Das LG Hamburg (Urt. v. 22.06.2004 - Az.: 312 O 1052/03) hatte zu beurteilen, ob ein Online-Auktionshaus für die Rechtsverletzungen, die ein Verkäufer im Rahmen einer Versteigerung begeht, mit haftet. Und ob der Verletzte einen Anspruch auf Nennung der Daten des Verkäufers hat.
Beides haben die Hamburger Richter bejaht.
Die erste Frage beantwortet das LG mit einem klaren "Ja" und nimmt dabei Bezug auf die Grundlagen-Entscheidung des BGH (Urt. v. 11. März 2004 - I ZR 304/01 - PDF). Eine Haftung tritt danach dann ein, wenn dem Betreiber die Rechtsverletzung bekannt war und es ihm möglich war, das Posting oder den Eintrag zu löschen, um so die Rechtsverletzung zu beseitigen.
Die Richter stellen dabei auf den Umstand ab, dass es technisch möglich sei, zukünftige Rechtsverletzungen zu vermeiden:
"Vom Vorhandensein solcher zumutbaren Kontrollmöglichkeiten ist hier (...) auszugehen. Denn die Klägerinnen behaupten, dass es durch entsprechende Filter-Programme technisch möglich sei, die eingehenden Angebote vor einer Freischaltung auf die Verwendung bestimmter Schlüsselwörter zu überprüfen und beim Auffinden eines Schlüsselwortes die Freigabe von einer Überprüfung abhängig zu machen.
Dass ein solches Vorgehen technisch möglich ist, bestreitet die Beklagte nicht; sie meint nur, dass ein solches Vorgehen nicht verhindern könne, dass inkriminierte Produkte mit veränderter Schreibweise oder sonst ohne Verwendung der Schlüsselworte angeboten würden.
Letztes trifft zwar zu, steht aber der Qualifikation einer solchen Maßnahme als zumutbarerer Kontrollmöglichkeit zur Unterbindung künftiger Rechtsverletzungen nicht entgegen. Denn durch derartige Kontrollmaßnahmen könnte immerhin verhindert werden, dass das Angebot eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels von einem Interessenten, der es sich illegal verschaffen will, durch eine einfache Suche über den Markennamen bei der Beklagten finden kann."
Auch hinsichtlich des Auskunftsanspruchs betritt das LG Hamburg Neuland:
"Die Verpflichtung der Beklagten folgt aus § 242 BGB (...) Einem solchen Anspruch steht (...) § 5 S.2 TDDSG nicht entgegen.
Der Umstand, dass der Telediensteanbieter nach dieser Vorschrift (...) den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Auskünfte zur Strafverfolgung erteilen darf, erlaubt nicht den Umkehrschluss, dass Auskunftsverpflichtungen auf Grund zivilrechtlicher Vorschriften ausgeschlossen sein sollen und aus Gründen des Datenschutzes nichte rteilt werden dürfen.
Dem gesetzgeber kann nämlich nicht unterstellt werden, dass er in dieser Weise Rechtsverletzer privilegieren will, die für ihr verbotenes Tuen Telediensteanbieter in Anspruch nehmen. Vielmehr handelt es sich bei den Auskunftsverpflichtungen, die die Beklagte nach den Zivilgesetzen treffen, gleichfalls um gesetzliche Auskunftsverpflicvhtungen, deren Erfüllung jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 5 Abs.2 TDDSG zulässig ist."
Das LG Hamburg nimmt damit als eines der ersten Gerichte in Deutschland Stellung zu der problematischen Frage, ob die Vorschriften des TDDSG abschließend sind und insoweit den Telediensteanbieter nur Auskunftsverpflichtungen gegenüber Gerichten und Strafverfolgungsbehörden treffen. Oder ob auch ein zivilrechtlicher Dritter ein Auskunftsbegehren hat.
Diese Frage hat weitreichende Folgen. Sollte sich nämlich die Ansicht der Hamburger Richter durchsetzen, so wäre der Verletzte nicht mehr auf den umständlichen Weg der Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft angewiesen, sondern könnte vielmehr direkt vorgehen.
So bestünde z.B. beim Click Spamming (dazu ausführlich RA Dr. Bahr "Click Spamming: Ein (rechtlich) junges Phänomen") ein Auskunftsanspruch des geschädigten Affiliate gegen Google.
Auf die weitere Rechtsentwicklung darf man daher mehr als gespannt sein.