Ist ein als "im Vertrieb" gelistetes Medikament erst tatsächlich in 3 Monaten lieferbar, handelt es sich um eine wettbewerbswidrige Irreführung (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 18.08.2022 - Az.: 6 U 56/22).
Die Beklagte war die gemeinsame Clearingstelle der pharmazeutischen Industrie, des pharmazeutischen Großhandels und der Apotheker in der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Aufgabe war es, wirtschaftliche und rechtliche Daten über Arzneimittel in Ihrer Datenbank zu erheben. Die Clearingstelle-Datenbank war Grundlage aller Arzt- und Apotheken-Softwaresysteme.
Sie listete ein Medikament als "im Vertrieb", das tatsächlich aufgrund eines Rechtsstreits frühestens in 3 Monaten lieferbar war.
Das OLG Frankfurt a.M. stufte dies als irreführend ein.
"Angesprochene Verkehrskreise sind hier nur Fachkreise, und zwar Apotheker und Ärzte. Dass diese die Informationen aus der Clearingstelle-Liste überwiegend nicht direkt erhalten, sondern nur die Software mit den Daten gespeist wird, ist irrelevant. Entscheidend ist, dass die Daten unverändert weitergereicht werden und so die Fachkreise erreichen.
Diese Verkehrskreise werden die Aussage (...) dahingehend verstehen, das Produkt (...) sei grundsätzlich lieferbar."
Und weiter:
"Nach den Richtlinien der Antragsgegnerin (ASt 5) sind zwar „vorübergehende Lieferschwierigkeiten und Liefereinstellungen kein Anlass für eine Statusmeldung außer Vertrieb“.
Die Clearingstelle-Richtlinien sind für das Verkehrsverständnis heranzuziehen. Es handelt sich beim angesprochenen Verkehr um Fachkreise, denen eine erhöhte Kenntnis von der Funktion und den Rahmenbedingungen der Clearingstelle-Datenbank unterstellt werden kann. Der Verkehr entnimmt dem Status „Im Vertrieb“, dass das Medikament grundsätzlich lieferbar ist und höchstens temporäre Unterbrechungen des Vertriebs vorliegen.
Hierfür spricht auch die eigene Definition der Antragsgegnerin in der Kategorie „Im Vertrieb“: „Ein Artikel mit Status im Vertrieb ist im Markt tatsächlich erhältlich und wird vom Anbieter vertrieben.“
Hier ist das Medikament jedoch grundsätzlich nicht lieferbar.
Ein Verkehrsverständnis, wonach die angesprochenen Verkehrskreise auch nicht verkehrsfähige - vielleicht sogar nicht zugelassene oder auch grundsätzlich nicht lieferbare - Medikamente in der Clearingstelle-Datenbank erwartet, ist fernliegend. Dies würde den Wert der Datenbank nämlich ganz erheblich reduzieren, z.B. durch einen Blick in die Datenbank sicherstellen zu können, dass ein Patient mit einem dort eingetragenen Medikament auch tatsächlich versorgt werden kann. Folgte man der Auffassung der Streithelferin, könnte sie im Grunde auch schon mit Veröffentlichung der Patenterteilung einen „In-Vertrieb“-Eintrag in der Clearingstelle-Datenbank vornehmen lassen, der dort 20 Jahre erhalten bliebe, ohne dass dies lauterkeitsrechtlich zu beanstanden wäre."