Kanzlei Dr. Bahr
Navigation
Kategorie: Presserecht

OLG Frankfurt a.M.: Verdachtsberichterstattung nur bei vorheriger Konfrontation des Betroffenen zulässig

Eine Zeitung muss vor Berichterstattung dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

Vor einer Verdachtsberichterstattung ist der Betroffene mit dem wesentlichen Kern der Vorwürfe, Anknüpfungstatsachen und Argumente zu konfrontieren. 

Wird der Verdacht wesentlich auf ein vermeintliches Indiz gestützt, erstreckt sich die Anhörungsobliegenheit auch hierauf. Andernfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass die konkrete Berichterstattung in einem für den Leser wichtigen Punkt bei erfolgter Anhörung anders ausgefallen wäre. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung auf Antrag eines Profi-Fußballers die Behauptung und Verbreitung mehrerer Angaben über sein Alter und seine Herkunft untersagt.

Der Kläger ist Profi-Fußballer und wurde in die deutsche Fußballnationalmannschaft berufen. Er wendet sich gegen Aussagen in einem Artikel in einem Nachrichtenmagazin der Beklagten. Das Landgericht hatte dem Eilantrag nur zu einem geringen Teil stattgegeben und ihn im Übrigen abgewiesen.

Die Berufung des Klägers hatte vor dem für Presserecht zuständigen 16. Zivilsenat zum überwiegenden Teil Erfolg. Zu Recht wende sich der Kläger gegen in dem Artikel enthaltene Verdachtsäußerungen, die in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingriffen, entschied der Senat. 

Da es an einer ausreichenden Anhörung und Möglichkeit zur Stellungnahme zu den wesentlichen den Verdacht stützenden Indizien vor der Veröffentlichung gemangelt habe, könne er Unterlassung verlangen.

Maßgeblich für die Frage, ob Unterlassung verlangt werden könne, sei die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers einerseits und dem Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit der Beklagten andererseits, betonte der Senat. 

Bei dem Artikel handele es sich um eine Verdachtsberichterstattung über Zweifel und Gerüchte am tatsächlichen Alter des Klägers. Es werde der Verdacht geschildert, dass der Kläger tatsächlich älter als angegeben sei und andere leibliche Eltern habe. Diese Schilderungen seien geeignet, sich erheblich auf das Ansehen des über den Artikel identifizierbaren Klägers auszuwirken. 

Sie hätten zudem eine erhebliche Breitenwirkung. Demgegenüber habe aber auch das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse hier ein großes Gewicht. Die Berichterstattung „leistete einen Beitrag zu einer Diskussion von öffentlichem Interesse, denn das Alter eines Fußballprofis ist ein erhebliches Kriterium bei dessen Marktwert“, führte das OLG weiter aus.  

Dass für eine zulässige identifizierende Verdachtsberichterstattung erforderliche Mindestmaß an Beweistatsachen habe hier zwar vorgelegen.

 Auch erfolge durch den Bericht keine unzulässige Vorverurteilung. 

Der Vorrang des Informationsinteresses bestehe aber darüber hinaus nur, wenn dem Betroffenen vorab ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. 

Daran fehle es hier. Die Möglichkeit zur Stellungnahme habe unter anderem den Zweck, „dass der Autor seine Recherchen und Ergebnisse kritisch hinterfragt und gegebenenfalls Nachermittlungen anstellen kann“, führt der Senat aus. 

Der Betroffene sei mit dem wesentlichen Kern der Vorwürfe, Anknüpfungstatsachen und Argumente zu konfrontieren. 

Werde wesentlich auf ein vermeintliches Indiz abgestellt, müsse auch dazu die Sichtweise des Betroffenen eingeholt werden. Die Beklagte stütze hier ihren Verdacht u.a. auf eigene Recherchen, insbesondere Gespräche mit angeblichen Angehörigen. Aus diesen leite sie wesentliche Anhaltspunkte für den geäußerten Verdacht her. Sie hätte dem Kläger deshalb auch hierzu die Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen müssen. 

Das Benennen des Kernverdachts allein sei nicht ausreichend gewesen. Da die Konfrontation mit den Vorwürfen inhaltlich unzureichend gewesen sei, habe die „konkrete Berichterstattung in einem für den durchschnittlichen Leser wesentlichen Punkt anders ausfallen (können), wenn eine Stellungnahme des Verfügungsklägers eingeholt und berücksichtigt worden wäre“, begründet der Senat die Stattgabe der Unterlassungsanträge weiter.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 8.5.2024, Az. 16 U 33/23
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2023, Az. 2-03 O 425/22)

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 08.05.2024

Rechts-News durch­suchen

10. Oktober 2024
Eine Split-Screen-Werbung, die Teile des laufenden Programms überlagernd zeigt, verstößt gegen das medienrechtliche Trennungsgebot, da sie nicht klar…
ganzen Text lesen
18. September 2024
Der RBB muss den FDP-Spitzenkandidaten nicht zur Wahlsendung einladen, da dies verfassungsrechtlich zulässig und durch die Rundfunkfreiheit gedeckt…
ganzen Text lesen
19. Juli 2024
Das OLG Dresden hat die Berufung von Jan Böhmermann gegen eine sächsische Bioimkerei abgewiesen, die satirisch mit seinem Namen und Bild warb.
ganzen Text lesen
06. Juni 2024
Der Fernsehsender WDR muss den Spitzenkandidaten der Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW), zur Sendung "Wahlarena 2024 Europa" einladen.
ganzen Text lesen

Rechts-News durchsuchen