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Newsletter vom 07.10.2009 |
Betreff: Rechts-Newsletter 40. KW / 2009: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
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1. BGH klärt Verbraucherbegriff bei Onlineshops _____________________________________________________________ Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem richtungsweisenden Urteil für Bestellungen im Internet klargestellt, dass es für die Eigenschaft als Verbraucher nur auf das Faktische ankomme (Urt. v. 30.09.2009 - Az. VIII ZR 7/09). Unbeachtlich sei für das Widerrufsrecht, ob der Kunde als Rechnungs- und Lieferanschrift die Adresse seines Arbeitsplatzes oder seine Privatanschrift angegeben habe. Den Stein ins Rollen hatte eine Rechtsanwältin gebracht, die in den ersten beiden Instanzen von der Kanzlei Dr. Bahr vertreten wurde. Sie hatte mehrere schicke Lampen für ihr Zuhause geordert und aufgrund ihrer Berufstätigkeit als Liefer- und Rechnungsadresse die Daten der Kanzlei angegeben. Als sie nach Erhalt feststellen musste, dass die Beleuchtung farblich doch nicht ins häusliche Interieur passte, machte sie von ihrem 14-tägigen Widerrufsrecht Gebrauch. Der Händler wollte davon jedoch nichts wissen, weil er sich auf den Standpunkt stellte, die Kundin habe aufgrund der angegebenen Anschriften als Unternehmerin gehandelt, so dass das nur für Verbraucher geltende Widerrufsrecht nicht zur Anwendung komme. Die anschließende Klage vor dem Amtsgericht Hamburg hatte Erfolg. Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme mit drei Zeugen stand zur Überzeugung der Richterin fest, dass die Lampen für den Privathaushalt bestellt worden seien. Das anschließend zuständige Landgericht Hamburg sah die Lage hingegen anders und gab dem Onlinehändler Recht. Da der Frage der Abgrenzung zwischen Verbraucher und Unternehmer bei Webbestellung grundsätzliche Bedeutung zugemessen wurde, hatte das Landgericht die Revision zum höchsten deutschen Zivilgericht zugelassen, das wiederum der Advokatin Recht gab. Nach Auffassung des BGH nehme die Kundin in derartigen Fällen sowohl als Verbraucherin als auch als Unternehmerin am Rechtsverkehr teil. Sie sei nur dann als Unternehmerin ohne Widerrufsrecht einzuordnen, wenn das Handeln eindeutig und zweifelsfrei ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Diesbezüglich nannten die BGH-Richter die beiden Konstellationen, wenn das Geschäft objektiv in Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit erfolge oder die Kundin durch ihr sonstiges Verhalten signalisiert habe, dass sie keine Verbraucherin sei. Allein die Angabe der Kanzleiadresse als Liefer- und Rechnungsadresse reiche dafür allerdings nicht aus. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. BGH: Geld-zurück-Reklame mit Angabe der Internetseite auf Verpackungs-Innenseite unzulässig _____________________________________________________________ Die Internet-Werbung "maßgeschneiderte Hemden" ist irreführend und somit wettbewerbswidrig, wenn sich bei der Bekleidung um Konfektionsware handelt, an denen nur einzelne individuelle Anpassungen vorgenommen werden, so das KG Berlin (Beschl v. 11.08.2009 - Az.: 5 W 88/09). Die Beklagte bewarb ihre Produkte online mit den Aussagen "maßgeschneiderte Hemden" und "Maßhemden". Bei den angebotenen Stücken handelte es sich um Konfektionsware, die auf speziellen Wunsch des Kunden auch individuell angepasst werden konnte. Die Klägerin sah hierin eine wettbewerbswidrige Irreführung, da der Kunde davon ausgehe, dass es sich insgesamt um Einzelanfertigungen und nicht um Industrieware handle. Die Berliner Richter gaben der Klägerin nur teilweise Recht. Die Aussage "maßgeschneiderte Hemden" sei nicht erlaubt, da hier der Verbrauche davon ausgehe, dass er sämtliche Einzelheiten bei der Anfertigung des Hemdes bestimmen könne. Dies sei hier aber gerade nicht der Fall. Die Beklagte biete lediglich Maßkonfektionen, die nachträglich verändert werden könnten. Anders hingegen sei die Äußerung "Maßhemden" zu werten. Diese sei rechtlich nicht zu beanstanden. Unter Maßhemden verstünde der Käufer lediglich vorgefertigte Hemden, die maßkonfektioniert seien. Genau dies biete die Beklagte an, so dass die Werbeaussage zutreffend und somit erlaubt sei. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 3. BGH: IHK darf nicht nur auf eigene Fortbildungsangebote hinweisen _____________________________________________________________ Verweist die Industrie- und Handelskammer (IHK) auf Nachfrage eines Interessenten lediglich auf ihre eigenen Angebote und nicht auch auf die privater Anbieter, liegt hierin ein Wettbewerbsverstoß, so der BGH (Urt. v. 22.04.2009 - Az.: I ZR 176/06). Die Klägerin, ein privater Lehrgangs-Anbieter von Bilanzbuchhalter-Prüfungen, rief testweise bei der IHK an und fragte allgemein nach Fortbildungsmöglichkeiten Der IHK-Mitarbeiter nannte lediglich eigene Veranstaltungen, Angebote anderer Anbieter zählte er nicht auf. Hierin sah die Klägerin ein wettbewerbswidriges Verhalten. Zu Recht wie die höchsten deutschen Zivilrichter entschieden. Die IHK sei nämlich keine reine private Organisation, sondern nehme vielmehr auch amtliche Aufgaben wahr. Zwar sei ein Wettbewerber grundsätzlich nicht verpflichtet, Angaben über die Waren und Dienstleistungen seiner Mitbewerber zu machen. Für die IHK gelte dieser Grundsatz jedoch gerade nicht. Denn in ihrer Doppelrolle als Prüfungsbehörde und Anbieterin privater Kurse gelte für die Kammer ein anderer Maßstab. Denn gerade eine Körperschaft öffentlichen Rechts nehme besonderes Vertrauen im Rahmen ihrer amtlichen Funktion für sich in Anspruch. Insofern müsse ein Interessent darauf vertrauen können, sachgerechte Informationen und objektive Auskünfte zu erhalten und eben nicht parteiische Werbung. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. BSG: Fernsehsendungs-Jury "DSDS" KSK-pflichtig _____________________________________________________________ Das Bundessozialgericht hat heute entschieden, dass die Honorarzahlung an Juroren in der Fernsehshow "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) den produzierenden und ausstrahlenden Fernsehsender RTL zur Künstlersozialabgabe (KSA) verpflichtet. Die aus der Musikbranche stammenden Juroren stellen keine außerhalb des Showgeschehens agierende Fachjury mit Expertenstatus dar, sondern sie sind wesentlicher Teil des DSDS-Konzepts. Sie begleiten ihr Urteil über die musikalischen Bemühungen der Kandidaten/-innen mit unterhaltsam gemeinten, oft aber bissigen und die Grenzen des guten Geschmacks übersteigenden Kommentaren und tragen maßgeblich zum Publikumserfolg der abendlichen Sendungen bei, indem sie eine Mischung aus Musikkritik, unterhaltsamer Information und Polemik präsentieren. Diese aktive und zum Teil hochdotierte Mitwirkung an den Unterhaltungsshows weist Elemente von Comedy, Satire, Improvisation und zielgruppengerichteter Fernsehunterhaltung auf, die auf einer eigenschöpferischen, höchstpersönlichen Leistung der Juroren beruhen und in ihrer Gesamtheit der darstellenden Kunst in Form der Unterhaltungskunst zuzuordnen sind. Dies gilt allgemein im Rahmen der neuen Formen der sachbezogenen TV-Unterhaltung (sog "factual entertainment"), wie sie zB in DSDS, "Big Brother" und "Germany's next Topmodel" dargeboten wird. Der Senat hat schon immer darauf hingewiesen, dass das Gesetz für die Einbeziehung einer Leistung in die Künstlersozialversicherung keine besondere Gestaltungshöhe voraussetzt. Az.: B 3 KS 4/08 R - RTL Television GmbH ./. Künstlersozialkasse Quelle: Pressemitteilung des BSG v. 01.10.2009 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 5. KG Berlin: Dokumentierende Online-Berichterstattung über Gerichtsverfahren rechtmäßig _____________________________________________________________ Das KG Berlin (Beschl. v. 10.09.2009 - Az.: 9 W 158/09) hat noch einmal bekräftigt, dass kein Verstoß gegen ein gerichtliches Unterlassungsverbot vorliegt, wenn die untersagte Äußerung im Rahmen einer dokumentierenden Online-Berichterstattung wiederholt wird. Die Richter bestätigen damit das erstinstanzliche Urteil des LG Berlin (Beschl. v. 19.05.2009 - Az.: 27 O 130/09). Dem Beklagten waren bestimme Äußerungen auf seiner Homepage gerichtlich durch eine einstweilige Verfügung verboten worden. Er berichtete gleichwohl über das betreffende Verbotsverfahren online. Der Kläger sah hierin eine Verletzung des gerichtlichen Verbots und beantragte daher Ordnungsmittel. Die Berliner Richter wiesen den Antrag als unbegründet zurück. Der Beklagte berichte auf seiner Webseite lediglich in dokumentarischer Form über die laufenden Gerichtsprozesse, insbesondere auch solche, die ihn selbst beträfen. Es sei nicht auszumachen, dass er die verbotene Äußerung erneut vornehmen wolle. Vielmehr gehe es ihm um eine justizkritische Beurteilung der Angelegenheit. Ein Verstoß gegen das gerichtliche Verbot sei nicht erkennbar, so dass der Ordnungsmittelantrag abzulehnen sei. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. OLG Hamm: Kartenverkäufer muss bei Absage des Konzerts Verkaufspreis nicht zurück erstatten _____________________________________________________________ Das OLG Hamm (Urt. v. 30.07.2009 - Az.: 4 U 69/09) hat entschieden, dass der Online-Wiederverkäufer von Konzertkarten grundsätzlich nur den Zugang zur Veranstaltung schuldet, jedoch keine Gewährleistung für die Durchführung des Konzertes trifft. Die Beklagte veräußerte gewerblich auf einer Online-Plattform Konzertkarten. Sie verwandte dabei nachfolgende Klausel: "Sofern das Konzert … abgesagt wird, wird dem Kunden vom Verkäufer das Recht eingeräumt, die Eintrittskarte/n unverzüglich, spätestens jedoch eine Woche nach Absage des Konzerts … an den Verkäufer an obig angegebenen Anschrift zurückzusenden. Maßgeblich ist das Datum der Absendung der Karte/n. Sofern der Verkaufspreis der Karte/n nicht unter dem abgedruckten Kartenpreis liegt, wird dem Kunden der Kartenpreis, ansonsten lediglich der Verkaufspreis zurückerstattet." Die Klägerin, eine Mitbewerberin, sah hierin eine unzulässige und somit wettbewerbswidrige Bestimmung. Diese Ansicht teilten die Hammer Richter nicht. Die Juristen wiesen die Klage vielmehr ab. Die AGB der Beklagten seien rechtlich zulässig. Der Kauf von Konzertkarten im Internet stelle einen Rechtskauf dar. Die Karte sei ein sogenanntes Legitimationspapier, das dem jeweiligen Inhaber das Recht des Zugangs zum Konzert einräume. Der Kartenverkäufer habe seinen Vertrag dann erfüllt, wenn er die Konzertkarte übereignet habe. Für die Durchführung des Konzertes sei er jedoch nicht verantwortlich, dies sei Sache des Veranstalters. Wird ein Konzert somit abgesagt, könne der Käufer den Veranstalter in Anspruch nehmen und von diesem den auf der Karte abgedruckten Kartenpreis erstattet verlangen. Der Kartenverkäufer dürfe seinen Gewinn behalten. Er sei dagegen nicht verpflichtet, verkaufte Karten bei Absage eines Konzerts zurückzunehmen. Räumt er seinen Kunden dennoch - wie hier - ein Rücktrittsrecht ein, um ihnen den Gang zum Veranstalter abzunehmen, so dürfe er durchaus das Rücktrittsrecht dahingehend beschränken, dass er dann nur die Rückzahlung des Kartenpreises und nicht des Verkaufspreises vornehme. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. VG Frankfurt a.M.: Glücksspiel per SMS rechtlich verboten _____________________________________________________________ Das VG Frankfurt a.M. (Urt. v. 17.06.2009 - Az.: 7 K 1307/09) hat entschieden, dass die Vermittlung von Glücksspielen, bei denen die Teilnahme u.a. auch via SMS erfolgen kann, untersagt werden kann. Es sei bei dieser Ausgestaltung nicht hinreichend sichergestellt, dass Minderjährige nicht doch teilnehmen könnten. Denn bei der eigentlichen Spielteilnahme, d.h. dem Verschicken der SMS, bestünde keine Altersverifikation mehr. Die glücksspielrechtlichen Regelungen verlangten jedoch eine solche Verifizierung, andernfalls könne - wie im vorliegenden Fall - keine Erlaubnis erteilt, sondern müsse vielmehr ein Verbot ausgesprochen werden. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. LG Hamburg: YouTube haftet als Mitstörer für unerlaubtes Video _____________________________________________________________ Das Videoportal YouTube haftet als Mitstörer für hochgeladene, rechtswidrige Videos, wenn ein Video trotz "Flagging", d.h. trotz konkreten Hinweises auf einen rechtswidrigen Inhalt, ohne Überprüfung auf das Portal gestellt wurde, so das LG Hamburg (Urt. v. 05.12.2008 - Az.: 324 O 197/08). Die Witwe des verstorbenen Präsidenten des Zentralrats der Juden ging gegen die Verbreitung eines Videos auf der bekannten Internet-Plattform YouTube vor. Das Video hatte einen rechtsradikalen Hintergrund, da es die Verbrennung eines Fotos des verstorbenen Mannes der Klägerin vor einem Hakenkreuz zeigte. Seit 2007 befand sich das Video in dem englischsprachigen Internetangebot. Ein halbes Jahr später kam es durch eine Mitarbeiterin von YouTube zum "Flagging" des Videos. Die "Flagging"-Funktion diente dazu, vermeintlich rechtswidrige Videobeiträge zu kennzeichnen und zu überprüfen. Ende 2007 erfolgte die Einführung der deutschsprachigen YouTube-Version. Dort war das Video trotz "Flagging" noch auffindbar. Die Klägerin war der Auffassung, dass YouTube für die Rechtsverletzungen als Mitstörer hafte und begehrte gerichtliche Entscheidung. Zu Recht wie die Hamburger Juristen entschieden. Nach den Grundsätzen der Störerhaftung hafte das Videoportal aufgrund der Verletzung von Prüfungspflichten für diese Rechtsverletzung. Jedenfalls aufgrund des "Flaggings" sei über Monate eindeutig gewesen, dass auf der Internetplattform das rechtswidrige Video abrufbar gewesen sei. YouTube habe durch sein eigenes "Frühwarnsystem" Kenntnis über das Video gehabt und es trotzdem beim Start der deutschsprachigen Version auf der Plattform gelassen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. LG Hamburg: TV Movie durch Kündigung von TV-Sender ProSieben und Sat.1 benachteiligt _____________________________________________________________ Die Kündigung sämtlicher Vereinbarungen über die Belieferungen der TV-Basisinformationen durch die ProSiebenSat.1-Senderfamilie stellt einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung dar und verletzt die Rechte der Zeitschriften-Verlage "TV Movie" und "TV Movie Digital", so das LG Hamburg (Beschl. v. 10.06.2009 - Az.: 315 O 650/08). Die Antragsgegnerin war die ProSiebenSat.1-Senderfamilie. In der Vergangenheit war es üblich, dass die Antragsgegnerin den Zeitschriften "TV Movie" und "TV Movie Digital" Basisprogramminformationen kostenlos zur Verfügung stellten. Im Jahr 2008 führte die ISenderfamilie neue AGB ein, die für die Belieferung der Informationen eine Vergütung vorsahen. Die Zeitschriftenverlage weigerten sich die geänderten AGB anzunehmen, woraufhin die Antragsgegnerin sämtliche Vereinbarungen zwischen den Parteien kündigte. Dagegen wehrten sich die Antragsteller und ersuchten gerichtliche Hilfe.
Auf Law-Podcasting.de, dem 1. deutschen Anwalts-Audio-Blog, gibt es heute einen Podcast zum Thema "Jubiläums-Podcast: Wie ich einmal fast vom Stuhl fiel".
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