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LG München I: Zitatrecht bei urheberrechtlich geschützten Werken im Internet

Das LG München (Urt. v. 19.01. 2005 - Az.: 21 O 312/05) hatte über das Zitatrecht bei urheberrechtlich geschützten Werken im Internet zu entscheiden.

Die Verfügungskläger sind die Erben des bekanntenverstorbenen Münchner Komikers Karl Valentin.

Der Verfügungsbeklagte ist Professor in München. Im Rahmen seiner Lehrverpflichtung hat er für das Wintersemester 2003/2004 die Vorlesung „Einführung in die Stochastik“ gehalten. Jeweils im Anschluss an die gehaltenen Vorlesungen stellte er eine Zusammenfassung des Vorlesungsinhalts in das Internet. In der Einleitung seines Skriptses widmete er ein Unterkapitel dem „Zufall bei Karl Valentin“ und druckte den zwei Seiten langen Schluss des Stücks „Theater in der Vorstadt“ sowie den kompletten, drei Seiten langen Schallplattentext „Der überängstliche Hausverkäufer“ ab.

Gemäß § 51 UrhG sind Zitate u.a. dann rechtlich zulässig, "wenn in einem durch den Zweck gebotenen Umfang" geschehen.

Die Münchener Richter haben hier den Umfang als überschritten angesehen:

"Dem Verfügungsanspruch war weitgehend stattzugeben, soweit die Verfügungskläger ein Verbot der öffentlichen Zugänglichmachung der Texte im Internet gefordert hatte, da die (...) erfolgte öffentliche Zugänglichmachung der Texte (...) jedenfalls dann nicht durch das Zitierrecht gedeckt sind, wenn (...) ganze Werke (...) zu Zwecken der Vorlesungsnachbereitung ohne Zugangs- oder Kopierbeschränkungen im Internet zugänglich gemacht werden. (...)

Der Verfügungsbeklagte war hierbei nicht durch die Urheberschranke des Zitierrechts nach § 51 UrhG gedeckt, da die Nutzung nicht mehr vom Zitatzweck umfasst war.

Sowohl das Zitierrecht nach § 51 Nr. 1 (Großzitat innerhalb von selbstständigen wissenschaftlichen Werken), als auch dasjenige nach Nr. 2 (Kleinzitat in einem selbstständigen Sprachwerk) stehen unter dem Vorbehalt der Verwirklichung des Zitatzwecks (...). Selbst wenn vorliegend (...) die (...) ausgewählten Zitate noch unter Nr. 2 gefasst werden könnten, so ist das Erfordernis der Geeignetheit zur Erreichung des Zitatzwecks als ungeschriebenes Merkmal auch bei dieser Tatbestandsalternative zu berücksichtigen."


Und weiter:

"Der Verfügungsbeklagte verwendete die Zitate, um seinen Studenten den Begriff des Zufalls und des außerordentlich seltenen aber dafür extrem gravierenden Ereignisses anschaulich zu machen. Das Skript stellte er dabei jeweils im Nachhinein in das Internet, um seinen Studenten eine Nachbereitung der Vorlesungen zu ermöglichen.

Da er dabei keinerlei Maßnahmen hinsichtlich einer Zugangs- oder Nutzungsbeschränkung vornahm, wären die Werke außer dem Kreis der Studenten des Verfügungsbeklagte, zu deren Unterstützung sie gedacht waren, einer unbegrenzten Öffentlichkeit zugänglich, die sie auch durch auszugsweises Kopieren, Herunterladen oder Drucken aus dem Gesamttext des Verfügungsbeklagten herauslösen und ohne Schwierigkeiten isoliert nutzen konnten.

Diese vorgenommene Nutzung mag zwar geeignet gewesen sein, den Zitatzweck im Hinblick auf eine Nachbereitung durch die Studenten zu erfüllen, sie war jedoch nicht erforderlich, da Maßnahmen der Zugangs- oder Nutzungsbeschränkung, etwa Passwort geschützter Zugang oder technische Maßnahmen zur Verhinderung auszugsweisen Kopierens zur Verfügung gestanden hätten und auf Grund einer Abwägung der widerstreitenden Grundrechte der Parteien dem Verfügungsbeklagten auch zumutbar gewesen wären."


D.h. das LG München I stellt maßgeblich auf den Umstand ab, dass der Beklagte keine technischen Vorkehrungen getroffen hatte, dass nur seine Studenten das Skript herunterladen konnten. Im Umkehrschluss bedeutetdies, dass wenn der Beklagte eine solche Vorkehrung getroffen hätte, seine Zitate durch § 51 UrhG gedeckt gewesen gewesen wären:

"Soweit jedoch die Verfügungskläger den Ausspruch eines unbeschränkten Verbots der Nutzung im Internet begehrt hat, war der Verfügungsantrag teilweise abzuweisen, da mit den erwähnten Möglichkeiten der technischen Zugangs- oder Nutzungsbeschränkung durchaus eine noch vom Zitatzweck gedeckte Veröffentlichung des Skripts mit den zitieren Werken von Karl Valentin im Internet denkbar gewesen wäre."

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