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Kategorie: Onlinerecht

LG Frankenthal: Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines DSGVO-Auskunftsanspruchs

Wird ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch mit dem Ziel geltend gemacht, sich gegen eine Klage des Auskunftspflichtigen fundierter verteidigen zu können, so ist dieses Begehren rechtsmissbräuchlich (LG Frankenthal, Urt. v. 12.01.2021 - Az.: 1 HK O 4/19).

Die klägerische Aktiengesellschaft machte vor Gericht gegen ein ehemaliges Vorstandsmitglied einen Schadensersatzanspruch geltend. Der Beklagte erhob daraufhin Widerklage und machte einen DSGVO-Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO geltend.

Dies stufte das LG Frankenthal als rechtsmissbräuchlich und somit unzulässig ein:

"Wenn der Beklagte gleichwohl Auskunft über Einzelheiten dieser Korrespondenz und Herausgabe der entsprechenden E-Mails, ggfls. in geschwärzter Form, verlangt, dann geht es ihm aus Sicht des Gerichts ersichtlich nicht um die Überprüfung der – ihm bekannten - Datenverarbeitung der Klägerin, sondern um die Erlangung etwaiger Informationen, die er zu seiner Verteidigung gegen die Haftungsklage benötigen könnte, wobei dem Beklagten offenbar nicht bewusst ist, um welche Informationen es sich dabei handelt, denn ansonsten könnte er sein Auskunftsverlangens in diesem Punkt konkretisieren, was von der Klägerin zu Recht verlangt wird.

Das Gericht ist mit der Klägerin der Auffassung, dass der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO nicht dazu dient, eine dem deutschen Zivilprozessrecht fremde (pretrial) discovery wie in den USA oder dem Vereinigten Königreich einzuführen.

Eine solche steht im Widerspruch zum Beibringungsgrundsatz der ZPO, nach dem die Parteien selbst die für sie günstigen Tatsachen und Umstände mit Beweismitteln zu belegen haben (...).

Letztendlich geht es dem Beklagten aber ersichtlich um eine solche Ausforschung der Klägerin bzw. von deren gespeicherten Daten, was letztendlich nicht nur daraus folgt, dass das Auskunftsverlangen und die Widerklage ersichtlich eine Reaktion auf die von der Klägerin erhobene Haftungsklage darstellen, sondern auch daraus, dass der Beklagte nicht mitteilt, welche datenschutzrechtlichen Gesichtspunkte oder Motive er mit seiner Widerklage (sonst) verfolgt. Das vom Beklagten bemühte „Recht auf Neugier“ ist nach Überzeugung des Gerichts ein offensichtlicher Vorwand, um die eigentlichen Beweggründe des Beklagten, nämlich sämtliche E-Mail Korrespondenz der Klägerin auf ihrer Tauglichkeit für eine etwaige Verteidigung gegen die Haftungsklage hin zu untersuchen, zu kaschieren."

Und weiter:

"Aus Sicht des Gerichts ist die Vorgehensweise des Beklagten auch deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie letztendlich auf eine zeitliche Verzögerung des Haftungsprozesses auf eine unbestimmte Zeit hinausläuft.

Wollte man das Vorgehen des Beklagten, also die Geltendmachung des Informationsanspruchs nach Art. 15 DSGVO im Wege der Widerklage zum Zwecke der Erlangung notwendiger Informationen zur Verteidigung gegen die Haftungsklage, als zulässig ansehen, dann dürfte aus Sicht des Gerichts aus Gründen der Wahrung effektiven Rechtsschutzes zunächst (nur) durch Teilurteil über die Widerklage entschieden und müsste die Vollstreckung des diesbezüglichen Teilurteils abgewartet werden, was das erkennende Gericht zwischenzeitlich, wie in der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2020 (insoweit nicht protokolliert) angedeutet, auch in Erwägung gezogen hatte.

Letztendlich nutzt dem Beklagten sein zum Zwecke der Ermöglichung oder Verbesserung seiner Verteidigung gegen die Haftungsklage im Wege der Widerklage geltend gemachter Auskunftsanspruch nämlich nur, wenn er die aus seiner Sicht notwendigen Informationen vor einer abschließenden Verhandlung zur Haftungsklage erhält. Indes ist es ersichtlich nicht Sinn und Zweck des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs, eine Entscheidung über eine Haftungsklage auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern."

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