Eine Entscheidung des LG Köln (Urt. v. 20.12.2006 - Az. 28 O 468/06) geistert seit kurzem durch die Blogosphäre und führt zu heller Aufregung bei Internet-Usern.
Der Beklagte hatte bei seiner Fotografin, der Klägerin, ein Passfoto von sich machen lassen und verwendete dies auch für seine gewerbliche Homepage. Die Klägerin nahm ihn daraufhin auf Unterlassung in Anspruch.
Zu Recht wie die Kölner entschieden:
"Es mag insoweit durchaus sein, dass der Verfügungsbeklagte davon ausging, die von ihm gegenüber der Zeugin B getätigten Angaben reichten aus, um für die Zeugin erkennbar zu machen, dass er mit dem Lichtbild auf seiner geschäftlichen Website werben wollte.
Eine Willenserklärung ist hingegen nicht nach dem subjektiven Willen und dem Horizont des Erklärenden, sondern danach auszulegen, wie sie nach dem objektiven Empfängerhorizont zu verstehen ist (...). Nach diesem liegt indes die Auslegung näher, dass der Verfügungsbeklagte das Lichtbild für Bewerbungen, auch Onlinebewerbungen, an einzelne Arbeitgeber verwenden wollte, um mittels dieser Bewerbungen seine Beraterdienste anzubieten und sich für Projekte zu bewerben.
Letzteres ist von gänzlich anderer Qualität als das öffentliche Zugänglichmachen des Lichtbilds auf der eigenen Website des Verfügungsbeklagten, mag dieses (...) in der Branche, in der der Verfügungsbeklagte tätig ist, auch üblich sein. Das Wissen hierum ist jedenfalls in der Bevölkerung nicht derart verbreitet, dass ein objektiver Dritter an der Stelle der Zeugin B die Angaben des Verfügungsbeklagten dahingehend verstehen musste, dass eben diese Art der Nutzung geplant war.
Die Zeugin B hat ausweislich ihrer eidesstattlichen Versicherung die Angaben des Verfügungsbekl. auch nicht in dieser Weise verstanden."
Die Blogosphäre nimmt diese Entscheidung mit absolutem Erstaunen und totaler Ablehnung zur Kenntnis. So wird u.a. schon eine neue Abmahnwelle befürchtet.
Dabei sind die Entscheidungsgründe juristisch vollkommen korrekt und entsprechen auch der jahrzehntelangen Rechtsprechung in diesem Bereich. Dieses Urteil ist kein Fehlurteil wie so manches im Online-Bereich. Die Kritik ist - aus rechtlicher Sicht - nicht mehr als ein bloßer Sturm im Wasserglas.
Das hat nachfolgende Gründe:
Zunächst ist wichtig festzuhalten, dass das Urteil eben nicht ein urheberrechtliches Werk iSd. § 2 UrhG betrifft. Es geht somit eben nicht um die Frage, ob das Foto die erforderliche geistige Schöpfungshöhe hat, um als Werk iSd. § 2 UrhG anerkannt zu werden.
Der Schutz ergibt sich hier vielmehr aus § 72 UrhG. Diese Norm schützt Lichtbilder, u.a. also auch Fotos. Anders als § 2 UrhG ist es für § 72 UrhG nicht erforderlich, dass das Foto eine besondere geistige Schöpfungshöhe hat. Vielmehr hat der BGH mehrfach geurteilt, dass "ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung, wie es in der Regel schon bei einfachen Fotografien gegeben ist, ausreichend ist."
Die Norm und die dazugehörige Rechtsprechung gibt es bereits seit Jahrzehnten. Insofern sollte diese Rechtspraxis, so schwachsinnig man sie auch finden mag, einen nicht wirklich mehr überraschen.
Ein wichtiger Punkt in der gesamten Entscheidung ist die sogenannte Zweckübertragungslehre. Dieses Prinzip findet sich in § 31 Abs. 5 UrhG und ist einer der elementaren Eckpfeiler des deutschen Urheberrechts: Nur das an Rechten wird übertragen, was im Zweifel notwendig ist. Alles andere bleibt beim Urheber.
Diese Regelung schützt den Urheber vor dem Ausverkauf seiner Rechte. Die Bestimmung hat aber auch eine wichtige prozessuale Bedeutung: Kann derjenige, der sich auf ein eingeräumtes Nutzungsrecht beruft, dieses nicht eindeutig nachweisen, dann geht das Gerichtsverfahren zu seinen Lasten aus. Mit anderen Worten: Gibt es Zweifel, ob und was an Nutzungsrechten übertragen worden ist, ist nicht der Urheber der Dumme, sondern die andere Partei.
Nicht anders ist es hier im vorliegenden Fall: Hier war es nämlich zwischen den Parteien streitig, was nun konkret gesagt wurde. Die Klägerin hat es anders verstanden als der Beklagte es meinte. In urheberrechtlichen Streitigkeiten ist dies keine Seltenheit und führt in aller Regel dazu, dass der Urheber aufgrund des unklaren Sachverhalts aus prozessualen Gründen das Verfahren gewinnt.
Es ist sicherlich nicht zu übersehen, dass bestimmte Punkte klar für die Ansicht des Beklagten sprechen (u.a. die mitgelieferten Bilder auf der CD-ROM mit der Bezeichnung "online"). Dabei ist jedoch das Problem, dass aus diesen Umständen eben nicht zwingend auf die Nutzung des Fotos auf der Homepage gefolgert werden konnte. Und eben dieser fehlende Rückschluss führte dazu, dass der Beklagte nicht zweifelsfrei die Übertragung der Nutzungsrechte nachweisen konnte.
Es reicht eben nicht aus, sich pauschal die Rechte für den Online-Bereich einräumen zu lassen, sondern es muss wesentlich detaillierter beschrieben werden.
Auch wenn dies nicht selten zu Schrei- und Schreibkrämpfen bei den beteiligten Rechtsanwälten führt: Im Urhebervertragsrecht ist es keine Seltenheit, dass die Bestimmungen über die Einräumung von Nutzungsrechten problemlos mehrere Seiten füllen, weil eben alles, wirklich alles genau bestimmt werden muss. Der Satz "Es werden sämtliche Nutzungsrechte übertragen" ist zwar häufig in Verträgen anzufinden, ist aber unwirksam.
Daher ist die aktuelle Aufregung aus juristischer Sicht wenig nachvollziehbar. Die der Entscheidung zugrunde liegende gesetzliche Norm gibt es seit Jahrzehnten, überraschen sollte sie die Allgemeinheit daher eigentlich nicht mehr.
Kritikbedürftig ist somit nicht die aktuelle Entscheidung, sondern vielmehr die - schwachsinnige oder absolut zutreffende - gesetzliche Wertung des § 72 UrhG, wonach schon die einfachsten Fotos rechtlich geschützt sind. Über Sinn und Unsinn dieser Regelung, gerade im Online-Bereich, lässt sich wirklich mit guten Argumenten streiten.
Übrigens wäre der gesamte Rechtsstreit vermeidbar gewesen, wenn von vornherein eine kurze schriftliche Vereinbarung getroffen worden wäre. Gerade wenn es um die kommerzielle Nutzung eines Werkes geht, ist die Schriftform das einzige praktische Mittel, um solche späteren bösen Überraschungen zu vermeiden.