglich geeignet, den eingetretenen immateriellen Schaden noch zu vertiefen oder zu vergrößern (BGH, a.a.O., Rn. 31). - Für den bloßen Kontrollverlust als solchen würde der Senat nach Maßgabe seines derzeitigen Beratungsstandes vorliegend einen immateriellen Schaden in Höhe von 100 € als angemessen ansehen (vgl. dazu BGH, a.a.O., Rn. 99, 100). - Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in Rn. 101 seines vorgenannten Urteils versteht der Senat so, dass gewisse mit dem eingetretenen Kontrollverlust für die betroffene Klagepartei einhergehende „Folgeerscheinungen“, die der Bundesgerichtshof als „mit dem eingetretenen Kontrollverlust für jedermann unmittelbar zusammenhängenden Unannehmlichkeiten“ bezeichnet, mit diesem Schadensersatzbetrag in Höhe von 100 € „mit abgegolten“ sind. Nach dem Verständnis des Senats obliegt es im Einzelfall dem jeweiligen Tatgericht zu prüfen, ob die von der jeweiligen Klagepartei schriftsätzlich behaupteten bzw. erstinstanzlich festgestellten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) „Folgeerscheinungen“ über diese Schwelle der „für jedermann unmittelbar zusammenhängenden Unannehmlichkeiten“ hinausgehen und demgemäß eine Anhörung der jeweiligen Klagepartei nach § 141 ZPO bedingen (BGH, a.a.O., Rn. 101) und sodann gegebenenfalls einen die Höhe von 100 € übersteigenden immateriellen Schadensersatz rechtfertigen."
2. Höherer Schadensersatz nur in begründeten Ausnahmefällen: Die Robenträger betonen, dass grundsätzlich von einem Wert von 100,- EUR Schadensersatz auszugehen sei. Nur in besonderen Ausnahmefällen könne ausnahmsweise auch ein höherer Wert anzunehmen sein: "Die von der Rechtsanwaltskanzlei W(…). vertretenen Klageparteien tragen nach dem Wissensstand des Senats (§ 291 ZPO) in sämtlichen Klageverfahren „psychische Folgeerscheinungen“ für die jeweilige Klagepartei aufgrund des streitgegenständlichen Datenverlustes wie folgt vor: (…) Das Landgericht Hannover hat jedenfalls in der ganz überwiegenden Mehrzahl der beim Senat in der Berufungsinstanz anhängigen Verfahren einen immateriellen Schadensersatz in Höhe von 500 € ausgeurteilt. Der Senat möchte nicht ausschließen, dass im Einzelfall auf Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ein so hoher immaterieller Schadensersatz auch tatsächlich gerechtfertigt ist, allerdings dürfte dies dann nach dem Verständnis des Senats von dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. November 2024 ganz besonders erheblicher Umstände bedürfen. Dazu möchte der Senat den folgenden Beispielsfall anführen: In dem Senatsverfahren 5 U 262/24 (LG Hannover – 18 O 237/23) ist namens der dortigen Klagepartei auf Seite 14 der Replik u.a. vorgetragen worden, dass „aufgrund des Datenlecks und deren Auswirkungen die Klägerseite aufgrund von Angstzuständen in ärztlicher Behandlung“ sei. Ein derartiger schriftsätzlicher Vortrag würde – aus Sicht des Senats gänzlich unzweifelhaft – das erkennende Tatgericht dazu verpflichten, im Bestreitensfalle die betreffende Klagepartei persönlich nach § 141 ZPO anzuhören. Denn diese behauptete (psychische) Folgeerscheinung geht evident (deutlich) über die Stufe der „mit dem eingetretenen Kontrollverlust für jedermann unmittelbar zusammenhängenden Unannehmlichkeiten“ hinaus."
Und weiter: "Hätte sich hiernach das erkennende Tatgericht von der Richtigkeit dieses Vortrags überzeugt gesehen, hätte dies aus Sicht des Senats durchaus einen immateriellen Schadensersatz in Höhe von zumindest 500 € (und ggf. sogar noch darüber hinausgehend) rechtfertigen können. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang noch, dass das Landgericht Hannover in dem vorgenannten Senatsverfahren die dortige Klagepartei angehört hat. Ausweislich Seite 2 unten/3 oben der dortigen Sitzungsniederschrift vom 17. Juni 2024 hat die dortige Klagepartei u.a. ausgeführt: „Wenn ich nach Ängsten gefragt werde, so habe ich zwar keine ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen müssen, ich habe aber Ängste insofern, als ich darum besorgt bin, dass mein Konto leergeräumt werden könnte durch missbräuchliche Verwendung meiner Daten“.
3. Straftat durch klägerische Anwaltskanzlei? Das Gericht geht sogar soweit, dass in den Fällen, in denen durch die klägerische Kanzlei objektiv wahrheitswidrige Behauptungen aufgestellt worden sind, ggf. von einer Straftat auszugehen sein könnte: "In Fällen solcher Art, wo sich also nachträglich im Rahmen einer persönlichen Anhörung das schriftsätzliche Vorbringen der Klagepartei als (mindestens objektiv) wahrheitswidrig herausstellt, mag im Einzelfall an eine Anwendung der Kostenvorschrift des § 96 ZPO (also betreffend die Kosten für die Anhörung) nachgedacht werden. Unabhängig davon sieht es der Senat in diesem Rahmen als geboten an, allgemein darauf aufmerksam zu machen, dass im Zivilprozess gemäß § 138 Abs. 1 ZPO das Wahrheitsgebot gilt und jedenfalls ein bewusster Verstoß dagegen eine Straftat darstellen kann."
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6.
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OLG Düsseldorf: DSGVO-Auskunftsverlangen nicht durch anderweitige Nutzung der Informationen ausgeschlossen
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Das OLG Düsseldorf hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass ein DSGVO-Auskunftsverlangen nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass (möglicherweise) eine anderweitige Nutzung der Informationen beabsichtigt ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.12.2024 - Az.: 16 W 93/23). Ein Kläger forderte von der Beklagten, die ein Online-Glücksspiel anbot, auf Basis der DSGVO Auskunft über seine Spiel- und Zahlungshistorie. Die Beklagte befürchtete, dass der Beklagte damit nur eine Klage auf Rückzahlung verlorener Spieleinsätze vorbereite. Die Düsseldorfer Richter haben klargestellt, dass grundsätzlich eine Auskunft zu erteilen sei. Art. 15 DSGVO sei nicht an andere Voraussetzungen geknüpft und werde insbesondere nicht durch die Tatsache ausgeschlossen, dass die so erlangten Daten für andere Zwecke verwendet würden: "Es steht einem Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO auch nicht entgegen, wenn sich die betroffene Person – wie bei einer sogenannten pre-trial discovery – dadurch Erkenntnisse zur Bezifferung eines Zahlungsantrags erhofft. Der in Art. 15 Abs. 1 DS-GVO normierte Auskunftsanspruch ist nicht an die Voraussetzung geknüpft, dass die betroffene Person mit den erwünschten Angaben und Informationen in bestimmter Weise verfährt (…). Das Recht auf Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO besteht in den Grenzen des Art. 12 Abs. 5 DS-GVO unabhängig von den mit der Auskunft verfolgten Zwecken."
Und weiter: “Der Auskunftsanspruch ist auch weder davon abhängig, dass die betroffene Person ihn begründet (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 – C-307/22, juris, Rn. 38 und 43), noch an die Voraussetzung gebunden, dass dem Betroffenen die erfragten Daten und Informationen gänzlich unbekannt sind (…).”
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7.
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LG Düsseldorf: Preiserhöhung bei Amazon Prime rechtswidrig
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Die Preiserhöhung bei Amazon Prime war rechtswidrig, so das LG Düsseldorf (Urt. v. 15.01.2025 - Az.: 12 O 293/22). Amazon hatte im September 2022 die Preise für seinen Dienst Amazon Prime erhöht, und zwar von 69,00 EUR auf 89,90 EUR jährlich. (bei monatlicher Zahlung von 7,99 EUR auf 8,99 EUR). Die Klausel, auf die sich Amazon berief, lautet: "Wir sind berechtigt, die Mitgliedsgebühr nach billigem Ermessen und sachdienlich gerechtfertigten sowie objektiven Kriterien anzupassen. Soweit Sie in Deutschland leben oder deutsches Recht Anwendung findet, bleibt § 315 BGB unberührt. Eine Erhöhung der Mitgliedsgebühr kommt in Betracht und eine Ermäßigung der Mitgliedsgebühr ist vorzunehmen (insgesamt: „Änderung der Mitgliedsgebühr“), um die uns entstehenden Kostensteigerungen und/oder Kostenersparnisse weiterzugeben, die auf von uns nicht beeinflussbaren äußeren Umständen beruhen und die sich auf die konkreten Kosten des Prime-Services in Ihrem Land auswirken, wie etwa Gesetzesänderungen, behördliche Verfügungen, allgemeine Preisänderungen für die erforderliche Hard-und/oder Software, Produktion und Lizensierung, sonstige allgemeine Kosten wie etwa Kosten externer Dienstleister, Lohnerhöhungen und/oder Änderungen von Steuern und Gebühren und/oder generelle und wesentliche Kostenänderungen aufgrund von Inflation oder Deflation. Eine Änderung der Mitgliedsgebühr wird nur in dem Ausmaß erfolgen, in dem sich unsere eigenen Kosten und/oder Steuern und/oder Ausgaben insgesamt reduzieren oder erhöhen. Somit werden wir Kostensteigerungen nur an Sie weitergeben, wenn und soweit diese nicht durch anderweitige Kostenreduzierungen ausgeglichen werden. Wir werden keine Änderungen der Mitgliedsgebühr vornehmen, die sich auf das vertragliche Gleichgewicht zwischen dem Prime-Service und der von Ihnen dafür erbrachten Mitgliedsgebühr auswirken (…)."
Die klägerische Verbraucherzentrale stufte dies als unzulässig ein. Das LG Düsseldorf gab den Verbraucherschützern hinsichtlich dieses Punktes Recht. Die Klausel stelle einen Verstoß gegen das Transparenzgebot dar. Der Verbraucher könne nicht nachvollziehen, wann und in welchem Umfang eine Preisänderung erfolgen würde. Insbesondere der Verweis auf “generelle und wesentliche Kostenänderungen aufgrund von Inflation” sei zu unbestimmt. Die Klausel eröffne Amazon einen unkontrollierten Spielraum zur Preisanpassung. Zudem könne Amazon den Vertrag mit einer Frist von 14 Tagen kündigen, sodass eine langfristige Kalkulation mit Preisanpassungsklauseln nicht erforderlich sei. "Die beanstandete Klausel (...) verstößt ebenfalls gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, indem sie nicht hinreichend klar und verständlich ausgestaltet ist. Für den durchschnittlich verständigen und informierten Verbraucher ist das in der betreffenden Klausel genannte Kriterium „generelle und wesentliche Kostenänderungen aufgrund von Inflation oder Deflation" nicht tauglich, um etwaige Anhebungen vorherzusehen bzw. ergangene Preisanpassungen auf Plausibilität überprüfen zu können. Bei der Inflation handelt es sich gerade nicht um eine feste, von dritter Seite bestimmte Größe wie beispielsweise den Basiszinssatz, bei welchem der Verbraucher unter Umständen an Hand einer bestimmten Entwicklung in der Vergangenheit die möglichen Preisanpassungen in der Zukunft abschätzen könnte."
Und weiter: "Ferner ist hier der Zuschnitt der über das Prime-Angebot erbrachten Dienstleistungen zu betrachten. Es handelt sich um ein weit diversifiziertes Angebot an verschiedenen Leistungen, die vom kostenfreien und schnelleren Versand bis hin zu Streaming-Angeboten reichen. Eine Plausibilitätsprüfung der Preisanpassung an Hand des Kriteriums „wesentliche Kostensteigerung durch Inflation“ ist dem Verbraucher durch die Kopplung der unterschiedlichsten Marktsegmente schlicht unmöglich. Neben den weiteren in der Klausel aufgeführten und durchaus nachprüfbaren Kriterien - beispielsweise Lohnerhöhungen oder gestiegene Produktionskosten - eröffnet das Kriterium der Kostensteigerung durch Inflation ein gleichsam unüberprüfbares Einfallstor für jedwede von Unternehmensseite gewünschte Preiserhöhung. Genau dies soll aber auch unter Berücksichtigung des Flexibilitätserfordernisses des Verwenders vermieden werden."
Hinweis: Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
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8.
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LG Köln: Unbegründeter Copyright-Strike ggü. Streaming-Portal ist unberechtigte Schutzrechtsverwarnung
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Ein unbegründeter Copyright-Strike ggü. einem Streaming-Portal ist eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ggü. dem tatsächlich berechtigten Urheber (LG Köln, Urt. v. 09.01.2025 - Az.: 14 O 387/24). Der Kläger, ein Musiker, veröffentlichte im Oktober 2024 gemeinsam mit anderen Dritten eine neue Single auf verschiedenen Musik-Streaming-Plattformen. Kurz nach der Veröffentlichung wurde die Aufnahme auf zwei großen Plattformen (darunter YouTube) gesperrt. Erst später erfuhr der Musiker, dass die Sperrung durch eine Urheberrechtsbeschwerde ("Copyright-Strike") eines Mitarbeiters der Beklagten, eines Musiklabels, ausgelöst worden war. Zwischen den Parteien bestand zuvor ein Künstlervertrag, der jedoch durch den Kläger gekündigt wurde. Das Label beanspruchte jedoch weiterhin Rechte an den Werken des Musikers. Eine vorherige Abmahnung oder Aufforderung durch das Label erfolgte nicht. Der Kläger ging erfolgreich gegen das Musiklabel vor und untersagte ihm, gegen Streaming-Portale weitere Sperrungsaufforderungen zu verschicken. Das Gericht nahm die Grundsätze der sogenannten unberechtigten Schutzrechtsverwarnung an, da das Label in die Geschäftsbereiche des Klägers unerlaubt eingegriffen habe: "Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH, dass die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition des Gewerbetreibenden darstellen kann, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden (BGH Beschluss vom 15. 7. 2005 - GSZ 1/04 – NJW 2005, 3141 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung). Nun liegt dieser Fall hier zwar mit Blick auf die beteiligten Personen anders, jedoch sind die obigen Erwägungen auch auf die hier erfolgte unberechtigte Rechteberühmung gegenüber einem Verwertungskanal des tatsächlich berechtigten Urhebers bzw. Leistungsschutzrechtsinhabers übertragbar. Denn durch den Aufstieg der Internetplattformen, die überdies regelmäßig die Anforderungen des UrhDaG erfüllen müssen, ist die Rechtebeschwerde gegenüber der Plattform, hier U., funktional mit einer Schutzrechtsverwarnung gegenüber Abnehmern vergleichbar. Die Kammer beobachtet insoweit auch, dass „Copyright-Strikes“ zum Teil alleine ohne flankierende Abmahnung vorgenommen werden (…). Faktisch verschiebt sich damit der Fokus der Auseinandersetzungen bei Rechteberühmungen weg von den oben bereits angesprochenen hergekommenen rechtsförmlichen außergerichtlichen Schreiben (z.B. Berechtigungsanfragen und Abmahnungen) hin zur Nutzung der Beschwerdeverfahren der Plattformen. Diese „Strikes“ – seien sie bei U. oder RU. oder anderen Plattformen – zeigen oft unmittelbare Wirkung wie im vorliegenden Fall. Zur Abwendung einer eigenen Haftung der Plattform durch die Regeln des UrhDaG (siehe insbesondere § 1 Abs. 1 und 2 UrhDaG) werden dabei regelmäßig vorsorglich Inhalte blockiert. Diese „Copyright-Strikes“ sind deshalb noch erheblich effektiver als eine bloße Schutzrechtsverwarnung, weil sie durch die zu erwartende Sperrreaktion des Plattformbetreibers unmittelbar und ohne ein notwendiges Zutun der zu Unrecht abgemahnten Person Wirkungen entfalten. Demnach ist in einer unberechtigten, pauschalen und nicht nachvollziehbar begründeten Urheberrechtsbeschwerde gegenüber einer Online-Plattform erst recht ein Verstoß in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Urheber, Rechteinhaber bzw. Content-Creator anzunehmen."
Und weiter: "b) Die Antragsgegnerin hat mit ihrer aus Anlagen ASt 7 und 8 zur Akte gereichten Beschwerde gegenüber U. durch ihren Mitarbeiter X. V. eine solche unberechtigte und pauschale Urheberrechtsbeschwerde eingereicht. Die Antragsgegnerin verfügt nach der Glaubhaftmachung des Antragstellers (Anlage ASt 5) sowie nach dem gerichtsbekannten Sachverhalt zur Beendigung früherer Rechtsbeziehungen der Parteien zueinander über keine Rechte an dem hier gegenständlichen Musikstück „I.“. Dabei hat der Antragsteller zunächst glaubhaft gemacht, dass das Lied „I.“ im November 2023 geschaffen und aufgenommen worden ist. Die Antragsgegnerin war dabei auch jedenfalls nicht als Tonträgerherstellerin beteiligt. Die Kammer nimmt im Übrigen Bezug auf ihre eigenen Ausführungen im Urteil im vorangegangenen Verfahren der Parteien vor der Kammer zum Aktenzeichen 14 O 354/23 sowie das dazugehörige Berufungsurteil des OLG Köln zum Aktenzeichen 6 U 167/23. Eine Wiederholung ist nicht geboten. Aus den Urteilen ergibt sich, dass das frühere Vertragsverhältnis Ende des Jahres 2022 durch wirksame außerordentliche Kündigung des Antragstellers beendet worden ist. Bei dieser Wertung bliebt die Kammer. Der Antragsgegnerin stehen deshalb jedenfalls für die hier gegenständlichen neuen Werke bzw. Darbietungen des Antragstellers keine Rechte zu. Vor diesem Hintergrund und angesichts der direkten zeitlichen Nähe der Urheberrechtsbeschwerde zur Erstveröffentlichung liegt eine Handlung mit Schädigungsabsicht vor. Wie der Antragsteller nachvollziehbar darstellt, wurden durch die Sperre bei U. die ersten Tage der wichtigen ersten Auswertungsphase des neuveröffentlichten Musikstücks behindert. Demnach dürften neben dem oben bereits bejahten Verstoß gegen § 823 Abs. 1 BGB auch die Verwirklichung von § 826 BGB anzunehmen sein, was hier jedoch nicht vertieft werden muss.“
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9.
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LG München I: Coaching-Plattform für Kryptowährung muss 1.500 EUR an Kunden zurückzahlen
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Die 44. Zivilkammer des Landgerichts München I hat heute die Betreiberin einer Plattform für Online-Coaching zur Rückzahlung von 1.500 EUR an eine Kundin verurteilt. Zudem hat das Landgericht München I festgestellt, dass der zwischen Kundin und Anbieterin geschlossene Vertrag nichtig ist (44 O 16944/23). Der beklagten Plattformbetreiberin fehle schon die erforderliche Zulassung für das Anbieten von Fernunterricht. Die Kundin war zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitigen Vertrages erwerbslos. Sie trug vor, sie sei durch Werbung in sozialen Medien und den mit ihr online verhandelnden Coach, der ihr gegenüber als Finanzexperte auftrat, überrumpelt worden. Mit der Klage verfolgte sie daher das Ziel, sich von diesem Vertrag wieder zu lösen. Die Plattformbetreiberin war dagegen der Auffassung, der im Streit stehende Vertrag sei wirksam. Insbesondere sei das Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (Fernunterrichtsschutzgesetz – FernUSG) und die dort geregelten Schutzmechanismen nicht auf den Vertrag anwendbar. Denn die Klägerin habe den Vertrag als Existenzgründerin geschlossen und sei daher wie eine Unternehmerin zu behandeln. Außerdem habe sie im Rahmen des Bestellvorgangs aktiv auf ihr Widerrufsrecht verzichtet. Dem ist das Gericht nicht gefolgt und hat die Klage weitgehend zugesprochen. Die klagende Kundin sei von der Beklagten beim Bestellprozess wahrscheinlich schon nicht ausreichend über ihr Widerrufsrecht belehrt worden. Selbst wenn sie beim Vertragsschluss als Existenzgründerin gehandelt habe, sei der Vertrag jedoch bereits nichtig, da das FernUSG zu ihrem Schutz in diesem Fall auf sie anwendbar sei. Die Beklagte habe der Klägerin Fernunterricht angeboten, ohne über die hierfür erforderliche Erlaubnis zu verfügen. Gerade der Schutzzweck des Gesetzes spreche dafür, das Gesetz auch auf Personengruppen anzuwenden, die nicht Verbraucher seien. Geschützt werden sollten nämlich allgemein vor Anbietern, die nicht durch eine staatliche Stelle geprüft wurden und deren Qualität der Bildungswillige schon angesichts der räumlichen Distanz schlechter prüfen kann als bei einer Bildungsmaßnahme in Präsenz. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erwerbslos und in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation gewesen. Selbst wenn unterstellt werde, dass sie sich mit der angebotenen Bildungsmaßnahme eine Existenz im Bereich E-Commerce habe aufbauen wollen, sei ihre Schutzbedürftigkeit nicht wesentlich geringer gewesen als die eines Verbrauchers im Sinne des § 13 BGB. Damit hat die Klage der Kundin ganz überwiegend Erfolg. Lediglich hinsichtlich eines von der Klägerin geforderten immateriellen Schadenersatzes für den behaupteten Kontrollverlust über ihre Daten im Rahmen des Bestellvorgangs hat das Gericht die Klage abgewiesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 15.01.2025 Zum Hintergrund: Das Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (Fernunterrichtsschutzgesetz – FernUSG) regelt in Deutschland Rechte und Pflichten der Anbieter und Teilnehmer beim Fernunterricht. Das Gesetz bestimmt unter anderem, dass Fernlehrgänge einer staatlichen Zulassung bedürfen, und definiert umfassende Informations- und Vertragspflichten für zulassungspflichtige Fernlehrgänge. § 7 FernUSG (1) Ein Fernunterrichtsvertrag, der von einem Veranstalter ohne die nach § 12 Abs. 1 erforderliche Zulassung des Fernlehrgangs geschlossen wird, ist nichtig.
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VG Osnabrück: "Automatenshop" darf an Sonn- und Feiertagen nicht länger als drei Stunden öffnen
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Mit Beschluss vom gestrigen Tag (Az.: 1 B 61/24) hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Osnabrück den Antrag der Betreiberin eines „Automatenshops“ auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer noch anhängigen Klage abgelehnt. Hintergrund ist eine Anordnung der Stadt Papenburg vom 26. Juni 2024, nach der die Antragstellerin ihre in dem „Automatenshop“ befindlichen Verkaufsautomaten an Sonn- und Feiertagen höchstens drei Stunden außerhalb der ortsüblichen Gottesdienstzeiten betreiben darf. Der streitgegenständliche „Automatenshop“ verfügt über elf Automaten, die Rauchwaren, Hygieneartikel, alkoholfreie und alkoholhaltige Getränke sowie Sacks anbieten. Außerdem befinden sich in dem Raum, der durchgehend zugänglich und videoüberwacht ist, ein Kaffee‑, ein Box- und ein Schlagkraftautomat („Hau den Lukas“) sowie ein Airhockeytisch. Die Stadt Papenburg meint, dass der „Automatenshop“ hinsichtlich der Öffnungszeiten den Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) unterliege. Folglich müsse sich die Antragstellerin an das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung halten. Die Behörde ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung vom 26. Juni 2024 an. Der hiergegen gerichtete Eilantrag hat keinen Erfolg. Die Kammer folgte hier dem Vortrag der Antragsgegnerin. So sei die Anordnung vom 26. Juni 2024 voraussichtlich rechtmäßig. Zwar falle ein einzelner Warenautomat nicht unter die Regelungen des NLöffVZG. Der streitgegenständliche „Automatenshop“ mit elf Warenautomaten sei allerdings als Verkaufsstelle im Sinne des § 1 Abs. 1 Alt. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 NLöffVZG anzusehen. So sei der Shop eine Einrichtung, in der von einer festen Stelle aus ständig Waren verkauft werden. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 NLöffVZG gehören zu Verkaufsstellen außer Ladengeschäften aller Art auch Kioske. Einem solchen ähnele der „Automatenshop“. Es sei hier unerheblich, dass kein persönlicher Verkauf stattfinde. Die grundgesetzlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe sei durch das Angebot dennoch beeinträchtigt. Der Niedersächsische Gesetzgeber habe - bisher - nicht deutlich gemacht, dass automatisierte oder digitale Verkaufsstellen nicht unter diese Regelung fallen sollen. Die Stadt Papenburg hatte darüber hinaus mit einer weiteren Anordnung vom 28. August 2024 die Antragstellerin aufgefordert, eine Gaststättenanzeige i. S. d. § 2 NGastG spätestens bis zum 18. September 2024 einzureichen, sofern sie über ihre Automaten weiterhin Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle anbiete. Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wurde ebenfalls angeordnet. Dem hiergegen eingereichten Eilantrag gab die 1. Kammer mit weiterem Beschluss vom 14. Januar 2025 (Az.: 1 B 79/24) statt. So sei nach der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der streitgegenständliche „Automatenshop“ nicht dem Gaststättengewerbe zuzuordnen. Die Einrichtung vermittele nach Aktenlage vielmehr den Eindruck, dass die weit überwiegende Anzahl der Verkaufsgeschäfte mit dem Ziel der Mitnahme erfolge. Insofern sei der Antragstellerin darin beizupflichten, dass der Raum insbesondere wegen des Fehlens von Sitz- oder Abstellmöglichkeiten im Kern keine Anreize setze, sich längerfristig zum Getränkeverzehr dort aufzuhalten, auch wenn er zudem über Vergnügungsautomaten verfüge. Die Beschlüsse (Az.: 1 B 61/24 und 1 B 79/24) können von der jeweils Unterlegenen binnen zwei Wochen nach Zustellung mit der Beschwerde vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht angefochten werden. Quelle: Pressemitteilung des VG Osnabrück v. 15.01.2024
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