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Kategorie: Glücksspielrecht / Gewinnspielrecht

EuGH: Gewinnspielrechtliches Kopplungsverbot in Deutschland europarechtswidrig

Der EuGH <link http: www.gluecksspiel-und-recht.de urteile kopplungsverbot-nicht-mit-eu-recht-vereinbar-c-304-08-europaeischer_gerichtshof--20100114.html _blank external-link-new-window>(Urt. v. 14.01.2010 - Az.: C-304/08) hat eine der wichtigsten gewinnspielrechtlichen Entscheidungen in den letzten Jahren getroffen: Das deutsche, nationale Kopplungsverbot im Gewinnspielrecht <link http: www.gesetze-im-internet.de uwg_2004 __4.html _blank external-link-new-window>(§ 4 Nr. 6 UWG) verstößt gegen EU-Recht.

(Aus der Pressemitteilung des EuGH v. 14.01.2010:)

"Die europäische Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken1 hat den Zweck, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen. Sie stellt ein generelles Verbot von unlauteren Geschäftspraktiken auf, die geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers zu beeinflussen. Sie stellt zudem Regeln über irreführende und aggressive Geschäftspraktiken auf. Anhang I enthält eine Liste jener Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen unlauter sind.

Das deutsche Einzelhandelsunternehmen Plus ermunterte im Rahmen seiner Bonusaktion „Ihre Millionenchance“ dazu, bei Plus einzukaufen, um Punkte zu sammeln. Die Ansammlung von 20 Punkten ermöglichte es, kostenlos an bestimmten Ziehungen des Deutschen Lottoblocks (eines nationalen Verbands von 16 Lotteriegesellschaften) teilzunehmen. Die deutsche Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. sah diese Praxis als unlauter im Sinne des deutschen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) an, nach dem Preisausschreiben und Gewinnspiele mit einer Kaufverpflichtung generell verboten sind.

Auf Antrag der Zentrale wurde Plus in erster und in zweiter Instanz verurteilt, diese Praxis zu unterlassen. Der Bundesgerichtshof, der in letzter Instanz über diesen Rechtsstreit zu entscheiden hat, möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Richtlinie einem Verbot wie dem im UWG aufgestellten entgegensteht.

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung wie der im UWG vorgesehenen entgegensteht, nach der Geschäftspraktiken, bei denen die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware oder von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht wird, ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls grundsätzlich unzulässig sind.

Einleitend legt der Gerichtshof dar, dass Werbekampagnen, mit denen die kostenlose Teilnahme des Verbrauchers an einer Lotterie davon abhängig gemacht wird, dass in bestimmtem Umfang Waren oder Dienstleistungen erworben bzw. in Anspruch genommen werden, sich eindeutig in den Rahmen der Geschäftsstrategie eines Gewerbetreibenden einfügen und unmittelbar mit der Absatzförderung und dem Verkauf zusammenhängen. Sie stellen folglich Geschäftspraktiken im Sinne der Richtlinie dar und fallen damit in deren Geltungsbereich.

Sodann weist er darauf hin, dass die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern mit der Richtlinie auf Gemeinschaftsebene vollständig harmonisiert werden. Daher dürfen die Mitgliedstaaten, wie dies in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehen ist, keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen, und zwar auch nicht, um ein höheres Verbraucherschutzniveau zu erreichen.

In Bezug auf die in der vorliegenden Rechtssache fragliche Praxis stellt der Gerichtshof fest, dass sie nicht von Anhang I der Richtlinie erfasst wird, der die Praktiken, die allein ohne eine Einzelfallprüfung verboten werden dürfen, abschließend aufzählt. Daher kann diese Praxis nicht verboten werden, ohne dass anhand des tatsächlichen Kontexts des Einzelfalls bestimmt wird, ob sie im Licht der in der Richtlinie aufgestellten Kriterien „unlauter“ ist. Zu diesen Kriterien gehört insbesondere die Frage, ob die Praxis in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen."

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Das Interessante wird nun sein, wie die deutsche Rechtsprechung diese Vorgaben umsetzen wird. Der EuGH hat seine Ausführungen im Rahmen eines Vorlageverfahrens des BGH getroffen. Die konkrete Entscheidung im Einzelfall obliegt nun den Karlsruher Richtern. 

Eines ist jedoch klar: Die jahrzehntelange, bislang restriktive deutsche Rechtsprechung zum gewinnspielrechtlichen Kopplungsverbot hat im Grundsatz mit dem EuGH-Urteil ein Ende gefunden. Ein Verbot wird nur noch in bestimmten Ausnahmefällen aufrecht zu erhalten sein.

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