Kanzlei Dr. Bahr
Navigation
Kategorie: Onlinerecht

AG München: Verträge über Online-Partnerschaftsvermittlung nicht sofort kündbar

Klassische Partnerschaftsvermittlungen werden von der Rechtsprechung auf Grund des persönlichen Kontakts zwischen Vermittler und Kunden und der daraus folgenden Diskretion und des Taktgefühls als sogenannte Dienste höherer Art eingestuft mit der Folge, dass der Vertrag jederzeit gekündigt werden kann. Dies gilt nicht für Onlineplattformen. Hier gelten die vereinbarten Kündigungsfristen.

Ein Münchner registrierte sich Anfang 2010 bei einer Internetagentur, die ihren Nutzern Hilfestellung bei der Suche nach einem Lebenspartner anbietet. Er wählte eine dreimonatige Mitgliedschaft, die sich automatisch um sechs Monate verlängert, sollte sie nicht vier Wochen vor Ablauf der drei Monate gekündigt werden.

Anschließend nutzte er die Onlineplattform, kündigte dann aber doch kurz vor Ablauf der drei Monate. Die Internetbetreiberin akzeptierte die Kündigung aber nur zum Ablauf der weiteren sechs Monate und verlangte noch 299 Euro von ihrem Kunden.

Dieser weigerte sich zu zahlen. Schließlich handele es sich hier um eine Partnerschaftsvermittlung und damit um ein Dienstverhältnis mit besonderer Vertrauensstellung. Dieses sei stets kündbar.

Die Internetagentur erhob Klage vor dem Amtsgericht München. Die zuständige Richterin gab ihr Recht: Die Klägerin habe sich verpflichtet, für den Beklagten ein computergesteuertes Persönlichkeitsprofil zu erstellen und dem Beklagten die Möglichkeit eröffnet, mit anderen Mitgliedern Kontakt aufzunehmen. Damit liege ein Dienstvertrag vor.

Nach Ablauf der Vertragslaufzeit habe sich die Mitgliedschaft automatisch um sechs Monate verlängert, da sie nicht vier Wochen vor Ablauf gekündigt worden sei. Da es technisch nicht möglich sei, die Mitgliedschaft zu erwerben, ohne vorher die allgemeinen Geschäftsbeziehungen zu akzeptieren, seien diese auch Vertragsbestandteil geworden.

Dem Beklagten stehe auch kein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Es sei zutreffend, dass klassische Partnervermittlungen, also solche, bei denen ein Partnerschaftsvermittler auf Grundlage eines persönlichen Kundenkontakts ein Profil erstelle und im Anschluss Partnerschaftsvorschläge unterbreite, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als so genannte Dienste höherer Art eingestuft werden.

Dies werde damit begründet, dass die Partnersuche im Wege eines persönlichen Kontakts zwischen dem Vermittler und dem Kunden zustande komme, in dessen Rahmen äußerste Diskretion und ein hohes Maß an Taktgefühl verlangt werde.

Diese Rechtsprechung sei aber nur auf den klassischen Fall der Partnerschaftsvermittlung anzuwenden und nicht auf den Fall einer Onlineplattform. Bei dieser Form der Partnerschaftsvermittlung fehle es gerade an dem besonderen Maß an persönlichem Vertrauen zwischen den Vertragspartnern.

Zudem halte bei einer Onlineplattform der Kunde überhaupt keinen persönlichen Kontakt zu den Beratern und kenne die Mitglieder des Vertragspartners nicht persönlich. Die Leistungen von Onlineplattformen basierten auf mathematischen Algorithmen und würden vollautomatisch geschehen.

Am „anderen Ende“ sitze eben kein Berater. Deshalb sei diese Situation auch nicht vergleichbar mit den klassischen Anwendungsfällen der Dienste höherer Art (z.B. einer Beziehung zwischen Arzt und Patient oder Anwalt und Mandant).

Der Beklagte schulde daher die Beiträge für weitere sechs Monate.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Urteil des Amtsgerichts München vom 5.5.11, AZ 172 C 28687/10

Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 07.11.2011

Rechts-News durch­suchen

10. November 2025
Ein Online-Attest ohne Arztkontakt rechtfertigt eine fristlose Kündigung des Arbeitsvertrages wegen schweren Vertrauensbruchs.
ganzen Text lesen
10. November 2025
Wer Geld irrtümlich auf ein manipuliertes Konto überweist, trägt selbst das Risiko und muss erneut zahlen.
ganzen Text lesen
07. November 2025
Mehrfache Barabhebungen noch am Tattag zeigen, dass der Mittelsman leichtfertig Geld aus Betrug weitergab und nun Schadensersatz zahlen muss.
ganzen Text lesen
06. November 2025
Die Halloween-Deko in der denkmalgeschützten Teutoburgia-Siedlung darf bleiben. Ein Außenstehender scheiterte mit seinem Eilantrag vor Gericht.
ganzen Text lesen

Rechts-News durchsuchen