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Die einzelnen News
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1.
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BVerfG: Online-Lebensmittelpranger durch Behörde müssen unverzüglich veröffentlicht werden, andernfalls rechtswidrig
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Die Veröffentlichung von Verstößen eines Unternehmens gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften müssen unverzüglich erfolgen. Verstreicht eine Zeit von 17 Monaten ist eine Veröffentlichung nicht mehr erlaubt (BVerfG, Beschl. v. 28.07.2025 - Az.: 1 BvR 1949/24). Bei einer Kontrolle im Februar 2023 wurden beim klägerischen Unternehmen für Events und Catering gravierende Hygienemängel festgestellt (u. a. verdorbene Lebensmittel, Mäusebefall und Schimmel). Die Stadt Frankfurt am Main kündigte an, die Mängel auf einer Webseite zum Verbraucherschutz (sog. Lebensmittelpranger) zu veröffentlichen. Das Unternehmen wehrte sich dagegen, da eine Veröffentlichung aus seiner Sicht geschäftsschädigend sei. Insgesamt vergingen 17 Monate bis zur Veröffentlic Sowohl das VG Frankfurt a.M. als auch der VGH Kassel lehnten den Antrag des Unternehmens auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Beide Gerichte hielten die geplante Publikation für zulässig, insbesondere da sie aus ihrer Sicht "unverzüglich" im Sinne des Gesetzes erfolge. Dagegen legte die Firma Verfassungsbeschwerde ein. Und hatte Erfolg. Die Verfassungsrichter hoben die Urteile auf. Das BVerfG stellte fest, dass die Veröffentlichung der Kontroll-Ergebnisse grundsätzlich erlaubt sei, dies aber “unverzüglich” geschehen müsse. Im konkreten Fall seien jedoch über 17 Monate zwischen der Kontrolle und der geplanten Veröffentlichung vergangen. Die Informationen eines solchen Lebensmittelprangers müssten für Verbraucher aktuell sein, um eine bewusste Kaufentscheidung zu ermöglichen. Eine derart verspätete Veröffentlichung könne ihr Ziel nicht mehr sinnvoll erreichen. Die Verwaltungsgerichte hätten diese zeitliche Verzögerung nicht ausreichend berücksichtigt, insbesondere auch nicht die lange Dauer des gerichtlichen Verfahrens selbst. Auch wenn sich Behörden bei laufenden Verfahren zurückhalten müssten, müsse dennoch das gesamte Verfahren in die Prüfung einbezogen werden. Die Grundrechtsbelastung des Unternehmens durch eine so späte Veröffentlichung wiege schwerer als der Informationswert für Verbraucher: "Eine Veröffentlichung konnte daher schon wegen der langen zeitlichen Verzögerung ihren Zweck, Verbraucherinnen und Verbraucher über lebensmittelrechtliche Verstöße zu informieren und ihnen eine bewusste Konsumentscheidung zu ermöglichen, nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr in einer Aktualität erreichen, der den Eingriff in das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen konnte. Zwar beruhte die hier eingetretene Verzögerung ganz maßgeblich darauf, dass die Behörde die Veröffentlichung während des von der Beschwerdeführerin angestrengten gerichtlichen Eilverfahrens zurückgestellt hat. Auch kann die Durchführung eines gerichtlichen Eilverfahrens die Unverzüglichkeit einer Veröffentlichung grundsätzlich nicht in Frage stellen (…). Damit aber, ob und inwieweit dies auch dann gelten kann, wenn – wie hier – das gerichtliche Eilverfahren allein in der Beschwerdeinstanz mehr als 14 Monate dauert, setzt sich der Verwaltungsgerichtshof nicht auseinander. Dies hätte sich aber angesichts dieser Dauer aufdrängen müssen, zumal es weder ersichtlich ist, dass diese zeitliche Verzögerung der Sphäre der Beschwerdeführerin zuzurechnen sein könnte, noch sachliche Gründe erkennbar sind, die die eingetretene zeitliche Verzögerung nach den Umständen des Einzelfalls noch als angemessen erscheinen lassen könnten (…)."
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2.
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OLG Düsseldorf: Logistikdienstleister haftet für Markenverletzungen seines Auftraggebers mit
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Ein Logistikdienstleister haftet für Markenverstöße, wenn er seine Post-Adresse für den Versand gefälschter Trikots bereitstellt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.08.2025 - Az.: 20 U 9/25). Ein bekannter Sportartikelhersteller war Inhaber mehrerer Marken für Sportbekleidung. Die Beklagte, ein Logistikunternehmen, stellte chinesischen Online-Händlern seine deutsche Adresse zur Verfügung, um Retouren anzunehmen und Pakete mit Trikots an deutsche Kunden zu verschicken. Mehrere dieser Trikots waren mit den Marken des Herstellers versehen, wobei es sich um (mutmaßliche) Fälschungen handelte. Bei Testkäufen der Markeninhaberin trat das Logistikunternehmen mehrfach als Absenderin in Erscheinung. Trotz Abmahnungen unternahm der Dienstleister nichts. Das verklagte Unternehmen hafte zwar nicht als Täter, sondern nur als sogenannter Störer. Gleichwohl treffe ihn eine entsprechende Verantwortlichkeit. Denn er habe durch die Bereitstellung seiner Adresse für den Versand willentlich und ursächlich zur Markenrechtsverletzung beigetragen. Spätestens nach dem Hinweis der Rechteinhaberin hätte das Logistikunternehmen Maßnahmen ergreifen müssen, um weitere Verstöße zu verhindern. Da die Dienstleistung besonders anfällig für Missbrauch sei und viele der betroffenen Trikots Fälschungen gewesen seien, seien Prüf- und Kontrollmaßnahmen zumutbar. Diese seien jedoch nicht eingeführt worden, sodass die Beklagte als Störerin mitverantwortlich sei: "Bei Anwendung dieser Grundsätze ist eine Störerhaftung der Antragsgegnerin zu bejahen. aa) Durch die Gestattung der Nutzung ihrer Adresse als Absenderadresse und ihre Bereitschaft, im Falle Nichtzustellung das Paket entgegenzunehmen, trägt die Antragsgegnerin willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung der Markenrechte der Antragstellerin bei. Nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin verlangt K. für den Versand von Paketen innerhalb Deutschlands eine einen Ort in Deutschland bezeichnende Absenderangabe, um im Falle der Unzustellbarkeit oder sonstiger Unregelmäßigkeiten eine Rückbeförderung zu ermöglichen (…). Ohne die Bereitschaft der Antragsgegnerin würden die vom chinesischen Logistiker nach Deutschland verbrachten Pakete daher nicht von K. zum Zwecke des Weitertransports zum Empfänger übernommen. (…) bb) Die durch das Schreiben der Antragstellerin (…) über Nutzung ihrer Adresse für Markenrechte der Antragstellerin verletzende Warensendungen in Kenntnis gesetzte Antragsgegnerin hat zumutbare Prüfungs- oder Überwachungspflichten verletzt. Die Tätigkeit der Antragstellerin ist in besonderer Weise geeignet, der Verletzung von Markenrechten Vorschub zu leisten. Die Antragstellerin ist für einen oder mehrere chinesische Logistiker tätig, die die zollfreie Zustellung von Einzelpaketen chinesischer Onlinehändler direkt beim Endverbraucher organisieren. Durch die vom Logistiker organisierte Vorababführung von Zöllen, Steuern und Gebühren wird das Risiko einer Zollkontrolle der Pakete minimiert. Vor diesem Hintergrund ist die Nutzung der Dienstleistung für den Versand markenrechtsverletzender Waren deutlich erhöht. Zwar kommen aus China nicht nur Plagiate; in China wird im erheblichem Umfang Originalware wegen der dort günstigen Fertigungspreise in Lohnfertigung für Markenhersteller hergestellt (…). Originalware befindet sich aber nicht in einem von einem chinesischen Onlineshop an einen Endkunden in Deutschland verschickten Einzelpaket, sondern wird containerweise an den Markenhersteller oder seinen Distributor geliefert, der die Ware dann im Binnenmarkt absetzt."
Und weiter: "Bei der in einem Einzelpaket direkt an den Endkunden versandten, mit einer deutschen Marke oder einer Unionsmarke gekennzeichneten Ware handelt es sich hingegen zwangsläufig um nicht erschöpfte und damit um markenverletzende Ware, und zwar selbst dann, wenn sie vom chinesischen Lohnfertiger des Markenherstellers gefertigt worden sein sollte. Nach dem in Art. 15 Abs. 1 UMV normierten Grundsatz der territorialen Reichweite der Erschöpfung reicht es für eine Markenverletzung aus, dass die Ware unter dieser Marke nicht vom Inhaber oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden ist. Kein Markeninhaber wird aber einem chinesischen Onlinehändler gestatten, Waren an Endkunden in den Europäischen Wirtschaftsraum zu liefern. Markenräume werden schon wegen des unterschiedlichen Preisniveaus über unterschiedliche Kanäle bedient. Von daher ist eine Rechtsverletzung im Übrigen leicht zu erkennen, jede mit einer Marke gekennzeichnete Ware in einem aus China kommenden Einzelpaket ist jedenfalls in Ermangelung einer Erschöpfung rechtsverletzend."
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3.
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OLG Frankfurt a.M.: Online-Preis einer Reise muss alle Kosten enthalten, gesonderter Energiezuschlag rechtswidrig
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Bei Online-Reisen ist stets ein Gesamtpreis anzugeben, der alle verpflichtenden Kosten umfasst. Die gesonderte Ausweisung etwaiger Energiezuschläge ist unzulässig (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 28.05.2025 - Az.: 6 U 116/24). Ein Reiseveranstalter bot eine Pauschalreise online an. Im Buchungsverlauf wurde zusätzlich ein “Energiezuschlag” in Höhe von 27,- EUR pro Person angezeigt. Dieser Betrag war jedoch nicht in dem Gesamtpreis enthalten, sondern fiel zusätzlich zwingend an. Wie schon die Vorinstanz stufte auch das OLG Frankfurt a.M. in der Berufung die Bewerbung als Wettbewerbsverstoß ein. In der Reklame müssten alle verpflichtenden Kosten, wie der „Energiezuschlag“, in dem Gesamtpreis enthalten sein. Nur wenn ein Zuschlag optional sei oder nur unter bestimmten Bedingungen anfalle, dürfe er gesondert aufgeführt werden. Die Beklagte habe jedoch nicht ausreichend dargelegt, dass der Zuschlag nur bei bestimmten Reisen erhoben wurde. Sie sei verpflichtet gewesen, genau zu erklären, unter welchen Voraussetzungen der Zuschlag entfällt. Da diese Informationen fehlten, musste davon ausgegangen werden, dass der Zuschlag stets anfalle und daher ein fester Bestandteil des Gesamtpreises sei: "Nach diesen Maßstäben ist hier davon auszugehen, dass der „Energiezuschlag“ einen sonstigen Preisbestandteil darstellt, der in den Gesamtpreis einzurechnen ist. (1) Die Beklagte hat im Anschluss an die Einlegung des Einspruchs in erster Instanz vorgetragen, dass der Energiezuschlag nicht für alle möglichen Reisetermine anfalle, sondern gemäß den Vorgaben der Reise- und Vertragspartner der Beklagten nur bei einzelnen bestimmten Reiseterminen. In diesem Fall würde die Angabe des „ab“-Preises nicht gegen die PAngV verstoßen. Die Klägerin hat den Vortrag jedoch bestritten. Auch wenn die Klägerin für den behaupteten Verstoß gegen die PAngV (wonach der Energiezuschlag immer anfalle) darlegungs- und beweispflichtig ist, trifft die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast, weil nur sie die Vereinbarungen und Vorgaben mit ihren Reise- und Vertragspartnern kennt. Sie ist daher prozessual verpflichtet gewesen, nähere Einzelheiten zu den bestehenden Vereinbarungen – etwa durch Vorlage solcher Vereinbarungen ggf. in geschwärzter Form – so vorzutragen, dass die Klägerin in die Lage versetzt wird, substanziiert darzutun, wieso gleichwohl ein Verstoß gegen die PAngV vorliegt."
Und weiter: “(2) Dieser sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht gerecht geworden. Die Beklagte hat nicht dargelegt, welcher Leistungserbringer für den Energiezuschlag verantwortlich ist. Sie hat auch nicht dargelegt, gemäß welchen vermeintlichen Faktoren oder Vereinbarungen der Energiezuschlag anfällt (bzw. angeblich nicht anfällt).”
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4.
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VGH München: Presse hat keinen Anspruch Name des Strafverteidiger im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu erfahren
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Das Auskunftsinteresse der Presse am Namen eines Strafverteidigers kann im nichtöffentlichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren zurückstehen. Denn das Interesse von Beteiligten und Allgemeinheit an der Wahrung der Anonymität in diesem Verfahrensstadium sowie der Schutz des anwaltlichen Mandatsgeheimnisses können schwerer wiegen als das Informationsinteresse der Presse. Dies hat der Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) mit Beschluss vom heutigen Tag entschieden. Nach einer Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft über die Festnahme eines Tatverdächtigen wegen eines mutmaßlichen Tötungsdelikts verlangte der Antragsteller, ein Journalist einer überregionalen Boulevard-Zeitung, von der Staatsanwaltschaft München Auskunft, wie der Strafverteidiger des Tatverdächtigen heiße. Der Antragsteller verwies dabei auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Hamburg vom 7. April 2025, in der ein entsprechender Auskunftsanspruch gegen eine Staatsanwaltschaft bejaht wurde. Die Staatsanwaltschaft München verweigerte die Auskunft unter Verweis auf das Mandantengeheimnis. Das Verwaltungsgericht München lehnte einen daraufhin erhobenen Eilantrag ab. Der BayVGH bestätigte nun diese Entscheidung. Fraglich sei bereits, ob eine Auskunft über den Namen des Strafverteidigers vom presserechtlichen Auskunftsanspruch erfasst sei, wenn die Auskunft nicht auf eine Berichterstattung über den Anwalt, sondern auf eine Kontaktaufnahme zum Tatverdächtigen abziele. Jedenfalls überwögen der Schutz der Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sowie das Mandatsgeheimnis. Das Ermittlungsverfahren beruhe lediglich auf einem Verdacht und diene der Aufklärung des Sachverhalts. In die Persönlichkeitsrechte der an diesem Verfahren Beteiligten dürfe nur in dem Umfang eingegriffen werden, der zur Strafverfolgung nötig sei. Im nichtöffentlichen Ermittlungsverfahren sei somit besonders behutsam mit Personendaten umzugehen. Auch der Strafverteidiger habe als Organ der Rechtspflege ein schutzwürdiges Interesse an einer Arbeit ungestört von Presseanfragen. Mit dem Mandatsgeheimnis setze sich die Entscheidung des OVG Hamburg nicht auseinander. Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht sei eine tragende Säule des Anwaltsberufs und die Basis für das Vertrauensverhältnis zum Mandanten. Diese könnte durch eine Presseauskunft der Staatsanwaltschaft ausgehebelt werden. Auch seien der Anwalt und sein Mandant nicht im Wege einer Selbstöffnung an die Presse herangetreten, weder vor noch nach der Presseberichterstattung über die Tat bzw. das gegenständliche Auskunftsersuchen. Damit müsse das Auskunftsinteresse des Antragstellers im konkreten Fall zurücktreten. Der Beschluss des BayVGH ist unanfechtbar. (BayVGH, Beschluss vom 20. August 2025, Az. 7 CE 25.1263) Quelle: Pressemitteilung des VGH München v. 20.08.2025
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5.
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LG Berlin: Hostinganbieter haftet nur bei korrekt eingehaltenem Meldeverfahren nach dem Digital Services Act (DSA)
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Ein Hostinganbieter haftet nach dem Digital Services Act (DSA) nur dann, wenn das vorgeschriebene Meldeverfahren eingehalten wurde. Formlose Hinweise per E-Mail oder andere Wege reichten nicht aus (LG Berlin II, Beschl. v. 07.08.2025 - Az.: 27 O 262/25 eV). Der klägerische Gastronomiebetrieb wollte erreichen, dass bestimmte Online-Bewertungen über sein Restaurant entfernt werden. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung richtete sich gegen die Plattformbetreiberin als Hostdienstleisterin. Die Bewertungen stammten von Dritten und beinhalteten subjektive Meinungsäußerungen zu Speisen und Dienstleistungen, u.a. “Gar nicht meins. Salz-Pfeffer-Verhältnis hat überhaupt nicht gepasst”.
Das Gericht lehnte das Begehren der Antragstellerin ab. 1. Streitwert unter 5.000,- EUR, Amtsgerichte sind zuständig: Zum einen unterschreite das Begehren den Streitwert von 5.000,- EUR, sodass nicht die Landgerichte, sondern die Amtsgerichte zuständig seien. Die Antragstellerin habe aber nicht ausreichend dargelegt, dass die Sternebewertungen ihren Umsatz oder Ruf erheblich geschädigt hätten. Sternebewertungen seien heute ein übliches Mittel der Meinungsäußerung. Dabei handele es sich nicht um überprüfbare Tatsachen, sondern um subjektive Einschätzungen wie etwa „Gar nicht meins. Salz-Pfeffer-Verhältnis hat überhaupt nicht gepasst“. Solche Aussagen seien gesellschaftlich akzeptiert und in ihrer Wirkung eher gering. Deshalb liege der Streitwert unter 5.000,- EUR: "Zum anderen ist hier zu berücksichtigen, dass es sich bei der Bewertung von Restaurants und vergleichbaren gastronomischen Einrichtungen mittlerweile um ein Alltagsphänomen handelt, bei dem das verständige Publikum dem Umstand Rechnung trägt, dass es sich bei der vergebenen Sterneanzahl um keine dem Wahrheitsbeweis zugängliche Tatsachenbehauptung, sondern lediglich um eine wesentlich von Elementen des Meinens und Dafürhaltens geprägte Meinungsäußerung handelt. Diese auch hier maßgebenden Einzelfallumstände mildern die ohnehin schon unterdurchschnittliche Eingriffsintensität der beanstandeten Äußerungen auf das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Antragstellerin nochmals in erheblichem Umfang ab. Davon ausgehend ist eine Bemessung des Zuständigkeitsstreitwertes mit mehr als 5.000,00 EUR bei der Bewertung der hier streitgegenständlichen gastronomischer Dienstleistungen - anders als etwa bei der Bewertung von Dienstleistungen der freien Berufe wie Ärzten und Rechtsanwälten - erst recht nicht zu rechtfertigen (…)."
2. Meldeverfahren nach dem DSA nicht eingehalten: Ein Unterlassungsanspruch gegen die Plattform bestehe nur, wenn diese von der Rechtsverletzung auf zumutbare Weise Kenntnis erlangt habe. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Die Gastronomin habe nicht das vorgeschriebene Meldeverfahren gemäß DSA genutzt. Formlose Hinweise per E-Mail oder andere Wege reichten nach Ansicht des Gerichts nicht aus. Der europäische Gesetzgeber verlange ein klar strukturiertes, leicht zugängliches Meldeverfahren. Ein solches habe die die Plattform auch angeboten. Deshalb könne der Plattform keine Kenntnis unterstellt werden: "Gemessen daran war es der Antragsgegnerin bislang nicht unschwer möglich, die streitigen Äußerungen tatsächlich und rechtlich zu überprüfen. Denn die Antragstellerin hat bislang davon abgesehen, der Antragsgegnerin Kenntnis über das gemäß Art. 16 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (Digital Services Act, im Folgenden "DSA") für Hostingdienstanbieter verpflichtende - und von der Antragsgegnerin auch eingerichtete - Melde- und Abhilfeverfahren über die ihrer Auffassung nach persönlichkeitsrechtswidrigen Inhalte zu machen. Gemäß Art. 16 Abs. 3 DSA ist von einer tatsächlichen Kenntnis oder einem Bewusstsein in Bezug auf die betreffende Einzelinformation bei Meldungen des Betroffenen aber ausschließlich dann auszugehen, wenn die Meldung des Betroffenen "nach diesem Artikel (…) erfolgt. Davon abweichende Formen der Kenntnisverschaffung durch den Betroffenen sind ungeeignet, dem Hostingdienstanbieter in zumutbarer Weise Kenntnis von der angeblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung zu verschaffen (…)."
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VG Bremen: Automatisiert erstellter Müllgebührenbescheid ist datenschutzwidrig
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Ein automatisiert erstellter Müllgebührenbescheid verstößt gegen Art. 22 Abs.1 DSGVO (VG Bremen, Urt. v. 14.07.2025 - Az.: 2 K 763/23). Der klägerische Grundstückseigentümer erhielt einen Bescheid über Abfallgebühren in Höhe. Er widersprach dem Bescheid mit der Begründung, dieser sei automatisiert und ohne menschliche Prüfung ergangen, was gegen Art. 22 Abs.1 DSGVO verstoße, d.h. gegen das Verbot automatisierter Einzelentscheidungen. Die zuständige Behörde wies den Widerspruch zurück. Den Widerspruchsbescheid erließ ein menschlicher Sachbearbeiter. Der Kläger klagte daraufhin vor dem Verwaltungsgericht. Das Gericht hob lediglich die Gebühr für den Widerspruchsbescheid auf, ließ den Bescheid im Übrigen jedoch bestehen. Der ursprüngliche Bescheid sei tatsächlich ausschließlich automatisiert erstellt worden, was eine Verletzung des Art. 22 Abs.1 DSGVO darstelle. Allerdings sei der Fehler durch das nachfolgende Widerspruchsverfahren "geheilt“ worden, da nun ein Mensch den Fall geprüft habe. Dadurch liege letzten Endes keine verbotene automatisierte Entscheidung mehr vor. Der Gebührenbescheid sei daher wirksam. Nur das Entgelt für den Widerspruchsbescheid sei aufzuheben gewesen: "Maßstab für die Beurteilung, ob die Entscheidung ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruht, ist allein, ob die Entscheidung am Ende von einem Menschen getroffen wird. (…) Das Ausgangsverfahren bildet dabei mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit und wird erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen. Diese Einheit setzt sich im gerichtlichen Verfahren fort. Der Widerspruchsbehörde kommt im Überprüfungsverfahren eine umfassende Kontrollbefugnis zu. Sie besitzt grundsätzlich gemäß § 68 Abs. 1 VwGO die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Erstbehörde und ist mithin zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt (…). Mit Widerspruchsverfahren und dem anschließenden Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18.03.2023 ist eine Einzelfallentscheidung über die streitgegenständlichen der umfassenden Überprüfung des Festsetzungsbescheides im Beitragsfestsetzungen durch einen Sachbearbeiter der Widerspruchsbehörde gefertigt und getroffen worden. Der streitgegenständliche Festsetzungsbescheid ist damit bereits begrifflich nicht in einem vollständig automatisierten Verfahren erlassen worden. Der vom Kläger vorgebrachte Mangel ist mit Erlass des Widerspruchsbescheids „geheilt“ (…). Die Berechnung durch ein Computerprogramm allein stelle keine Entscheidung im Sinne der DSGVO dar, wenn im weiteren Verfahren ein Mensch die Verantwortung übernimmt."
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VG Düsseldorf: Wettbüros müssen untereinander Mindestabstand einhalten
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Wettvermittlungsstellen müssen zu anderen Wettvermittlungsstellen einen Mindestabstand von 100 Metern einhalten. Dies hat die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit den Beteiligten am heutigen Tag zugestellten Urteil entschieden und damit die gemeinsame Klage einer Veranstalterin von Sportwetten und einer Wettvermittlerin abgewiesen. Seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages 2021 dürfen konzessionierte Wettveranstalter in Deutschland Sportwetten über stationäre Wettvermittlungsstellen anbieten. Für den Betrieb einer stationären Wettvermittlungsstelle bedarf es einer Erlaubnis. Gesetzlich vorgesehen ist in Nordrhein-Westfalen zudem, dass Wettvermittlungsstellen zu anderen Wettvermittlungsstellen einen Mindestabstand von 100 Metern Luftlinie einhalten sollen. Unter Berufung auf dieses Mindestabstandsgebot lehnte die Bezirksregierung Düsseldorf den Antrag einer Wettveranstalterin und einer Wettvermittlerin auf Erteilung einer Betriebserlaubnis ab. Die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf hat dies in ihrem Urteil bestätigt und ausgeführt: Es bestehen keine verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen das Mindestabstandsgebot. Das geltende Mindestabstandsgebot verfolgt das überragend wichtige Gemeinwohlziel, Spieler vor den Gefahren der Glücksspielsucht zu schützen, indem die Anzahl der Wettvermittlungsstellen insgesamt begrenzt, hierdurch die Verfügbarkeit sowie die Griffnähe dieser Glücksspielform reduziert und zusätzlich ein „Abkühleffekt“ bei den Spielern herbeigeführt wird. Angesichts dieses legitimen Schutzzwecks ist der mit dem Mindestabstandsgebot zwangsläufig verbundene Eingriff in die Rechte von Wettveranstaltern und Wettvermittlern aus der Sicht des Verfassungs- und Unionsrechts gerechtfertigt. Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung beantragt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet. Aktenzeichen: 16 K 1182/22 Quelle: Pressemitteilung des VG Düsseldorf v. 21.08.2025
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8.
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LG München I: Auch nach BGH-Urteil: Online-Coaching-Vertrag unterfällt nicht automatisch dem FernUSG
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Auch nach dem jüngsten BGH-Urteil unterfällt nicht jeder Online-Coaching-Vertrag automatisch dem Anwendungsbereich des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) (LG München I, Urt. v. 08.08.2025 - Az.: 47 O 12802/24). Der Kläger forderte die Rückzahlung des bezahlten Coaching-Honorars. Beklagte war die Baulig Consulting GmbH. Vor kurzem hatte der BGH dazu eine wegweisende Grundsatzentscheidung getroffen und die Anwendbarkeit des FernUSG bejaht, vgl. unsere Kanzlei-News v. 16.07.2025. In Kenntnis dieses BGH-Urteils hat das LG München I nun eine abweichende Entscheidung getroffen und lehnte im vorliegenden Rechtsstreit die Vorschriften des FernUSG ab: "Aus Sicht des Gerichts entscheidend ist, ob bei der nunmehr (und zum Zeitpunkt des Erlasses des FernUSG noch nicht) möglichen umfassenden digitalen Betreuung eine Betreuung wie bei Präsenzunterrichtsveranstaltungen sichergestellt ist. Ist dies der Fall, gibt es keinerlei Anlass den Anwendungsbereich des FernUSG auf diese Fälle auszudehnen, da der Fernunterrichtsschüler in diesen Fällen nicht in größerem Umfang schützenswürdig ist als der Nicht-Fernunterrichtsschü¬ler. Vorliegend ist schon nach dem klägerischen Vortrag durch die digitale Betreuung der Beklagten eine Betreuung sichergestellt, die einer Betreuung via Präsenzunterricht entspricht. Nach klägerischem Vortrag bestand im Rahmen des vorliegenden Coaching-Vertrags neben dem Videolernkurs die Möglichkeit, mehrmals die Woche an begleitenden Live-Videokonferenzen teilzunehmen und insbesondere auch zusätzlich an dem begleitenden VIP-Support (1:1 Support) teilzunehmen. Nach eigenem Vortrag bestand insofern jederzeit die Möglichkeit, wie bei Präsenzveranstaltungen individuelle Rückfragen zu stellen und insofern auch individuelle Antworten zu erhalten. Allein aus dem Umstand, dass der Unterricht im Wesentlichen digital abläuft, ergibt sich nichts anderes. Aus Sicht des Gerichts stellt die konkrete Betreuung daher eine zu einer Prä¬senzveranstaltung vergleichbare Betreuung sicher, sodass die für das Vorliegen eines Fernunterrichtsvertrags erforderliche räumliche Trennung abzulehnen ist."
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Aufgrund der BGH-Vorgaben sind die Ausführungen des Gerichts durchaus diskussionswürdig. Genauso gut hätte das gegenteilige Ergebnis herauskommen können. Die Entscheidung des LG München I zeigt anschaulich, dass dem BGH-Urteil nicht alle Fragen restlos geklärt sind. Es besteht weiterhin viel Interpretationsspielraum.
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LG München I: Versicherungsvermittler darf online nicht den Eindruck einer Versicherung erwecken
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Ein Versicherungsmittler darf sich online nicht als “Versicherung” darstellen, auch wenn die Firma den Begriff “Insurance Services” enthält (LG München I, Urt. v. 18.06.2025 - Az.: 37 O 13498/24). Ein Unternehmen aus München vermittelte Versicherungen und betrieb dafür eine Website. Es verwendete dafür den Firmennamen “Insurance Services XY”.
Auf der Seite finden sich auch Aussagen, die den Eindruck erweckten, das Unternehmen sei selbst eine Versicherung. So wurde ein Logo mit dem Wort “Insurance” verwendet und befanden Vergleiche mit klassischen Versicherern. Das LG München I sah darin teilweise eine irreführende Werbung. Das Unternehmen dürfe sich nicht als “Versicherung” darstellen oder mit diesem Begriff werben. Die Nutzung des Unternehmens “Insurance Services XY” dagegen sei zulässig. 1. Werbung mit “Versicherung” irreführend: Die Darstellung auf der Webseite erwecke den falschen Eindruck, die Beklagte sei ein echtes Versicherungsunternehmen. Das Logo mit “Insurance”, kombiniert mit Aussagen wie “Was für eine Versicherung ist...?” und der Vergleich mit anderen Versicherungen, könne Verbraucher täuschen. Selbst Hinweise im Kleingedruckten reichten nicht aus, um diesen falschen Eindruck zu korrigieren: “Im Ergebnis besteht die Gefahr, dass die angesprochenen Verkehrskreise eine Versicherung hinter der Beklagten vermuten und die Einhaltung der strengen gesetzlichen Vorgaben für Versicherungen nach dem VAG, einschließlich der Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung, erwarten und sich dadurch bei ihrer Entscheidung für oder gegen eine angebotene Versicherungsdienstleistung beeinflussen lassen.”
2. Firmen-Name “Insurance Services XY”: Dagegen verstoße der Firmenname “Insurance Services GmbH” nicht gegen das geltende Recht. Das Wort “Services” mache klar, dass es sich um Dienstleistungen handele und eben nicht um ein eigenes Versicherungsprodukt. "Die deutsche Übersetzung dieses Begriffs („Versicherungsdienstleistungen“) stellt nicht das Versicherungsprodukt selbst in den Vordergrund, sondern vielmehr eine Dienstleistung bzw. einen Service im Zusammenhang mit dem Versicherungsprodukt. Dies umfasst auch eine Vermittlungstätigkeit (…) und stellt demnach – insbesondere in Kombination mit der konkret verwendeten, für Versicherungsunternehmen unzulässigen Gesellschaftsform – eine hinreichende Konkretisierung i. S. d. § 6 Abs. 1 S. 2 VAG dar."
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LG Stuttgart: Persönliche Nachrichten eines Maklers auf "Kleinanzeigen.de" sind Spam
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Die ungefragte Übersendung von Werbung mittels persönlicher Nachricht auf dem Portal “Kleinanzeigen.de” ist als unerlaubte Werbung einzustufen (LG Stuttgart, Urt. v. 05.06.2025 - Az.: 33 O 10/25 KfH). Ein Verbraucher bot auf der Plattform “Kleinanzeigen.de” eine Wohnung zum Verkauf an. In der Anzeige wies er ausdrücklich darauf hin, dass keine Makleranfragen gewünscht waren. Zwei Tage später erhielt er dennoch eine Nachricht über das interne Postfach der Plattform von einem freien Mitarbeiter einer Immobilienmaklerin. Darin wurde ein potenzieller Käufer genannt, eine Provision in Aussicht gestellt und um Rückmeldung gebeten. Die Nachricht lautete: "Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt ein Interessenten von uns mit einer Finanzierungsbestätigung der Interesse an Ihre Wohnung hat. Bei einen erfolgreichen Abschluss würde die Provision bei 3,57 % liegen (im Alleinauftrag nur 3 % Laufzeit 1 Monat). Im Umkreis haben wir schon einige Objekte verkauft siehe unsere Referenzen, hierzu kam es zum Kontakt mit unseren Klienten. Bei Interesse würde ich mich über einen Rückruf (…) freuen. (…)."
Das LG Stuttgart stufte dies als Fall der unerlaubten Werbezusendung ein. Es liege eine unzumutbare Belästigung durch elektronische Werbung vor, da keine ausdrückliche Einwilligung des Empfängers vorliege. Zwar sei der Absender ein freier Mitarbeiter gewesen. Doch habe er nach außen für die Maklerin gehandelt. Dies genüge, um dessen Verhalten der Beklagten zuzurechnen. Entscheidend sei nicht, ob der Mitarbeiter selbstständig tätig sei oder in einem eigenen Büro arbeite. Vielmehr komme es darauf an, dass sein Handeln dem Unternehmen zugutekomme. Zudem habe die Maklerin die Pflicht, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass solche Nachrichten nicht ohne Einwilligung versendet würden. Dass es sich um ein Versehen handelte, spiele dabei keine Rolle, denn bereits ein einziger Verstoß begründe einen Unterlassungsanspruch. Auch ein möglicher “Ausreißer” entbinde nicht von der Verantwortung, wenn keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen würden: “Die Nachricht des Herrn (…) an Herrn (…) verstieß gegen § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG und stellt damit eine unzulässige geschäftliche Handlung vor, durch die ein Marktteilnehmer – nämlich Herr (…) als Verbraucher – in unzumutbarer Weise belästigt wurde, denn Herr (…) hatte unstreitig keine ausdrückliche Einwilligung zum Erhalt elektronischer Werbenachrichten erklärt, sondern sogar noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er keine Makleranfragen wünsche.”
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
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