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OLG Stuttgart: Aufruf zu Straftaten im Internet

Das OLG Stuttgart (Beschl. v. 26.02.2007 - Az.: 4 Ss 42/2007) hatte darüber zu entscheiden, wann ein Aufruf zu Straftaten im Internet selber eine Straftat darstellt.

Der Angeklagte hatte auf seinen Internetseiten einen Aufruf zur Beschädigung und Zerstörung von Genmais-Feldern gestellt:

„Wir werden mit unseren Aktionen die Agro-Gentechnik öffentlich ächten. Den genauen Ort und Zeitpunkt, zu dem wir Felder mit genmanipulierten Pflanzen befreien, geben wir bundesweit und international per Zeitungsanzeige und E-Mail-Rundbriefen bekannt. Wir zeigen damit den von der Agro-Gentechnik bedrängten Entwicklungsländern und den Industrieländern, die sich für eine gentechnikfreie Landwirtschaft entschieden haben, dass auch in Deutschland keine Gentechnik, weder auf den Feldern noch auf dem Teller, akzeptiert wird. Mit unserem Widerstand sind wir nicht allein. (...) Wir sind entschlossen, auch vor langwierigen juristischen Auseinandersetzungen nicht zurückzuschrecken. Agro-Gentechnik gefährdet das Überleben der Menschheit. Ort und Uhrzeit der Aktion werden bekannt gegeben, wenn mindestens 250 Teilnehmer ihre Teilnahme an der Aktion erklärt haben.“

Und weiter:

„Die Zerstörung fremden Eigentums wird in Deutschland als Straftat bewertet. Zur Tradition des zivilen Ungehorsams gehört es, dass wir bereit sind, die Folgen unseres Handelns zu tragen. Wir werden die Betroffenen Bauern für den von uns verursachten Ernteausfall selbstverständlich entschädigen. Denn es geht uns nicht um die Schädigung Einzelner, sondern um den Schutz des Ökosystems Erde und unserer Gesundheit. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass wegen Sachbeschädigung Anklage erhoben wird und es zu Bußgeld- oder Strafverfahren kommt. Alle Teilnehmer, die mitmachen, sollten sich über diesen Sachverhalt im Klaren sein“.

Der Aufruf zu Straftaten ist nach § 111 StGB grundsätzlich strafbar.

Die Stuttgarter Richter haben im vorliegenden Fall einen solchen Aufruf zu Straftaten jedoch nicht angenommen und den Angeklagten freigesprochen:

"Das Amtsgericht hat bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Aufforderung verkannt, dass deren Kern darin besteht, eine unbestimmte Vielzahl von Personen unmittelbar zur Begehung bestimmter rechtswidriger Taten zu motivieren (...). Vorausgesetzt wird eine realisierbare Handlungsanweisung an die Adressaten der Erklärung, welche - als unmittelbare Konsequenz der Aufforderung - im Sinne einer Tathandlung umgesetzt werden kann.

Hingegen genügt es nicht, wenn sich die Adressaten des Aufrufs erst in der Zukunft - gegebenenfalls nach Vorliegen weiterer Voraussetzungen - zu der ihnen angesonnenen Straftat entschließen sollen (...)."


Auf den konkreten Fall übertragen, meint das OLG Stuttgart:

"Vorliegend beinhaltet der (...) auf der Website verfasste Beitrag keine unmittelbar realisierbare Handlungsanweisung zur Beseitigung von genmanipulierten Pflanzen. Die Ausführungen stellen zum einen eine - als solche straflose - Billigung der Aktion am 30./31. Juli 2005 (...) dar, zum anderen umreißen sie das Prozedere bei den von den Angeklagten gewünschten künftigen Aktionen.

Nach dem insoweit unter Heranziehung des gesamten Kontextes zu ermittelnden Inhalt der Erklärung sollen künftige „Feldbefreiungen“ (...) dergestalt ablaufen, dass zunächst ein allgemeiner Aufruf ergeht und Ort und Zeit der konkreten Aktion erst später bekannt gegeben werden, wenn eine bestimmte Mindestzahl von Teilnehmern intern ihre Bereitschaft zur Durchführung der Aktion bekundet hat.

Der Beitrag (...) beinhaltet insoweit lediglich einen allgemein gehaltenen Aufruf zur Durchführung weiterer Aktionen, überlässt deren konkrete Umsetzung jedoch den Lesern der Homepage. Insbesondere die Bitte, sie zwecks „strategischer Plazierung“ über „eure Erfolgsmeldungen“ zu informieren, bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Angeklagten mit der konkreten Planung der künftigen „Feldbefreiungen“ nicht befasst sind und diese nur publizitätswirksam darstellen wollen. Auch in der Ankündigung des „Erntefests“ liegt keine Aufforderung zu bestimmten Straftaten, da die Angeklagten ausdrücklich feststellen, dass sie den Lesern jetzt noch nicht verraten, „was genau abgeht“. Daher liegt nur ein Anreizen der Leserschaft zu Fassung eines künftigen und eigenständigen Tatentschlusses vor."

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