Die nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG vorgesehene Deckelung der anwaltlichen Abmahnkosten bei P2P-Urheberrechtsverletzungen ist mit Art. 14 der Enforcement-Richtlinie nicht vereinbar, sodass der Abgemahnte die vollen Abmahnkosten zu erstatten hat (LG Stuttgart, Urt. v. 09.05.2018 - Az.: 24 O 28/18).
Gegenstand der Auseinandersetzung war u.a. die Erstattung von Abmahnkosten in einem der bekannten P2P-Fälle.
Hierbei hatte sich das Gericht mit der nach § 97a Abs. 3 UrhG festgelegten Deckelung des Streitwertes auf 1.000,- EUR auseinanderzusetzen. Die Norm lautet:
"§ 97a Abs.3 UrhG
(...)
(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1 000 Euro, wenn der Abgemahnte1. eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und
2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.
Der in Satz 2 genannte Wert ist auch maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden. Satz 2 gilt nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist."
Die Klägerin, die Rechteinhaberin des Computerspiels "Dead Island Riptide", verlangte die volle Erstattung der Abmahnkosten auf der Basis eines Streitwertes von 20.000,- EUR und nicht - wie in § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG geregelt - nach einem Wert von nur 1.000,- EUR.
Das LG Stuttgart stufte die Decklung als unwirksam ein:
"Nach dem Urteil des EuGH vom 28.07.2016 (Rs. C-57/15 - United Video Properties) steht Art. 14 Enforcement-Richtlinie (...) einer Regelung, die Pauschaltarife für die Erstattung der Anwaltshonorare vorsieht, dann entgegen, wenn Pauschaltarife weit niedriger sind als die tatsächlich für Anwaltsleistungen (...), da (...) die (...) erforderliche abschreckende Wirkung einer Klage wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums erheblich geschwächt würde, wenn der Verletzer nur zur Erstattung eines geringen Teils der zumutbaren Anwaltskosten, die dem Inhaber des verletzten Rechts entstanden sind, verurteilt werden dürfte.
Dabei ist nicht erforderlich, dass die unterlegene Partei zwangsläufig sämtliche Kosten der obsiegenden Partei erstatten muss, jedoch wenigstens einen erheblichen und angemessenen Teil der ihr tatsächlich entstandenen zumutbaren Kosten (...). (...)
Deswegen gebietet oben genannte Auslegung des Art. 14 Enforcement-Richtlinie (...) eine besondere Unbilligkeit (...) im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung bereits dann anzunehmen, wenn die Begrenzung des Gegenstandswertes gem. § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG n. F. auf 1.000 € dazu führen würde, dass der Verletzer nur zur Erstattung eines geringen Teils der zumutbaren Anwaltskosten, die dem Inhaber des verletzten Rechts entstanden sind, verpflichtet wäre (...).
Die angefallenen anwaltlichen Abmahnkosten sieht das Gericht als kausal und damit erstattungsfähig an:
"Hierbei handelt es sich auch um zumutbare Kosten.
Der Begriff der Zumutbarkeit (...) bezieht sich auf die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts (...).
Ob es erforderlich war, einen Rechtsanwalt zu den gesetzlichen Gebühren zu beauftragen und keine niedrigere Gebührenvereinbarung für massenhaft sich wiederholende Abmahnungen abzuschließen, bedarf keiner Entscheidung, da jedenfalls im vorliegenden Fall der Abschluss einer Gebührenvereinbarung nur in einer Höhe, die dem Rechteinhaber auch bei Anwendung der Deckelung die Erstattung eines erheblichen und angemessenen Teils der ihm entstandenen Kosten ermöglichen würde, nicht verlangt werden kann. (...)
Eine Erstattung von lediglich 14 Prozent (124 € zu 865 €) der dem Rechteinhaber tatsächlich entstandenen Kosten der Abmahnung stellt jedenfalls keinen erheblichen und angemessenen Teil der dem Rechteinhaber tatsächlich entstandenen zumutbaren Kosten, sondern nur einen geringen Teil der Kosten dar. Es kann deswegen vorliegend dahinstehen, welcher Anteil der dem Rechteinhaber entstandenen Kosten abgedeckt sein muss, damit noch ein erheblicher und angemessener Teil abgedeckt wird."