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Die einzelnen News
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1.
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BGH: 500,- EUR DSGVO-Schaden für unberechtigten SCHUFA-Eintrag
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Für einen unberechtigten SCHUFA-Eintrag ist ein DSGVO-Schadensersatz iHv. 500,- EUR möglich. Eine höhere Entschädigung ist aufgrund des fehlenden Strafcharakters des DSGVO-Schadensersatzes abzulehnen (BGH, Urt. v. 28.01.2025 - Az.: VI ZR 183/22). Die Beklagte hatte mit der Klägerin, einem Telekommunikationsunternehmen, einen Mobilfunkvertrag geschlossen. Im Zuge der Vertragsabwicklung kam es zu einer unberechtigten SCHUFA-Eintragung durch die Klägerin. Im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung erhob die Beklagte Widerklage und verlangte 6.000,- EUR Schadensersatz wegen des DSGVO-Verstoßes. Die unberechtigte SCHUFA-Eintragung habe erhebliche Folgen gehabt. So sei eine Kreditvergabe bei ihrer Hausbank gestoppt worden. Auch sei zu befürchten, dass ihr künftig bei Online-Geschäften der Kauf auf Rechnung verweigert werde. Sie sei als zahlungsunfähige oder jedenfalls zahlungsunwillige Kundin stigmatisiert worden. Die Vorinstanz, das OLG Koblenz, sprach der Beklagten nur eine Summe von 500,- EUR zu. Dagegen legte die Beklagte Revision ein. Der BGH wies die Revision in vollem Umfang zurück. Die festgestellten 500,- EUR Schadensersatz seien angemessen und verhältnismäßig. Der Betrag reiche aus, um den entstandenen Schaden auszugleichen. Ein höherer Betrag komme insbesondere wegen eines möglichen Strafcharakters nicht in Betracht. Denn der Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO diene ausschließlich dem Ausgleich des erlittenen Schadens und nicht der Bestrafung oder Abschreckung. “Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union kommt dem in Art. 82 Abs. 1 DSGVO niedergelegten Schadensersatzanspruch ausschließlich eine Ausgleichsfunktion zu. Er erfüllt (…) keine Abschreckungs- oder gar Straffunktion (…). In Anbetracht der Ausgleichsfunktion des in Art. 82 DSGVO vorgesehenen Schadensersatzanspruchs, wie sie in ErwG 146 Satz 6 DSGVO zum Ausdruck kommt, ist eine auf Art. 82 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld als "vollständig und wirksam" anzusehen, wenn sie es ermöglicht, den aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung konkret erlittenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen (…) . Da der Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO weder eine Abschreckungs- noch eine Straffunktion erfüllt, darf weder die Schwere des Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung, durch den der betreffende Schaden entstanden ist, berücksichtigt werden, noch der Umstand, ob schuldhaft gehandelt wurde (…). "
Und hinsichtlich der Höhe führen die Robenträger aus: "3. Als immateriellen Schaden hat das Berufungsgericht zum einen die Weitergabe von personenbezogenen Daten der Beklagten an die SCHUFA, die im Rahmen etwaiger SCHUFA-Abfragen zu einem für eine unbekannte Zahl von Dritten einsehbaren Eintrag bei der SCHUFA zu Lasten der Beklagten führte, berücksichtigt (…). Zum anderen hat es beachtet, dass der Eintrag bei der SCHUFA die Kreditwürdigkeit der Beklagten beeinträchtigte und sich dies nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bereits zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt hatte, da ihre Hausbank eine Kreditvergabe zeitweilig angehalten hatte. Ein etwaiger daraus resultierender materieller Schaden ist allerdings nicht Gegenstand der Klage. 3. Die Revision hat weder geltend gemacht noch ist ersichtlich, dass der vom Berufungsgericht zuerkannte Betrag von 500 € nicht ausreichend wäre, um den immateriellen Schaden der Beklagten auszugleichen. Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung des Schadensersatzes neben dem Kreis derjenigen, die Zugriff auf die personenbezogenen Daten der Klägerin bei der SCHUFA hatten, auch die Dauer des Eintrags und dessen Folgen für die Beklagte in den Blick genommen."
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Wichtig an der Entscheidung ist zu verstehen, dass der BGH nicht entschieden hat, dass solche Verstöße grundsätzlich einen Schadensersatz von 500,- EUR auslösen. Vielmehr ist das Urteil dahingehend zu verstehen, dass die 500,- EUR in diesen Fällen die obere Maximalgrenze für den Ausgleich darstellen. Nur in besonderen Einzelfällen, in denen schwerwiegendere Folgen eingetreten sind, kann ein höherer Betrag angemessen sein. Der BGH war im vorliegenden Verfahren prozessual an die 500,- EUR gebunden. Die Beklagte hatte nämlich Rechtsmittel eingelegt und einen höheren Wert als die vom OLG Koblenz bereits zugesprochenen 500,- EUR begehrt. Die Richter konnten also nur über den über 500,- EUR liegenden Betrag entscheiden. Hinsichtlich der “unteren” 500,- EUR waren sie jedoch durch den Ausspruch der Vorinstanz gebunden. Es ist also falsch, wenn behauptet wird, der BGH habe 500,- EUR Schadensersatz für einen unberechtigten SCHUFA-Eintrag zugesprochen. Die hat das Gericht so nicht festgestellt. Es sind bereits weitere Revisionsverfahren anhängig, in denen sich der BGH dann in Kürze auch zur genauen Höhe äußern wird können.
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2.
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BGH: Kein Urheberrechtsschutz für Birkenstock-Sandalen
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Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Revisionsverfahren über den Urheberrechtsschutz von Birkenstock-Sandalen entschieden. Sachverhalt: Die Klägerin ist Teil der Birkenstock-Gruppe. Sie vertreibt verschiedene Sandalenmodelle. Die Beklagten bieten über das Internet ebenfalls Sandalen an oder stellen Sandalen als Lizenznehmer her. Die Klägerin ist der Auffassung, bei ihren Sandalenmodellen handele es sich um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst. Die Angebote und Produkte der Beklagten verletzten das an ihren Sandalenmodellen bestehende Urheberrecht. Sie hat die Beklagten in allen Verfahren auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie Rückruf und Vernichtung der Sandalen in Anspruch genommen. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat den Klagen jeweils stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klagen dagegen abgewiesen und einen urheberrechtlichen Schutz der Sandalenmodelle der Klägerin als Werke der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG verneint. Mit den vom Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen hat die Klägerin ihre Ansprüche weiterverfolgt. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die Revisionen der Klägerin hatten keinen Erfolg. Die geltend gemachten Ansprüche sind unbegründet, weil die Sandalenmodelle der Klägerin keine nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst sind. Das Oberlandesgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass Urheberrechtsschutz voraussetzt, dass ein gestalterischer Freiraum besteht und in künstlerischer Weise genutzt worden ist. Ein freies und kreatives Schaffen ist ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen. Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst ist - wie für alle anderen Werkarten auch - eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern. Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente ist dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich. Für den Urheberrechtsschutz muss vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lässt. Wer urheberrechtlichen Schutz beansprucht, trägt die Darlegungslast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen. Das Oberlandesgericht hat sich mit sämtlichen Gestaltungsmerkmalen auseinandergesetzt, die nach Auffassung der Klägerin den Urheberrechtsschutz ihrer Sandalenmodelle begründen. In rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass nicht festgestellt werden kann, dass der bestehende Gestaltungsspielraum in einem Maße künstlerisch ausgeschöpft worden ist, das den Sandalenmodellen der Klägerin urheberrechtlichen Schutz verleiht. Urteile vom 20. Februar 2025 - I ZR 16/24; I ZR 17/24; I ZR 18/24 Vorinstanzen: im Verfahren I ZR 16/24 LG Köln - Urteil vom 11. Mai 2023 - 14 O 39/22 OLG Köln - Urteil vom 26. Januar 2024 - 6 U 86/23 und im Verfahren I ZR 17/24 LG Köln - Urteil vom 11. Mai 2023 - 14 O 41/22 OLG Köln - Urteil vom 26. Januar 2024 - 6 U 85/23 und im Verfahren I ZR 18/24 LG Köln - Urteil vom 11. Mai 2023 - 14 O 121/22 OLG Köln - Urteil vom 26. Januar 2024 - 6 U 89/23 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 20.02.2025 Die maßgebliche Vorschrift lautet: § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG (1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: […] 4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; […] (2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.
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3.
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BGH: Nicht jedes Reinigungsmittel unterliegt der Biozid-VO = keine Verpflichtung zu Warnhinweisen bei Werbung
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Nicht jedes Reinigungsmittel ist ein Biozidprodukt und unterliegt damit auch nicht den strengen Werbesvorschriften der Biozid-VO (BGH, Urt. v. 06.02.2025 - Az.: I ZR 40/24). Beide Parteien des Rechtsstreits vertrieben Reinigungsmittel in Deutschland. Die Beklagte brachte ein Produkt auf den Markt und bewarb es als “hochwirksame und gleichzeitig umweltfreundliche Mischung”
sowie mit dem Hinweis “Naturhygiene”
Die Vorinstanzen, d.h. sowohl das OLG Frankfurt a.M. als auch das LG Frankfurt a.M. gingen ohne weiteres von der Anwendung der Biozid-VO an und bejahten einen Wettbewerbsvorschrift gegen die Werberverbote des Art. 72 Biozid-VO. Dieser Ansicht folgte der BGH in dem aktuellen Urteil jedoch nicht und hob das Urteil auf und verwies es zur erneuten Entscheidung an das OLG Frankfurt a.M. zurück. Das OLG habe das Produkt als Biozid eingestuft, ohne die tatsächlichen Umstände ausreichend zu prüfen. Es habe sich auf eine frühere Entscheidung bezogen, in der es um ein anderes Produkt mit Doppelverwendung als Lebensmittel und Reinigungsmittel ging. Im vorliegenden Rechtsstreit sei es jedoch nur um ein Reinigungsmittel gegangen. Nicht jedes Reinigungsmittel sei jedoch automatisch ein Biozid. Entscheidend sei vielmehr eine objektive Zweckbestimmung als Biozid, die sich aus der Aufmachung und Werbung des Produkts ergeben müsse: "Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein Biozid handelt, bislang außer Acht gelassen, dass nicht jedes Reinigungsmittel gleichzeitig auch ein Biozid ist. Für bloße Reinigungsmittel, die keine Biozidprodukte sind, ist der Anwendungsbereich der Biozidverordnung nicht eröffnet. (…) Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren eine Gesamtschau des Produkts und seiner Aufmachung vornehmen und prüfen müssen, ob sich daraus eine objektive, für den Verkehr erkennbare Zweckbestimmung gerade als Biozid (vgl. BGH, GRUR 2024, 1229 [juris Rn. 26] - Essigspray) - und nicht als bloßes Reinigungsmittel, bei dem keine biozide Wirkung beabsichtigt ist - ergibt."
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BGH: Inkassokosten sind auch in einem Konzernverbund erstattungsfähig
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Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in einem Musterfeststellungsverfahren entschieden, dass eine Inkassovergütung auch dann einen ersatzfähigen Verzugsschaden darstellt, wenn es sich bei dem von dem Gläubiger mit der Einziehung der Forderung beauftragten Inkassodienstleister um ein mit ihm im Sinne von § 15 AktG verbundenes Unternehmen handelt (sogenanntes Konzerninkasso) und die zwischen diesen beiden Gesellschaften getroffenen Vereinbarungen dazu führen, dass eine (unmittelbare) Zahlung der Vergütung durch den Gläubiger an den Inkassodienstleister im Regelfall ausscheidet. Sachverhalt: Der Musterkläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 28 weiterer Verbraucherschutzorganisationen in Deutschland. Die Musterbeklagte ist ein Konzernunternehmen, dessen Geschäftsgegenstand unter anderem der Erwerb von Forderungen ist. Mit der Einziehung ihrerseits erworbener Forderungen beauftragt die Musterbeklagte regelmäßig eine Schwestergesellschaft, die Inkassodienstleistungen erbringt. Nach der zwischen diesen beiden Gesellschaften getroffenen Rahmenvereinbarung macht die Inkassodienstleisterin die - bis zur erfolgreichen Einziehung beim Schuldner im Verhältnis zu der Musterbeklagten gestundete - Inkassovergütung als Verzugsschaden gegenüber dem jeweiligen Schuldner geltend und behält den entsprechenden Betrag ein, wenn der Schuldner die Forderung erfüllt, während andernfalls - wenn der Schuldner die Forderung nicht erfüllt - die Musterbeklagte ihren entsprechenden Schadensersatzanspruch gegenüber dem Schuldner an die Inkassodienstleisterin an Erfüllungs statt abtritt. Die Höhe der Vergütung richtet sich dabei vereinbarungsgemäß nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). In dem Zeitraum von Februar 2020 bis einschließlich April 2021 machte die Inkassodienstleisterin im Auftrag der Musterbeklagten gegenüber zahlreichen Verbrauchern Forderungen geltend, mit deren Erfüllung der jeweilige Schuldner bereits zuvor in Verzug geraten war. Neben der Hauptforderung verlangte die Musterbeklagte von den Schuldnern jeweils Verzugszinsen sowie - für die Einziehungstätigkeit der Inkassodienstleisterin - die Erstattung einer Inkassovergütung in Höhe einer 1,3-fachen Gebühr nach Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (VV RVG). Bisheriger Prozessverlauf: Das im Musterfeststellungsverfahren erstinstanzlich zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht hat festgestellt, dass die gegenüber Verbrauchern für die Beauftragung der Inkassodienstleisterin als Vergütung geltend gemachten Kosten keinen ersatzfähigen Verzugsschaden der Musterbeklagten im Sinne der §§ 249 ff. BGB darstellen. Ein Anspruch auf Erstattung der Inkassokosten scheide vorliegend aus. Rechtsverfolgungskosten seien grundsätzlich nur dann zu ersetzen, wenn der Geschädigte im Innenverhältnis zu dem für ihn tätigen Rechtsdienstleister zur Zahlung der dem Schuldner in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet sei. Das sei hier nicht der Fall, da es gemäß den zwischen der Musterbeklagten und der Inkassodienstleisterin getroffenen Abreden letztlich ausgeschlossen sei, dass die Musterbeklagte die vereinbarte Inkassovergütung an die Inkassodienstleisterin zu bezahlen habe. Dies bedeute, dass der durch die Inkassodienstleisterin gegenüber den Verbrauchern konkret geltend gemachte Schaden bei der Musterbeklagten nicht entstanden sei. Denn es fehle an einer Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese. Da sich die Musterbeklagte der Belastung mit der (zugleich gestundeten) Vergütungsforderung durch die Erfüllungsabrede innerhalb derselben Vereinbarung wieder entledige, entstehe ihr in schadensrechtlicher Hinsicht kein Nachteil. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der VIII. Zivilsenat hat das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Musterfeststellungsklage ist nach § 606 ZPO aF zulässig, jedoch nicht begründet. Nach § 280 Abs. 1, 2, §§ 286, 249 Abs. 1 BGB sind dem Gläubiger grundsätzlich alle Einbußen zu ersetzen, die er durch die Verfolgung seiner Rechte gegen den bereits in Verzug geratenen Schuldner erleidet. Zu den danach erstattungsfähigen Rechtsverfolgungskosten zählen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Ausgangspunkt auch diejenigen Aufwendungen, die dem Gläubiger dadurch entstehen, dass er - nach Verzugseintritt - ein Inkassounternehmen mit der Einziehung der Forderung beauftragt. Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit ist allerdings, dass die Rechtsverfolgungskosten aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts handelt es sich danach bei der Inkassovergütung, deren Erstattung die Musterbeklagte von den jeweiligen Schuldnern verlangt, um einen ersatzfähigen Verzugsschaden. Bei dem für die Bestimmung eines Schadens vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (Differenzhypothese), begründet der Umstand, dass die Musterbeklagte einem Vergütungsanspruch der Inkassodienstleisterin aus dem mit dieser geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs. 1 iVm § 611 Abs. 1 BGB) ausgesetzt ist, einen Schaden. Zwar stellt die Belastung mit einer Verbindlichkeit nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann und insoweit einen Schaden dar, als der Geschädigte mit der Verbindlichkeit tatsächlich beschwert ist. Eine solche Beschwer entfällt entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts aber nicht etwa dadurch, dass der Geschädigte mit dem Dritten, dessen Forderung den geltend gemachten Schaden bildet, besondere für den Geschädigten vorteilhafte Erfüllungsmodalitäten vereinbart. Dies gilt auch dann, wenn diese Modalitäten wie die Abrede, dass der Dritte hinsichtlich seiner Vergütung an Erfüllungs statt die Abtretung des diesbezüglichen Ersatzanspruchs des Geschädigten gegen den Schädiger annimmt zur Folge haben, dass der Geschädigte keinen direkten Mittelabfluss in Form einer Geldzahlung an den Dritten erleidet. Denn dies ändert nichts daran, dass der Geschädigte die Erfüllung der Forderung schuldet (§ 241 Abs. 1 BGB) und somit eine Vermögenseinbuße im schadensrechtlichen Sinne vorliegt. So verhält es sich auch im Streitfall. Nach der hier getroffenen Abrede erfolgt die Erfüllung wenn der Inkassodienstleisterin eine Realisierung der entsprechenden Ansprüche (Haupt- und/oder Nebenforderungen) gegenüber dem Schuldner (teilweise) gelingt dadurch, dass die Inkassodienstleisterin berechtigt ist, den eingezogenen Betrag in Höhe der Vergütungsforderung zu behalten. Hierbei handelt es sich in dem Verhältnis zwischen der Musterbeklagten und der Inkassodienstleisterin um eine Leistung der Musterbeklagten im Sinne von § 362 BGB, die letztlich darin besteht, dass die Musterbeklagte auf die Geltendmachung ihres Anspruchs auf Auskehrung der durch die Geschäftsbesorgung erlangten Geldbeträge (§ 675 Abs. 1, § 667 BGB) insoweit verzichtet. Bleibt der Forderungseinzug hingegen erfolglos, erbringt die Musterbeklagte die ihrerseits geschuldete Vergütungsleistung, indem sie ihren Schadensersatzanspruch gegen den jeweiligen Schuldner an die Inkassodienstleisterin an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) abtritt. Die Einschaltung der Inkassodienstleisterin war aus der insoweit maßgeblichen Sicht der Musterbeklagten zur Wahrnehmung ihrer Rechte auch erforderlich und zweckmäßig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens regelmäßig selbst in einfach gelagerten Fällen aus der Sicht des Gläubigers erforderlich und zweckmäßig, wenn der Schuldner - wie in sämtlichen hier zu beurteilenden Fällen - in Zahlungsverzug geraten ist. Der Umstand, dass der Forderungseinzug vorliegend im Wege eines Konzerninkassos betrieben wird, rechtfertigt es entgegen einer in der Literatur vereinzelt vertretenen Auffassung nicht, die Erforderlichkeit der hierdurch verursachten Kosten zu verneinen. Denn die Frage der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten richtet sich nicht nach der gewählten Organisation des Forderungsinkassos, sondern allein danach, mit welchen Tätigkeiten der Gläubiger das Inkassounternehmen beauftragt. Hat der Gläubiger der ihm obliegenden Mühewaltung - wozu beispielsweise die Stellung einer Rechnung oder die verzugsbegründende Erstmahnung zählen - genügt, wie regelmäßig anzunehmen ist, wenn er den Schuldner in Verzug gesetzt hat, und beauftragt anschließend um seinem Erfüllungsverlangen Nachdruck zu verleihen einen Rechtsanwalt oder ein (externes) Inkassounternehmen mit der Forderungseinziehung, besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz der hierdurch verursachten Kosten. Im Fall der Beauftragung eines konzernverbundenen - gleichwohl aber rechtlich selbständigen - Inkassounternehmens kann nichts anderes gelten. Nur wenn im Einzelfall zusätzliche besondere Anhaltspunkte für ein von sachfremden Interessen geleitetes, rechtsmissbräuchliches Verhalten des Gläubigers gegebenenfalls in kollusivem Zusammenwirken mit dem konzernverbundenen Inkassounternehmen vorliegen, kann die Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme zu verneinen sein. Solche Anhaltspunkte liegen hier jedoch nicht vor. Auch der Umstand, dass durch ein konzernverbundenes Unternehmen erbrachte Inkassodienstleistungen vom Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes ausgenommen sind (§ 2 Abs. 1, 3 Nr. 6 RDG) und deshalb unter anderem die schuldnerschützende Vorschrift des § 4 Abs. 5 RDGEG aF (heute § 13e Abs. 1 RDG), wonach der Gläubiger von seinem Schuldner eine Erstattung von Inkassokosten nur bis zu der Höhe verlangen kann, die einem Rechtsanwalt für diese Tätigkeit nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehen würde, nicht (unmittelbar) anzuwenden ist, gebietet keine andere Beurteilung. Denn der vom Gesetzgeber mit jener Regelung bezweckte Schutz des Schuldners vor einer Belastung mit überhöhten Kosten lässt sich ohne weiteres dadurch erreichen, dass die in § 4 Abs. 5 RDGEG aF (heute § 13e Abs. 1 RDG) zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung, die als Konkretisierung der allgemeinen Schadensminderungsobliegenheit des Gläubigers nach § 254 Abs. 2 BGB zu begreifen ist, nach Maßgabe dieser letztgenannten Vorschrift auf die Erstattungsfähigkeit von Konzerninkassokosten übertragen wird. Da im Streitfall eine Berechnung der Inkassokosten gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vereinbart wurde, kommt eine Anspruchsminderung hiernach nicht in Betracht. Urteil vom 19. Februar 2025 – VIII ZR 138/23 Vorinstanz: OLG Hamburg - 3 MK 1/21 - Urteil vom 15. Juni 2023 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 19.02.2025 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: Bürgerliches Gesetzbuch § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes (1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. […] § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung (1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen. […] § 286 Verzug des Schuldners (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. […] […] Rechtsdienstleistungsgesetz § 2 Begriff der Rechtsdienstleistung (1) Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. […] (3) Rechtsdienstleistung ist nicht: […] 6. die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen (§ 15 des Aktiengesetzes). Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz § 4 Vergütung der registrierten Personen (in der bis zum 30. September 2021 geltenden Fassung) […] (5) Die Inkassokosten von Personen, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes), für außergerichtliche Inkassodienstleistungen, die eine nicht titulierte Forderung betreffen, sind nur bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehenden Vergütung erstattungsfähig.
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OLG Frankfurt a.M.: Online-Werbung mit Mondpreisen (= bewusst hohe UVP) wettbewerbswidrig
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Gibt ein Hersteller eine unverbindliche Preisempfehlung (UVP) an, die er selbst dauerhaft unterschreitet, liegt darin eine wettbewerbswidrige Irreführung mit Mondpreisen (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 12.12.2024 - Az.: 6 U 153/22). Die Beklagte, ein Hersteller von Kosmetikprodukten, bewarb ihre Waren mit einer unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) von 100,- EUR. Tatsächlich verlangte sie in ihrem eigenen Webshop jedoch dauerhaft nur 69,90 EUR. Gleichzeitig meldete sie den höheren Preis an die Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IFA), sodass Apotheken den UVP als Referenzwert für Rabattaktionen nutzen konnten. Die Klägerin sah darin eine Irreführung, da die angebliche UVP in der Praxis gar nicht verlangt wurde und eine überhöhte Ersparnis suggeriere. Das OLG Frankfurt a.M. folgte der Ansicht der Klägerin und nahm einen Rechtsverstoß an. Eine UVP müsse eine realistische Preisempfehlung beinhalten. Wenn der Hersteller selbst dauerhaft erheblich niedrigere Preise verlange, handle es sich nicht um eine ernsthafte Kalkulation, sondern um eine Täuschung der Verbraucher. Auch die Apotheken, die sich an den gemeldeten Preis hielten, wurden in die Irre geführt. Besonders schwer wog, dass die Beklagte über 75 % ihrer Verkäufe direkt über ihren Webshop abwickelte und die angebliche UVP daher für den Großteil der Verbraucher bedeutungslos war. Die Strategie zielte darauf ab, eine überhöhte Ersparnis zu suggerieren: "Ein vom Hersteller willkürlich festgesetzter Fantasiepreis („Mondpreis“) ist kein empfohlener Preis. Er wird dem Händler in Wahrheit nicht als Preis empfohlen, sondern soll ihm nur die Werbung erleichtern. Der Verbraucher rechnet mit einem marktgerechten Preis als angemessenem Verbraucherpreis, der die ernstliche Preisvorstellung des Herstellers wiedergibt."
Und weiter: "Danach ist ein Mondpreis hier zu bejahen. Die Beklagte hat zwar Markübersichten vorgelegt (…), aus denen sich für stationäre Apotheken eine Preisspanne von ca. 95–113 € ermittelt. Entscheidend ist hier jedoch, dass die Beklagte diesen AVP nicht nur selbst nie gefordert hat, sondern dauerhaft ganz erheblich unterboten hat. (…) Jedenfalls durch die Tatsache, dass die Beklagte (…)% ihres Umsatzes mit dem Online-Verkauf in ihrem eigenen Shop erzielt und nur der Rest über stationäre oder Online-Apotheken angeboten wird, kann eine ernsthafte Kalkulation nicht bejaht werden. Weiß der Hersteller von vorneherein, dass die UVP/AVP von vorneherein nur bei ca. ¼ der verkauften Menge überhaupt eine Wirkung entfalten kann – weil er den Rest selbst kontinuierlich erheblich unter der UVP/AVP verkauft –, kann die gewählte UVP nicht das Ergebnis einer ernsthaften Kalkulation sein, sondern ist vielmehr das Ergebnis einer Mondpreis-Strategie, die eine Rabattierung suggerieren soll, die es in Wirklichkeit so gar nicht gibt."
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OLG Köln: PKW-Hersteller darf Zugang zu OBD-Infos nicht von Registrierung und dauerhafter Internetverbindung abhängig machen
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Ein Fahrzeug-Hersteller darf den Zugang zu seinen On-Board-Diagnose-Informationen (OBD-Infos) nicht von der Registrierung und einer dauerhaften Internetverbindung abhängig machen (OLG Köln, Urt. v. 17.01.2025 - Az.: 6 U 58/24). Die Kläger, unabhängige Werkstattketten, verlangten Zugang zu OBD-Informationen für Diagnose- und Reparaturzwecke. Die Beklagte, die zu einem Automobilkonzern gehörte, hatte diesen Zugang von einer vorherigen Registrierung und einer dauerhaften Verbindung zu ihrem Server abhängig gemacht, da sie entsprechende Sicherheitsbedenken hatte. Das OLG Köln stufte dies als unzulässige Wettbewerbsbeschränkung ein. Die einschlägige EU-Verordnung verlange einen standardisierten und diskriminierungsfreien Zugang zu den OBD-Informationen. Die von der Beklagten eingeführten Zugangsbeschränkungen seien unzulässig. Der EuGH habe klargestellt, dass Fahrzeug-Hersteller Zugangsbeschränkungen nur unter bestimmten Voraussetzungen vornehmen dürften. Sicherheitsbedenken der Beklagten, wie z.B. der Schutz vor Manipulationen, rechtfertigten die Beschränkungen nicht, da die EU-Verordnung hier bereits Vorgaben enthalte: "Entgegen der Auffassung der Beklagten betreffen die Ausführungen des EuGH gerade die von ihr gewählten Einschränkungen des Zugangs zum OBD und begründen dessen Unzulässigkeit. Zwar entscheidet der EuGH nicht über die Tatsachen des konkreten Falles, sondern nur über die Auslegung von (hier sekundärem) Unionsrecht (v…). Das Landgericht hatte dem Gerichtshof indes konkret die von der Beklagten aufgestellten Voraussetzungen für den Schreibzugang zum OBD dargelegt und nach deren Vereinbarkeit mit der Verordnung gefragt (S. 3 des Vorlagebeschlusses vom 27.04.2022, Bl. 247 LGA). Der EuGH hat sodann diese Einschränkungen - gemessen am Maßstab der Verordnung - als nicht zulässig angesehen. In Rn. 38 des Urteils heißt es hierzu: „Daraus folgt, dass andere Voraussetzungen für den Zugang zu den in Art. 61 I VO (EU) 2018/858 genannten Informationen als die in dieser Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen, wie eine Verbindung des Diagnosegerätes über das Internet mit einem vom Hersteller bestimmten Server oder eine vorherige Anmeldung der unabhängigen Wirtschaftsakteure bei diesem Hersteller, nach dieser Verordnung nicht zulässig sind.“ (…)."
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OVG Koblenz: Betrieb eines Weinautomaten auf privatem Grundstück kann aus Jugendschutzgründen untersagt werden
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Die Stadt Bad Kreuznach hat den Betrieb eines Weinautomaten, der auf einem Wohngrundstück an der Grenze zum öffentlichen Straßenraum aufgestellt ist, zu Recht verboten. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz, das damit das vorangegangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz bestätigte. Die Klägerin betreibt seit Anfang 2023 einen Automaten, in dem sie selbst erzeugten Wein zum Verkauf anbietet. Der Automat steht auf einem Wohngrundstück an dessen Grenze und ist nur von der Straße aus zu bedienen. Im April 2023 ordnete die Stadt Bad Kreuznach gegenüber der Klägerin an, den Weinautomaten außer Betrieb zu setzen, weil er gegen das Jugendschutzgesetz verstoße. Die von der Klägerin nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Denn nach den Vorschriften des Jugendschutzgesetzes dürften alkoholische Getränke in der Öffentlichkeit nicht in Automaten angeboten werden. Zwar sehe das Jugendschutzgesetz eine Ausnahme davon u. a. dann vor, wenn durch technische Vorrichtungen sichergestellt sei, dass Kinder und Jugendliche alkoholische Getränke nicht entnehmen könnten, und der Weinautomat in einem gewerblich genutzten Raum aufgestellt sei. An dieser Voraussetzung fehle es jedoch, da sich der Automat auf dem Wohngrundstück der Klägerin befinde. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass Zigarettenautomaten nach dem Jugendschutzgesetz unabhängig von dem Aufstellungsort bereits dann aufgestellt werden dürften, wenn durch technische Vorrichtungen sichergestellt sei, dass Kinder und Jugendliche Tabakwaren nicht entnehmen könnten. Die mit Blick auf den Aufstellungsort unterschiedliche Regelung von Zigaretten- und Alkoholautomaten sei aufgrund der verschiedenen Wirkweisen von Nikotin und Alkohol gerechtfertigt. Den gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht ab. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils habe die Klägerin nicht dargetan. Die unterschiedlichen Regelungen des Jugendschutzgesetzes zum Angebot von alkoholischen Getränken in Automaten und zum Angebot von Tabakwaren und anderen nikotinhaltigen Erzeugnissen in Automaten verletzten nicht den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt habe, finde die unterschiedliche Regelung der Zulässigkeit von Alkohol- und Tabakautomaten im Hinblick auf den Aufstellungsort ihre sachliche Rechtfertigung in den unterschiedlichen Wirkweisen von Nikotin und Alkohol. Wenngleich sie langfristig ähnlich gesundheitsschädlich sein mögen, wiesen sie in der unmittelbaren Wirkung unter Jugendschutzgesichtspunkten Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht auf, dass dies die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertige. Neben den unmittelbaren Gesundheitsgefahren übermäßigen Alkoholkonsums beeinträchtige dieser auch unterhalb dieser Schwelle die Wahrnehmung, Reaktionsfähigkeit und Motorik. Aufgrund der enthemmenden Wirkung steige mit zunehmendem Alkoholgenuss die Gefahr eigen- und fremdgefährdenden Fehlverhaltens, sodass es unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit sachgerecht sei, dass die ausnahmsweise Zulässigkeit von Alkoholautomaten über eine technische Sicherung hinaus mit der Aufstellung in einem gewerblichen genutzten Raum ein weiteres Kontrollelement zur Sicherung der jugendschutzkonformen Abgabe voraussetze. Der von der Vorschrift des Jugendschutzgesetzes ausgehende Eingriff in die Grundrechte der Klägerin stelle sich auch als angemessen dar. Die Regelung ziele darauf ab, die jederzeitige Verfügbarkeit von alkoholischen Getränken in Automaten und die gleichzeitige Möglichkeit Minderjähriger, sich zum eigenen Verbrauch zu bedienen, einzuschränken, um insbesondere den Jugendalkoholismus nicht zu begünstigen. Beschluss vom 18. Februar 2025, Aktenzeichen: 7 A 10593/24.OVG Quelle: Pressemitteilung des OVG Koblenz v. 20.02.2025
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OVG Münster: Spitzenkandidatin des "Bündnis Sahra Wagenknecht" bleibt von der Teilnahme an der "Wahlarena 2025" ausgeschlossen
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Der WDR ist nicht verpflichtet, die Spitzenkandidatin der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) zu der Sendung „Wahlarena 2025 zur Bundestagswahl“ einzuladen, die am 17.02.2025 um 21:15 Uhr im Fernsehprogramm „Das Erste" ausgestrahlt werden soll. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute im Eilverfahren entschieden und damit den vorangegangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt. Die redaktionelle Federführung für die auf 120 Minuten angelegte ARD-Sendung liegt beim WDR. Dieser hat die Spitzenkandidaten der Parteien CDU/CSU, AfD, SPD und Bündnis90/Die Grünen eingeladen. Die "Wahlarena" findet im sogenannten Townhall-Meeting-Format statt. Das Konzept basiert darauf, dass Bürger in der Sendung Fragen an die Politiker richten und mit ihnen persönlich ins Gespräch kommen. Den auf die Teilnahme an der Sendung gerichteten Eilantrag des BSW, mit dem die Partei insbesondere geltend machte, durch die Nichteinladung ihrer Spitzenkandidatin werde sie in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt, lehnte das Verwaltungsgericht Köln ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde des BSW blieb erfolglos. Der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei redaktionell gestalteten Sendungen jeder Partei grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im Wahlkampf und im Wahlverfahren offen zu halten. Sie dürfen die antretenden Parteien nicht willkürlich ausschließen und müssen diese nach dem Gebot der (abgestuften) Chancengleichheit ihrer Bedeutung gemäß angemessen berücksichtigen. Nach diesen Maßstäben rechtfertigt das redaktionelle Konzept der Sendung die Nichtberücksichtigung des BSW. Die Sendung soll es ermöglichen, alle relevanten Themen tiefgehend erörtern und Nachfragen und Diskussionen führen zu können. Hierfür war aufgrund der begrenzten Sendezeit eine Auswahlentscheidung auf wenige Personen erforderlich. Diese hat der WDR danach getroffen, welche Parteien sich in aktuellen Umfragen konstant und deutlich von allen anderen Parteien abheben. Die eingeladenen Vertreter gehörten Parteien an, die in den Umfragewerten konstant und deutlich oberhalb von 10 % lägen. Damit könnten sie in besonderem Maße Einfluss auf die politischen Entwicklungen der kommenden Jahre nehmen, da sie eine (reelle) Chance hätten, aus der Wahl zwar nicht zwingend als stärkste Kraft hervorzugehen, wohl aber zumindest stärkste Kraft in der nächsten Regierungskoalition zu werden. Ausgehend von dieser Konzeption der Sendung war die Einladung der Spitzenkandidatin des BSW nicht geboten, da es lediglich aktuelle Umfragewerte um die 5 % erreicht. Dies stimmt mit dem Gebot der (abgestuften) Chancengleichheit überein, denn Umfragewerte liefern jedenfalls gewisse Anhaltspunkte für die gegenwärtige Bedeutung der Parteien. Dass das BSW im Gesamtprogramm der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht seiner Bedeutung gemäß angemessen berücksichtigt würde, ist nicht dargelegt. Das BSW ist an zwei von vier Wahldebatten im Programm der ARD beteiligt und findet darüber hinaus auch in der sonstigen Wahlberichterstattung u. a. in Form von Dokumentationen, Interviews und Talk-Formaten Berücksichtigung. Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 105/25 (I. Instanz: VG Köln 6 L 81/25) Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 14.02.2025
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LG Düsseldorf: Irreführende Online-Werbung bei Jobportal für Zahnmedizin ("Deutschland größtes Jobportal für Zahnmedizin")
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Die Werbung eines Online-Jobportals mit der Aussage “Deutschlands größtes Jobportal für Zahnmedizin” ist irreführend, wenn auf der Seite ausschließlich Stellenangebote aus Drittquellen präsentiert werden (LG Düsseldorf. Urt. v. 15.11.2024 - Az.: 38 O 52/24). Das verklagte Unternehmen betrieb eine Internetplattform für Stellenangebote im Bereich der Zahnmedizin. Auf der Startseite warb es mit dem Slogan “Deutschlands größtes Jobportal für Zahnmedizin”.
Tatsächlich enthielt die Seite aber vor allem Stellenangebote, die von der Agentur für Arbeit übernommen wurden. Zahnarztpraxen konnten sich zwar eintragen, viele der angezeigten Praxen waren jedoch nicht direkt an dem Portal beteiligt. Darin sah das LG Düsseldorf eine wettbewerbswidrige Irreführung. Die Werbeaussage “Deutschlands größtes Jobportal für Zahnmedizin” erwecke den Eindruck, es handele sich um eine Plattform, auf der Zahnarztpraxen aktiv Stellenangebote einstellen. Tatsächlich würden aber viele Stellenangebote von der Agentur für Arbeit übernommen, ohne dass die jeweiligen Zahnarztpraxen direkt beteiligt seien. Dadurch entstehe der falsche Eindruck, dass es sich um eine umfassendere und direktere Plattform handele, als dies tatsächlich der Fall sei. Der Verbraucher erwarte von einem “Jobportal” typischerweise eine Plattform, auf der sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer aktiv vernetzen könnten. Dies sei hier aber gerade nicht gegeben: "Die Bezeichnung der Plattform der Beklagten als „Deutschlands größtes Jobportal für Zahnmedizin“ vermittelt eine unzutreffende Vorstellung. (…) Der Slogan wird von einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs im Ausgangspunkt dahin verstanden werden, dass es sich bei der Plattform der Beklagten um ein Forum handelt, in dem Arbeitgeber und (potentielle) Arbeitnehmer zusammengebracht werden. Das beruht auf den Vorstellungen, die der Verkehr mit dem Begriff „Portal“ im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Stellenanzeigen verbindet. Diese Vorstellungen gehen (…) jedenfalls über den bloßen Nachweis andernorts veröffentlichter Bekanntmachungen hinaus. Portale zielen typischerweise darauf ab, Angehörige verschiedener Nutzergruppen zusammenzubringen und Beziehungen zwischen Mitgliedern dieser Gruppen herzustellen."
Und weiter: "Die Portalen oder Plattformen eigentümliche Charakteristik (…) weist das Portal der Beklagten jedenfalls teilweise nicht auf. Die Beklagte zeigt zu einem großen Teil Stellenangebote an, die andernorts veröffentlicht und von der Beklagten lediglich gesammelt wurden. Damit entspricht das Portal der Beklagten nicht der durch den angegriffenen Slogan aufgebauten Erwartungshaltung."
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LG Düsseldorf: Auch dann unerlaubte Fax-Werbung, wenn Dienstleister für Patienten den Arzt kontaktiert
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Eine unerlaubte Faxwerbung liegt auch dann vor, wenn ein Dienstleister für einen Patienten den Arzt kontaktiert (LG Potdsam, Urt. v. 26.11.2024 - Az.: 52 O 70/24). Die verklagte Firma bot eine Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) für an. Im Auftrag eines Patienten übersandte sie an dessen Arzt per Fax die Bitte, die entsprechende ärztliche Bestätigung zu erstellen, damit die gesetzliche Krankenkasse die Kostenerstattung für die Behandlung übernahm. In dem Fax hieß es: "Kurzattest (…) für Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) Sehr geehrtes Praxis-Team, (…) hat sich bei uns bezüglich unserer Digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) (…) gemeldet und zugestimmt, dass wir Sie diesbezüglich kontaktieren dürfen. Mit der Diagnose Adipositas erfüllt (…) die Kriterien für die Nutzung unserer DiGA. Für die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen ist eine ärztliche Verordnung (als Kurzattest oder Muster 16 Rezept) erforderlich. Diese ist extra-budgetär und belastet Ihr Arznei- und Heilmittelbudget nicht. Gerne können Sie zur Verordnung unsere Vorlage für das Kurzattest (siehe anbei) nutzen. Bitte schicken Sie das unterschriebene und gestempelte Kurzattest oder ein Muster 16 Rezept(…) direkt an die Patientin/den Patienten."
Auf seiner Homepage forderte der Arzt die Patienten ausdrücklich auf, ihn auch per E-Mail zu kontaktieren. In der Übersendung des Faxes durch die Beklagte sah das LG Düsseldorf einen Fall unerlaubter Faxwerbung. Die Aufforderung, ein Attest auszustellen, diene letztlich dazu, die eigene DiGA-App zu bewerben. Auch wenn der Patient den Anbieter beauftragt habe, bleibe die direkte Kontaktaufnahme mit dem Arzt per Fax ohne dessen Einwilligung eine unzulässige geschäftliche Handlung. Die Angabe der Faxnummer auf der Website der Arztpraxis stelle keine generelle Einwilligung in den Erhalt von Werbung dar. "Der Einordnung als Werbung steht dabei auch nicht entgegen, dass die Übersendung des Faxschreibens insoweit von dem Kunden verursacht worden ist, als Beklagte also von ihrem Kunden den Auftrag erhalten hat, den jeweiligen Vertragsarzt zu kontaktieren. Der Bundesgerichtshof hat insoweit bereits entschieden, dass es der Einordnung einer geschäftlichen Handlung als Werbung nicht entgegensteht, wenn die Werbung nur an Personen versandt wird, die ein Dritter ausgewählt hat (BGH, Urteil vom 12. September 2013 – I ZR 208/12, Rn. 21, juris). Ebenso kann in der Anforderung eines Kurzattests keine nicht werbende Handlung, vergleichbar mit der Übersendung einer Rechnung, gesehen werden, die keiner weiteren Förderung des eigenen Absatzes dient. Im Gegenteil ist die Anforderung des Kurzattests aus Sicht der Beklagten ein wesentlicher Schritt für den anschließenden Absatz ihres Produkts und nicht (wie bei einer Rechnung) eine Maßnahme nach schon erfolgtem Produktabsatz, welche diesen nicht mehr beeinflusst."
Auch die Tatsache, dass die Beklagte lediglich im Auftrag des Patienten den Arzt kontaktiert habe, reichte dem LG Düsseldorf nicht: "Auch das Argument der Beklagten, es liege keine Werbung vor, weil sie lediglich als Stellvertreter des (nicht werbenden) Patienten auftrete, geht schon deswegen fehl, weil es einen Grundsatz in der ärztlichen Versorgung darstellt, dass sich der Vertragsarzt im Rahmen einer unmittelbar persönlichen Konsultation (oder unter bestimmten Umständen mittelbar persönlichen Konsultation in einer Videosprechstunde) von dem Zustand des Patienten überzeugt hat (...). Die Beklagte kann daher den Patienten nicht vertreten, weil sie sich nicht an dessen Stelle vom Vertragsarzt untersuchen lassen kann. Auch ihre „Kontrollüberlegung“, sie könnte dem Patienten ein Faxformular zum Ausdrucken zur Verfügung stellen, geht fehl, weil die ärztliche Verordnung einer DiGA nicht davon abhängt, dass sie per Fax vom Patienten angefordert wird. Es macht aber auch einen grundlegenden Unterschied, ob ein Patient sich faxend um eine Verordnung der DiGA der Beklagten aus eigener Initiative bemüht oder die Beklagte dies an Stelle des Patienten mit dem Ziel der Förderung des Absatzes ihrer Produkte tut."
Auch die Äußerungen auf der Arzt-Homepage führten zu einer grundsätzlichen Erlaubnis: "Eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Vertragsarztes in den Erhalt von Werbung durch Telefax liegt nicht vor. Sie ergibt sich weder daraus, dass Herr (...) eine Faxnummer als Kontaktmöglichkeit für seine Patienten angegeben hat, noch dass der Arzt selbst seine Patienten ermutigt, ihn per E-Mail bei Rezept- oder Überweisungswünschen zu kontaktieren. Insofern mag der Hinweis der Beklagten zutreffen, dass dies in aller Deutlichkeit zeige, dass der betroffene Arzt die Möglichkeit der Fernkommunikation gerne nutze, um seinen Patienten, aber auch dem Praxispersonal die Abläufe zu erleichtern. Daraus folgt aber nicht, dass er damit einverstanden wäre, dass die Möglichkeit der Fernkommunikation auch von anderen Personen, als seinen Patienten, zu Zwecken der Werbung eingesetzt wird."
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