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Die einzelnen News
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BGH: Bank muss bei unwirksamer Zustimmungsfiktion Bankentgelte an Kunden zurückzahlen
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Der u.a. für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 19. November 2024 über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinbart werden sollten. Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf: Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel). Die Beklagte informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1. Januar 2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Bekalgte erhob ab dem 1. Januar 2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 € und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 €. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 € sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe. Das Amtsgericht und das Landgericht haben die Klage jeweils abgewiesen. Mit der – vom Berufungsgericht zugelassenen – Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Er hat entschieden, dass der Kläger Rückzahlung der Kontoführungsentgelte und des Entgelts für die Girokarte verlangen kann. Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Der Kläger hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht konkludent durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essentieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Usancen des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag. Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen der Beklagten vereinbart worden. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20) entschieden, dass eine Klausel in den Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam ist. Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf. Die vom VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit unwirksamen Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen angewandte sogenannte Dreijahreslösung (Urteil vom 14. März 2012 – VIII ZR 113/11) ist nicht auf unwirksame Zustimmungsfiktionsklauseln von Banken und Sparkassen übertragbar. Nach der Dreijahreslösung kann ein Kunde die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen, die auf unwirksame Preisanpassungs-klauseln in Energielieferungsverträgen gestützt sind, nicht mehr mit Erfolg geltend machen, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat. Die dieser Rechtsprechung zugrundeliegenden Erwägungen tragen vorliegend nicht. Denn der Inhalt eines Vertrags selbst wird durch die unwirksame Zustimmungsfiktionsklausel – anders als durch Preisanpassungsklauseln – nicht bestimmt. Die durch den Wegfall der Zustimmungsfiktionsklausel entstandene Vertragslücke ist auch nicht wie die mit der unwirksamen Preisanpassungsklausel verbundene Vertragslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, sondern gemäß § 306 Abs. 2 BGB durch das dispositive Gesetzesrecht, das mit den § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB konkrete Regelungen zur konsensualen Änderung eines Vertrags zur Verfügung stellt. Danach hat die Zustimmung zu einer von der Bank oder Sparkasse angetragenen Vertragsänderung, die durch die unwirksame Zustimmungsfiktionsklausel fingiert werden sollte, durch eine Willenserklärung des Kunden zu erfolgen. Eine dreijährige Frist, binnen derer der Bankkunde die Erhebung von unwirksamen Bankentgelten beanstandet haben muss, um nicht an das von der Bank oder Sparkasse Angetragene gebunden zu sein, sieht das nach § 306 Abs. 2 BGB maßgebende dispositive Gesetzesrecht demgegenüber nicht vor. Sparkassen und Banken werden angesichts der bestehenden gesetzlichen Verjährungsregelungen, die eine dreijährige Verjährungsfrist vorsehen (§ 195 BGB), und angesichts der bestehenden Möglichkeit, Verträge zu kündigen, auch nicht unzumutbar belastet. Urteil vom 19. November 2024 - XI ZR 139/23 Vorinstanzen: Amtsgericht Ingolstadt - Urteil vom 11. August 2022 - 13 C 1691/21 Landgericht Ingolstadt - Urteil vom 23. Juni 2023 - 13 S 1539/22 p Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 19.11.2024 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 145 BGB Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat. § 195 BGB Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. § 306 Abs. 2 BGB (2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften. § 311 Abs. 1 BGB (1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.
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OLG Düsseldorf: Prestige von Luxusmarke kann durch Verkauf bei Online-Discounter verletzt sein
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Der Weiterverkauf von Luxus-Parfums durch einen Online-Discounter kann das Markenimage schädigen und untersagt werden. Voraussetzung ist, dass der Markeninhaber für den eigenen Abverkauf ein kartellrechtlich zulässiges Selektivvertriebssystem verwendet (OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.10.2023 - Az.: 20 U 277/22). Die Klägerin war Inhaberin einer Luxus-Parfümmarke und klagte gegen ein Einzelhandelsunternehmen, das diese Parfüms über seine Online-Plattform vertrieb. Die Beklagte bot online Produkte verschiedener Kategorien an, darunter auch die Parfums der Klägerin, die sie zwischen Alltagsprodukten und mit Rabattaktionen präsentierte. Die Klägerin sah darin eine Schädigung ihres Markenimages. Das OLG Düsseldorf teilte diese Einschätzung und verbot der Beklagten den Verkauf. Es liege durch den Discount-Abverkauf das Ris8iko einer erheblichen Rufschädigung vor. 1. Grundsatz: Auch Online-Discounter dürfen verkaufen: Grundsätzlich dürften auch Online-Shops aus dem Discount-Bereich die betreffende Ware veräußern. Der jeweilige Markeninhaber habe kein automatisches Verbotsrecht: "Bei Waren mit Luxus- und Prestigecharakter muss der Wiederverkäufer darauf achten, die Wertschätzung der Marke nicht zu beeinträchtigen, indem er den Luxus- und Prestigecharakter der Waren sowie deren luxuriöse Ausstrahlung negativ beeinflusst (….). Allerdings stellt es keinen berechtigten Grund für den Markeninhaber dar, sich gegen die Werbung eines Wiederverkäufers zu wenden, der in seiner Branche übliche Werbeformen nutzt, auch wenn diese nicht denjenigen entsprechen, die der Markeninhaber selbst oder seine autorisierten Wiederverkäufer verwenden, sofern nicht nachgewiesen werden kann, dass die Nutzung der Marke in der Werbung des Wiederverkäufers den Ruf der Marke im konkreten Fall erheblich schädigt."
2. Ausnahme: Imageschädigung und selektives Vertriebsnetz Im vorliegenden Fall greife jedoch der Ausnahmetatbestand der Imagegefährdung. Die luxuriöse Ausstrahlung der Marke sei durch das selektive Vertriebssystem der Klägerin und die hochwertige Präsentation der Waren in den üblichen Verkaufsumgebungen begründet. Die auf Massenware ausgerichtete Online-Plattform der Beklagten vermittle dagegen den Eindruck von Alltagsware, was das Markenimage beeinträchtige. Eine konkrete Beeinträchtigung müsse weder eintreten noch nachgewiesen werden. Vielmehr genüge die bloße Gefahr einer solchen Beeinträchtigung: "Der Klagemarke kommt (...) eine luxuriöse und prestigeträchtige Ausstrahlung zu, die je nach den konkreten Umständen des Weitervertriebs Schaden nehmen kann. (…) Dies gilt schon deshalb, weil (...) die Beklagte die mit der Klagemarke gekennzeichneten Parfum- und Kosmetikprodukte nicht in einer eigenen, vom übrigen Sortiment getrennten Parfumabteilung mit entsprechendem Markenumfeld anbietet. Die (…)-Produkte werden in einer mit „Körperpflege & Gesundheit“ überschriebenen Oberkategorie angeboten, die sich in Unterkategorien – namentlich „Eau de Toilette“, „Tagescremes“, „Duschgele“, „Sonstige Körperpflege“, „Eau de Parfum“, „Deodorants“, „Körperpflege-Geschenksets“ und „mehr“ – gliedert. Diese Präsentation lässt eine hinreichend klare und eindeutige Abgrenzung der mit den Klagemarken gekennzeichneten Produkte gegenüber der – virtuell – unmittelbar danebenliegenden „Allerweltsware“ vermissen."
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OLG Frankfurt a.M.: Durch Gewinnspiel erzeugte Kundenbewertungen für Online-Shop sind irreführend
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Kundenbewertungen für einen Online-Shop, die im Rahmen eines Gewinnspiels abgegeben werden, sind nicht als objektiv anzusehen, da die Aussicht auf eine Belohnung die Unabhängigkeit der Bewertungen beeinträchtigt. Weist der Betreiber auf diesen Umstand nicht ausreichend transparent hin, liegt ein Wettbewerbsverstoß vor (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 20.06.2024 - Az.: 6 U 128/23). Ein Online-Shop warb auf seiner Website mit Kundenbewertungen, die aus der Teilnahme an einem Gewinnspiel stammten. Um am Gewinnspiel teilzunehmen, mussten die Nutzer eine Bewertung abgeben. Als Gegenleistung wurde ein ein Einkaufsgutschein im Wert von 200,- EUR als Gewinn versprochen. Mit den so erzeugten Bewertungen warb die Beklagte in ihrem Online-Shop. Unterhalb der Gesamt-Sternebewertung und unter dem Button “Bewertung abgeben” fand sich ein Hinweis, dass die veröffentlichten Kommentare aus einem Gewinnspiel stammten. Das OLG Frankfurt a.M. sah hierin einen Wettbewerbsverstoß. 1. “Gekaufte” Kundenbewertung: Die durch das Gewinnspiel erzeugten Kundenbewertungen seien aus juristischer Sicht “gekauft” und nicht ausreichend objektiv. Denn der User habe in der Erwartung des Gewinns seine Äußerung vorgenommen: "Die Beklagte hat für die Abgabe einer Bewertung die Teilnahme an einem Gewinnspiel ausgelobt, bei dem ein Online-Gutschein eher geringen Betrages und der lediglich bestehenden Möglichkeit der „Gegenleistung“ letztlich einen geldwerten Vorteil dar, den der Bewerter von der Beklagten erhält. Durch diesen Vorteil besteht auch die Gefahr, dass die Abgabe der Bewertungen nicht frei und unbeeinflusst erfolgt. Der Senat hat bereits entschieden, dass grundsätzlich auch ein kleines Entgelt die Gefahr birgt, dass der Bewerter nicht nur aus sachlichen Kriterien, sondern auch aus monetären Erwägungen seine Bewertung abgibt (…). Hier ist zwar der monetäre Anreiz nur mittelbar vorhanden, da nur die Teilnahme an einem Gewinnspiel mit einem Gewinn von 200 €, mithin kein unmittelbarer, sondern nur ein mittelbarer Vorteil ausgelobt worden ist. Gleichwohl sind die vom Senat hierzu entwickelten Grundsätze anwendbar, da auch hier die Möglichkeit besteht, dass der Verkehr aus Dankbarkeit für die Gegenleistung in Form der Gewinnspielteilnahme zu besseren Bewertungen bereit ist – und sei es unbewusst."
2. Keine ausreichende Transparent = Rechtsverstoß Ein Rechtsverstoß könne nur ausgeschlossen werden, wenn der Shop-Betreiber auf diese Umstände ausreichend transparent hinweise. Denn dann sei dem Verbraucher bewusst, dass die Bewertungen nicht objektiv zustande gekommen seien. Diese Transparenz sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt, so die Richter. “Der aufklärende Hinweis wurde vom Gericht als ungeeignet angesehen, eine Irreführung der Verbraucher auszuschließen. Der Hinweis nahm nicht an der prominenten Darstellung der Gesamtbewertung „4,9/5.0“ teil und war durch seine unscheinbare Platzierung am linken Rand für die angesprochenen Verbraucher schwer wahrnehmbar. Da weder die Gesamtbewertung noch die Textbewertungen eine Erläuterung erforderten, suchten die Verbraucher nicht aktiv nach weiteren Informationen. Sie nahmen die Bewertungen daher zur Kenntnis, ohne den dezenten Hinweis zu bemerken.”
Und weiter: "Zusätzlich verschärfte sich die Problematik durch die Platzierung der Aufklärung unterhalb eines grünen Buttons mit der Aufschrift „Bewertung abgeben“. Dieser Button war für Fahrradbesitzer vorgesehen, die nach einem Kauf eine Bewertung abgeben wollten, und sprach damit nicht den Nutzerkreis an, der sich vor dem Kauf über die Bewertungen informieren wollte. Verbraucher, die lediglich an den Bewertungen interessiert waren, lasen in der Regel nicht weiter und nahmen den Hinweis somit nicht zur Kenntnis. Inhaltlich war der Hinweis ebenfalls unzureichend, da die Formulierung „Alle veröffentlichten Bewertungen haben an einem Gewinnspiel teilgenommen“ keine klaren Rückschlüsse auf die tatsächlichen Umstände erlaubte. Es wurde nicht deutlich gemacht, dass die Teilnahme an einem Gewinnspiel von der Abgabe einer Bewertung abhängig war. Diese fehlende Klarstellung ließ den falschen Eindruck entstehen, dass die Bewertungen frei und unabhängig erstellt wurden."
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OLG Frankfurt a.M.: Online-Werbung mit "Anti-Kater" für Mineralstofftabletten wettbewerbswidrig
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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung die Werbung für Mineralstofftabletten auf der Plattform Amazon mit dem Zusatz „Anti-Kater“ untersagt. Es ist das erste nach dem Unterlassungsklagegesetz erstinstanzlich am OLG geführte Verfahren. Die Beklagte ist für die auf der Plattform „Amazon“ mit der Angabe „Verkauf und Versand durch Amazon“ angebotenen Produkte verantwortlich. Der Kläger wendet sich gegen die dortige Bewerbung und den Vertrieb des Produktes „Dextro Energy Zero Calories (...) Tabletten - Anti-Kater“ (i.F.: Anti-Kater-Tabletten).
Der für die nach dem Unterlassungsklagegesetz erhobene Klage zuständige 6. Zivilsenat hat ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte erlassen und der Beklagten untersagt, für Lebensmittel mit der Angabe „Anti-Kater“ zu werben oder werben zu lassen. Die Werbung mit der Angabe „Anti-Kater“ verstoße gegen die europäische Lebensmittelinformationsverordnung, führte der Senat aus. Demnach sei es verboten, einem Lebensmittel Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuzuschreiben. Die hier streitigen Mineralstoffe seien Lebensmittel, da sie vom Menschen aufgenommen würden. Die mit übermäßigem Alkoholkonsum verbundenen Symptome - Alkoholkater - seien auch als Krankheit einzustufen. Mit der weiten Auslegung des Verordnungsbegriffs soll der Gefahr begegnet werden, dass Lebensmittel als Arzneimittelersatz angesehen und ohne zureichende Aufklärung eingesetzt würden. „Aussagen und Angaben, wonach ein Lebensmittel geeignet ist, diesen Symptomen vorzubeugen oder diese zu lindern, sind daher unzulässig“, begründet der Senat weiter. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann mit dem binnen zwei Wochen einzulegenden Einspruch die Fortsetzung des Verfahrens beantragen. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Versäumnisurteil vom 14.11.2024, 6 Ukl 1/24 Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt v. 20.11.2024 Erläuterungen Artikel 7 Lebensmittelinformations-VO - Lauterkeit der Informationspraxis (1) Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere.... (3) Vorbehaltlich der in den Unionsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, vorgesehenen Ausnahmen dürfen Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen. (4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten auch für die Werbung; die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere für ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung.
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OLG Frankfurt a.M.: EuGH-Vorlage zu Auswirkungen des Insolvenzverfahrens eines in Curaçao ansässigen Glücksspielanbieters
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main ruft EuGH zu Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens über einen in Curaçao ansässigen Online-Glücksspielanbieter auf Vollstreckungsmaßnahmen in der EU an Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat die Frage, ob die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines in Curaçao ansässigen Glücksspielanbieters der Zwangsvollstreckung in auf Zypern vermutete Konten entgegensteht, dem EuGH vorgelegt. Die Gläubigerin hatte an Online-Glückspielen bei der Schuldnerin, die in Curaçao ins Handelsregister eingetragen ist, teilgenommen. Mit ihrer Klage begehrte sie die Rückzahlung von Spielverlusten in Höhe von knapp 60.000,00 €. Insoweit ist gegen die Schuldnerin ein inzwischen rechtskräftiges (Versäumnis)-Urteil ergangen. Die Gläubigerin möchte nun auf Zypern in dort vermutete Konten der Schuldnerin vollstrecken. Sie trägt vor, die Schuldnerin habe ein oder mehrere Konten auf Zypern, da ihre Wetteinsätze über zypriotische Unternehmen an die Schuldnerin weitergeleitet worden seien. Das Landgericht hatte den Antrag auf Auskunft über etwaige Konten der Schuldnerin in Zypern abgelehnt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin. Sie behauptet, in der Regel handele es sich bei auf Curacao ansässigen Glücksspielbetreibern um Briefkastenfirmen ohne Vermögenswerte auf der Insel. Diese und weitere zwischengeschaltete Gesellschaften dienten der Verschleierung von Glücksspieleinnahmen, um sich der Zwangsvollstreckung zu entziehen. Sie verweist zudem darauf, dass zwischenzeitlich über das Vermögen der Schuldnerin in Curaçao ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der zuständige 7. Zivilsenat hat nun den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung von Art. 2 c der EU-Verordnung über die vorläufige Kontenpfändung bei grenzüberschreitender Forderungseintreibung (VO (EU) 655/2014) angerufen. Demnach gilt die EU-VO zur hier begehrten vorläufigen Kontenpfändung nicht für Forderungen gegen Schuldner, gegen die ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Erfasst werden dabei nach den Erwägungsgründen der VO Insolvenzverfahren in einem EU-Mitgliedstaat. Hier liege jedoch ein Insolvenzverfahren in einem Drittland vor. Insoweit stelle sich die Frage, welche Wirkungen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem Drittland auf die Anwendbarkeit der VO habe. Möglich sei, dass dann nach dem Recht eines Mitgliedstaates, hier Deutschland, geprüft werde, ob das Insolvenzverfahren wirksam eröffnet wurde. Sei dies der Fall - wie hier - könne nicht weiter vollstreckt werden. Möglich sei aber auch, dass Insolvenzverfahren außerhalb der EU von der VO generell nicht anerkannt würden und damit auch der vorläufigen Vollstreckung nicht entgegenstünden. Da diese Frage hier entscheidungserheblich sei, sei der EuGH zur Auslegung der Verordnung anzurufen. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.10.2024, Az. 7 W 13/24 (vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 5.6.2024, Az. 2-12 O 232/23) Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 12.11.2024 Erläuterungen: Artikel 2 VO (EU) 655/2014 Anwendungsbereich (1) 1Diese Verordnung gilt für Geldforderungen in Zivil- und Handelssachen bei grenzüberschreitenden Rechtssachen im Sinne des Artikels 3 Öffnet sich in einem neuen Fenster, ohne dass es auf die Art des Gerichts ankommt. 2Sie gilt insbesondere nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta jure imperii“). (2) Diese Verordnung gilt nicht für: a)die ehelichen Güterstände oder Güterstände aufgrund von Verhältnissen, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten; b)das Gebiet des Testaments- und Erbrechts, einschließlich Unterhaltspflichten, die mit dem Tod entstehen; c)Forderungen gegenüber einem Schuldner, gegen den Insolvenzverfahren, Vergleiche oder ähnliche Verfahren eröffnet worden sind; ...
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OLG Karlsruhe: Werbung mit "Zwetschgen Schnaps" nur zulässig, wenn Getränk ausschließlich aus Zwetschgen besteht
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Die Bewerbung eines alkoholischen Getränkes mit der Aussage "Zwetschgen Schnaps" ist nur dann zulässig, wenn das Getränk ausschließlich aus Zwetschgen hergestellt wurde (OLG Karlsruhe, Urt. v. 05.11.2024 - Az.: 14 U 192/23). Die Beklagte vertrieb unter der Bezeichnung “Zwetschgen Schnaps”
ein Spirituosengemisch aus 33 % Zwetschgendestillat und 67 % Getreidedestillat. Auf dem Hauptetikett auf der Flaschen-Vorderseite waren über der Bezeichnung “Zwetschgen Schnaps” in großer Schrift drei Zwetschgen an einem Zweig abgebildet. Auf der Rückseite waren unter der Bezeichnung “Zwetschgenschnaps” die weitere Bezeichnung “Spirituose” und in kleiner Schrift die beiden Inhalts-Bestandteile mit Prozentangaben aufgeführt. Die Klägerin sah hierin eine wettbewerbsrechtliche Irreführung. Zu Recht, wie das OLG Karlsruhe nun entschied. Die Richter urteilten, dass die Bezeichnung “Zwetschgen Schnaps” zusammen mit der Abbildung von Zwetschgen auf dem Etikett eine Anspielung auf die europarechtlich geschützte Bezeichnung “Zwetschgenbrand” darstelle. Verbraucher könnten fälschlicherweise annehmen, das Produkt bestehe ausschließlich aus Zwetschgen, was aber nicht der Fall sei. Die Irreführung werde durch die prominente Darstellung der Zwetschgen-Bilder und den optisch sehr klein gehaltenen Hinweis auf die Inhaltsstoffe verstärke: "Die von der Beklagten hier exponiert auf dem auf der Vorderseite angebrachten Hauptetikett verwendete Bezeichnung „Zwetschgen Schnaps“ als Produktangabe stellt damit zwar keine wortgleiche Bezeichnung dar, sie steht jedoch für den angesprochenen Verbraucher als einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen europäischen Durchschnittsverbraucher (…) über den Bestandteil „Zwetschgen“ in direktem Bezug zur nach Anhang I Nr. 9 geschützten Kategoriebezeichnung „Zwetschgenbrand“, alternativ „Zwetschgenwasser“ oder schlicht „Zwetschge“ und spielt deshalb auf diese an. Sie erweckt den Eindruck, auch die Spirituose der Beklagten werde ausschließlich aus Zwetschgen hergestellt."
Und weiter: “Vorliegend wird die Anspielung in ihrem Potential noch verstärkt durch die übergroße farbige Abbildung von drei Zwetschgen an einem Zweig auf dem vorderseitigen Hauptetikett des Erzeugnisses der Beklagten sowie durch das korrespondierende markante Blau der Verschlusskappe, welche einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu einem Zwetschgenbrand im Sinne des Anhangs I Nr. 9 der Verordnung (EU) 2019/787 herstellen.”
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OLG München: SEPA-Diskriminierung ist Wettbewerbsverstoß
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Es ist ein Wettbewerbsverstoß, wenn Unternehmen (hier: ein Energieversorger) kein ausländisches SEPA-Konto akzeptieren, sondern eine inländische Kontoverbindung verlangen (OLG München, Urt. v. 17.10.2024 - Az. 29 U 340/23 e). Der verklagte Energieversorger beanstandete bei seinen Kunden ein ausländisches SEPA-Konto und verlangte für eine Überweisung ein inländisches Bankkonto. Das OLG München bestätigte nun, dass es sich dabei um eine Verletzung von Art. 9 Abs.3 SEPA-VO und somit um eine sogenannte SEPA-Diskriminierung handle. Eine solche Handlung stelle einen Wettbewerbsverstoß dar: "Gemäß Art. 9 Abs. 1 SEPA-Verordnung gibt ein Zahler, der eine Überweisung an einen Zahlungsempfänger vornimmt, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, sofern das Zahlungskonto gemäß Artikel 3 erreichbar ist. Gemäß Abs. 2 gibt ein Zahlungsempfänger, der eine Überweisung annimmt oder eine Lastschrift verwendet, um Geldbeträge von einem Zahler einzuziehen, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, sofern das Zahlungskonto gemäß Artikel 3 erreichbar ist. Durch die Aufforderung deutsche Bankdaten mitzuteilen, um das Guthaben auszahlen zu können, gibt die Beklagte vor, in welchem Mitgliedstaat ein Konto zu führen ist und verstößt gegen Art. 9 Abs. 1 SEPA-Verordnung. Mit der Auskunft, im System könnten keine ausländischen Bankverbindungen erfasst bzw. eingefügt werden, gibt die Beklagte ebenfalls vor, in welchem Mitgliedstaat ein Zahlungskonto zu führen ist und verstößt damit auch gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-Verordnung."
Es handle sich dabei auch um eine gerichtlich verfolgbare Handlung: "Art. 9 Abs. 2 SEPA-Verordnung ist eine Norm, die zumindest auch dem Schutz der Verbraucher dient und bei der dieser Schutz nicht nur untergeordnete Bedeutung hat oder eine nur zufällige Nebenwirkung ist (…). Als Verbraucherschutzgesetz im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG ist er zugleich Marktverhaltensregel mit dem erforderlichen Wettbewerbsbezug (…). Gleiches gilt auch für Art. 9 Abs. 1 SEPA-Verordnung als gleichsam spiegelbildliche Norm zu Art. 9 Abs. 2 SEPA-Verordnung. Es kann in der Beurteilung einer Norm als Marktverhaltensregel keinen Unterschied machen, ob der Verbraucher als Zahlungsempfänger oder als Zahler betroffen ist. Auch der Schutzzweck der beiden Absätze, Schutz der Freiheit des Verbrauchers, Zahlungen über ein Konto in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen seines Wohnsitzes abzuwickeln (…), ist unabhängig davon, ob der Verbraucher als Zahler oder als Zahlungsempfänger betroffen ist. (…) Der Verstoß der Beklagten ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Die Auskunft der Beklagten, sie könne Guthaben nur auf eine deutsche Bankverbindung überweisen, bzw. sie könne generell eine ausländische Kontonummer (und damit auch eine Kontonummer einer Bank aus dem EU-Ausland) nicht in das System einfügen/im System erfassen, ist geeignet, die passive Dienstleistungsfreiheit der Verbraucher erheblich zu beeinträchtigen, da sie letztlich gezwungen werden, ein deutsches Konto zu führen, um eine Gutschrift zu erhalten bzw. um Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Beklagten zu erfüllen."
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OLG Schleswig: Cyberversicherung muss bei falschen Angaben nicht für Schäden aus Hacker-Angriffen aufkommen
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Gibt ein Kunde bei Abschluss einer Cyberversicherung falsche Informationen an, beispielsweise über regelmäßige Updates oder den Einsatz von Antiviren-Software, kann der Versicherer den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Dabei reicht es aus, wenn der Kunde seine Angaben ins Blaue hinein macht. Eine besondere Täuschungsabsicht oder Arglist ist nicht erforderlich (OLG Schleswig, Beschl. v. 14.10.2024 - Az.: 16 U 63/24). Das klagende Unternehmen schloss im Jahr 2020 bei der Beklagten eine Cyberversicherung ab. Bei Vertragsabschluss beantwortete die Klägerin die folgenden Fragen wie folgt "Risikofragen: 1. Die IT des Unternehmens wird durch mindestens einen IT-Spezialisten betreut: Ja 2. Es werden regelmäßig (mindestens wöchentlich) Datensicherungen durchgeführt: Ja 3. Alle stationären und mobilen Arbeitsrechner sind mit aktueller Software zur Erkennung und Vermeidung von Schadsoftware ausgestattet: Ja 4. Verfügbare Sicherheitsupdates werden ohne schuldhaftes Zögern durchgeführt, und für die Software, die für den Betrieb des IT-Systems erforderlich ist, werden lediglich Produkte eingesetzt, für die vom Hersteller Sicherheitsupdates bereitgestellt werden (dies betrifft v.a. Betriebssysteme, Virenscanner, Firewall, Router, NAS-Systeme): Ja 5. Es existieren Regelungen zum Umgang mit IT-Zugangsdaten im Unternehmen, deren Umsetzung überwacht wird: Ja 6. Es werden Hard- und Software (wie Firewalls) zum Schutz des Unternehmensnetzwerks eingesetzt: Ja 7. Mitarbeiter dürfen private Geräte für dienstliche Zwecke verwenden: Ja 8. Gab es in den letzten drei Jahren einen Cyber-Schaden oder einen Datenschutzvorfall im Unternehmen?: Nein“
Als es dann zu einem Hackerangriff und einem entsprechenden Schaden kam, nahm die Klägerin die Versicherung in Anspruch. Dabei stellte sich jedoch heraus, dass der Mitarbeiter der Klägerin die Fragen objektiv nicht richtig beantwortet hatte. So wurde für den Betrieb des Webshops ein SQL-Server mit dem Betriebssystem Windows 2008 eingesetzt, für den seit Januar 2020 keine Software- und Sicherheitsupdates mehr bereitgestellt wurden. Der Support und damit die Zusatzfunktionen für diese Software endeten bereits im Jahr 2015. Einen vom Hersteller angebotenen erweiterten Support- und Updatevertrag hatte die Klägerin für dieses Gerät nicht abgeschlossen. Dieser Server war auch nicht zusätzlich durch eine Firewall geschützt und verfügte über keine Antivirensoftware. Die Assekuranz lehnte eine Entschädigung ab und focht den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an. In der 1. Instanz wies das LG Kiel die Klage ab, weil bei Vertragsabschluss die Versicherungsfragen bewusst falsch beantwortet worden seien, vgl. die Kanzlei-News v. 11.06.2024. Im Berufungsverfahren teilte das OLG die Einschätzung des LG Kiel und bejahte eine arglistige Täuschung. Die Richter wiesen dabei darauf hin, dass es dabei ausreiche, wenn die Angaben ins “Blaue hinein” gemacht wurden. Eine besondere Täuschungsabsicht sei nicht nicht erforderlich: "Die Annahme einer von einem Versicherungsnehmer begangenen arglistigen Täuschung erfordert kein besonderes Unwerturteil und bedarf auch nicht der Feststellung einer Bereicherungsabsicht. Sie setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Dabei entlastet Unkenntnis den Versicherungsnehmer nicht, wenn er im Bewusstsein seiner Unkenntnis Angaben „ins Blaue hinein“ macht; unter solchen Umständen schließt auch guter Glaube Arglist nicht aus, wenn der Handelnde das Fehlen einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage nicht offenlegt. Weiterhin rechtfertigen bewusst falsche Angaben allein den Schluss auf eine arglistige Täuschung noch nicht; eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage muss nicht zwangsläufig in Manipulationsabsicht erfolgen; vielmehr muss in subjektiver Hinsicht hinzukommen, dass der Versicherungsnehmer auf die Entschließung des Versicherers Einfluss nehmen will und sich daher bewusst ist, dass dieser möglicherweise (bedingter Vorsatz) seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er die Wahrheit sage (….)."
Den Versicherungsnehmer träfen besondere Sorgfaltspflichten, auch angesichts seiner Größe von mehr als 400 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 140 Mio. EUR. "Die Klägerin treffen bei der Beantwortung der Risikofragen nach den Umständen besondere Sorgfaltspflichten. Sie ist nicht (um ein typisches Beispiel aus der Fallgruppe unrichtiger Angaben bei der Antragstellung zu nennen) ein „kleiner angestellter Handwerker“, der eine Berufsunfähigkeitsversicherung beantragt. Sie ist ein Unternehmen mit mehr als 400 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz (laut Deklaration) von rund 143,5 Mio. €. In der Sache geht es auch nicht etwa (um im Beispiel zu bleiben) um die mangelnde Erinnerung an eine knapp fünf Jahre zurückliegende einmalige Behandlung wegen Rückenbeschwerden, sondern um Angaben zum aktuellen Status der Sicherheit eines umfassenden IT-Systems. Schon deshalb, weil die Klägerin (…) und der Zeuge (…) .als Leiter der fünfköpfigen IT-Abteilung denknotwendig mit einer gewissen Fachkompetenz ausgestattet ist, der sich nach eigenen Angaben in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vom 28. Februar 2024 zudem in regelmäßigem Austausch mit dem Systemadministrator (…) befand, der jedenfalls einer der in der Risikofrage Nr. 1 erfragten betreuenden IT-Spezialisten war (…), kann von ihnen in Bezug auf die Beantwortung von derlei Fragen eine besondere Sorgfalt erwartet werden. Das gilt umso mehr, da, worauf die Beklagte (…) zutreffend und unwidersprochen verweist, nach dem IT-Grundschutz-Kompendium des Bundesamtes für Sicherheit (BSI-OPS1.3) in Ansehung des Patch- und Änderungsmanagements im Hinblick auf typische Gefahren (u.a. mangelhafte Kommunikation und unzureichende Ressourcen beim Änderungsmanagement) als Basis-Anforderungen u.a. ein Konzept für das Management, die Festlegung von Zuständigkeiten und die regelmäßige Aktualisierung von IT-Systemen und Software gelten."
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LG Berlin: Apple muss transparent über fehlende Überprüfung von Bewertungen im App Store informieren
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Apple muss in seinem App Store über die fehlende Überprüfung von Bewertungen ausreichend transparent informieren (LG Berlin II, Urt. v. 29.08.2024 - Az.: 52 O 254/23). Gegenstand des Rechtsstreits war der App Store von Apple. Bei den Bewertungen selbst fand sich kein Hinweis darauf, ob Apple die abgegebenen Bewertungen überprüfte oder nicht. Lediglich in den Nutzungsbedingungen fand sich ein entsprechender Passus: “(...) Apple überwacht oder prüft nicht, ob du einen Dienst genutzt oder Inhalte konsumiert hast, bevor du einen Kommentar, eine Bewertung oder eine Rezension zu diesem Dienst oder Inhalt abgibst."
Dies stufte das LG Berlin als nicht ausreichend ein. In § 5b Abs. 3 UWG sei geregelt, dass der Betreiber hierüber in transparenter Weise zu informieren habe. Dieser Verpflichtung werde durch den bloßen Hinweis in den Nutzungsbedingungen nicht genügt: "b) Die Beklagte hat ihren Nutzerinnen eine wesentliche Information vorenthalten, indem sie nicht in der in Anlage K 4 abgebildeten Produktbeschreibung darüber informiert, ob und wie sichergestellt wird, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbraucherinnen stammen, die die Dienstleistungen tatsächlich genutzt haben, oder zumindest in der Produktbeschreibung darauf hinweist, wo diese Information zu finden ist. Ein Vorenthalten einer wesentlichen Information i.S.d. § 5a UWG liegt vor, wenn der Marktteilnehmer die Information nicht so enthält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG berücksichtigen kann (…). Dem Vorenthalten gleichgestellt ist nach § 5a Abs. 2 UWG ein verstecktes, verspätetes, unklares, unverständliches oder zweideutiges Bereithalten der Information."
Und weiter: “Hieran gemessen liegt ein Vorenthalten vor. Vorliegend sind die Kundenbewertungen in der Produktbeschreibung der jeweiligen App angezeigt. Ein Hinweis darauf, ob und wie die Beklagte sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Apps tatsächlich genutzt oder erworben haben, findet sich darin nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Hinweis in den Nutzungsbedingungen nicht ausreichend, um die Informationspflicht zu erfüllen.”
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LG Köln: Unzulässige AGB-Klausel zu Teillieferung in Online-Shop
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Eine Regelung zu Teillieferung in einem Online-Shop kann wettbewerbswidrig sein, weil sie den Käufer benachteiligt (LG Köln, Urt. v. 20.06.2024 - Az.: 31 O 281/23). Die Beklagte verwendete in ihrem Online-Shop nachfolgende AGB: “Die Lieferung kann auch in Teillieferungen ohne Mehrkosten für den Besteller erfolgen, wenn dies wegen der Vielzahl oder Größe der Produkte erforderlich ist.”
Das LG Köln bewertete die Klausel als unzulässig. Die Regelung mache nicht hinreichend klar, wann und unter welchen Umständen eine solche separate Auslieferung möglich sei: "Eine Klausel ist (…) dann unwirksam, wenn sie die Möglichkeit zur Teillieferung zwar nicht in das freie Belieben des Unternehmers stellt, aber die Bedingung der Ausübung des Teillieferungsrechts durch den Unternehmer für Verbraucher nach der Formulierung der Klausel nicht vorhersehbar ist. Schon dies bedeutet erhebliche Nachteile. Denn wenn sich der Klausel keine hinreichend klaren Kriterien für die Teillieferung entnehmen lassen, sind Verbraucher zumindest bei einer mengenmäßig oder umfangsmäßig größeren Bestellung gezwungen, sich auf eine Teillieferung einzustellen."
Die Kölner Richter sahen eine solche Konstellation im vorliegenden Fall: "Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die Klausel (…) mit § 308 Nr. 4 BGB nicht zu vereinen. Nach dem Inhalt der Klausel ist die Beklagte zu Teillieferungen berechtigt, in Fällen, in denen dies wegen der Vielzahl oder Größe der Produkte erforderlich ist. Verbraucher können dieser Formulierung nicht entnehmen, bei welchen Bestellungen es zu Teillieferungen kommen kann. Die Klausel enthält keinen, auch nur ungefähren, Anhaltspunkt, bei welchen Produkten, Verpackungsgrößen oder Mengen Vorkehrungen für Teillieferungen zu treffen sind. (…) Es kommt nach dem oben Gesagten auch nicht darauf an, dass die Klausel, zugunsten von Verbrauchern, weiter regelt, dass Verbrauchern für den Fall der Teillieferung keine Mehrkosten entstehen. Das Erfordernis, sich ggf. an mehreren Tagen für eine Teillieferung bereitzuhalten, ist für sich genommen ein unzumutbarer Nachteil, wenn, wie hier, sich Verbraucher hierauf nicht einstellen können."
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