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Kategorie: Onlinerecht

VG Wiesbaden: Ergebnisse lebensmittelrechtliche Betriebsüberprüfungen dürfen an Dritte weitergegeben werden

Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden hat mit Beschluss vom 9. September 2019 den Eilantrag der Betreiberin eines Hotels gegen die Erteilung einer Information über lebensmittelrechtliche Betriebsüberprüfungen in ihrem Hotel an einen Dritten zurückgewiesen (Aktenzeichen: 6 L 790/19.WI).

Der Beigeladene des Verfahrens begehrte bei der Antragsgegnerin Auskunft nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) darüber, wann die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen im Hotel der Antragstellerin stattgefunden haben und ob es dabei zu Beanstandungen gekommen ist. Für diesen Fall beantragte der Beigeladene die Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte.

Die Antragsgegnerin teilte ihm durch Bescheid mit, dass sie sich zur Herausgabe der angeforderten Informationen entschieden habe. Die zusammengefassten Informationen der beiden letzten Kontrollberichte würden dem Beigeladenen nach Ablauf von zehn Werktagen übersandt, wenn der betroffene Betrieb nicht innerhalb dieser Frist gerichtlich gegen diese Entscheidung vorgehen sollte. Mit einem anderen, gleichlautenden Bescheid setzte die Antragsgegnerin die Antragstellerin über ihre Entscheidung in Kenntnis und teilte ihr mit, welche konkreten Informationen sie an den Beigeladenen herausgeben werde.

Die Antragstellerin legte daraufhin jeweils Widerspruch gegen die beiden Bescheide ein und beantragte Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht Wiesbaden. Sie trug vor, dass weder die Kontrollberichte noch die behördliche Zusammenfassung über den Inhalt dieser Berichte Informationen darstellten, die der Beigeladene nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG heraus verlangen könne. Nach dieser Norm haben dritte Personen freien Zugang zu allen Daten der zuständigen Behörden über festgestellte nicht zulässige Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Anforderungen. Unabhängig davon sei das Verbraucherinformationsgesetz nach Auffassung der Antragstellerin aus verschiedenen Gründen verfassungswidrig.

Unmittelbar nach Eingang des Eilantrages sagte die Antragsgegnerin auf Nachfrage des Gerichts zu, bis zum Abschluss des Eilverfahrens von einer Weitergabe der begehrten Informationen abzusehen. Gleichwohl gab der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin im Rahmen seiner Antragserwiderung den wesentlichen Inhalt der Kontrollberichte, namentlich die dort dokumentierten Mängel, wörtlich wieder.

Die Kammer betont in ihrem Beschluss vom 9. September, dass die vorzeitige Herausgabe der Information durch die Antragsgegnerin gegen § 5 Abs. 4 Satz 2 VIG verstoße und damit rechtswidrig sei. Dennoch hätten sich die angegriffenen Bescheide dadurch erledigt, weshalb der Eilantrag nunmehr unzulässig sei. Es sei dem Beigeladenen auch prozessrechtlich nicht untersagt, die in dem Verfahren erhaltene Information zu verwenden und nach außen zu verbreiten.

Vielmehr werde die Weitergabe einer im gerichtlichen Verfahren gewonnenen Information lediglich durch das Datenschutzrecht, das Urheberrecht oder das allgemeine Zivilrecht begrenzt. Auf eine etwaige Verletzung der Datenschutzgrundverordnung könne sich die Antragstellerin nicht berufen, da sie eine GmbH und keine natürliche Person sei. Sie könnte zwar einen zivilrechtlichen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung beziehungsweise Verbreitung der Information haben, dieser Anspruch sei aber vor den Zivilgerichten geltend zu machen und spiele für das streitgegenständliche Eilverfahren keine Rolle.

Wegen der vorzeitigen Preisgabe der Informationen legte die Kammer die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auf, auch wenn der Eilantrag als unzulässig zurückgewiesen wurde.

Gegen den Beschluss steht den Beteiligten binnen zwei Wochen die Beschwerde zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel offen.

Quelle: Pressemitteilung des VG Wiesbaden v. 11.09.2019

Anhang:
§ 2 VIG Anspruch auf Zugang zu Informationen
(1) 1 Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über 
1. von den nach Bundes, oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen
a) des Lebensmittel, und Futtermittelgesetzbuches und des Produktsicherheitsgesetzes,
b) der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen,
c) unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den in den Buchstaben a bis c genannten Abweichungen getroffen worden sind,

2. von einem Erzeugnis oder einem Verbraucherprodukt ausgehende Gefahren oder Risiken für Gesundheit und Sicherheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern,

3. die Zusammensetzung von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten, ihre Beschaffenheit, die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften einschließlich ihres Zusammenwirkens und ihrer Einwirkung auf den Körper, auch unter Berücksichtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung oder vorhersehbaren Fehlanwendung,

4. die Kennzeichnung, die Herkunft, die Verwendung, das Herstellen und das Behandeln von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten,

5. zugelassene Abweichungen von den in Nummer 1 genannten Rechtsvorschriften über die in den Nummern 3 und 4 genannten Merkmale oder Tätigkeiten,

6. die Ausgangsstoffe und die bei der Gewinnung der Ausgangsstoffe angewendeten Verfahren,

7. Überwachungsmaßnahmen oder andere behördliche Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern, einschließlich der Auswertung dieser Tätigkeiten und Maßnahmen, sowie
Statistiken über Verstöße gegen in § 39 Absatz 1 Satz 1 des Lebensmittel, und Futtermittelgesetzbuches und § 26 Absatz 1 Satz 1 des Produktsicherheitsgesetzes genannte Rechtsvorschriften, soweit sich die
Verstöße auf Erzeugnisse oder Verbraucherprodukte beziehen, (Informationen), die bei einer Stelle im Sinne des Absatzes 2 unabhängig von der Art ihrer Speicherung vorhanden sind.
2 Der Anspruch nach Satz 1 besteht insoweit, als kein Ausschluss, oder Beschränkungsgrund nach § 3 vorliegt.

(2) [...]


§ 5 VIG Entscheidung über den Antrag
(1) 1 Das Verfahren einschließlich der Beteiligung Dritter, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz oder den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder.
2 Für die Anhörung gelten § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder mit der Maßgabe, dass von einer Anhörung auch abgesehen werden kann

1. bei der Weitergabe von Informationen im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1,
2. in Fällen, in denen dem oder der Dritten die Erhebung der Information durch die Stelle bekannt ist und er oder sie in der Vergangenheit bereits Gelegenheit hatte, zur Weitergabe derselben Information Stellung zu nehmen, insbesondere wenn bei gleichartigen Anträgen auf Informationszugang eine Anhörung zu derselben Information bereits durchgeführt worden ist.

3 Bei gleichförmigen Anträgen von mehr als 20 Personen gelten die §§ 17 und 19 des Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechend.

(2) 1 Der Antrag ist in der Regel innerhalb von einem Monat zu bescheiden.
2 Im Fall einer Beteiligung Dritter verlängert sich die Frist auf zwei Monate; der Antragsteller ist hierüber zu unterrichten.
3 Die Entscheidung über den Antrag ist auch der oder dem Dritten bekannt zu geben.
4 Auf Nachfrage des Dritten legt die Stelle diesem Namen und Anschrift des Antragstellers offen.

(3) 1 Wird dem Antrag stattgegeben, sind Ort, Zeit und Art des Informationszugangs mitzuteilen.
2 Wird der Antrag vollständig oder teilweise abgelehnt, ist mitzuteilen, ob und gegebenenfalls wann die Informationen ganz oder teilweise zu einem späteren Zeitpunkt zugänglich sind.

(4) 1 Widerspruch und Anfechtungsklage haben in den in § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Fällen keine aufschiebende Wirkung.
2 Auch wenn von der Anhörung Dritter nach Absatz 1 abgesehen wird, darf der Informationszugang erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem oder der Dritten bekannt gegeben worden ist und diesem ein ausreichender Zeitraum zur Einlegung von Rechtsbehelfen eingeräumt worden ist.
3 Der Zeitraum nach Satz 2 soll 14 Tage nicht überschreiten.

(5) 1 Ein Vorverfahren findet abweichend von § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung auch dann statt, wenn die Entscheidung von einer obersten Bundesbehörde erlassen worden ist.
2 Widerspruchsbehörde ist die oberste Bundesbehörde.

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