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Die einzelnen News
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1.
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BGH: Anforderungen an die Online-Werbung mit einer durchschnittlichen Sternebewertung
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Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage entschieden, ob bei der Werbung mit einer durchschnittlichen Sternebewertung neben der Angabe der Gesamtzahl und des Zeitraums der zugrundeliegenden Kundenbewertungen eine Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen erforderlich ist. Sachverhalt: Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte bot auf ihrer Internetseite die Vermittlung von Immobilienverkäufern an Immobilienmakler an. Sie warb unter anderem mit durchschnittlichen Sternebewertungen ihrer Kunden, ohne Angaben zur Gesamtzahl der Bewertungen, zum Zeitraum der berücksichtigten Bewertungen und zur Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen zu machen. Die Klägerin hält diese Werbung für unlauter und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, mit Kundenbewertungen unter Angabe einer durchschnittlichen Sternebewertung zu werben, ohne gleichzeitig die Gesamtzahl und den Zeitraum der berücksichtigten Kundenbewertungen zu nennen. Den Antrag auf Unterlassung einer Werbung ohne Aufschlüsselung der Kundenbewertungen nach Sterneklassen hat das Landgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat gemeint, bei der von der Klägerin begehrten Aufschlüsselung nach den einzelnen Sterneklassen handele es sich aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers zwar um eine nützliche, nicht aber um eine wesentliche Information im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG, weil ihr neben der Angabe der durchschnittlichen Sternebewertung kein erhebliches Gewicht für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zukomme. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den abgewiesenen Unterlassungsantrag weiter. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, bei der Aufgliederung nach Sterneklassen handele es sich nicht um eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG, begegnet auf Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Bedenken. Danach ist dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher aufgrund seiner Erfahrung bekannt, dass einer durchschnittlichen Sternebewertung in aller Regel unterschiedlich gute und schlechte Bewertungen zugrunde liegen und die Bewertungen - zum Teil erheblich - divergieren. Anhand der Gesamtzahl und des Zeitraums der berücksichtigten Bewertungen kann er abschätzen, wie aussagekräftig die angegebene Durchschnittsbewertung ist. Die von der Klägerin begehrte Aufgliederung nach Sterneklassen vermittelt daneben keine wesentliche Information. Insbesondere kann sie keinen Aufschluss über die Gründe geben, die einen Kunden zur Abgabe einer bestimmten Bewertung bewogen haben. Urteil vom 25. Juli 2024 - I ZR 143/23 Vorinstanzen: LG Hamburg - Urteil vom 16. September 2022 - 315 O 160/21 OLG Hamburg - Urteil vom 21. September 2023 - 15 U 108/22 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 25.07.2024
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2.
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BGH: Vorlage an EuGH zum Rückforderungsanspruch von Spiel-Einsätzen bei unerlaubten Online-Sportwetten
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob ein Veranstalter von Sportwetten im Internet, der nicht über die nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2012 erforderliche Konzession der zuständigen deutschen Behörde verfügte, die verlorenen Wetteinsätze eines Spielers erstatten muss. Er hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es die nach dem Unionsrecht gewährleistete Dienstleistungsfreiheit eines Glücksspielanbieters mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausschließt, einen solchen Sportwettenvertrag als nichtig zu betrachten, wenn der Anbieter in Deutschland eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten beantragt hatte und das für diesen Antrag geltende Verfahren zur Konzessionserteilung unionsrechtswidrig durchgeführt wurde. Sachverhalt: Die Beklagte mit Sitz in Malta bietet Sportwetten über eine deutschsprachige Webseite mit einer deutschen Top-Level-Domain an. Der Kläger nahm von 2013 bis zum 9. Oktober 2020 im Internet an Sportwetten der Beklagten teil. In diesem Zeitraum verfügte die Beklagte in Deutschland nicht über eine Konzession zur Veranstaltung von Sportwetten. Sie hatte eine solche Konzession zwar nach dem damals geltenden Glücksspielstaatsvertrag 2012 beantragt, aber nicht erhalten. Ihr wurde erst mit Bescheid vom 9. Oktober 2020 - in einem neuen Konzessionserteilungsverfahren auf Grundlage der ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung des Glücksspielstaatsvertrags 2012 - eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten und Online-Sportwetten in Deutschland erteilt. Der Kläger macht geltend, die mit der Beklagten geschlossenen Wettverträge seien nichtig, weil das unerlaubte Angebot von Online-Sportwetten gegen den Glücksspielstaatsvertrag 2012 verstoßen habe. Er hat die Beklagte auf Rückzahlung verlorener Wetteinsätze in Höhe von 3.719,26 € in Anspruch genommen. Bisheriger Prozessverlauf: Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Anträge weiter. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt. In seinem Vorlagebeschluss hat der Bundesgerichtshof zur zivilrechtlichen Rechtslage ausgeführt: Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung öffentlicher Sportwetten in § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1, § 10a Abs. 2 und 3 GlüStV 2012 stellt ein gesetzliches Verbot im Sinn des § 134 BGB dar. Die Beklagte hat dagegen verstoßen, indem sie in Deutschland öffentlich im Internet Sportwetten angeboten hat, ohne im für den Streitfall relevanten Zeitraum über die hierfür erforderliche Erlaubnis zu verfügen. Aus dem Verstoß folgt grundsätzlich die Nichtigkeit der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Sportwettenverträge (§ 134 BGB) und ein Anspruch des Klägers auf Erstattung seiner Verluste (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB). Der Zweck des gesetzlichen Verbots, die Bevölkerung vor von öffentlichen Glücksspielen ausgehenden Gefahren zu schützen, erfordert grundsätzlich die Nichtigkeit der auf Grundlage eines Internetangebots unter einseitigem Verstoß gegen die Erlaubnispflicht geschlossenen Glücksspielverträge. Der Bundesgerichtshof hat weiter ausgeführt, dass sich im Streitfall die Frage stellt, ob aus unionsrechtlichen Gründen eine andere Beurteilung geboten ist, weil die Beklagte im maßgeblichen Zeitraum bereits eine Konzession für die Veranstaltung von Sportwetten in Deutschland beantragt hatte und das für diesen Antrag geltende Konzessionserteilungsverfahren unionsrechtswidrig durchgeführt wurde. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in einem gleichfalls unerlaubte Sportwetten betreffenden strafrechtlichen Ausgangsverfahren entschieden, dass nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts kein Mitgliedstaat eine strafrechtliche Sanktion für ein Verhalten verhängen darf, mit dem der Betroffene einer verwaltungsrechtlichen Anforderung nicht genügt hat, wenn der Mitgliedstaat die Erfüllung der Anforderung unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - C336/14, ZfWG 2016, 115 [juris Rn. 63 und 94] - Ince). Es stellt sich daher die Frage, ob unter Umständen wie denen des Streitfalls im Rahmen nicht erlaubter Online-Angebote abgeschlossene Sportwettenverträge zivilrechtlich als nichtig angesehen werden dürfen. Der Bundesgerichtshof hat deutlich gemacht, dass er - auch unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union - dazu neigt, diese Frage zu bejahen. Die zivilrechtliche Rechtsfolge der Nichtigkeit stellt keine Strafe dar, sondern eine Einschränkung der Privatautonomie zum Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs. Die im Verhältnis des Staats zum Sportwettenanbieter eintretenden Rechtsfolgen lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Verhältnis des Sportwettenanbieters zum Spieler als privatem Dritten übertragen. Die einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit rechtfertigenden zwingenden Gründe des Allgemeininteresses - darunter der Schutz der Bevölkerung vor übermäßigen wirtschaftlichen Schäden durch öffentliches Glücksspiel - bestehen auch dann, wenn das Verfahren der Konzessionserteilung unionsrechtswidrig ausgestaltet war. Im vorliegenden Revisionsverfahren kommt es vorerst nicht auf die in einem Hinweisbeschluss in einem anderen Verfahren vertretene vorläufige Ansicht des Bundesgerichtshofs an, dass es jedenfalls für solche unerlaubten Online-Sportwettenangebote, die auch in einem unionsrechtskonformen Konzessionserteilungsverfahren nicht ohne Weiteres erlaubnisfähig gewesen wären, insbesondere weil die angebotenen Sportwetten wegen Nichteinhaltung des grundsätzlich auf 1.000 € begrenzten monatlichen Höchsteinsatzes je Spieler dem materiellen Glücksspielrecht widersprachen, bei der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB verbleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2024 - I ZR 88/23, NJW 2024, 1950). Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, ist im vorliegenden Revisionsverfahren zugunsten der Beklagten davon auszugehen, dass sie die spielerschützenden Regelungen des materiellen Glücksspielrechts gegenüber dem Kläger eingehalten hat. Ergänzender Hinweis: Der Bundesgerichtshof hat zwei Parallelverfahren über die Erstattung von Verlusten aus Sportwetten bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im vorliegenden Verfahren ausgesetzt. Zumindest einer dieser Fälle betrifft eine Konstellation, in der sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts neben dem Verstoß gegen die formelle Erlaubnispflicht auch ein Verstoß gegen das materielle Glücksspielrecht und insbesondere die grundsätzliche Verpflichtung zur Begrenzung des Höchsteinsatzes ergibt. Beschluss vom 25. Juli 2024 - I ZR 90/23 Vorinstanzen: AG Geislingen an der Steige - Urteil vom 28. April 2022 - 3 C 459/21 LG Ulm - Urteil vom 24. Mai 2023 - 1 S 46/22 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 25.07.2024
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3.
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OLG Frankfurt a.M.: Microsoft haftet bei "Microsoft Advertising" für Datenschutzverstöße (z.B. fehlende Cookie-Zustimmung) des Webseiten-Betreibers
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Willigen Endnutzer nicht in die Speicherung von Cookies auf ihren Endgeräten gegenüber den Webseiten-Betreibern ein, die Cookies verwenden, haftet die hier beklagte Microsoft-Tochter für die mit ihrer Unternehmenssoftware begangene Rechtsverletzung. Es entlastet sie nicht, dass nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Webseiten-Betreiber für die Einholung der Einwilligung verantwortlich sind. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung Microsoft verpflichtet, es zu unterlassen, ohne Einwilligung Cookies auf Endeinrichtungen der Klägerin einzusetzen. Die Klägerin wendet sich gegen die Speicherung und das Auslesen sog. Cookies zu werblichen Zwecken auf ihren Endgeräten ohne ihre Einwilligung. Die Beklagte gehört zur Microsoft Corporation (i.F: „Microsoft“). Ihr Dienst „Microsoft Advertising“ ermöglicht es Webseiten-Betreibern, Anzeigen in den Suchergebnissen des „Microsoft Search Network“ zu schalten und den Erfolg ihrer Werbekampagnen zu messen. Über Microsoft Advertising können u.a. Informationen über die Besucher einer Webseite gesammelt und für die Besucher zielgerichtete Anzeigen geschaltet werden. Für die Erfassung der Onlineaktivitäten und Interessen der Nutzer verwendet die Beklagte sog. Cookies. Webseiten-Betreibern wird von der Beklagten ein Code zur Verfügung gestellt, den diese in ihre eigene Webseite bzw. dortige Anwendungen integrieren. Sobald die Seite aufgerufen wird, wird der Cookie gesetzt bzw. ein schon vorhandener ausgelesen. Das Setzen von Cookies wird ausschließlich von den Betreibern der Webseiten durch eine entsprechende Programmierung der Seite veranlasst. Microsoft verpflichtet die Betreiber der Webseiten vertraglich, für die erforderlichen Einwilligungen zu sorgen. Die Klägerin besuchte Webseiten Dritter. Sie behauptet, dass ohne ihre Einwilligung Cookies auf ihrem Gerät gesetzt worden seien und begehrt von der Beklagten, es zu unterlasen, auf ihren Endgeräten ohne ihre Einwilligung Cookies einzusetzen. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die vor dem OLG Erfolg hatte. Der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch zu. Durch das Setzen von Cookies habe die Beklagte gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßen. Die Klägerin habe substantiiert vorgetragen, dass auf ihren Geräten Cookies beim Besuch mehrerer Internetseiten ohne ihre Einwilligung gespeichert worden seien. Das Gesetz verpflichte auch die Beklagte. Es verbiete „jedermann den Zugriff auf vernetzte Endeinrichtungen ohne die Einwilligung des Endnutzers“, betont der Senat. Damit erfasse es jeden Akteur, der eine konkrete Speicher- oder Zugriffshandlung beabsichtige. Die Beklagte hafte auch als Täterin für diese Rechtsverletzung. Sie speichere die Informationen in Form von Cookies auf den Endeinrichtungen der Nutzer, sobald die entsprechende Anforderung durch den von ihr bereit gestellten Programmcode auf der vom Nutzer besuchten Internetseite ausgelöst werde. Zudem greife sie auf die hinterlegten Informationen zu, in dem sie sich diese von den Betreibern der Internetseiten zur Verfügung stellen lasse, nachdem diese die Informationen ausgelesen haben. Sie habe damit die Speicherung der Cookies ohne Einwilligung adäquat kausal verwirklicht. Soweit die Beklagte sich darauf verlasse, dass die jeweiligen Webseiten-Betriebe die erforderliche Einwilligung einholten, entlaste sie dies nicht. Sie bleibe darlegungs- und beweisbelastet für den Umstand, dass die Endnutzer vor der Speicherung von Cookies auf ihren Endgeräten eingewilligt haben. Wie sie diesen Nachweis führe, obliege ihr. Sie müsste aber sicherstellen, dass diese Einwilligung vorliege. Das Gesetz gehe zu Recht davon aus, dass dieser Nachweis der Beklagten sowohl technisch - als auch rechtlich - möglich sei. Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 27.6.2024, Az. 6 U 192/23 (vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 3.11.2023, Az. 2-02 O 217/22) Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 23.07.2024
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4.
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OLG Frankfurt a.M.: Missbräuchliches Erschleichen einer einstweiligen Verfügung, wenn Antwort des Antragsgegners nicht dem Gericht vorgelegt wird
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Teilt der Antragsteller einer einstweiligen Verfügung dem Gericht lediglich sporadisch mit, die außergerichtliche Abmahnung sei ergebnislos verlaufen, obgleich die Gegenseite inhaltlich Stellung genommen hat, liegt darin der Versuch eines rechtsmissbräuchlichen Erschleichens einer Verfügung (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 07.05.2024 - Az.: 6 W 37/24). Die Antragstellerin hatte wegen einer gerügten Rechtsverletzung des Antragsgegners bei Gericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt. In dem Verfügungsantrag hieß es wörtlich: "Die Antragsgegnerin ist vor Antragstellung durch Übersendung eines Anwaltschreibens vom 23.02.2024 ergebnislos abgemahnt worden. Insoweit ist der anhängig gemachte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Durchsetzung der Rechte der Antragstellerin dringend geboten. Beweis: Kopie des anwaltlichen Schreibens vom 23.02.2024 als Anlage 20-26"
Die Antragsgegnerin hatte auf die Abmahnung außergerichtlich reagiert und zu den behaupteten Verstößen inhaltlich Stellung genommen. Zudem hatte sie explizit darauf hingewiesen, dass im Falle eines Verfügungsverfahrens ihre Antwort vorzulegen sei. Beides erwähnte die Antragstellerin jedoch nicht, sondern trug nur ganz allgemein vor. Dies bewertete das OLG Frankfurt a.M. als klaren Rechmissbrauch: "Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat für das angerufene Gericht bis zur Antragserwiderung durch die Antragsgegnerin kein greifbarer Anhaltspunkt dafür bestanden, dass die Antragsgegnerin auf die Abmahnung reagiert hat und dieser mit rechtlichen Ausführungen entgegengetreten ist. Davon hat das Gericht entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht bereits aufgrund der Angabe der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin im Rubrum ausgehen können. Daraus folgt nur, dass die Antragstellerin von der Bevollmächtigung der benannte Prozessbevollmächtigten für das Eilverfahren ausgeht. Der Grund dafür ist für das Gericht nicht ersichtlich gewesen. Der Hinweis auf die „ergebnislos[e]“ Abmahnung hat insoweit von der Annahme einer möglichen vorgerichtlichen Erwiderung weggeführt. Nach zutreffender rechtlicher Würdigung des Landgerichts hat die Antragstellerin dadurch den Eindruck erweckt, die Antragsgegnerin habe nicht - jedenfalls nicht inhaltlich - auf die Abmahnung reagiert. Ein hinreichend konkreter Hinweis darauf, dass die Abmahnung nicht den von der Antragstellerin gewünschten Erfolg gehabt hat, da die Antragsgegnerin keine Unterlassungserklärung abgegeben hat und der Abmahnung mit rechtlichen Erwägungen entgegengetreten ist, wäre grundsätzlich anders formuliert worden. Ein konkreterer Hinweis auf die Reaktion der Antragsgegnerin wäre im Streitfall auch deshalb zu erwarten gewesen, weil die vorformulierte Unterlassungserklärung schon ausweislich des mit dem Eilantrag vorgelegten Abmahnschreibens (ohne vorformulierte Unterlassungserklärung) über den gestellten Eilantrag hinausgegangen ist."
Somit habe die reale Gefahr bestanden, dass das Gericht die einstweilige Verfügung ohne weitere Anhörung sofort erlässt: "Ausgehend von einem nicht hinreichend konkreten Hinweis auf die vorgerichtliche Reaktion der Antragsgegnerin stellt sich der Eilantrag als rechtsmissbräuchlich dar. (…) Da einstweilige Verfügungen in Kennzeichen- und Wettbewerbssachen vielfach im Beschlusswege ohne (erneute) vorherige Anhörung des Gegners ergehen, ist bei objektiver Betrachtung aus der Sicht der Antragstellerin bei Einleitung des Eilverfahrens nicht auszuschließen gewesen, dass das Gericht die Antragsgegnerin nicht anhört, da es davon ausgeht, dass diese der vorgerichtlichen Abmahnung nichts entgegengesetzt hat. (…) Schon das Vorenthalten der Erwiderung trotz des ausdrücklichen rechtlichen Hinweises der Antragsgegnerin auf das Erfordernis ihrer Vorlage rechtfertigt insoweit nach zutreffender Auffassung des Landgerichts die Annahme einer gezielten Gehörsverletzung, um rasch eine Beschlussverfügung zu erlangen. (…)."
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OLG Koblenz: Bezeichnung "IMMUN WATER" für Getränk unzulässige, gesundheitsbezogene Werbung
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Die Bezeichnung "IMMUN WATER" für ein Getränk (hier: “hohes C IMMUN WATER”) ist eine unzulässige, gesundheitsbezogene Werbung (OLG Koblenz, Urt. v. 04.06.2024 - Az.: 9 U 1314/23). Die Beklagte gab das bekannte Getränk “hohes C IMMUN WATER”
heraus. Die Vorinstanz, das LG Koblenz, wies die Klage gegen den Anbieter ab und entschied, dass “IMMUN WATER” keine spezifische gesundheitsbezogene Angabe darstelle, da hiermit keine konkrete Wirkung einer bestimmten Substanz für eine bestimmte Körperfunktion angesprochen werde. In der Berufungsinstanz urteilte das OLG Koblenz nun anderes und stufte die Art der Ausgestaltung als Wettbewerbsverstoß. Die Koblenzer Richter sehen in dem Wording einen klaren Gesundheitsbezug: "In dem hier streitgegenständlichen Kontext ist die Bezeichnung „IMMUN WATER“ aus der Sicht des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers gleichbedeutend mit der Aussage, das beworbene Erfrischungsgetränk habe einen positiven Einfluss auf das Immunsystem und stellt daher eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe dar, die gemäß Art. 10 Abs. 1 HCVO verboten ist, da sie nicht in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikel 13 und 14 HCVO aufgenommen ist. Zugelassen nach Art. 13 HCVO i.V.m. der Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben im Anhang zu VO (EU) Nr. 432/2012 (Lebensmittel-Gesundheitsangaben-VO) ist danach lediglich die Aussage „... trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“ in Verbindung mit den Stoffen Eisen, Folat, Kupfer, Selen, Zink und den Vitaminen A, B12, B6, C, und D also beispielsweise: „Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“ oder „Vitamin D trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“."
Und weiter: "Mit diesen Aussagen ist die Bezeichnung „IMMUN WATER“ offensichtlich nicht identisch. Eine gesundheitsbezogene Angabe, die nicht erkennen lässt, auf welchen der in der Liste der zugelassenen Angaben im Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 aufgeführten Nährstoffen, Substanzen, Lebensmitteln oder Lebensmittelkategorien die behauptete Wirkung eines Produkts beruht, ist mit den zugelassenen Angaben zudem auch nicht inhaltsgleich und somit unzulässig (…)."
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
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6.
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OLG Nürnberg: Werbeaussage "Happy Bärsday" für 100-jähriges Produkt-Jubiläum keine markenmäßige Nutzung = keine Markenverletzung
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Wird die Bezeichnung "HAPPY BÄRSDAY" zur Verdeutlichung eines Produktjubiläums verwendet (hier: 100 Jahre Haribo Goldbären), liegt darin keine markenmäßige Verwendung, sodass ein Markenverletzung ausscheidet (OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.06.2024 - Az.: 3 U 2541/23). Die Klägerin war Inhaberin der Marken "HAPPY BEAR'S DAY"
und "HAPPY BEARS DAY",
die für Fruchtgummis eingetragen waren. Die Beklagte war ein weltweit führendes Unternehmen im Fruchtgummibereich und vertrieb u.a. die bekannten “Haribo Goldbären”. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums ihrer bekannten Goldbären nutzte sie die Zeichen "HAPPY BÄRSDAY"
und " "HAPPY 100th BEARSDAY" .
auf ihren Verpackungen und in Anzeigen offline und online. Die Klägerin sah darin eine Markenverletzung und ging gegen die Nutzung gerichtlich vor. Zu Unrecht, wie nun das OLG Nürnberg entschied. Die Verwendung der Werbeaussage geschehe nicht markenmäßig, sondern sei viel mehr als sachlicher Hinweis auf das 100-jährige Bestehen zu verstehen. Das Wording sei auch eine Anspielung an das bekannte “Happy Birthday” zu verstehen. Gegen eine markenmäßige Verwendung spreche auch die Platzierung der Worte auf der Umverpackung. So würden die Zeichen an markenuntypischen Stellen, wie der Rückseite der Verpackung angebracht, wo Verbraucher üblicherweise keine Herkunftshinweise erwarteten: "Auch die angegriffenen Wortkombinationen „HAPPY BÄRSDAY“ bzw. „HAPPY 100th BEARSDAY“ weisen im Rahmen der konkreten Benutzung durch die Beklagte – sowohl auf den Verpackungen selbst als auch in den streitgegenständlichen Werbemaßnahmen – deutlich beschreibende Anklänge auf. Mit diesen Zeichen wird für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar auf das im Jahr 2022 gefeierte 100-jährige Jubiläum der „... Goldbären“ Bezug genommen. Der Durchschnittsverbraucher versteht sie jeweils als Geburtstagsgruß für den „Bären“, weil für ihn deutlich erkennbar der Wortbestandteil „BIRTH“ durch „BÄRS“ bzw. „100th BEARS“ ersetzt wurde. Beide Zeichen lehnen sich erkennbar an den englischen Geburtstagsgruß „HAPPY BIRTHDAY“ („Alles Gute zum Geburtstag“) an, welcher dem deutschen Verbraucher allgemein geläufig ist. Mit den Wortfolgen assoziieren die angesprochenen Verkehrskreise in den hier in Rede stehenden Fällen daher die anlassbezogene Abwandlung des Geburtstagsgrußes „Happy Birthday“ für Gummibärchen. Beim Zeichen „HAPPY 100th BEARSDAY“ verstärkt der Zeichenbestandteil „100th“ noch zusätzlich den Hinweis auf den „100.“ Geburtstag des Goldbären. (…) Bei der Anzeige in der Lebensmittelzeitung ist die Wortfolge „HAPPY BÄRSDAY“ im Kontext der weiteren dekorativen Gestaltungsmittel zu betrachten. Dazu gehören insbesondere die große abstrakte GOLDBÄREN-Figur mit Partyhut, die zahlreich abgebildeten Luftschlangen, welche den Feieranlass graphisch unterstreichen, und der prominente erläuternde Hinweis: „Die Ikone wird 100 … und ganz Deutschland feiert mit!“
Und weiter: "Auch der Screenshot des Internetauftritts der Beklagten mit dem Gewinnspiel enthält zusätzliche sachliche Hinweise, die verdeutlichen, dass sich der angegriffene Spruch „HAPPY BÄRSDAY“ auf das 100-jährige Jubiläum der GOLDBÄREN beziehen soll. Es handelt sich dabei um das Symbol einer abstrakten GOLDBÄREN-Figur mit Partyhut und Slogan „100 Jahre GOLDBÄREN“, den GOLDBÄR-Character mit Partyhut sowie die Angabe „Party-Stufe 1“ mit dem Text „Let’s Party: Feiert mit unseren […] Goldbären Happy Bärsday und freut Euch auf bärenstarke Gewinne“. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich schon aus der Webseiten-URL “www.(…).com/de-de/gewinnen/geburtstag” ergibt, dass es sich um ein Geburtstagsgewinnspiel handelt. Schließlich erkennt der Verkehr, wenn er die beanstandete Webseite weiter herunterscrollt, zahlreiche weitere Hinweise auf das Jubiläum, wie beispielsweise: „Wir feiern Happy Bärsday und Ihr seid alle eingeladen“ oder „Bärsdays ohne Ende: Ein Jahr lang feiern wir alle zwei Monate eine andere Goldbären-Farbe und verlosen neue bunte Gewinne“. Der von der Klägerin angegriffene Ausschnitt des TV-Werbespots „100 Jahre Goldbären“ enthält den hervorgehobenen Hinweis „Die GOLDBÄREN werden 100“ und einen GOLDBÄREN mit Partyhut direkt hinter dem angegriffenen Zeichen „HAPPY BÄRSDAY“. Außerdem trägt der auf der Videoplattform www...com dargestellte TV-Spot den Titel „... TV-Spot zu 100 Jahre Goldbären“."
Das OLG Nürnberg fasst dann noch einmal die tragenden Gründe für seine Entscheidung zusammen: "Die erforderliche Gesamtwürdigung der maßgeblichen Einzelumstände ergibt im vorliegenden Fall jedoch, dass die angegriffenen Zeichen vom angesprochenen Durchschnittsverbraucher überwiegend als – auf einen beschreibenden Kern zurückführbarer – Jubiläumshinweis in der Art eines Werbeslogans verstanden werden, welche die Beklagte ersichtlich wegen dem – auch mit dem Sprachwitz verbundenen – Wiedererkennungswert für die Jubiläumsedition der „... Goldbären“, aber nicht als Hinweis auf die Herkunft des Produkts verwendet. Denn es handelt sich bei den Zeichen nicht nur um ein witziges Wortspiel mit auf einen aktuellen Anlass hinweisenden Anklang. Vielmehr wird die in „HAPPY BÄRSDAY“ bzw. „HAPPY 100th BEARSDAY“ enthaltene Botschaft als auf einen begrenzten Zeitraum bezogenes Jubiläumsmotto von anderen Text- bzw. Bildelementen begleitet, welche diese durch Hinweise auf das 100-jährige Geburtstagsjubiläum der Beklagten inhaltlich unterstützen, weshalb aufgrund der Eigenart der Zeichen in dem konkreten Verwendungszusammenhang eine andere, nicht markenmäßige Bedeutung für den Durchschnittsverbraucher ganz in den Vordergrund tritt. In diesem Fall wird der Durchschnittsverbraucher nicht den Schluss ziehen, die Glückwunschbotschaft solle zugleich auch für die in ihr verpackten Gummibären als Herkunftshinweis dienen. Nicht außer Acht gelassen kann in diesem Zusammenhang, dass sich die streitgegenständlichen Wortfolgen weniger auf die Art des so bezeichneten Fruchtgummis – insbesondere die Form oder den Geschmack – als die obengenannten Beispiele für witzige Ausdrücke und Wortspiele beziehen."
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7.
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OLG Oldenburg: Observierte Person hat Anspruch auf DSGVO-Offenlegung des Detektivberichts nach heimlicher Beschattung durch Versicherung
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Beauftragt eine Versicherung im Rahmen der Anspruchsprüfung ein Detektivbüro mit der Observation des Anspruchsstellers und werden dabei personenbezogene Daten erfasst, kann Betroffenen im Einzelfall ein Auskunftsrecht zu den gesammelten personenbezogenen Daten zustehen. So lässt sich ein Urteil zusammenfassen, welches der auf das Datenschutzrecht spezialisierte 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg gefasst hat. Dem Detektiveinsatz war ein Verkehrsunfall vorausgegangen, bei welchem der Kläger verletzt worden war. Wegen seiner Verletzungen machte der Kläger Ansprüche bei der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers geltend. Die Versicherung hatte den Verdacht, dass die unfallbedingten Einschränkungen des Klägers tatsächlich geringer waren als angegeben und ging davon aus, dass der Kläger unberechtigte Ansprüche geltend mache. Die daraufhin von der Versicherung beauftragte Detektei observierte den Kläger über mehrere Wochen und fasste ihre Erkenntnisse über die gesundheitlichen Alltagseinschränkungen des Klägers für die Versicherung in einem Ermittlungsbericht zusammen. Der Kläger aus dem Landkreis Osnabrück erhob Klage gegen den Haftpflichtversicherer vor dem Landgericht Osnabrück. Die Klage war unter anderem auf Auskunft zu den von der Versicherung verarbeiteten personenbezogenen Daten sowie auf Herausgabe einer Kopie der Informationen gerichtet, welche die von der Versicherung beauftragte Detektei vom Kläger gesammelt hatte. Die Versicherung hatte die Auskunft lediglich teilweise erteilt und sich im Übrigen auf ein datenschutzrechtliches Geheimhaltungsinteresse berufen. Zur Begründung führte die Versicherung an, die medizinischen Befunde begründeten Zweifel an der Tragweite der behaupteten Unfallfolgen. Die Versicherung sah die Gefahr, dass der Kläger die Informationen aus den Ermittlungsberichten in einem späteren Rechtsstreit zum Umfang der Versicherungsleistungen dazu nutzen könnte, den eigenen Vortrag an die Erkenntnisse aus dem Bericht anzupassen. Sie berief sich darauf, dass sie sich im Interesse effektiver Verteidigung durch Zurückhaltung von Informationen gegen ein solches Vorgehen schützen müsse. Das Landgericht hatte der Versicherung ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse zuerkannt und die Klagen abgewiesen. Nach dem Urteil des Landgerichts habe der Versicherer ein legitimes Interesse daran, seine Einstandspflicht festzustellen und unberechtigte Ansprüche durch einen Wissensvorsprung abzuwehren. Die vom Kläger eingelegte Berufung hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht Oldenburg verurteilte die Versicherung zur Auskunft über die personenbezogenen Daten des Klägers und zur Herausgabe einer Kopie des Observationsberichts der Detektei. Der Senat stellte fest, dass dem Kläger ein Auskunftsanspruch nach der Datenschutzgrundverordnung (Art. 15 DSVGO) zustehe, da vom Kläger personenbezogene Daten gesammelt und verarbeitet worden seien. Betroffenen stünde in solchen Fällen ein generell schutzwürdiges Interesse an der Auskunft zu. Denn das Auskunftsrecht verfolgte gerade den Zweck, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Grundsätzlich könne der Auskunftsanspruch zwar durch Rechte anderer Personen eingeschränkt sein. Ein solches Gegenrecht habe die Versicherung in diesem Fall aber nicht darlegen können. Bei den personenbezogenen Daten des Klägers handele es sich nicht um Geschäftsgeheimnisse im Rechtssinne. Auch sonst bestehe kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse, da die Versicherung die Erkenntnisse aus den Ermittlungsberichten bei späteren Rechtsstreitigkeiten ohnehin offenlegen und dem Kläger eine Reaktion hierauf ermöglichen müsse. Auch dass der Kläger die Informationen später in einem Rechtsstreit gegen die Versicherung verwenden würde, sei nicht zwingend. Es sei nach dem Senat ebenso denkbar, dass sich der Kläger nach Offenlegung des Ermittlungsergebnisses - je nach Inhalt der Berichte – sogar dazu entscheide, von einer Inanspruchnahme der Versicherung abzusehen. Urteil vom 9. April 2024 Az. 13 U 48/23 (rechtskräftig) Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg v. 18.07.2024
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LG Berlin: Tageszeitung durfte online ungefragt Corona-Foto verwenden, da durch Tagesereignis Ausnahme vom Urheberrechtsschutz
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Eine Tageszeitung durfte sowohl online als auch online ungefragt ein fremdes Corona-Foto verwenden, da dies durch die urheberrechtliche Schranke der Tagesereignisse nach § 50 UrhG erlaubt ist (LG Berlin, urt. v. 22.03.2024 - Az.: 61 S 8/24). Der Kläger war Fotograf und ging gegen die Beklagte vor, die die "Ostfriesen Zeitung" herausgab. Der Verlag hatte ungefragt ein vom Kläger angefertigtes Foto, bei dem um die Abstandsregeln während der Corona-Pandemie ging, ohne Zustimmung übernommen und sowohl auf seiner Website als auch in der Printausgabe veröffentlicht. Der Kläger sah sich durch das Handeln in seinen Urheberrechten verletzt und klagte auf Unterlassung und Ersatz der Abmahnkosten. Das LG Berlin verneinte jedoch eine Rechtsverletzung und wies die Klage ab. Denn das Handeln des Verlages sei durch die Schranke des § 50 UrhG erlaubt. 1. Schranke: Tagesereignisse nach § 50 UrhG: Das Foto habe dazu gedient, die Abstandsregeln während Corona und deren Einhaltung bzw. Nichteinhaltung zu dokumentieren. In einem solchen Fall greife die urheberrechtliche Schranke für Tagesereignisse (§ 50 UrhG): "Dem Vorliegen einer Berichterstattung über ein Tagesereignis gemäß § 50 UrhG steht nicht entgegen, dass die Beklagte für die Vervielfältigung und Verbreitung des Lichtbildes keine Zustimmung des Klägers oder des Fotografen einholte (…). (…) (a) Gemäß § 50 UrhG ist die Berichterstattung über Tagesereignisse nur in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig. Nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der RL 2001/29/EG darf die fragliche Nutzung des Werks nur erfolgen, soweit es der Informationszweck rechtfertigt, sie also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Daraus ergibt sich, dass die Nutzung des geschützten Werks zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein muss und nicht die Grenzen dessen überschreiten darf, was zur Erreichung des verfolgten Informationsziels erforderlich ist. (…) (b) Das ist hier der Fall. Die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Lichtbildes durch die Beklagte war geeignet, das mit der Berichterstattung verfolgte Informationsziel zu erreichen. Es sollte über die Frage der Einhaltung von Abstandsregelungen während der Corona-Pandemie berichtet werden. Das Lichtbild diente als Beleg für die Berichterstattung. Die Veröffentlichung war auch erforderlich, weil kein gleich geeignetes Mittel zur Verfügung stand"
Und weiter: "Sie war auch angemessen. Die Abwägung der im Streitfall betroffenen Grundrechte führt zu einem Vorrang der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG) der Beklagten gegenüber dem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht aus § 72 Abs. 1, § 15 Abs. 1, § 16, § 17 UrhG. Insofern ist maßgeblich, dass die Berichte auf der Internetseite der „… Zeitung“ und in deren Printausgabe in der Anfangszeit der Corona-Pandemie im Mai 2020 veröffentlicht wurden und alle Personen von den Einschränkungen durch die Pandemie und den Regelungen, die mit erheblichen Eingriffen verbunden waren, betroffen waren; wenn gerade Sanitäter, die beruflich in besonderem Maße mit gesundheitlich vulnerablen Menschen in Kontakt kommen, Abstandsregelungen nicht einhalten, war dies zum damaligen Zeitpunkt in gesteigertem Maße berichtenswert. Die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit gewinnen bei einem Konflikt mit anderen Rechtsgütern besonderes Gewicht, wenn sie – wie hier – Angelegenheit betreffen, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren (…). Es ist daher von einem hohen Stellenwert des von der Beklagten wahrgenommenen Informationsinteresses der Öffentlichkeit auszugehen. Das Recht des Klägers aus Art. 14 Abs. 1 GG tritt daher dahinter zurück. Ein besonders ins Gewicht fallendes Verwertungsinteresse des Klägers an dem streitgegenständlichen Lichtbild war nicht gegeben."
2. Erlaubnis sowohl für Online als auch Offline: Die Veröffentlichung sei sowohl online als auch offline erlaubt, denn über beide Medien würden unterschiedliche Zielgruppen erreicht: “Über die Veröffentlichung des Berichts nebst Lichtbild in der Printausgabe der Zeitung am 14. Mai 2020 wurde zudem jedenfalls potenziell ein anderer Leserkreis als über die Veröffentlichung im Internet erreicht; das ist im Sinne des grundrechtlichen Schutzes der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG), und lässt sich daher – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht als bloße „Zweitverwertung“ kennzeichnen.”
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9.
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VG Berlin: Verkauf von Reisebedarf im S-Bahnhof auch sonntags
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Ein in einem Berliner S-Bahnhof befindliches Reformhaus darf vorläufig auch an Sonn- und Feiertagen öffnen, wenn durch ein spezielles Kassensystem sichergestellt ist, dass an diesen Tagen nur Reisebedarf verkauft wird. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden. Der Antragsteller betreibt in einem Berliner S-Bahnhof ein Reformhaus, das er – für ein reduziertes Warenangebot – auch an Sonn- und Feiertagen öffnet. Das zuständige Bezirksamt sah darin einen Verstoß gegen das Berliner Ladenöffnungsgesetz (BerlLadÖffG) und verhängte im April 2024 gegen den Antragsteller ein Bußgeld. Mit einem Eilantrag hat der Antragsteller bei Gericht die Feststellung begehrt, dass er vorläufig auch zur Öffnung seiner Verkaufsstelle an Sonn- und Feiertagen zum Anbieten von Reisebedarf berechtigt ist. Die 4. Kammer hat diesem Eilantrag stattgegeben. Es sei sehr wahrscheinlich, dass der Antragsteller sich auf eine Ausnahme im BerlLadÖffG vom grundsätzlich an Sonn- und Feiertagen geltenden Verkaufsverbot berufen könne. Seine Verkaufsstelle befinde sich in einem Personenbahnhof, weil die S-Bahn in Berlin Funktionen des Regionalverkehrs übernehme. Durch das Kassensystem werde ein Verkauf von Waren außerhalb des zulässigen Reisebedarfs technisch verhindert; eine solche Sicherung schließe menschliches Versagen oder die Umgehung durch Kunden effektiv aus. Die Ausnahmeregelung fordere auch nicht, dass der Antragsteller sein Warenangebot an den übrigen Tagen ebenfalls auf Reisebedarf beschränke. Sei der Antragsteller erkennbar zur Sonntagsöffnung berechtigt, sei ihm nicht zuzumuten, hierauf bis zur Klärung in einem länger dauernden Hauptsacheverfahren zu verzichten. Er könne auch nicht darauf verwiesen werden, weitere Bußgeldbescheide hinzunehmen und die Frage der Rechtmäßigkeit seiner Ladenöffnung vor den – sachferneren – Strafgerichten zu klären. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden. Beschluss der 4. Kammer vom 10. Juli 2024 (VG 4 L 166/24) Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin v. 17.07.2024 § 5 Nr. 3 des Berliner Ladenöffnungsgesetzes lautet: An Sonn- und Feiertagen und am 24. Dezember dürfen geöffnet sein: […] 3. Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen, auf Verkehrsflughäfen und in Reisebusterminals für das Anbieten von Reisebedarf. […]
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LG München I: Leerverkäufe von FC Bayern-Tickets durch Viagogo rechtswidrig
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Die unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige 37. Zivilkammer des Landgerichts München I hat heute über die Klage der FC Bayern München AG gegen die Viagogo GmbH entschieden (37 O 2100/22). Dabei gab sie der Klägerin teilweise Recht: Leerverkäufe von Tickets zu Spielen des FC Bayern München durch die Beklagte mit Hinweis auf die eingeschränkte Verfügbarkeit sind unzulässig. Die Beschränkung der Weitergabe von Tickets in den AGB der Klägerin zum Erhalt eines sozialen Preisgefüges ist wirksam. Die klagende FC Bayern München AG forderte gegenüber der Beklagten, dass künftig keine sogenannten Leerverkäufe ihrer Tickets auf ihrer Internetseite mehr stattfinden sollten. Bei Leerverkäufen handelt es sich um Verkäufe, welche getätigt werden, bevor Tickets für das jeweilige Fußballspiel vom Verein herausgegeben wurden. Die FC Bayern München AG beanstandete dies auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte mit eingeschränkter Verfügbarkeit der Tickets werbe. Die Viagogo AG trat dieser Forderung entgegen. Sie meinte unter anderem, solche Spekulationsgeschäfte wären - genau wie Hinweise auf die begrenzte Verfügbarkeit von Tickets - im Geschäftsverkehr üblich. Zudem verlangte die FC Bayern München AG von der Viagogo GmbH die Unterlassung von Hinweisen auf die Verkehrsfähigkeit von über die Beklagte weiterverkauften Tickets für Spiele des FC Bayern in der Allianz Arena. Die Klägerin verweist insoweit auf ihre Allgemeinen Ticket-Geschäftsbedingungen („ATGB“), in welchen ein gewerblicher Weiterverkauf oder auch ein Weiterverkauf über andere Internetplattformen, wie die der Beklagten vertragswidrig sei. Die Beklagte hielt die AGB der Klägerin für unwirksam, da sie das Interesse eines Ticketinhabers am Weiterverkauf unangemessen beeinträchtigen würden. Daneben monierte die Klägerin auch, dass die Viagogo GmbH Käufern auf ihrer Plattform letztlich nicht den Namen und die Anschrift des jeweiligen Ticketverkäufers mitteilen würde. Das zuständige Landgericht München I hat der Klage teilweise stattgeben. Die beklagte Viagogo GmbH muss nach der Entscheidung des Gerichts künftige Leerverkäufe auf deren Website sowie zugehörige Hinweise zur eingeschränkten Verfügbarkeit von Tickets unterbinden. Dies führe Verbraucher in die Irre, da diese sonst meinten, sicher ein Ticket zu erwerben, obwohl der Verkauf letztlich auf Spekulation beruhe. Die Beklagte dürfe auch nicht den unzutreffenden Eindruck dahingehend erwecken, dass bei der Beklagten auf der Website erworbene Tickets zum Eintritt in die Allianz Arena berechtigten. Dies sei nicht der Fall. Die FC Bayern München AG habe ein legitimes Interesse an einem sozialen Preisgefüge, sodass die Beschränkung der Weitergabe in ihren AGB wirksam sei und ein Ticketkäufer, der seine Tickets über die Website der Beklagten erhalten habe, am Stadioneinlass abgewiesen werden könne. Das Gericht hat hierzu ausgeführt: „Die Klägerin hat schlüssig vorgetragen, dass ihr Ticketpreise nicht ausschließlich aufgrund gewinnorientierter Überlegungen festgesetzt werden, sondern eine allgemeine Deckelung aufgrund sozialer Gesichtspunkte vorgenommen wird. Gemäß ihren AGB kann die Klägerin gerade Besitzern der Tickets, die diese durch Vermittlung der Beklagten erworben haben, den Zutritt zu der Veranstaltung verweigern“
Außerdem müsse die Viagogo GmbH zumindest die Identität und Anschrift von unternehmerisch handelnden Verkäufern einem Ticketkäufer auf ihrer Plattform mitteilen. Im Übrigen hat das Gericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin beanstandete mit ihrer Klage auch, dass die beklagte Viagogo GmbH über von ihr eingesetzte Strohleute Tickets für Spiele des FC Bayern München in der Allianz Arena ankaufen und anschließend über ihre eigene Internetseite meist zu überhöhten Preisen verkaufen würde. Im Zuge ihre Verkäufe hätten Mitarbeiter der Viagogo GmbH nach den Behauptungen der FC Bayern München AG auch die Namen auf den von ihr ausgegebenen Tickets geändert, um den Ticketinhabern den Zutritt ins Stadion zu ermöglichen. Die Beklagte bestritt dies und wies darauf hin, dass sie lediglich Betreiberin einer Internetplattform sei und dort tätige Verkäufer selbstständig agieren würden. Die Kammer sah es insbesondere als nicht bewiesen an, dass die Beklagte selbst oder über gezielt eingesetzte Strohleute Tageskarten für Heimspiele der Fußballmannschaft der Klägerin in der Vergangenheit bezog oder beziehen ließ. Die versuchte Vorlage von Indizien durch die Klägerin, konnte die Beklagte nach Ansicht des Gerichts entkräften. Demnach kann laut Gericht auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Viagogo GmbH an der erfolgten Fälschung von Tickets beteiligt war. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 26.07.2024
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