Ein Energieunternehmen darf unterschiedliche Preise für Bestands- und Neukunden berechnen. Es liegt dadurch kein Verstoß gegen § 36 EnWG vor (LG Dortmund, Urt. v. 31.03.2022 - Az.: 16 O 10/22 [Kart]).
Das verklagte Energieunternehmen gestaltete seine im Internet abrufbaren Grund- und Ersatzversorgungspreise so, dass es dabei zwischen Bestands- und Neukunden differenzierte. Bei gleichen Grundpreisen nahm die Beklagte einen deutlich geringeren Arbeitspreis von Bestandskunden, während Neukunden einen deutlich höheren Tarif zahlen mussten. (29,46 ct/kWh anstatt 53,09 ct/kWh).
Die Klägerin, eine Mitbewerberin, sah darin einen Verstoß gegen § 36 EnWG und klagte.
Das LG Dortmund folgte dieser Ansicht nicht und verneinte einen Anspruch.
Denn § 36 EnWG schreibe nicht eine exakte Gleichbehandlung aller Kunden vor:
"Entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin verlangt § 36 UWG nicht für alle Verbraucher in der Grundversorgung einen gleichen einheitlichen Preis.
Gegen das Erfordernis eines einzigen einheitlichen Preises für alle in der Grund- und Ersatzversorgung belieferten Kunden spricht schon der Wortlaut von § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG. Dort verpflichtet der Gesetzgeber die Grundversorger „Allgemeine Preise“ öffentlich bekannt zu geben und zu diesen „Preisen“ jeden Haushaltskunden zu versorgen. Aus der Verwendung des Plurals folgt, dass die Festsetzung unterschiedlicher Preise für unterschiedliche Kundengruppen grundsätzlich zulässig ist.
Zu beachten ist auch, dass der Verordnungsgeber nicht von der in § 39 Abs. 1 EnWG vorgesehenen Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht und einen einzelnen einheitlichen Preis vorgeschrieben hat. Dies zeigt, dass der Grund- und Ersatzversorger im Rahmen der sonstigen gesetzlichen Regelungen in der Preisgestaltung grundsätzlich frei ist, also auch verschiedene Preise festlegen darf."
Und weiter:
"Schließlich ist auch kein plausibler sachlicher Grund ersichtlich, warum einem Grundversorger eine Preisgestaltung, die für unterschiedliche Kundengruppen verschiedene Preise zulässt, untersagt sein sollte.
Auch im sonstigen Energiegeschäft ist es zulässig und wird auch von niemandem in Frage gestellt, dass unterschiedliche Preise für unterschiedliche Verbrauchsprofile, für eine unterschiedliche Vertragsdauer oder für verschiedene Zeitpunkte des Vertragsbeginns zulässig sind.
Warum dies bei der Grundversorgung anders sein soll, erschließt sich nicht. Die Grund- und Ersatzversorgung dient in erster Linie der Versorgungssicherheit. Für jeden Verbraucher soll eine Versorgung mit Energie sichergestellt sein. Daher begründet § 36 Abs. 1 EnWG für den Grundversorger einen Kontrahierungszwang. Dieser Kontrahierungszwang rechtfertigt es aber nicht, dem Grundversorger das grundsätzliche Recht einer freien Tarifgestaltung abzusprechen. Die Grundversorgung ist nämlich nicht vollständig von wirtschaftlichen Erwägungen entkoppelt. Dies zeigt § 36 Abs. 1 Satz 3 EnWG, welcher es dem Grundversorger erlaubt, unter bestimmten Bedingungen eine aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbare Grundversorgung abzulehnen.
Dementsprechend ist es auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass es dem Energieversorgungsunternehmen auch in der Grundversorgung freisteht, verschiedene Tarife anzubieten (BGH, Beschluss vom 13.04.2021, Az.: VIII ZR 277/19, BeckRS 2021, 15924, Rdnr. 7; BGH NZKart 2017, 245, 247, Rdnr. 25; BGH NJW 2016, 1718, Rdnr. 18 m. w. N.; vgl. auch Britz/Hellermann/Hermes/Hellermann, Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl. 2015, § 36, Rdnr. 26a; Kment/Rasbach, Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl. 2019, § 36 Rdnr. 15). Dabei ist eine Unterscheidung der Tarife nicht auf verbrauchsabhängige Differenzierungen beschränkt. Die Tarife können auch an andere Unterscheidungskriterien anknüpfen (LG Dortmund, Beschluss vom 02.03.2022, Aktenzeichen 10 O 11/22 [EnW])."