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Kategorie: Onlinerecht

OLG München: Auskunfteien dürfen Insolvenzdaten länger aufbewahren / Code of Conduct der Wirtschaftsauskunfteien rechtmäßig

In einem aktuellen Verfahren hat das OLG München mitgeteilt, dass  Insolvenzdaten länger aufbewahrt werden dürfen als im  als das amtliche Insolvenzbekanntmachungsportal (OLG München, Urt. v. 29.11.2022 - Az.: 18 U 1032/22).

Inhaltlich ging es um die Frage, wie lange eine Auskunftei die Daten über eine Restschuldbefreiung in ihrer Datenbank aufbewahren bedarf.

Das OLG München stellte fest, dass nicht die kurzen Fristen greifen, die für eine Veröffentlichung im Insolvenzbekanntmachungsportal gelten:

"Die sechsmonatige Löschungsfrist des § 3 Abs. 2, Abs. 1 InsBekV lässt sich (...) auf die Datenverarbeitung durch die Beklagte nicht übertragen. (...)

(1) § 3 Abs. 2, Abs. 1 InsBekV ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht direkt anwendbar, da die in der Vorschrift angeordnete Speicherfrist allein öffentliche Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren betrifft.

(2) Auch eine analoge Anwendung scheidet aus.

Es fehlt schon an einer planwidrigen Regelungslücke, weil der Gesetzgeber bewusst von einer Übertragung der Regelung auf die Speicherfristen von Auskunfteien abgesehen hat und allein eine bis 2024 laufende Evaluierungsklausel in Art. 107a Abs. 1 Satz 2 EGInsO ins Gesetz aufgenommen hat (BT-Drs. 19/25322, 5, 7; vgl. bspw. auch OLG Oldenburg, Urteil vom 23.11.2021 - 13 U 63/17, juris Rn. 23 f.; OLG Köln, Urteil vom 27.01.2022 - 15 U 153/21, juris Rn. 31; Thüsing/Flink/Rombey, a.a.O., [953]).

Auch die Interessenlage ist nicht vergleichbar. Anders als die Datenspeicherung durch die Beklagte hat die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses über die Restschuldbefreiung die Aufgabe, der Entscheidung nach außen hin Geltung zu verschaffen und die Publizitätswirkung auch gegenüber solchen Personen eintreten zu lassen, an die eine Einzelzustellung nicht erfolgt (Braun/Bußhardt, 9. Aufl., InsO, § 9 Rn. 1). Die den Lauf von Rechtsmittelfristen (§ 300 Abs. 4 InsO) auslösende öffentlichen Bekanntmachung erfordert - anders als die Beurteilung der Bonität von potenziellen Vertragspartnern - keine über sechs Monate hinausgehende Speicherung des Eintrags über die Gewährung einer Restschuldbefreiung."

Und weiter:

"(3) Entgegen der Auffassung des OLG Schleswig (zuletzt Urteil vom 03.06.2022 - 17 U 5/22) und des 3. Zivilsenats des OLG München (Urteil vom 24.10.2022 - 3 U 2040/22) lässt sich der Vorschrift auch keine grundsätzliche gesetzgeberische Wertung entnehmen, der die weitere Speicherung der Daten zuwiderliefe. Schon die Entscheidung gegen die Einführung kurzer Speicherfristen auch für Auskunfteien und für die Aufnahme einer Evaluierungklausel zeigt, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Verhaltensregeln für Wirtschaftsauskunfteien Zweifel hatte, ob ein Gleichlauf der Fristen für Auskunfteien und das Portal www.insolvenzbekanntmachungen.de wünschenswert sei.

Die dreijährige Löschungsfrist entsprach auch der Wertungs- und Leitentscheidung in § 35 Abs. 2 Nr. 4 BDSG a.F.. Hinzu kommt, dass sich die dreijährige Löschungsfrist mit der nationalen Löschungsfrist für Einträge aus dem Schuldnerverzeichnis nach § 882e Abs. 1 ZPO deckt, das - ähnlich wie im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihren Kunden - nach § 882f Abs. 1 ZPO nur für diejenigen einsehbar ist, die ein berechtigtes Interesse an den Daten darlegen können (so auch OLG Stuttgart, Urteil vom 10.08.2022 - 9 U 24/22, juris Rn. 49)."

Das OLG München äußert sich auch zum Code of Conduct der Wirtschaftsauskunfteien und stuft diesen als rechtmäßig ein:

"Die in den gemäß Art. 40 Abs. 2 DS-GVO vom Verband der Wirtschaftsauskunfteien erstellten "Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien" vom 25.05.2018, aktualisiert am 01.01.2020, dort Ziffer II.2.b), vorgesehene Regelfrist von drei Jahren erscheint grundsätzlich nicht unangemessen, um einen Ausgleich der Interessen der Beteiligten herzustellen, wenn sich im Einzelfall keine konkreten Anhaltspunkte für eine abweichende Bewertung ergeben.

Die Dreijahresfrist ist auch durch die zuständige Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Nordrhein-Westfalen nach Art. 40 Abs. 5 DS-GVO genehmigt worden. Damit kann im Rahmen der europarechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung für den Regelfall auf die Verhaltensregeln zurückgegriffen werden (so auch OLG Oldenburg, Urteil vom 23.11.2021 - 13 U 63/21; OLG Köln, Urteil vom 27.01.2022 - 15 U 153/21; KG, Urteil vom 15.02.2022 - 27 U 51/21; OLG Koblenz, Urteil vom 29.09.2022 - 12 U 450/22; ebenfalls die Angemessenheit einer Regelfrist von drei Jahren bejahend OLG Stuttgart, Urteil vom 10.08.2022 - 9 U 24/22)."

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