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Kategorie: Datenschutzrecht

EuGH: Wann Adressdaten-Weitergabe zu Marketing-Zwecken durch "berechtigte Interessen" nach Art. 6 Abs.1 f) DSGVO gedeckt ist

Weitergabe von Adressdaten zu Marketing-Zwecken nur bei zwingender Erforderlichkeit und angemessener Berücksichtigung der Betroffeneninteressen zulässig ist.

Der EuGH hat in einer aktuellen Entscheidung die Voraussetzungen konkretisiert, unter denen eine Übermittlung von Adressdaten zu Marketingzwecken auf das berechtigte Interesse nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO gestützt werden kann (EuGH Urt. v. 04.10.2024 - Az.: C-621/22).

1. Sachverhalt:

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der niederländische Tennisverein Royal Dutch Lawn Tennis Association (KNLTB) übermittelte seine Mitgliederdaten an zwei Sponsoren (einen Sportartikelhersteller und einen Glücksspielanbieter).  

Der Verein informierte seine Mitglieder einige Monate zuvor in seinem Newsletter über die geplante Datenweitergabe und wies auf die Möglichkeit hin, der Weitergabe zu widersprechen. Die Mitglieder mussten aktiv widersprechen, um die Weitergabe ihrer Daten zu verhindern. Die übermittelten Daten umfassten u.a: Vor- und Nachname, Anschrift, Geschlecht, Telefon- und Handynummer, E-Mail-Adresse und Geburtsdatum.

In ca. 40.000 Fällen wurden die betroffenen Mitglieder vom Sponsor telefonisch kontaktiert.

Der Tennisclub KNLTB rechtfertigte die Datenübermittlung mit zwei Argumenten: Zum einen wollte er einen Mehrwert für seine Mitglieder schaffen, zum anderen wollte er die geringeren Einnahmen aufgrund sinkender Mitgliederzahlen ausgleichen.

Die niederländische Datenschutzbehörde verhängte daraufhin ein Bußgeld iHv. 525.000,- EUR, vgl. unsere Kanzlei-News v. 05.03.2020. Dagegen wehrte sich KNLTB, so dass der EuGH den Sachverhalt zu beurteilen hatte.

2. Sachverhalt:

Der EuGH hat entschieden, dass grundsätzlich auch eine Datenübermittlung zu Marketingzwecken von den berechtigten Interessen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gedeckt sein kann.

Hierfür müssen jedoch drei Voraussetzungen erfüllt sein: 

Erstens muss ein berechtigtes Interesse vorliegen, 

zweitens muss die Verarbeitung erforderlich sein und 

drittens dürfen die Interessen der betroffenen Personen nicht überwiegen.

Ein kommerzielles Interesse wie das des KNLTB sei legitim, so die Richter, wenn die Mitglieder transparent informiert und ihre Daten sparsam verwendet würden. Von besonderer Bedeutung sei, dass die Mitglieder nicht damit rechnen müssten, dass ihre Daten an Glücksspielanbieter weitergegeben würden, was das berechtigte Interesse des Verbandes stark relativiere:

Der amtliche Leitsatz lautet:

“Art. 6 Abs. 1  f) DSGVO (…) ist dahin auszulegen, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, personenbezogene Daten der Mitglieder eines Sportverbands in Verfolgung des wirtschaftlichen Interesses des Verantwortlichen gegen Entgelt offenzulegen, nur dann als im Sinne dieser Vorschrift zur Wahrung der berechtigten Interessen dieses Verantwortlichen erforderlich angesehen werden kann, wenn die Verarbeitung zur Verwirklichung des in Rede stehenden berechtigten Interesses absolut notwendig ist und sofern in Anbetracht aller relevanten Umstände die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Mitglieder gegenüber dem berechtigten Interesse nicht überwiegen. Diese Vorschrift verlangt zwar nicht, dass ein solches Interesse gesetzlich bestimmt wird, sie erfordert jedoch, dass das geltend gemachte berechtigte Interesse rechtmäßig ist.”

3. Weitere Entwicklung:

Der EuGH hat - wie üblich - kein Urteil zum konkreten Sachverhalt gefällt, sondern nur allgemeine Ausführungen zur Auslegung bestimmter Fragen gemacht. Der Rechtsstreit geht nun zurück an das niederländische Gericht, das auch in der Sache entscheiden wird.

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