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Kategorie: Onlinerecht

OLG Nürnberg: Inhalte im Wayback Machine-Archiv lösen keine Vertragsstrafe

Archivierte Inhalte in Wayback Machine-Archiv begründen keine Vertragsstrafe.

Sind im Archiv der Wayback Machine-Archiv noch urheberrechtlich geschützte Kartenausschnitte abrufbar, hinsichtlich derer sich der Schuldner zur Unterlassung verpflichtet hat, löst dies keine Vertragsstrafe aus (OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.02.2024 - Az.: 3 U 229/23).

Die Beklagte hatte in der Vergangenheit unerlaubt online Kartenausschnitte verwendet und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung mit dem folgenden Inhalt abgegeben:

“es zu unterlassen, „die nachstehenden insgesamt 17 Kartenausschnitte ohne Zustimmung des Unterlassungsgläubigers zu vervielfältigen und/oder der Öffentlichkeit im Internet zugänglich zu machen, wie unter der URL www.s[…]-m[…].de geschehen“. 

Die Klägerin stellte einige Zeit später zweierlei Dinge fest.

Zum einen waren die Inhalte noch im Archiv der Wayback Machine abrufbar. Zum anderen fanden sich auch noch Hinweise in den Bing-Suchergebnissen. 

Darauf machte die Klägerin eine Vertragsstrafe geltend.

Zu Unrecht, wie nun das OLG Nürnberg entschied:

1. Wayback Machine-Archiv kein Verstoß gegen Unterlassungserklärung:

Dass die Inhalte noch in der Wayback Machine abrufbar gewesen seien, sei kein Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung, so die Nürnberger Richter:

"Im Streitfall kann bereits deshalb kein öffentliches Zugänglichmachen i.S.v. § 19a UrhG angenommen werden, weil die Beklagte auf dem Internetarchiv „w...“ nicht die Kontrolle über die Bereithaltung der Kartenausschnitte ausübt und sich diese daher nicht in ihrer Zugriffssphäre befinden (…).

Darüber hinaus fehlt es an den Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe i.S.v. § 15 Abs. 2 UrhG, da die Beklagte über die „w...“ nicht absichtlich und gezielt Dritten einen Zugang zu den Kartenausschnitten verschafft und auch Umstände, die im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung von Bedeutung sind, gegen eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag sprechen.

In diesem Zusammenhang ist der Zweck der „w...” – eine Internetbibliothek mit dem Ziel zu schaffen, Forschern, Historikern, Wissenschaftlern und allen weiteren Interessierten einen permanenten Zugang insbesondere zu nicht mehr vorhandenen Webseiten zu bieten (…) – zu berücksichtigen. So wie die fortdauernde Auffindbarkeit einer früheren, mittlerweile zu unterlassenden Werbung in der „w...“ mangels Marktbezugs keine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG darstellt, da die Auffindbarkeit darüber kein denkbarer Kanal zur Absatzförderung ist (…), liegt kein urheberrechtlich relevantes Verschaffen eines Zugangs zum geschützten Werk vor, da dem durchschnittlichen Internetnutzer bekannt ist, dass es sich bei den von der „w...“ vorgehaltenen Seiten um eine frühere Fassung des Internetauftritts handelt (…). 

Die Beklagte verschafft somit nicht Dritten in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens Zugang zu den Kartenausschnitten."

Und weiter:

"Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die „w...“ nicht von üblichen Internet-Suchmaschinen durchsucht werden kann. Vielmehr muss der Internetnutzer gezielt das Internetarchiv aufrufen und dort – da das Archiv keine eigene Suchfunktion aufweist – gezielt nach Inhalten suchen.

Schließlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe eine wertende Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände erforderlich macht. Daraus folgt für den Streitfall, dass in die Auslegung des Unterlassungsvertrags eingestellt werden kann, dass die Beklagte keine zentrale Rolle einnahm, um Nutzern über die „w...“ Zugang zu den Kartenausschnitten zu verschaffen, dass die (ursprüngliche) Veröffentlichung der Notfalltreffpunkte im Gemeindegebiet nicht Erwerbszwecken diente, sowie dass bei einer „Wiedergabe“ über die „w...“ nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine aufnahmebereite Öffentlichkeit für die Kartenausschnitte selbst besteht.

Außerdem trägt die Beklagte vor, dass sie gegenüber den Betreibern des Internetarchivs entsprechende Löschungsanträge gestellt habe. Damit hätte sie ihren – unterstellten – Handlungspflichten zur Beseitigung des Störungszustandes genügt. Einen Erfolg des Bemühens der Einwirkung auf Dritte schuldet der Unterlassungsschuldner nicht (…).

2. Bing-Suchergebnis alleine noch kein Vertragsverstoß:

Ein bloßer Treffer in der organischen Suche der Suchmaschine Bing sei noch keine Verletzung gegen die Unterwerfung, so die Richter.

"Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den Unterwerfungsvertrag schließlich darauf stützt, dass bei der Eingabe bestimmter Begriffe in Suchmaschinen ein Link zu der Datei mit dem streitgegenständlichen Kartenausschnitt auf der Homepage der Beklagten an erster Stelle der Ergebnisliste erschienen sei, kann dies aus den nachfolgenden beiden Gründen der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen.

a) Zum einen fehlt es beim Vortrag im Zusammenhang mit den Suchmaschinen an der Darlegung des Zugänglichmachens der Kartenausschnitte, also der Wiedergabe, selbst.

Auf den vorgelegten Screenshots mit den Ergebnislisten der Suchmaschinen ist lediglich ein Link zu einem PDF-Dokument auf der von der Beklagten betriebenen Homepage ersichtlich. Die Werke sind in der Ergebnisliste weder als Vorschaubilder (…) noch sonst erkennbar.

Dass beim Klicken auf den Link tatsächlich die Homepage der Beklagten geöffnet und Zugang zu den Kartenausschnitten geschaffen wird, ist weder dargetan noch vor dem Hintergrund des nicht bestrittenen Vortrags der Beklagten des vollständigen Löschens aus dem CMS der Beklagten, weshalb ein Aufruf über die Seitennavigation der URL www.s[…]-m[…].de nicht mehr möglich sei, ersichtlich. Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Kartenausschnitte bei heute abrufbar seien, kann den im Zusammenhang mit diesem Vortrag vorgelegten Anlagen K 15, BK 1 und BK 2 entnommen werden, dass diese Seiten bei der sogenannten „w...“ (https://archive.org/web) aufgerufen wurden. Die Aufrufbarkeit über das Internetarchiv „w...“ kann – wie bereits ausgeführt – eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag jedoch nicht begründen."

Und weiter:

“b) Zum anderen fehlt es – wegen der Übertragbarkeit der im Zusammenhang mit der Eingabe der genauen URL gemachten Überlegungen zur Öffentlichkeit der Zugänglichmachung (vgl. dazu die obigen Ausführungen unter Ziffer 1.) auf die im vorliegenden Fall notwendige Eingabe bestimmter Begriffe in Suchmaschinen – an der Darlegung einer öffentlichen Wiedergabe. Aufgrund der vorliegend maßgeblichen Einzelfallumstände ist in der konkreten Situation nicht damit zu rechnen, dass eine entsprechend große Personengruppe die Kartenausschnitte suchen und auffinden könnte.”

Anmerkung von RA Dr. Bahr:

Bei dem Beschluss des OLG Nürnberg handelt es sich - soweit ersichtlich - um die zweite Entscheidung zur Cache-Problematik Wayback Machine und Unterlassungserklärung, vgl. die Kanzlei-News v. 28.02.2023.

Nachdem Google seinen Google Cache eingestellt hat, ist absehbar, dass sich die Rechtsstreitigkeiten zu diesem Bereich mehr und mehr zu Bing und zur Wayback Machine verlagern werden.

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