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Kategorie: Urheberrecht

LG Berlin: Tageszeitung durfte online ungefragt Corona-Foto verwenden, da durch Tagesereignis Ausnahme vom Urheberrechtsschutz

Verlag darf Corona-Foto ohne Zustimmung veröffentlichen, da urheberrechtliche Schranke für Tagesereignisse (§ 50 UrhG) greift.

Eine Tageszeitung durfte sowohl online als auch online ungefragt ein fremdes Corona-Foto verwenden, da dies durch die urheberrechtliche Schranke der Tagesereignisse nach § 50 UrhG erlaubt ist (LG Berlin, urt. v. 22.03.2024 - Az.: 61 S 8/24).

Der Kläger war Fotograf und ging gegen die Beklagte vor, die die "Ostfriesen Zeitung" herausgab. Der Verlag hatte ungefragt ein vom Kläger angefertigtes Foto, bei dem um die Abstandsregeln während der Corona-Pandemie ging, ohne Zustimmung übernommen und sowohl auf seiner Website als auch in der Printausgabe veröffentlicht.

Der Kläger sah sich durch das Handeln in seinen Urheberrechten verletzt und klagte auf Unterlassung und Ersatz der Abmahnkosten.

Das LG Berlin verneinte jedoch eine Rechtsverletzung und wies die Klage ab.

Denn das Handeln des Verlages sei durch die Schranke des § 50 UrhG erlaubt.

1. Schranke: Tagesereignisse nach § 50 UrhG:

Das Foto habe dazu gedient, die Abstandsregeln während Corona und deren Einhaltung bzw. Nichteinhaltung zu dokumentieren. 

In einem solchen Fall greife die urheberrechtliche Schranke für Tagesereignisse (§ 50 UrhG):

"Dem Vorliegen einer Berichterstattung über ein Tagesereignis gemäß § 50 UrhG steht nicht entgegen, dass die Beklagte für die Vervielfältigung und Verbreitung des Lichtbildes keine Zustimmung des Klägers oder des Fotografen einholte (…). (…)

(a) Gemäß § 50 UrhG ist die Berichterstattung über Tagesereignisse nur in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig. Nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der RL 2001/29/EG darf die fragliche Nutzung des Werks nur erfolgen, soweit es der Informationszweck rechtfertigt, sie also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. 

Daraus ergibt sich, dass die Nutzung des geschützten Werks zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein muss und nicht die Grenzen dessen überschreiten darf, was zur Erreichung des verfolgten Informationsziels erforderlich ist. (…) 

(b) Das ist hier der Fall. Die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Lichtbildes durch die Beklagte war geeignet, das mit der Berichterstattung verfolgte Informationsziel zu erreichen.

Es sollte über die Frage der Einhaltung von Abstandsregelungen während der Corona-Pandemie berichtet werden. Das Lichtbild diente als Beleg für die Berichterstattung. Die Veröffentlichung war auch erforderlich, weil kein gleich geeignetes Mittel zur Verfügung stand"

Und weiter:

"Sie war auch angemessen. 

Die Abwägung der im Streitfall betroffenen Grundrechte führt zu einem Vorrang der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG) der Beklagten gegenüber dem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht aus § 72 Abs. 1, § 15 Abs. 1, § 16, § 17 UrhG. 

Insofern ist maßgeblich, dass die Berichte auf der Internetseite der „… Zeitung“ und in deren Printausgabe in der Anfangszeit der Corona-Pandemie im Mai 2020 veröffentlicht wurden und alle Personen von den Einschränkungen durch die Pandemie und den Regelungen, die mit erheblichen Eingriffen verbunden waren, betroffen waren; 

wenn gerade Sanitäter, die beruflich in besonderem Maße mit gesundheitlich vulnerablen Menschen in Kontakt kommen, Abstandsregelungen nicht einhalten, war dies zum damaligen Zeitpunkt in gesteigertem Maße berichtenswert. Die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit gewinnen bei einem Konflikt mit anderen Rechtsgütern besonderes Gewicht, wenn sie – wie hier – Angelegenheit betreffen, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren (…). Es ist daher von einem hohen Stellenwert des von der Beklagten wahrgenommenen Informationsinteresses der Öffentlichkeit auszugehen. Das Recht des Klägers aus Art. 14 Abs. 1 GG tritt daher dahinter zurück. Ein besonders ins Gewicht fallendes Verwertungsinteresse des Klägers an dem streitgegenständlichen Lichtbild war nicht gegeben."

2. Erlaubnis sowohl für Online als auch Offline:

Die Veröffentlichung sei sowohl online als auch offline erlaubt, denn über beide Medien würden unterschiedliche Zielgruppen erreicht:

“Über die Veröffentlichung des Berichts nebst Lichtbild in der Printausgabe der Zeitung am 14. Mai 2020 wurde zudem jedenfalls potenziell ein anderer Leserkreis als über die Veröffentlichung im Internet erreicht; das ist im Sinne des grundrechtlichen Schutzes der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG), und lässt sich daher – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht als bloße „Zweitverwertung“ kennzeichnen.”

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