Wenn ein Influencer ein nicht rezeptpflichtiges Arzneimittel in einem Instagram-Reel bewirbt, müssen die gesetzlichen Hinweispflichten direkt im Video erscheinen. Zudem darf ein Influencer eine solche Werbung nicht vornehmen, wenn er eine bekannte Person ist (OLG Köln, Urt. v. 11.09.2025 - Az.: 6 U 118/24).
Eine Influencerin veröffentlichte auf Instagram ein kurzes Werbevideo für ein rezeptfreies Arzneimittel.
In dem Reel nahm sie eine Tablette und zeigte, wie es ihr dadurch besser ging. Im Video selbst fehlte jedoch der gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweis "Zu Risiken und Nebenwirkungen...”. Dieser Hinweis war (teilweise) nur im begleitenden Text unter dem Video versteckt.
Die Influencerin hatte rund 120.000 Follower und war vertraglich mit dem verklagten Pharmaunternehmen verbunden.
Das OLG Köln sah darin aus zwei Gründen einen Wettbewerbsverstoß.
1. Rechtsverletzung, weil bekannte Person iSd. des HWG:
Der erste Grund für die Rechtsverletzung liege in der Tatsache, dass entgegen § 11 Abs.1 Nr.2 HWG eine bekannte Person für das Arzneimittel geworben habe.
§ 11 Abs.1 Nr.2 HWG lautet bekanntlich:
"(1) Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden
(…)
2. mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen, von im Bereich der Tiergesundheit tätigen Personen oder anderen Personen, die auf Grund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können, beziehen"
Das OLG Köln sieht im vorliegenden Fall dieses Verbot als einschlägig an.
Die Influencerin sei eine bekannte Person im Sinne des HWG.
Auch wenn sie keine Prominente im klassischen Sinn sei, habe sie mit über 100.000 Followern und weiteren Kanälen auf YouTube und TikTok eine starke Reichweite. Das führe zu einer “parasozialen Beziehung” zwischen ihr und den Followern:
"Maßgeblich ist insoweit nicht eine „allgemeine Prominenz“ im Sinne einer Bekanntheit aus Funk und Fernsehen (…).
Vielmehr kann auch unterhalb dieser Schwelle eine Bekanntheit anzunehmen sein, wenn in gleicher Weise die (abstrakte) Gefahr einer unzulässigen Beeinträchtigung des angesprochenen Verkehrs gegeben ist. Das Landgericht hat insofern überzeugend herausgearbeitet, dass Influencer dem Nutzer vermitteln, dieser begleite sie bei der (tatsächlichen oder vermeintlichen) täglichen Lebenswirklichkeit bzw. habe daran teil, so dass ein Gefühl der Vertrautheit, vergleichbar einer Bekanntschaft oder sozialen Beziehung, die der Kläger in der Klageschrift (…) zutreffend als parasoziale Beziehung beschrieben hat.
Gerade diese Öffnung des privaten Lebensbereichs macht es für das Publikum attraktiv, Influencern zu folgen (…).
Dies führt zugleich dazu, dass Infl uencer sowohl innerhalb ihrer Gefolgschaft (Follower), aber auch bei denjenigen Nutzern, die die Beiträge konsumieren, ohne dem Influencer zu folgen, im Regelfall als besonders glaubwürdig wahrgenommen werden. Dieser Effekt wird von der Werbeindustrie genutzt, weil hierdurch die Überzeugungskraft der Werbung deutlich zunimmt (…)."
Aber nicht jede Influencerin sei eine bekannte Person:
"Zugleich wäre es aber, wie die Beklagte im Ausgangspunkt zu Recht geltend macht, zu weitgehend, wenn Influencer generell mit der Begründung als „bekannte Person“ eingeordnet würden, dass (…) maßgeblich oder allein auf deren Follower als angesprochenes Publikum abzustellen ist. Denn dann bestünde in der Tat die Gefahr einer Überdehnung der Vorschrift über ihren Sinn und Zweck hinaus, weil hiernach jeglicher Influencer auch mit Followerzahlen im ein- oder zweistelligen
Bereich als „bekannte Person“ einzuordnen wäre. (…)Vielmehr ist ein differenzierender Ansatz unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls geboten (…).
Dies vorangeschickt ist im Streitfall mit dem Landgericht davon auszugehen, dass (…) über eine Bekanntheit im Sinne der Vorschrift verfügt.
Hierfür sprechen zunächst die hohen Klickzahlen einzelner Videos, die teilweise im Millionenbereich liegen (…) und jedenfalls die Zahl der Follower stark übersteigen.
Auch wenn hierbei u.U. Mehrfachzählungen stattfi den, wenn Follower sich ein und dasselbe Video immer wieder anschauen, bleiben die Zahlen hoch.
Dieser Aspekt spricht zugleich dagegen, die Zielgruppe der Werbung auf die Follower zu verengen, weil sich die Beklagte nach der Lebenserfahrung erhofft haben wird, dass das Reel auch außerhalb der engeren Followerschaft
wahrgenommen wird.Außerdem ist ihr Account mit zuletzt 130.000 Followern (der zudem im Laufe des Verfahrens noch von 120.000 auf 130.000 angewachsen ist) jedenfalls keiner, der eindeutigen „Nischencharakter“ hat, auch hinsichtlich der von ihr behandelten Themen nicht, die, wie oben bereits angesprochen, vielmehr eine breite Vielzahl von Personen ansprechen (Alltag, Sozialleben, die Beziehung zu ihrem Lebensgefährten bzw. Ehemann)."
2. Fehlender Hinweis in Video:
Der gesetzliche Warnhinweis ("Der Hinweis ‚Zu Risiken und Nebenwirkungen…") müsse im Video selbst eingeblendet sein.
Ein (versteckter) Text unterhalb des Video reiche nicht aus. Das Gericht stellte klar:
"Deshalb kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung „Pflichtangaben im Internet“ (BGH GRUR 2014, 94) berufen, wonach der Verkehr daran gewöhnt ist, dass im Internet Informationen auf mehrere Seiten verteilt sein können, die untereinander durch elektronische Verweise („Links“) verbunden sind (...).
Denn in jener Entscheidung ging es um die Verlinkung auf Pflichtangaben im Rahmen einer statischen Werbung in Gestalt von „Google AdWords“, während der Streitfall gerade von dem dynamischen audiovisuellen Element des Videos geprägt ist."