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Kategorie: Onlinerecht

OLG Dresden: Kein DSGVO-Schadensersatzanspruch bei bloßen Bagatellverstößen im Datenschutzrecht

Bei bloßen Bagatellverstößen im Datenschutzrecht ohne ernsthafte Beeinträchtigung für das Selbstbild oder Ansehen einer Person besteht kein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs.1 DSGVO (OLG Dresden, Beschl. v. 11.06.2019 - Az.: 4 U 760/19).

Der Kläger war bei Facebook Mitglied. Wegen eines umstrittenen Postings sperrte ihn Facebook und löschte auch seinen Text.

Der Kläger sah hierin eine unerlaubte Datenschutzverletzung und verlangte nach Art. 82 Abs.1 DSGVO Schadensersatz iHv. 150,- EUR.

Mit dem Inkrafttreten der DSGVO hat nach Art. 82 Abs.1 DSGVO jede Person, deren Daten nicht gesetzeskonform verarbeitet werden, einen Anspruch auf Schadensersatz. Weder im Gesetz noch in den Erwägungsgründen gibt es weiterführende Bestimmungen zur konkreten Höhe des Betrages. Erwägungsgrund 146 führt lediglich allgemein aus:

"Erwägungsgrund 146:
(...) Der Begriff des Schadens sollte im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden, die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht. Dies gilt unbeschadet von Schadenersatzforderungen aufgrund von Verstößen gegen andere Vorschriften des Unionsrechts oder des Rechts der Mitgliedstaaten. (...) 

Die betroffenen Personen sollten einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden erhalten. (...)"

Das AG Diez (Urt. v. 07.11.2018 - 8 C 130/18) hatte sich vor kurzem als erstes deutsches Gericht mit dieser Frage zu beschäftigten und festgestellt, dass bei Bagatellverstößen wegen unerlaubter E-Mail-Werbung keine Berechtigung besteht, Schadensersatz zu fordern. Siehet dazu auch unsere News v. 20.11.2018.

Diesem Standpunkt hat sich das OLG Dresden im vorliegenden Fall angeschlossen und betont noch einmal mit relativ klaren, eindeutigen Worten, dass bei 08/15-Verletzungen im Datenschutzrecht kein finanzieller Ausgleichsanspruch bestünde:

"Dass dem Kläger durch die Sperrung ein materieller oder immaterieller Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO entstanden wäre, kann der Senat überdies nicht erkennen. Die bloße Sperrung seiner Daten stellt ebenso wie der Datenverlust noch keinen Schaden im Sinne der DSGVO dar (Wybitu/Haß/Albrecht, NJW 2018 S. 113 (114). Die behauptete Hemmung in der Persönlichkeitsentfaltung durch die dreitägige Sperrung hat allenfalls Bagatellcharakter (s.o.).

Auch wenn in der Literatur unter Bezug auf Erwägungsgrund 146 der DSGVO vereinzelt die Auffassung vertreten wird, eine wirksame Durchsetzung europäischen Datenschutzrechts erfordere einen Abschreckungseffekt und den Verzicht auf die nach bisherigem Recht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 29.11.2016 - VI Z 530/15) geltende Erheblichkeitsschwelle (Gola, DSGVO, 2. Aufl. Art 82 Rn 13 m.w.N.; so auch AG Dietz, Urteil vom 7.11.2018 - 8 C 130/18 -juris), rechtfertigt dies keinen Ausgleich immaterieller Bagatellschäden.

Das Datenschutzrecht schützt zwar per se ein subjektives Recht, das einen starken Bezug zum persönlichen Empfinden des Einzelnen hat. Dennoch ist Art. 82 nicht so auszulegen, dass er einen Schadensersatzanspruch bereits bei jeder individuell empfundenen Unannehmlichkeit oder bei Bagatellverstößen ohne ernsthafte Beeinträchtigung für das Selbstbild oder Ansehen einer Person begründet (Becker in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Artikel 82 DSGVO, Rn. 4c). Insbesondere kann der Hinweis auf einen „vollständigen und wirksamen Schadensersatz“ in Erwägungsgrund 146 der DSGVO nicht in diesem Sinne verstanden werden (so auch Lach, jurisPR-ITS 5/2019 Anm. 3).

Die Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG und des Schutzes personenbezogener Daten nach Art. 8 GRC gebieten einen solchen Ausgleich regelmäßig nicht. Anders mag dies in den Fällen sein, in denen der datenschutzrechtliche Verstoß eine Vielzahl von Personen in gleicher Weise betrifft und Ausdruck einer bewussten, rechtswidrigen und im großen Stil betriebenen Kommerzialisierung ist (Becker in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Artikel 82 DSGVO, Rn. 4d). So liegen die Dinge hier indes nicht. Zwar gehört die Kommerzialisierung von Nutzerdaten zum Geschäftsmodell der Beklagten; die Sperrung des klägerischen Accounts befördert jedoch diese Kommerzialisierung nicht, sondern behindert sie vielmehr, weil der Kläger in dieser Zeit keine Daten „produziert“, die die Beklagte verwerten könnte."

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