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OLG Stuttgart: Kein Domainanspruch bei unberechtigter Gleichnamigkeit

Das OLG Stuttgart (Urt. v. 26.07.2007 - Az.: 7 U 55/07) hat entschieden, dass in domainrechtlichen Streitigkeiten das Prioritätsprinzip eine wichtige Ausnahme erfährt, wenn sich zwei gleichnamige Personen streiten.

Es ist ständige Rechtsprechung des BGH, dass wenn sich namensidentische Personen über das Eigentum an einer Domain streiten, grundsätzlich das Prioritätsprinzip gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

In der bekannten "shell.de"-Entscheidung hat der BGH (Urt. v. 22.11.2001 - Az.: I ZR 138/99) hiervon eine wichtige Ausnahme gemacht: Wenn nämlich dem einen Namensträger eine überragende Verkehrsgeltung zukommt, dann steht diesem die Domain zu.

Nun hat das OLG Stuttgart eine zweite Ausnahme statuiert. Wenn nämlich einer der Gleichnamigen unter keinem Gesichtspunkt ein berechtigtes Interesse hat, dann steht der anderen Partei die Domain zu.

Im konkreten Fall hatte der Beklagte sich u.a. die Domains “[Name]-unternehmensgruppe.de”, "[Name]-unternehmensgruppe.com” und "[Name]-unternehmensgruppe.eu" registriert, betrieb jedoch weder ein eigenes Geschäft noch eine Unternehmensgruppe.

In einem solchen Fall habe der Domaininhaber keinerlei objektiv schützenwertes Interesse, so dass die Domains herauszugeben seien:

"Zwar ist im Ausgangspunkt richtig, dass dann, wenn mehrere Personen als berechtigte Namensträger für einen Domainnamen in Betracht kommen, für sie hinsichtlich der Registrierung ihres Namens als Internet-Adresse grundsätzlich “das Gerechtigkeitsprinzip der Priorität” gilt (...). Diesem Prinzip muss sich grundsätzlich auch der Inhaber eines relativ stärkeren Rechts unterwerfen, der feststellt, dass sein Name oder sonstiges Kennzeichen bereits von einem Gleichnamigen als Domainname registriert worden ist.

Eine Abweichung von dieser Prioritätsregel (...) ist aber dann angezeigt, wenn die Interessen der Parteien von derart unterschiedlichem Gewicht sind, dass es nicht bei der Anwendung der Prioritätsregel bleiben kann (...).

Das ist indes nicht nur dann der Fall, wenn eine der beteiligten Parteien eine überragende Bekanntheit genießt, (...) Das Interesse der Parteien am streitgegenständlichen Domainnamen ist jedoch auch hier von extrem unterschiedlichem Gewicht. Während es sich bei der Klägerin (...) tatsächlich um eine Unternehmensgruppe mit dem Namen S. handelt, ist keinerlei objektives Interesse des Beklagten am Domainnamen “S.-Unternehmensgruppe” erkennbar.

Der Beklagte betreibt überhaupt kein Unternehmen, schon gar keine Unternehmensgruppe. Selbst wenn er trotz unlängst abgegebener eidesstattlicher Versicherung die von ihm vage und immer wieder etwas anders beschriebenen geschäftlichen Aktivitäten in naher Zukunft in Gang setzen sollte, ist ein objektives Interesse am Domainnamen “s.-unternehmensgruppe” nicht entfernt erkennbar.

Bei dieser Sachlage muss die bei Gleichnamigkeit gebotene Interessenabwägung auch aus diesem Grund eindeutig zugunsten der Klägerin ausfallen, was wie dargelegt eine Abweichung vom Grundsatz der “Online-Priorität” rechtfertigt."

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