Das OLG Hamm (Urt. v. 18.03.2003 - Az.: 4 U 14/03), Vorinstanz LG Dortmund (Urt. v. 24.10.2002 - Az.: 18 O 70/02), hat jüngst entschieden, dass eine geschäftliche Bezeichnung in Verbindung mit einem Städtenamen irreführend iSd. § 3 UWG und somit wettbewerbswidrig ist.
Im konkreten Fall ging es um die Bezeichnung "tauchschule-dortmund.de".
Die Richter argumentierten, durch die Kombination mit dem Städtenamen präsentiere sich die Firma so, als ob sie die marktführende Tauchschule in Dortmund sei:
"Denn die Bezeichnung Tauchschule Dortmund erweckt nicht den Eindruck, dass es sich um eine Tauchschule in Dortmund handelt, sondern, dass es sich gewissermassen um die Tauchschule in Dortmund handelt. Wird - wie hier - die Ortsbezeichnung zugleich mit dem Namen des Geschäftsbetriebes verknüpft, geht der Verkehr von einer überragenden Stellung des so bezeichneten Geschäftsbetriebes in der entsprechenden Branche aus."
Die juristische Reaktion auf dieses neue Urteil ist gespalten. Während die einen die inzwischen relativ gefestigte Rechtsprechung in Sachen Domainstreitigkeiten als grundlegend in Frage gestellt ansehen, argumentieren die anderen, die Richter hätten richtigerweise nur die Offline-Grundsätze auf den Online-Bereich übertragen. Denn nichts anderes hätte gegolten, wenn die Firma mit dieser Bezeichnung z.B. offline in den Gelben Seiten geworben hätten.
In jedem Fall hat das Urteil zu zahlreichen heftigen Diskussion und Gesprächen in der Internet-Welt geführt.
Die oft gestellte Frage lautet: Ist jetzt jede Domain, bei der ein Städtename auftaucht, wettbewerbswidrig? Widerspricht das Urteil nicht der bekannten "Mitwohnzentrale"-Entscheidung des BGH?
Dazu ist zu sagen:
1. Das UWG, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, gilt grundsätzlich nur "im geschäftlichen Verkehre" ( § 1 Abs.1 UWG). Somit kann auch eine Irreführung iSd. § 3 UWG, wie ihn hier das OLG Hamm angenommen hat, nur dann vorliegen, wenn der Betreiber "im geschäftlichen Verkehr" handelt. Ein "geschäftlicher Verkehr" ist immer dann zu bejahen, wenn kein reines privates Handeln vorliegt. Dabei ist die Rechtsprechung sehr extensiv, d.h. schon ein bloßes Schalten von Werbebannern reicht für die Annahme von geschäftlichen Handeln aus. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass eine Person, die eine Domain lediglich zu privaten Zwecken nutzt, also z.B. Bahr-Hamburg.de, grundsätzlich nicht gegen § 3 UWG verstoßen kann. Ob diese genannte Domain aber evtl. gegen Namensrechte verstößt, sei hier nur erwähnt.
Diesbzgl. schafft das Urteil aber keine neuen Leitlinien, sondern es gelten die altbekannten Grundsätze.
2. Eine Irreführung im geschäftlichen Verkehr nach § 3 UWG kann nur dort sachlogisch vorliegen, wo es mehrere Mitbewerber gibt. Wo aufgrund Kraft Natur der Sache nur eine einzige Firma bzw. ein einziger Verein überhaupt vorhanden ist, kann schon deswegen nach Ansicht der OLG-Richter keine Irreführung vorliegen. Nehmen wir das Beispiel "spd-hamburg.de". Hier könnte schon deswegen keine Irreführung vorliegen, weil es keine zweite SPD in Hamburg gibt. Nur dort, wo mindestens zwei Wettbewerber in Konkurrenz zueinander stehen, können die vom OLG Hamm aufgestellten Kriterien somit Anwendung finden.
3. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Richter sich der Tragweite ihrer Entscheidung nicht bewusst waren. In Deutschland gibt es inzwischen mehr als 6 Mio. DE-Domains. Praktisch alle interessanten Kombinationen von Begriffen mit Städtenamen sind inzwischen vergeben. Nach Ansicht des OLG Hamm wäre wohl die Mehrheit dieser Domains irreführend, da die Konstellation exakt dem von den Richtern zu entscheidenden Fall entspricht.
Die dann eintretende Konsequenz wäre fatal. Aus Angst vor der Wettbewerbswidrigkeit von Gattungsbegriffen (bis zur oben genannten "mitwohnzentrale.de"-Entscheidung des BGH) bei Domainnamen haben sich viele Personen Gattungsbegriffe iV. mit Ortsnamen schützen lassen, in der Erwartung, damit auf jeden Fall auf der sicheren Seite zu sein. Nun scheint das genaue Gegenteil der Fall zu sein. Gattungsbegriffe sind rechtmäßig, Begriffe mit Städtenamen nicht (?)
Welch absurde Konsequenz dies hat, zeigt ein einfaches Beispiel bei Domains von Rechtsanwälten. So hatte das LG Duisburg (Urt. vom 10.01.2002 - Az.: 21 O 201/01) entschieden, dass die Verwendung der Internetadresse "anwalt-muelheim.de" durch einen in Mülheim ansässigen Rechtsanwalt keine Irreführung im Sinne von § 3 UWG darstellt, "da mit der Verwendung der Internet-Adresse keine unzulässige Behauptung der Alleinstellung am Standort Mülheim einhergeht." Die Richter damals ausdrücklich: "Schon die Adresse "anwalt-muelheim.de" legt nahe, dass es sich nur um eine Anwaltskanzlei handelt."
Dagegen soll nach Ansicht des OLG München (Urt. vom 18.4.2002 - Az.: 29 U 1573/029) die Domain "rechtsanwaelte-dachau.de" irreführend sein, da hier der Plural benutzt werde.
Verließen sich auch die Juristen bislang auf diese Rechtsprechung, sohat die neue Entscheidung des OLG Hamm diese Ansichten von grundauf erneuert.
Es herrscht - mal wieder - auch im Domainrecht, das eigentlich zu den inzwischen gefestigen Online-Rechtsgebieten zu zählen war, die altbekannte Online-Rechtsunsicherheit.
Zu der "mitwohnzentrale.de"-Entscheidung des BGH äußern sich die OLG-Richter eigentlich gar nicht, sondern streifen die Grundlagen-Entscheidung lediglich. Juristisch mag dies zwar durchaus vertretbar sein, da in der damaligen Entscheidung nur über die Sittenwidrigkeit nach § 1 UWG gesprochen und ausdücklich eine Irreführung nach § 3 UWG offengehalten wurde. Jedoch hätten sich die OLG-Richter viel ausführlicher mit der BGH-Entscheidung auseinandersetzen müssen, da es auch in der damaligen Entscheidung um das artverwandte Problem der Alleinstellungsbehauptung ging.
Daher breitet sich unter all denjenigen, die sich "irgendwie" im geschäftlichen Verkehr bewegen, momentan ein leichtes Frösteln aus, heisst es doch wieder einmal abzuwarten bis zu einer weiteren Grundlagen-Entscheidung des BGH. Wobei zu berücksichtigen ist, dass das OLG die Revision zum BGH nicht zugelassen hat und somit zunächst mittels der Nichtzulassungsbeschwerde über diese Klippe hinübergesprungen werden muss, bevor sich die BGH-Richter mit dem eigentlichen Problem überhaupt beschäftigen.