Zurück
Newsletter vom 16.11.2022
Betreff: Rechts-Newsletter 46. KW / 2022: Kanzlei Dr. Bahr


1. BGH: "sale and rent back"-Geschäft von Pfando wucherähnlich

2. BGH: Beginn der Verjährung einer Vertragsstrafe

3. BGH: Unwirksamkeit der Klausel zu einem Jahresentgelt in der Ansparphase von Bausparverträgen

4. OLG Köln: Rückzahlungsanspruch eines Spielers bei Teilnahme an ausländischem Online-Glücksspiel

5. OVG Münster: Neutralitätspflicht gilt auch für Webseite einer Stadt = Artikel muss entfernt werden

6. OVG Münster: Verteidigungsministerium muss Presse Fragen zum Hubschrauber-Foto des Sohnes der Ministerin beantworten

7. LG Augsburg: Kein DSGVO-Auskunftsanspruch bei sachfremden Motiven

8. LG Köln: 4.000,- EUR DSGVO-Schadensersatz, wenn Daten unerlaubt ggü. Arbeitgeber offenbart werden

9. LG München I: Wo "Glühwein" draufsteht, muss auch Glühwein drin sein!

10. LG Offenburg: Boris Becker durch Pocher nicht in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt


Die einzelnen News:

____________________________________________________________

1. BGH: "sale and rent back"-Geschäft von Pfando wucherähnlich
_____________________________________________________________

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über die Frage entschieden, ob ein nach § 34 Abs. 4 GewO i.V.m. § 134 BGB verbotenes Rückkaufsgeschäft beziehungsweise ein wucherähnliches Geschäft (§ 138 Abs. 1 BGB) vorliegt, wenn ein staatlich zugelassener Pfandleiher gewerblich Kraftfahrzeuge ankauft, diese an den Verkäufer zurückvermietet und nach dem Ende der vertraglich festgelegten Mietzeit durch öffentliche Versteigerung, an der der Verkäufer teilnehmen kann, verwertet.

Sachverhalt:
Die Beklage betreibt bundesweit ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus. Im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit kauft sie Kraftfahrzeuge an und vermietet diese unmittelbar an die Verkäufer zurück ("sale and rent back"). Am Ende des Mietverhältnisses gibt sie die Kraftfahrzeuge zur öffentlichen Versteigerung.

In allen vier Verfahren veräußerten die Kläger (Kunden) der Beklagten ihr Kraftfahrzeug. Nach den vertraglichen Vereinbarungen soll das betroffene Kraftfahrzeug nach dem Ende der jeweils für 6 Monate vereinbarten Mietzeit im Wege der öffentlichen Versteigerung, an der die jeweiligen Kläger und auch die Beklagte teilnehmen dürfen, durch die Beklagte verwertet werden. Der vertraglich vereinbarte Aufrufpreis setzt sich jeweils aus dem Ankaufspreis zuzüglich verschiedener weiterer Positionen, wie ausstehender Mieten, nicht ersetzter Schäden und den Kosten der Versteigerung zusammen. Ein in der Versteigerung erzielter Mehrerlös soll den Klägern nach dem Mietvertrag dann nicht zufließen, wenn sie das Kraftfahrzeug selbst erfolgreich im Wege der Versteigerung erwerben.

Bisheriger Prozessverlauf:
In allen vier Verfahren haben die Berufungsgerichte angenommen, dass nach einer Gesamtbetrachtung von Kauf- und Mietvertrag ein gemäß § 34 Abs. 4 GewO verbotenes Rückkaufsgeschäft gegeben sei. Der Verstoß gegen § 34 Abs. 4 GewO führe gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit der geschlossenen (Kauf- und Miet-)Verträge. In drei der Verfahren (VIII ZR 221/21, VIII ZR 290/21, VIII ZR 436/21) sind die Berufungsgerichte ferner davon ausgegangen, dass sich die Nichtigkeit auch auf die jeweilige Übertragung des Eigentums an dem Kraftfahrzeug erstrecke.

In einem Verfahren (VIII ZR 436/21) hat das Berufungsgericht zusätzlich eine Nichtigkeit des Kauf- und Mietvertrags sowie der Übereignung des Kraftfahrzeugs wegen Vorliegens eines wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) angenommen.

Im Verfahren VIII ZR 221/21 verkaufte die Klägerin ihr Kraftfahrzeug vom Typ Smart Fortwo MHD am 13. August 2018 für 1.500 € an die Beklagte. Das Kraftfahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Marktwert von 4.500 €. Nach Unterzeichnung der Verträge erhielt die Beklagte von der Klägerin den Zweitschlüssel und die Zulassungsbescheinigung Teil II. Der Klägerin wurde von der Beklagten ein Barscheck über 1.500 € ausgehändigt. Diesen löste sie jedoch nicht ein und zahlte an die Beklagte auch keine Miete.

Das Landgericht hat festgestellt, dass die Klägerin Eigentümerin des Kraftfahrzeugs geblieben sei, und hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Zulassungsbescheinigung Teil II und den Zweitschlüssel herauszugeben. Ferner hat es festgestellt, dass der Beklagten aus dem Mietvertrag keine Ansprüche gegen die Klägerin zustünden. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, 2 U 116/20) hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Im Verfahren VIII ZR 288/21 verkaufte der Kläger sein Kraftfahrzeug vom Typ Land Rover Defender am 9. Mai 2019 zum Preis von 15.000 € an die Beklagte. Das Kraftfahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Händlereinkaufswert von wenigstens 19.500 €. Während der bis zum 9. November 2019 vereinbarten Mietzeit verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung einer monatlichen Miete in Höhe von 1.275 €. Er zahlte an die Beklagte für die gesamte Vertragslaufzeit Miete in Höhe von 7.650 € sowie eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 99 €, insgesamt also 7.749 €.

Die zuletzt auf Verurteilung der Beklagten zur Rückübereignung des Kraftfahrzeugs an den Kläger, Zug um Zug gegen Zahlung von 15.000 €, sowie zur Rückzahlung von 7.749 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat in beiden Instanzen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, 2 U 125/20) zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Im Verfahren VIII ZR 290/21 verkaufte die Klägerin ihr Kraftfahrzeug vom Typ Ford Focus am 7. Januar 2020 zum Preis von 3.000 € an die Beklagte. Das Kraftfahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Verkehrswert von wenigstens 4.500 €. Während der bis zum 7. Juli 2020 vereinbarten Mietzeit verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung einer monatlichen Miete in Höhe von 297 €. Nach Unterzeichnung der Verträge überwies die Beklagte an die Klägerin 2.758,77 € und zahlte 241,23 € an deren Haftpflichtversicherer auf einen bereits fälligen Beitrag.

Die Beklagte erhielt von der Klägerin den Zweitschlüssel und die Zulassungsbescheinigung Teil II. Die Klägerin zahlte an die Beklagte außerdem für zwei Monate Miete sowie eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 99 €, insgesamt also 693 €. Mit Schreiben vom
19. April 2020 kündigte die Beklagte den Mietvertrag aufgrund ausstehender Zahlungen.

Das Landgericht hat - unter Abweisung der Klage im Übrigen - festgestellt, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge unwirksam seien und die Beklagte zur Zahlung von 693 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt.

Außerdem hat es festgestellt, dass die Klägerin ihr Eigentum an dem Kraftfahrzeug nicht an die Beklagte verloren habe. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, 2 U 115/20) hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil im Wesentlichen zurückgewiesen und die Klägerin auf eine erst in der Berufungsinstanz erhobene und auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Hilfswiderklage der Beklagten verurteilt, an diese den Kaufpreis in Höhe von 3.000 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Zweitschlüssel und der Zulassungsbescheinigung Teil II, zu zahlen.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anschlussrevision gegen die Verurteilung zur Rückzahlung des Kaufpreises.

Im Verfahren VIII ZR 436/21 verkaufte der Kläger sein Kraftfahrzeug vom Typ BMW M5 am 2. Januar 2018 für 5.000 € an die Beklagte. Das Fahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Händlereinkaufswert von 13.700 €. Während der zunächst bis zum 2. Juli 2018 vereinbarten und anschließend bis zum 1. April 2019 verlängerten Mietzeit verpflichtete er sich zur Zahlung einer monatlichen Miete in Höhe von 495 €.

Bis September 2018 zahlte er an die Beklagte insgesamt 4.455 € Miete zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr in Höhe von 99 €. Nachdem er die Miete für Oktober 2018 nicht gezahlt hatte, kündigte die Beklagte den Mietvertrag und ließ das Kraftfahrzeug öffentlich versteigern. An der Versteigerung nahm sie selbst teil, erwarb das Kraftfahrzeug, das zu diesem Zeitpunkt einen Wiederbeschaffungswert von 16.000 € hatte, und veräußerte es anschließend weiter.

Das Berufungsgericht (OLG Hamm, I-18 U 105/20) hat der zuletzt noch auf Zahlung von insgesamt 16.445 € Schadensersatz nebst Zinsen gerichteten Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils in Höhe von 15.545 € nebst Zinsen stattgegeben. Es hat angenommen, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger die geleisteten Zahlungen zu erstatten und Schadensersatz für das veräußerte Kraftfahrzeug zu leisten.

Der Kläger müsse sich allerdings den von der Beklagten erhaltenen Kaufpreis auf seine Forderungen anrechnen lassen.

Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen der Kläger sein Zahlungsbegehren, soweit dieses erfolglos geblieben ist, und die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass zwar kein Verstoß gegen das in § 34 Abs. 4 GewO normierte Verbot des Rückkaufshandels vorliegt und die geschlossenen (Kauf- und Miet-)Verträge daher nicht gemäß § 134 BGB nichtig sind. Jedoch kann ein wucherähnliches Rechtsgeschäft (§ 138 Abs. 1 BGB) – mit der Folge der Nichtigkeit der Verträge - vorliegen. Hierauf wurde die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz sowie zur Rückzahlung vom Kläger geleisteter Miete in einem Fall (auch) gestützt (VIII ZR 436/21); diese Verurteilung der Beklagten hat Bestand.

In den weiteren Fällen wurde das allein auf das Vorliegen eines verbotenen Rückkaufshandels nach § 34 Abs. 4 GewO gestützte Urteil des Berufungsgerichts jeweils aufgehoben, damit dieses die – auch dort – seitens der Kläger aufgeworfene Frage des Vorliegens eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts sowie einer wirksamen Anfechtung der Verträge wegen arglistiger Täuschung der Kunden im weiteren Prozessverlauf klären kann.

1. Das von der Beklagten vorgegebene Vertragsmodell des (gewerblichen) Ankaufs von Kraftfahrzeugen unter anschließender Vermietung an die Kläger (Verkäufer) und späterer Verwertung durch öffentliche Versteigerung unterfällt nicht dem in § 34 Abs. 4 GewO normierten Verbot des Rückkaufshandels.

Denn den Klägern wird, anders als es die Vorschrift verlangt, ein Rückkaufsrecht nicht eingeräumt. Um ein solches anzunehmen, genügt nicht allein die Wahl einer Vertragsgestaltung, mit der Pfandleihvorschriften umgangen werden. Es bedarf vielmehr der Vereinbarung eines Rechts des Verkäufers (Kunden) zum Rückerwerb der Sache. Dies kann auch in Form eines Rücktrittsrechts des Kunden geschehen, da dieser es dann, vergleichbar einem Rückkaufsrecht, in der Hand hat, durch eine eigene Willenserklärung den Rückerwerb der Sache zumindest mittelbar zu vorab festgelegten Voraussetzungen – insbesondere zur Höhe des (zurück) zu zahlenden Kaufpreises – herbeizuführen.

Ein solches Recht wurde den Klägern vorliegend nicht eingeräumt. Sie haben lediglich faktisch die Möglichkeit, das zuvor an die Beklagte veräußerte Fahrzeug im Wege der Teilnahme an der öffentlichen Versteigerung durch Zuschlag wieder zurück zu erwerben. Bei einer am Wortsinn der Vorschrift orientierten Auslegung, welche auch die sich aus der historischen Entwicklung der Norm ergebende Zielsetzung des Gesetzgebers zu berücksichtigen hat, liegt in einem solchen Fall ein verbotener Rückkaufshandel nicht vor.

Einer über diesen Wortsinn hinausgehenden Auslegung der Vorschrift des § 34 Abs. 4 GewO oder (gar) deren analoger Anwendung steht vorliegend das sich aus Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG folgende Bestimmtheits- und Analogieverbot entgegen.

Denn ein Verstoß gegen die Verbotsnorm des § 34 Abs. 4 GewO ist nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 GewO bußgeldbewehrt. Solche Normen dürfen, in gleicher Weise wie Straftatbestände, nicht über ihren Wortsinn hinausgehend ausgelegt und auch nicht analog angewandt werden. Dem Verbot einer analogen Anwendung steht vorliegend nicht entgegen, dass es nicht um die Verhängung eines Bußgelds, sondern um die Beurteilung der Nichtigkeit (§ 134 BGB) zivilrechtlicher Verträge geht.

Denn der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung gebietet es, dass ein objektiv gleiches Verhalten nicht einerseits zivilrechtliche Folgen nach sich zieht, andererseits aber eine – grundsätzlich vorgesehene – Verhängung eines Bußgelds aufgrund des Analogieverbots (Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG) ausscheiden muss.

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts im Fall VIII ZR 436/21, dass ein wucherähnliches Rechtsgeschäft (§ 138 Abs. 1 BGB) vorliegt, so dass der Kauf- und Mietvertrag sowie die sich anschließende Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte nichtig sind, hatte dagegen Bestand.

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz – in Höhe des Wiederbeschaffungswerts des von ihr versteigerten Fahrzeugs (16.000 €) – und zur Rückzahlung der erhaltenen Mieten sowie der Bearbeitungsgebühr (insgesamt 4.554 €), gekürzt um den vom Kläger selbst in Abzug gebrachten Kaufpreis (5.000 €).

Aufgrund des besonders groben Missverhältnisses zwischen dem an den Kläger gezahlten Kaufpreis (5.000 €) und dem zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags bestehenden Händlereinkaufswerts (13.700 €) wird eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten vermutet.

Die angesichts dieser Umstände gegen die Beklagte sprechende tatsächliche Vermutung, dass sie bewusst oder grob fahrlässig einen den Kläger in dessen Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstand zu ihren Gunsten ausgenutzt hat, ist nicht widerlegt. Im Gegenteil sprechen weitere vertragliche Vereinbarung für eine Übervorteilung des Klägers. Denn dieser zahlte für die Nutzung seines ehemaligen Fahrzeugs eine monatliche Miete in Höhe von 495 € und musste zusätzlich sämtliche Unterhaltungskosten (Versicherung, Steuern, Wartung, Reparatur) tragen.

Die Miete stellt nicht allein die Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung des Fahrzeugs, sondern der Sache nach auch eine "Vergütung" für die Überlassung des dem Kläger durch die Kaufpreiszahlung zur Verfügung gestellten Kapitals dar. Denn in der vereinbarten Mietzeit von sechs Monaten hatte der Kläger bereits etwa 59 % des von ihm zuvor erhaltenen Kaufpreises als Miete aufzuwenden.

Einen Mehrerlös nach der – nach Ablauf der Mietzeit erfolgten – Versteigerung erhält der Kläger nur, wenn das Fahrzeug durch einen Dritten ersteigert wird. Demgegenüber stellt die Beklagte durch die Festlegung der Höhe des Aufrufpreises sicher, dass ihr sowohl der an den Kläger gezahlte Kaufpreis als auch sämtliche Unkosten wieder erstattet werden. Da der Kläger, wenn er das Fahrzeug nach Ablauf der Mietzeit wieder (zurück-)erwerben möchte, zumindest den erhaltenen Kaufpreis an die Beklagte (zurück-)zahlen müsste, trägt er auch den während der Mietzeit eingetretenen Wertverlust des Fahrzeugs.

Urteile vom 16. November 2022 - VIII ZR 221/21, VIII ZR 288/21, VIII ZR 290/21 und VIII ZR 436/21

Vorinstanzen: VIII ZR 221/21
LG Frankfurt am Main - 2-14 O 414/18 - Urteil vom 18. September 2020
OLG Frankfurt am Main - 2 U 116/20 - Urteil vom 25. Juni 2021

VIII ZR 288/21
LG Frankfurt am Main - 2-23 O 228/19 - Urteil vom 8. Oktober 2020
OLG Frankfurt am Main - 2 U 125/20 - Urteil vom 11. August 2021

VIII ZR 290/21
LG Frankfurt am Main - 2-26 O 44/20 - Urteil vom 24. September 2020
OLG Frankfurt am Main - 2 U 115/20 - Urteil vom 11. August 2021

VIII ZR 436/21
LG Dortmund - 12 O 15/19 - Urteil vom 17. Juni 2020
OLG Hamm - I-18 U 105/20 - Urteil vom 2. August 2021

Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 16.11.2022

zurück zur Übersicht

_____________________________________________________________

2. BGH: Beginn der Verjährung einer Vertragsstrafe
_____________________________________________________________

Der BGH hat klargestellt, wann die Verjährung einer Vertragsstrafe, die aufgrund einer außergerichtlich abgegebenen Unterlassungserklärung fällig wird, zu laufen beginnt. Bei einem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch" beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist nicht, bevor der Gläubiger die Höhe der vom Schuldner verwirkten Vertragsstrafe festgelegt hat (BGH, Urt. v. 27.10.2022 - Az.: I ZR 141/21).

Es ging um eine Vertragsstrafe, die wegen Verstoßes gegen eine außergerichtlich abgegebene Unterlassungserklärung geltend gemacht wurde.

Der BGH entschied nun, dass die Verjährung erst dann zu laufen beginnt, wenn der Gläubiger die Höhe der Vertragsstrafe festgelegt hat:

"Das Berufungsgericht ist (...) zutreffend davon ausgegangen, dass ein möglicher Verstoß des Beklagten gegen seine Unterlassungserklärung einen Vertragsstrafeanspruch vor dem Jahr 2016 begründet hat.

(a) Besteht die geschuldete Leistung in einem Unterlassen, so tritt (...) die Verwirkung der Vertragsstrafe mit der Zuwiderhandlung ein. Mit dem schuldhaften Verstoß des Schuldners gegen seine strafbewehrte Unterlassungserklärung fällt die Vertragsstrafe automatisch an (...).

Das gilt auch im Fall eines Vertragsstrafeversprechens nach "Hamburger Brauch", bei dem der Gläubiger die Höhe der angefallenen Vertragsstrafe gemäß § 315 Abs. 1 und 2 BGB noch konkretisieren muss (...)

(b) Das Berufungsgericht hat unterstellt, dass der Beklagte seiner Unterlassungserklärung schuldhaft zuwidergehandelt habe, indem er nicht veranlasst habe, dass das Lichtbild aus seinen Verkaufsangeboten auf allen Länderseiten der Internet-Handelsplattform eBay entfernt worden sei. Danach ist ein Vertragsstrafeanspruch des Klägers dem Grunde nach bereits im Juni 2013 nach allgemeiner Terminologie entstanden. (...)

(2) Ein möglicher Vertragsstrafeanspruch des Klägers ist jedoch nicht vor seinem Vertragsstrafeverlangen im Dezember 2016 fällig geworden.

(a) Ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch" wird - anders als ein Anspruch auf Zahlung einer festen Vertragsstrafe (...) -  nicht schon mit der Zuwiderhandlung fällig, sondern erst, wenn der Gläubiger (...)sein Leistungsbestimmungsrecht gegenüber dem Schuldner verbindlich ausgeübt und die Höhe der verwirkten Vertragsstrafe wirksam konkretisiert hat (...)."



zurück zur Übersicht

____________________________________________________________

3. BGH: Unwirksamkeit der Klausel zu einem Jahresentgelt in der Ansparphase von Bausparverträgen
_____________________________________________________________

Der u.a. für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bausparkasse enthaltene Klausel, mit der die Bausparkasse von den Bausparern in der Ansparphase der Bausparverträge ein sogenanntes Jahresentgelt erhebt, unwirksam ist.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:
Der Kläger, ein eingetragener Verein, nimmt satzungsmäßig Verbraucherinteressen wahr und ist als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Die beklagte Bausparkasse verwendet in ihren Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge u.a. die folgende Bestimmung: "Die Bausparkasse berechnet während der Sparphase jeweils bei Jahresbeginn – bei nicht vollständigen Kalenderjahren anteilig – für jedes Konto des Bausparers ein Jahresentgelt von 12 EUR p.a."

Der Kläger hält die vorbezeichnete Klausel für unwirksam, da sie die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Er nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, es zu unterlassen, diese oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern in Bausparverträgen zu verwenden und sich bei der Abwicklung von Bausparverträgen auf die Klausel zu berufen.

Die Vorinstanzen haben der Unterlassungsklage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die angefochtene Klausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegt und dieser nicht standhält. Er hat deshalb die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Entgeltklausel ist Gegenstand der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, weil sie eine Preisnebenabrede darstellt.

Das in der Ansparphase eines Bausparvertrags erhobene Jahresentgelt ist weder Gegenleistung für eine vertragliche Hauptleistung noch Entgelt für eine Sonderleistung der Beklagten und damit keine kontrollfreie Preishauptabrede. Die von der Bausparkasse in der Ansparphase geschuldete Hauptleistung besteht einerseits in der Zahlung der Zinsen auf das Bausparguthaben sowie andererseits darin, dem Bausparer nach der Leistung der Bauspareinlagen einen Anspruch auf Gewährung eines niedrig verzinslichen Bauspardarlehens aus der Zuteilungsmasse zu verschaffen.

Mit dem Jahresentgelt werden demgegenüber Verwaltungstätigkeiten der Beklagten in der Ansparphase bepreist, die sich mit der bauspartechnischen Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung einer Zuteilungsmasse umschreiben lassen. Hierbei handelt es sich lediglich um notwendige Vorleistungen, nicht aber um eine von der Beklagten in der Ansparphase geschuldete Hauptleistung.

Der danach eröffneten Inhaltskontrolle hält die streitige Klausel nicht stand. Sie ist vielmehr unwirksam, weil die Erhebung des Jahresentgelts in der Ansparphase eines Bausparvertrags mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Denn mit dem Jahresentgelt werden Kosten für Verwaltungstätigkeiten auf die Bausparer abgewälzt, welche die Bausparkasse aufgrund einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung zu erbringen hat.

Die Abweichung der Entgeltklausel von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist auch bei der gebotenen pauschalisierenden Gesamtbetrachtung nicht durch bausparspezifische Individualvorteile der einzelnen Bausparer sachlich gerechtfertigt. Bausparer müssen in der Ansparphase bereits hinnehmen, dass ihre Spareinlagen bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Bausparvertrags nur vergleichsweise niedrig verzinst werden. Außerdem können Bausparkassen bei Abschluss des Bausparvertrags von den Bausparern eine Abschlussgebühr verlangen.

Mit dem Jahresentgelt wird auch kein Beitrag zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Bausparwesens geleistet, der geeignet wäre, die mit seiner Erhebung für den einzelnen Bausparer verbundenen Nachteile aufzuwiegen.

Urteil vom 15. November 2022 - XI ZR 551/21

Vorinstanzen:
LG Hannover - Urteil vom 29. Januar 2021 - 13 O 19/20
OLG Celle - Urteil vom 17. November 2021 - 3 U 39/21 (WM 2022, 659)

Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 15.11.2022

zurück zur Übersicht

____________________________________________________________

4. OLG Köln: Rückzahlungsanspruch eines Spielers bei Teilnahme an ausländischem Online-Glücksspiel
_____________________________________________________________

Der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat über das Bestehen eines Rückzahlungsanspruchs im Kontext der Teilnahme an Online-Glücksspielen entschieden.

Der Kläger nahm auf der von der Beklagten - von ihrem Sitz im europäischen Ausland aus - betriebenen Website an Online-Glücksspielen, hier in Form von "Poker" und "Black Jack", teil. Seine auf die Rückzahlung seiner Spieleinsätze gerichtete Klage hat das erstinstanzlich zuständige Landgericht abgewiesen.

Auf die dagegen gerichtete Berufung hat der Senat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt.

Die keinen Zulässigkeitsbedenken begegnende Klage sei begründet. Die Anwendung deutschen Rechts folge aus Art. 6 Abs. 1 lit b) Rom-I-VO. Nach Maßgabe dessen könne der Kläger Rückzahlung seiner Spieleinsätze nach der bereicherungsrechtlichen Vorschrift des § 812 Abs. 1, S. 1, 1. Alt. BGB verlangen. Der zwischen den Parteien geschlossene Spielvertrag sei gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 von Anfang an nichtig gewesen. Nach dieser Vorschrift sei im maßgeblichen Zeitraum das Veranstalten von Glücksspielen im Internet verboten gewesen.

Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sei im fraglichen Zeitraum wirksam und auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar gewesen. Der Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 134 BGB stehe auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richte; zwar sei in dem Falle, dass das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner treffe, regelmäßig nicht von der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts auszugehen.

Dies sei hier aber anders zu beurteilen, da es dem Sinn und Zweck, insbesondere der Bekämpfung der Spielsucht und dem Jugendschutz, zuwiderlaufe, geschlossene Verträge über Online-Glücksspiele trotz des Verbots als wirksam anzusehen.

Die Rückforderung scheide auch nicht wegen Eingreifens einer Ausschlussnorm aus. § 762 Abs. 1 S. 2 BGB setze eine hier nicht gegebene Wirksamkeit des Spiel- und Wettvertrages voraus. Im Rahmen der Ausschlussnorm des § 817 S. 2 BGB sei zu berücksichtigten, dass die deutschsprachige Internetseite sowie der deutschsprachige Kundenservice der Beklagten dem Grunde nach durchaus geeignet seien, den Anschein von Legalität vermitteln.

Auch im Lichte der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergebe sich keine andere Beurteilung; die vollständige Erfassung oder sogar inhaltliche Auseinandersetzung des Verbrauchers damit könne nicht erwartet werden, namentlich dann nicht, wenn diese lediglich elektronisch abrufbar und von gewissem Umfang seien.

Selbst wenn man annehmen wolle, die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB erfasse auch leichtfertiges Handeln, ergebe sich kein anderes Ergebnis, denn ein derartiges Handeln des Klägers sei nicht anzunehmen. Insbesondere könne der Inhalt von § 4 GlüStV 2012, zumal bei einem juristischen Laien, nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden.

Eine allgemeine Bekanntheit lasse sich auch nicht allein aus Beiträgen in der Presseberichterstattung ableiten; es sei kein solches Ausmaß erreicht, dass eine Kenntnisnahme bei durchschnittlichem Medienkonsum nach der Lebenserfahrung angenommen werden könne. Soweit die Werbung für Online-Glücksspiele im Übrigen einen textlich dargestellten und/oder schnell gesprochenen Hinweis dahingehend beinhalte, das Angebot richte sich nur an Spieler in Schleswig-Holstein, führe auch dies zu keiner anderen Beurteilung.

Eine allgemeine Bekanntheit des generellen Verbots von Online-Glücksspielen außerhalb dieses Bundeslandes in Deutschland lasse sich daraus nicht herleiten. Jedenfalls bedürfe es einer einschränkenden Auslegung des § 817 S. 2 BGB; es dürfe nicht außer Betracht bleiben, welchen Zweck das in Frage stehende Verbotsgesetz verfolge. Der Anspruch des Klägers sei im Übrigen auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit ausgeschlossen.

Der Anspruch des Klägers ergebe sich zudem aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1, 4 GlüStV, § 284 StGB. Beide letztgenannten Vorschriften seien Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB und die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt.

Der Anspruch des Klägers sei auch nicht gemäß § 254 BGB aufgrund eines überwiegenden Mitverschuldens ausgeschlossen oder beschränkt; denn ein Verschulden des Klägers in eigenen Angelegenheiten durch die freiwillige Hingabe des Geldes zu Zwecken des Online-Glücksspiels anzunehmen, liefe Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV zuwider und konterkariere auch dessen Charakter als Schutzgesetz.

Die Ansprüche des Klägers seien schließlich auch nicht verjährt, §§ 195, 199 BGB. Der Kläger habe schlüssig und seitens der Beklagten nicht erheblich bestritten dargetan, dass er erst im Jahr 2021 aufgrund entsprechender Berichterstattung in den Nachrichten von der möglichen Unwirksamkeit der mit der Beklagten geschlossenen Verträge erfahren habe. Die Verjährungsfrist habe somit erst mit Ende des Jahres 2021 zu laufen begonnen.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.

Das am 31. Oktober 2022 verkündete Urteil des Oberlandesgerichts Köln - Az. 19 U 51/22 - wird demnächst im anonymisierten Volltext unter www.nrwe.de externer Link, öffnet neues Browserfenster / neuen Browser-Tab veröffentlicht.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 14.11.2022

zurück zur Übersicht

____________________________________________________________

5. OVG Münster: Neutralitätspflicht gilt auch für Webseite einer Stadt = Artikel muss entfernt werden
_____________________________________________________________

Mit Beschluss vom heutigen Tag hat das Oberverwaltungsgericht die Stadt Hilchenbach dazu verpflichtet, den Artikel „Petition übergeben - Kein Platz in Hilchenbach für Rechtsextremismus“ von der städtischen Internetseite zu entfernen. Die Beschwerde der Partei „Der Dritte Weg“ gegen den ablehnenden Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg hatte damit teilweise Erfolg.

Am 5. April 2022 veröffentlichte die Stadt einen Artikel auf ihrer Internetseite, in dem beschrieben wurde, dass ein Hilchenbacher Bürger eine Online-Petition „gegen das Büro einer rechtsextremen Partei in der Hilchenbacher Stadtmitte gestartet“ habe.

Der „Dritte Weg“ habe dort ein Gebäude angemietet und wolle dieses kaufen. Der Initiator der Petition habe (am Tag der Veröffentlichung des Artikels) eine Unterschriftensammlung an den Bürgermeister der Stadt übergeben, der die Sammlung „mit großer Anerkennung“ entgegengenommen habe. Der Bürgermeister sei „sehr beeindruckt von dieser Petition und den mittlerweile rund 5.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern“.

Er äußerte sich in dem Artikel dahingehend, dass „unsere Stadt […] keinen Platz für Rassismus und Intoleranz“ habe. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass die Stadt „alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten ausschöpfen“ werde, „um das Vorkaufsrecht für das Gebäude auszuüben, wenn der Rat der Stadt Hilchenbach in seiner Sitzung am 6. April einen entsprechenden Beschluss fasst“.

Den Eilantrag der Partei, mit dem sie sich unter anderem gegen die Veröffentlichung des Artikels auf der städtischen Internetseite wandte, lehnte das Verwaltungsgericht Arnsberg ab. Die Beschwerde des „Dritten Wegs“ hatte insoweit Erfolg.

Zur Begründung hat der 15. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Die in dem Artikel wiedergegebenen Äußerungen des Bürgermeisters greifen in das grundgesetzlich geschützte Recht der Partei auf Chancengleichheit ein.

Die Begründung der von ihm in Bezug genommenen Petition verlautbart ein eindeutig negatives Werturteil über den „Dritten Weg“, verbunden mit der Zielsetzung, die Aktivitäten der Partei im Stadtgebiet zu erschweren bzw. zu verhindern.

Es ist dem Bürgermeister selbstredend nicht verwehrt, sich als Amtsinhaber für Demokratie, Toleranz und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen.

Seine Äußerungen sind aber in der Gesamtschau dahingehend zu verstehen, dass er die Petition und deren explizit gegen die Partei gerichtetes Anliegen jedenfalls im Grundsatz befürwortet und unterstützt.

Die so zum Ausdruck gebrachte Unterstützung des Bürgermeisters für das Bestreben, ein Bürgerbüro der Partei in der Stadt zu verhindern, ist geeignet, deren Position im politischen Meinungskampf zu beeinträchtigen.

Der Bürgermeister hat damit die rechtlichen Grenzen des Neutralitätsgebots überschritten, das zu beachten ist, obwohl der „Dritte Weg“ nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen ein rechtsextremistisches Staats- und Gesellschaftsbild propagiert und sich inhaltlich wie stilistisch weitgehend in die Tradition der Nationalsozialisten stellt. Trotz allem ist der „Dritte Weg“ vom Bundesverfassungsgericht nicht verboten, weshalb sich die Partei auf die durch das Grundgesetz gewährleistete Chancengleichheit und damit das Neutralitätsgebot für Amtsträger berufen kann.

Die weitergehende Beschwerde des „Dritten Wegs“ hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und dazu ausgeführt: Die Partei hat keinen Anspruch auf Unterlassung einer anderweitigen Verbreitung des Artikels. Es besteht keine Gefahr einer Wiederholung des rechtswidrigen Eingriffs, weil die zugrunde liegende Unterschriftenübergabe ein einmaliger Vorgang war und das Anliegen der Petition nunmehr bereits durch die Geltendmachung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts erfüllt ist.

Der „Dritte Weg“ kann auch nicht beanspruchen, dass die Stadt eine Direktverlinkung auf die Petition unterlässt, weil es insoweit ebenfalls an einer Wiederholungsgefahr fehlt. Letzteres gilt gleichermaßen für den weiter geltend gemachten Anspruch darauf, dass der Bürgermeister es zukünftig unterlässt, sich in Bezug auf die Online-Petition erneut in einer bestimmten Weise zu äußern.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 15 B 893/22 (I. Instanz: VG Arnsberg 12 L 421/22)

Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 14.11.2022

zurück zur Übersicht

_____________________________________________________________

6. OVG Münster: Verteidigungsministerium muss Presse Fragen zum Hubschrauber-Foto des Sohnes der Ministerin beantworten
_____________________________________________________________

Das Bundesverteidigungsministerium muss der Presse Auskunft über Details zu Entstehung und Veröffentlichung eines Fotos erteilen, das den Sohn von Ministerin Lambrecht in einem Hubschrauber der Bundeswehr zeigt. Dies hat das Oberverwaltungsgericht mit gestern bekanntgegebenem Beschluss vom 14. November 2022 entschieden und damit den erstinstanzlichen Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt.

Das Foto entstand augenscheinlich in jenem Hubschrauber, der die Ministerin und ihren Sohn am 13. April 2022 von Berlin nach Ladelund beförderte.

Die Ministerin besuchte sodann ein Bataillon in Stadum. Danach reiste sie mit ihrem Sohn in einem Auto zur nahegelegenen Insel Sylt, um dort den Osterurlaub zu verbringen. Der Sohn der Ministerin veröffentlichte das Foto auf seinem damals öffentlich einsehbaren Profil eines sozialen Netzwerks.

Das Verwaltungsgericht Köln gab dem Eilantrag eines Journalisten ganz überwiegend statt, soweit dieser vom Bundesverteidigungsministerium wissen wollte, welche Kenntnisse die Ministerin über die Entstehung des Fotos und seine Veröffentlichung habe, insbesondere, ob die Ministerin das Foto selbst angefertigt habe.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde hat das Ministerium - wie schon erstinstanzlich - geltend gemacht, ein Auskunftsanspruch sei ausgeschlossen, weil die gestellten Fragen allein die Ministerin als Privatperson beträfen und zum Teil auf eine dem Familiengrundrecht unterfallende, besonders geschützte Kommunikation zielten. Auch sei ein Bedürfnis für eine stattgebende Entscheidung gerade im Eilrechtsschutzverfahren nicht erkennbar.

Der 15. Senat des Oberverwaltungsgerichts ist dieser Argumentation nicht gefolgt und hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die gestellten Fragen zur Entstehung des Fotos und zu dessen Veröffentlichung betreffen jedenfalls auch die dienstliche Sphäre der Ministerin. Das Foto steht in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zum dienstlichen Hubschrauberflug.

Auch ein inhaltlicher Zusammenhang ist insofern zu bejahen, als das Foto neben dem Sohn der Ministerin auch den Diensthubschrauber zeigt. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Abwägung zwischen dem Pressegrundrecht und berechtigten Interessen auf Seiten der Ministerin ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

In Anbetracht dessen, dass das Foto einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit der Ministerin hat, es nicht in einem besonders geschützten privaten Rahmen entstanden ist und die Ministerin selbst durch die Mitnahme ihres Sohnes auf einer Dienstreise ihre privaten Belange mit der Wahrnehmung ihrer Amtsgeschäfte verwoben hat, überwiegt das Auskunftsinteresse. Schließlich ist aufgrund des starken Gegenwartsbezugs der Fragen auch eine Eilbedürftigkeit zu bejahen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 15 B 1029/22 (I. Instanz: VG Köln  6 L 978/22)

Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 16.11.2022

zurück zur Übersicht

_____________________________________________________________

7. LG Augsburg: Kein DSGVO-Auskunftsanspruch bei sachfremden Motiven
_____________________________________________________________

Ein DSGVO-Auskunftsanspruch besteht dann nicht, wenn der Anfragende mit seiner Auskunft sachfremde Motive beabsichtigt (hier: Auskunft über Prämienanpassungen einer Versicherung) (LG Augsburg, Urt. v. 19.10.2022 - Az.: 93 O 1521/22).

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine private Krankenversicherung abgeschlossen. Nun begehrte er die Rückzahlung überzahlter Entgelte. Um diese beziffern zu können, begehrte er vorab Auskunft über die in der Vergangenheit stattgefundenen Prämienanpassungen.

Das Gericht lehnte den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ab:

"Kein Anspruch aus Art. 15 DSGVO

Auch ergibt sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus Art. 15 DSGVO

Dies schon deshalb nicht, weil es sich bei den Tarifprämien nicht um personenbezogene Daten im Sinne der Vorschrift handelt. Tarifprämien geben Aufschluss darüber, welcher Preis die durch den Versicherungsvertrag verwirklichte Vorsorge dieser Person hat. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO.

Darüber hinaus ist Sinn und Zweck von Art. 15 Abs. 3 DSGVO nicht die Aufarbeitung von Unterlagen des Versicherungsnehmers für diesen durch den Versicherer mit dem dahinterstehenden Ziel, dem Versicherungsnehmer anschließend die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen. Vielmehr bezweckt die DSGVO eine effektive Kontrolle des jeweiligen Betroffenen darüber, welche Daten der Verantwortliche besitzt und was weiter damit geschieht. Soweit Art. 15 Abs. 3 DSGVO die Durchsetzung von Ansprüchen des Betroffenen bezweckt, geht es hierbei nicht um vermögensrechtliche Ansprüche, sondern um persönliche Ansprüche aus dem 3. Abschnitt, so etwa Löschungsansprüche."



zurück zur Übersicht

_____________________________________________________________

8. LG Köln: 4.000,- EUR DSGVO-Schadensersatz, wenn Daten unerlaubt ggü. Arbeitgeber offenbart werden
_____________________________________________________________

Offenbart ein Unternehmen personenbezogene Daten eines Arbeitnehmers unerlaubt gegenüber dem Arbeitgeber, liegt hierin eine Datenschutzverletzung, die einen DSGVO-Schadensersatz iHv. 4.000,- EUR auslöst (LG Köln, Urt. v. 28.09.2022 - Az.: 28 O 21/22).

Der Kläger war Arbeitnehmer und erwarb einen PKW bei einem Dritten. Im Rahmen der Korrespondenz benutzte er hierfür seinen beruflichen E-Mail-Account.

Als es zu Problemen bei der Finanzierung kam und der Kläger auf Nachfragen nicht reagierte, schickte der Verkäufer eine E-Mail an den Arbeitgeber des Klägers:

"Sehr geehrter Herr (...),

leider muss ich mich heute an Sie wenden, da wir leider bei unserem Kunden (...) nicht weiterkommen. Herr (...) reagiert leider nicht auf unsere Anrufe und E-mails von unserem Verkaufsberater (...) Ihr Mitarbeiter hat im April einen Q3 bei uns erworben mit entsprechender Finanzierung über die (...) , die Fahrzeugauslieferung hat am 10.06.2021 stattgefunden. Die (...) hat das Geschäft mit Auflage der Nebeneinkünfte in Höhe von € 2.000,00 genehmigt. Leider ist Herr (...) bisher dieser Aufforderung der Nachweisführung nicht nachgekommen, die (...) hat hier bereits die 1. Mahnung rausgeschickt.

Daher würden wir Sie bitten, mit Ihrem Mitarbeiter ein klärendes Gespräch zu führen, damit wir dieses Pending vom Tisch bekommen. Der Verkaufsberater Herr (...) hat am 06.07.2021 versucht per Mail in Kontakt zu treten. Gerne stehe ich Ihnen für Fragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

i.V. G I

Verkaufsleitung (...). GmbH“


Der Kläger sah in dieser E-Mail an seinen Arbeitgeber seine Verletzung seiner DSGVO-Rechte und verlangte Schadensersatz iHv. 100.000,- EUR. Das LG Köln bejahte zwar einen Datenschutzverstoß, sprach aber nur einen Betrag iHv. 4.000,- EUR zu.
"Die Offenlegung der Vertragsverhältnisse (...) an den Vorgesetzten des Klägers war auch rechtswidrig. Sie unterfällt keinem Rechtfertigungstatbestand nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO.

Insbesondere ist sie nicht zur Erfüllung des Vertrags mit dem Kläger „erforderlich“, Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO.

Erforderlichkeit setzt voraus, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Verarbeitung und dem konkreten Zweck des Vertragsverhältnisses besteht. Ein solcher Zusammenhang ist hier nicht ersichtlich. Der Vorgesetzte des Klägers ist in keiner Weise in den Vertrag involviert und für die private Lebensführung des Klägers auch offensichtlich in keiner Weise verantwortlich.

Es ist nicht im Ansatz zu erkennen, warum der Gläubiger eines Schuldverhältnisses sich veranlasst sehen dürfte, sich an den Vorgesetzten seines Schuldners zu wenden um diesen dazu zu bringen, auf den Schuldner einzuwirken. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger ebenfalls als Autoverkäufer in einem Konkurrenzunternehmen tätig ist.

Gerade in diesem Fall drängt sich der Gedanke förmlich auf, dass dem Kläger aus einer Offenlegung seiner Geschäftsbeziehungen zu einem Konkurrenzunternehmen Probleme erwachsen können, was für die Erfüllung des Vertrags nicht förderlich sein dürfte."

Und weiter:
"Der Verstoß ist auch derart gravierend, dass er eine Schadensersatzpflicht (...) auslöst, allerdings nur in tenorierter Höhe. (,...)

Bei der Bemessung des Schmerzensgelds war weiterhin zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1) eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und sich bereits mit E-Mail vom 20.07.2021 beim Kläger entschuldigt hat. Weiterhin war zu berücksichtigen, dass nach Sinn und Zweck von Art. 82 DS-GVO das Schmerzensgeld so zu bemessen ist, dass es eine abschreckende Wirkung auf die Beklagte ausübt. Dabei war jedoch auch darauf zu achten, dass auch nach der Konzeption des Art. 82 DS-GVO der Schadensersatz nicht in einen Strafschadensersatz ausartet, sondern in erster Linie der Kompensation tatsächlich entstandener Schäden beim Kläger dient (...).

In diesem Zusammenhang war für die Kammer entscheidend auf die finanzielle Situation der Beklagten (...) abzustellen, nicht hingegen auf die Finanzkraft des „VW-Konzerns“ insgesamt. Die Beklagte (...) mag zum V-Konzern gehören, sie ist aber rechtlich unabhängig. Der Kläger hat nicht die Volkswagen AG verklagt, so dass der Vortrag zu deren Umsätzen unbeachtlich ist.

Vortrag zur finanziellen Situation der Beklagten (...) fehlt indes. Daher verbietet sich auch eine Orientierung an einem möglicherweise von der Aufsichtsbehörde noch zu verhängendem Bußgeld gegen die Beklagte zu 1). Der Vortrag des Klägers zur Höhe dieses Bußgelds, insbesondere dass dieses die Höchstgrenze des Art. 83 Abs. 4 DS-GVO von 10 Milliarden EUR erreichen könnte, stellt sich vor diesem Hintergrund nicht als eine ernsthafte Prognose dar.

Unter Berücksichtigung sämtlicher dieser zuvor genannten Umstände hält die Kammer gemäß § 287 ZPO insgesamt einen Schadensersatz von 4.000 EUR für notwendig, aber auch ausreichend zur Kompensation des dem Kläger entstandenen Schadens."



zurück zur Übersicht

_____________________________________________________________

9. LG München I: Wo "Glühwein" draufsteht, muss auch Glühwein drin sein!
_____________________________________________________________

Die unter anderem für das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige 17. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I hat am 17.11.2022 der Klage einer Weinkellerei stattgegeben und einem Brauhaus verboten, seine beiden mit Bockbierwürze versetzten weinhaltigen Getränke als „Glühwein“ im geschäftlichen Verkehr zu bezeichnen.

Der Begriff „Wein“ werde hierdurch in unzulässiger Weise „verwässert“, führte die erkennende Kammer aus. Es liege eine Irreführung von Verbrauchern vor, da diese darüber hinweggetäuscht würden, dass mit den Beigaben der Beklagten ein zusätzlicher Wassergehalt von 2 % in die Getränke der Beklagten gelange. Dies sei für ein Produkt mit der Bezeichnung „Glühwein“ unzulässig.

Glühwein dürfe laut europäischer Verordnung nur Wein, Süßungsmittel und Gewürz enthalten.

Der Wassergehalt, der beim Zuführen von Bockbierwürze in beide weinhaltigen Getränke der Beklagten gelange, sei zu hoch, um das Produkt noch als „Glühwein“ bezeichnen zu können.

In der mündlichen Verhandlung hörte das Gericht zu der Frage, ob Bockbierwürze ein Gewürz ist und somit dem Glühwein beigegeben werden kann, einen Önologen an:
Der in dem Wort „Bockbierwürze“ enthaltene Begriff „Würze“ sei lediglich historisch bedingt und inhaltsstofflich nicht korrekt, so der Sachverständige. Die Bockbierwürze sei kein Gewürz, sondern eine Flüssigkeit, die ein Gewürz empfange. Bierwürze im Allgemeinen habe nichts mit einem Gewürz oder Süßungsmitteln zu tun. Die Bockbierwürze sei gegenüber anderen Gewürzen insbesondere kein hoch konzentrierter Stoff, deshalb sei der Wasserzusatz in den Getränken der Beklagten erheblich.

Dem schloss sich das Gericht an.

Der Wassergehalt in Glühwein unterliege strengen Vorgaben: Nur zum Süßen oder zur Beigabe von Gewürzen sei Wasser zulässig, in so geringer Menge wie möglich, so die erkennende Kammer. An diese Vorgaben habe sich die beklagte Brauerei mit der Beigabe von Bockbierwürze nicht gehalten. Hiermit suggeriere die Beklagte dem Verbraucher bei ihren Getränken vielmehr die Eigenschaften des Traditionsgetränks Glühwein, die diese tatsächlich wegen zu hohen Wassergehalts gar nicht hätten.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 21.11.2022

zurück zur Übersicht

_____________________________________________________________

10. LG Offenburg: Boris Becker durch Pocher nicht in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt
_____________________________________________________________

Das Landgericht Offenburg hat entschieden, dass der ehemalige Tennisprofi Boris Becker durch einen Fernsehbeitrag des Comedians Oliver Pocher nicht in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt wird.

In dem vor dem Landgericht Offenburg anhängigen Rechtsstreit machte Boris Becker gegenüber Oliver Pocher Ansprüche wegen eines in der Fernsehsendung „Pocher – gefährlich ehrlich" bei RTL am 29.10.2020 ausgestrahlten Fernsehbeitrags geltend.

Gegenstand des Fernsehbeitrags war ein unter dem Slogan „MAKE BORIS R!CH AGAIN“ getätigter Spendenaufruf, durch den ein dreistelliger Betrag für Boris Becker gesammelt wurde. Die Übergabe des Geldes scheiterte, da Boris Becker die Annahme verweigerte.

Der Comedian erschuf daraufhin einen Fantasie-Mode-Preis mit einer Preistrophäe, in der das gesammelte Bargeld versteckt war. Dass der Preis nur zu dem Zweck geschaffen und an Boris Becker verliehen wurde, um ihm unbemerkt den eingesammelten Bargeldbetrag zukommen zu lassen, wusste dieser bei der Preisübergabe nicht. Diese Auflösung ergab sich für die Zuschauer des Filmbeitrages in der am 29.10.2020 ausgestrahlten Ausgabe der Sendung „Pocher – gefährlich ehrlich“.

Boris Becker fühlte sich durch den Beitrag in seiner Ehre sowie seinen Persönlichkeitsrechten verletzt und ging gegen die Verwendung der Film- und Bildaufnahmen vor.

Das Landgericht Offenburg, 2. Zivilkammer, hat die Klage abgewiesen. Das Gericht führte aus, dass sich Oliver Pocher zwar nicht auf eine Einwilligung von Boris Becker stützen könne, weil diesem die Einzelheiten der geplanten Verbreitung – insbesondere deren satirischer Charakter – vorher nicht mitgeteilt worden seien. Allerdings sei die Veröffentlichung dennoch möglich, da es sich um Bildnisse der Zeitgeschichte handele.

Bei der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Klägers an seiner Privatsphäre überwiegen aus Sicht der Kammer auf Grund der Umstände des Einzelfalls die Belange der Meinungs- und Rundfunkfreiheit.

Das Urteil des Landgerichts Offenburg ist nicht rechtskräftig.

(Landgericht Offenburg, Urteil vom 15. November 2022 – 2 O 20/21)

Quelle: Pressemitteilung des LG Offenburg v. 15.11.2022

zurück zur Übersicht