Die Bundesregierung hat am gestrigen Tag den Entwurf eines neuen Telemediengesetz (PDF-Download) verabschiedet.
Das Telemediengesetz soll das bisherige Teledienstegesetz (TDG), das Teledienste-Datenschutzgesetz (TDDSG) und den Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) ablösen.
Die jetzige Fassung basiert zu einem maßgeblichen Teil auf einem Entwurf, den noch das alte Bundeskabinett entwickelt hatte, vgl. die Kanzlei-Infos v. 11.05.2005.
Insgesamt gibt es folgende Neuerungen:
1. Hinsichtlich der Haftungsregelungen bleibt es beim Status Quo.
Obgleich der Gesetzgeber die Problematik hinsichtlich der Mitstörerhaftung für Unterlassungsansprüche erkannt hat, lehnt er derzeit eine Neufassung der Vorschriften ab:
"Dabei wird nicht verkannt, dass bei den Regelungen zur Verantwortlichkeit bei Teilen der Internetwirtschaft Befürchtungen bestehen, diese Regelungen würden dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit nicht mehr gerecht.
Hier hat besonders ein Urteil des Bundesgerichtshofes zur Haftung bei Internetversteigerungen (Rolex-Ricardo-Urteil) aus dem Jahre 2004 Besorgnis ausgelöst, dass damit eine Rechtsprechungsentwicklung eingeleitet werden könnte, die möglicherweise die Zielrichtung der Verantwortlichkeitsregeln der ECommerce-Richtlinie beeinträchtigt.
In dem Urteil geht es um die Tragweite von Unterlassungsansprüchen gegen Internetanbieter bei Markenrechtsverletzungen, besonders hinsichtlich der Anforderungen, wiederholte Rechtsverletzungen zu verhindern (Überwachung des Internet-Angebots im Einzelfall). Änderungsüberlegungen im Bereich
der Verantwortlichkeit bedürfen sorgfältiger Prüfung, besonders wenn die berechtigten Interessen der Rechtsinhaber und der Diensteanbieter abgewogen werden müssen.
Hier sind vorrangig gemeinsame Regeln auf europäischer Ebene anzustreben. Die Europäische Kommission hat die Absicht, bis Ende 2007 einen Evaluierungsbericht zur E-Commerce-Richtlinie vorzulegen. Im Vorfeld weiterer Maßnahmen wird sie dazu unter anderem auch eine Studie zu Fragen der Verantwortlichkeit in Auftrag geben.
Über die Studie will die Kommission genaue Angaben über die Anwendung der Verantwortlichkeitsregeln in allen Mitgliedstaaten erhalten und daraufhin beurteilen, ob der Rechtsrahmen funktioniert oder Bedarf für weitere Maßnahmen im Sinne von Art. 21 der Richtlinie (Haftung bei Hyperlinks und Suchmaschinen sowie das so genannte „notice and take down“- Verfahren) besteht. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden voraussichtlich bis Mitte 2007 vorliegen und mit den Mitgliedstaaten im Rahmen der von der Kommission eingerichteten Expertengruppe ECommerce erörtert werden."
2. Das Gesetz versucht den Bereich der "Geschäftsmäßigkeit" einzugrenzen.
So sollen die allgemeinen Informationspflichten nach § 5 TMG-E nur "für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien" gelten.
Damit beabsichtigt der Gesetzgeber:
"Bei den allgemeinen Informationspflichten erfolgt durch eine Klarstellung eine engere Anknüpfung an die Richtlinie, die sich auf in der Regel gegen Entgelt angebotene Dienste bezieht.
Damit soll sichergestellt werden, dass zukünftig Informationsangebote, die keinen wirtschaftlichen Hintergrund haben (z. B. private Homepages oder Informationsangebote von Idealvereinen), nicht zwangsläufig den wirtschaftsbezogenen Informationspflichten des Telemediengesetzes unterliegen."
3. Spam wird Ordnungswidrigkeit
Werbe-Mails sollen nach § 6 Abs.2 TMG-E zukünftig bestimmte Mindestangaben (klare Absenderkennung, klare Werbekennzeichnung) enthalten, andernfalls handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 50.000,- EUR belegt werden kann.
4. Weitergabe von Daten anprivate Dritte nur bei Urheberrechtsverletzung
Im ursprünglichen Entwurf des TMG war noch eine Regelung diskutiert worden, die die Möglichkeit vorsah, dass auch private Dritte und nicht nur Gerichte und Strafverfolgungsbehörden einen Auskunftsanspruch haben, vgl. die Kanzlei-Infos v. 11.05.2005.
In §§ 14 Abs.2; 15 Abs.5 TMG-E können nun "nur noch" Inhaber von Urheberrechten eine solche Auskunft verlangen, nicht mehr generell private Dritte.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Auch wenn Bundeswirtschaftsminister Glos den neuen TMG-Entwurf mit folgenden Worten lobt: "Mit dieser Anti-Spamregelung wollen wir die Anbieter erfassen, die ihren Mailversand durch gezielte Täuschungshandlungen besonders undurchsichtig gestalten und so die Empfänger daran hindern, sich vor unerwünschter Werbung zu schützen."
Der vorliegende Entwurf ist alles andere als ein "Meilensteil" und enthält viele fragwürdige oder praxisferne Regelungen:
I. Spam-Regelung: Gut gemeint, aber absolut untauglich
Die Spam-Vorschrift des § 6 Abs.2 TMG-E ist sicherlich gut gemeint, wird aber an der bestehenden Spam-Problematik nichts ändern können.
Zum einen werden sich hauptberufliche Spammer sicherlich nicht von einer Geldbuße von bis 50.000,- EUR abhalten, zumal die weit überwiegende Anzahl von Spam-Nachrichten aus dem Ausland stammt und die Strafe ohnehin dort nur schwer vollstreckt werden wird können. Zum anderen stellt sich die Frage, wer denn genau die Ordnungswidrigkeiten feststellen und die Verantwortlichen ermitteln soll? In welchem Umfang stehen hier bei der zuständigen Behörde genug Sach- und Personal-Resourcen zur Verfügung, und das bei der derzeitig knappen fiskalischen Haushaltslage?
Vor kurzem war hier von Seiten der Opposition noch die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde ins Spiel gebracht worden, vgl. die Kanzlei-Infos v. 17.05.2006.
Es wird das ewige Geheimnis des Gesetzgebers bleiben, warum solche absolut untauglichen Regelungen in Gesetzesform gegossen werden sollen.
II. Abschließende datenschutzrechtliche Wirkung des TMG?
Der Gesetzesentwurf lässt die häufig aufgeworfene Frage, ob die TMG-Vorschriften im Bereich des Datenschutzrechtes abschließende Wirkung haben, offen, anstatt hier nun endlich eine eindeutige Klarstellung zu betreiben. Während die überwiegende Kommentar-Literatur und ein erheblicher Teil der Rechtsprechung das derzeitige TDDSG hinsichtlich privater Auskunftsansprüche als abschließend ansieht, mehren sich in der letzten Zeit die Urteile, die der Ansicht sind, neben dem TDDSG bestünde auch ein Auskunftsanspruch aus allgemeinem Recht (§ 242 BGB). So z.B. das LG Hamburg (= Kanzlei-Infos v. 21.10.2004) oder das LG Berlin (= Kanzlei-Infos v. 23.02.2006).