Zurück
Newsletter vom 24.05.2023
Betreff: Rechts-Newsletter 21. KW / 2023: Kanzlei Dr. Bahr


1. EuGH: Vergessene Widerrufsbelehrung bei vollständig erbrachter Dienstleistung = kein Vergütungsanspruch und kein Wertersatz

2. BGH: Süddeutsche durfte Zitate aus dem Tagebuch im Cum-Ex-Skandal veröffentlichen

3. OLG Dresden: Online-Vermittlungs-Provision für Neukunden von Anwälten verboten = Affiliate-Vertrag unwirksam

4. VGH München: Gericht muss anonymisierte Fassung eines Strafbefehls an Journalisten herausgeben

5. OLG Nürnberg: Falsche Blickfangwerbung kann nicht durch Fussnoten-Hinweise richtiggestellt werden

6. LG Hannover: Auf Online-Bewertungen, für die Käufer finanzielle Vorteile erhält, muss explizit aufgeklärt werden

7. LG Leipzig: Online-Werbung "Wir verkaufen Ihre Immobilie zum Bestpreis" ist irreführend

8. LG München I: Telefonica darf keine Positivdaten an SCHUFA und andere Auskunfteien melden

9. Irische Datenschutzbehörde: 1,2 Milliarden EUR Strafe für Meta wg. unerlaubtem US-Datentransfer

10. Video zu Webinar "Update 2023: Werbeeinwilligungen nach DSGVO und UWG" ist online

Die einzelnen News:

____________________________________________________________

1. EuGH: Vergessene Widerrufsbelehrung bei vollständig erbrachter Dienstleistung = kein Vergütungsanspruch und kein Wertersatz
_____________________________________________________________

Der EuGH hat eine wichtige Grundlagen-Entscheidung zum Widerrufsrecht bei Dienstleistungen gefällt. Danach hat ein Unternehmen selbst im Falle einer vollständig erbrachten Dienstleistung keine Vergütung und keinen Wertersatzanspruch, wenn keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erfolgte (EuGH, Urt. v. 17.05.2023 - Az.: C-97/22).

Der Beklagte, eine Verbraucher, schloss mit dem klägerischen Unternehmen einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses. Eine Widerrufsbelehrung erfolgte nicht.

Nachdem die Firma die Leistungen vollständig erbracht hatte, weigerte sich der Beklagte, die Rechnung zu bezahlen und verwies auf die unzureichenden fernabsatzrechtliche Belehrung.

Zu Recht, wie der EuGH nun entschied.

In einem solchen Fall sperrten die Widerrufsvorschriften jeden Ersatzanspruch des Unternehmens:

"Daraus folgt, dass in dem Fall, dass der betreffende Unternehmer es vor Abschluss eines Vertrags außerhalb von Geschäftsräumen (...) unterlässt, einem Verbraucher die (...) Informationen bereitzustellen, und der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt (...), Art. 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i und Art. 14 Abs. 5 dieser Richtlinie den Verbraucher von jeder Verpflichtung befreien, diesem Unternehmer den Preis für die von ihm während der Widerrufsfrist erbrachten Dienstleistung zu zahlen."

Auch ein Ausgleichsanspruch für den erlangten Wertzuwachs komme nicht in Betracht:
"Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob dieser so vom Verbraucher erzielte Vermögenszuwachs nicht dem Grundsatz des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung zuwiderläuft.

 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie (...) den Zweck verfolgt, (...) ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (...).

Um dieses Ziel zu erreichen, nimmt diese Richtlinie (...) eine vollständige Harmonisierung bestimmter wesentlicher Aspekte der Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern vor (...). In diesem Zusammenhang verpflichtet Art. 4 der Richtlinie die Mitgliedstaaten – sofern sie nichts anderes bestimmt – dazu, innerstaatliche Rechtsvorschriften weder aufrechtzuerhalten noch einzuführen, die von dem in der Richtlinie (.-..) vorgesehenen Verbraucherschutzniveau abweichen."


Zusammengefasst lautet die Entscheidung des EuGH:
"... (...) sind dahin auszulegen, dass sie einen Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreien, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags erbracht wurden, wenn ihm der betreffende Unternehmer die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i nicht übermittelt hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat."

Anmerkung:
Eine äußerst praxisrelevante und für jeden Dienstleister, der im B2C-Bereich Dienstleistungen erbringt, essenzielle Gerichtsentscheidung.

Denn im Falle einer vergessenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung wird der Dienstleister doppelt "bestraft": Er verliert nicht nur seinen Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen, sondern er erhält auch keinerlei Ausgleichsanspruch für eingebaute Produkte.

zurück zur Übersicht

_____________________________________________________________

2. BGH: Süddeutsche durfte Zitate aus dem Tagebuch im Cum-Ex-Skandal veröffentlichen
_____________________________________________________________

Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass private Tagebuchaufzeichnungen, die von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt worden sind, keine "amtlichen Dokumente" des Strafverfahrens im Sinne von § 353d Nr. 3 StGB darstellen. Er hat das gegenüber einem Presseverlag ausgesprochene Verbot der wörtlichen Wiedergabe von Tagebuchauszügen aufgehoben.

Sachverhalt:
Der Kläger ist Bankier. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften. Im Jahr 2018 wurden die Tagebücher des Klägers im Rahmen des Ermittlungsverfahrens beschlagnahmt.

Die Beklagte veröffentlichte auf der von ihr betriebenen Internetseite www.sueddeutsche.de am 4. September 2020 unter der Überschrift "Notizen aus der feinen Gesellschaft" einen Artikel, der sich mit einer möglichen Einflussnahme der Hamburger Politik auf Entscheidungen der Finanzbehörden im Zusammenhang mit Steuerrückforderungen nach Cum-Ex-Geschäften beschäftigt. Die Beklagte zitierte in diesem Artikel wörtlich aus den Tagebüchern, deren Inhalt ihr nach der Beschlagnahme bekannt geworden ist. Der in dem Artikel behandelte Verdacht einer möglichen Einflussnahme der Hamburger Politik auf Entscheidungen der Finanzbehörden ist Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Hamburg.

Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Veröffentlichung von 16 Textpassagen verboten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Es hat das vom Landgericht ausgesprochene Verbot lediglich in Hinblick auf zwei Textpassagen eingeschränkt, die zwischenzeitlich von Anwälten des Klägers in Sitzungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses verlesen worden waren. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die Revision hatte Erfolg.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Unterlassung der wörtlichen Wiedergabe der beanstandeten Textpassagen aus seinen Tagebüchern zu.

Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGB, § 353d Nr. 3 StGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung eines Schutzgesetzes.

Die Bestimmung in § 353d Nr. 3 StGB kann, so wie sie bislang und auch von den Vorinstanzen verstanden worden ist, nicht als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden. Zwar dient die Norm auch dem Schutz des von einem Strafverfahren Betroffenen vor einer vorzeitigen Bloßstellung. Nach dem Wortlaut und dem bisherigen Verständnis lässt die Norm aber die abstrakte Gefährdung der von ihr geschützten Rechtsgüter genügen.

Auf die Frage, ob die Schutzgüter durch die in Rede stehende Veröffentlichung im konkreten Einzelfall tatsächlich beeinträchtigt oder gar verletzt worden sind, kommt es danach nicht an. Sie setzt insbesondere nicht die sonst zur Feststellung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung erforderliche einzelfallbezogene Abwägung der widerstreitenden Interessen voraus.

Mit dem Inhalt, der der Norm nach dem Wortlaut und dem bisherigen Verständnis zukommt, kann die Bestimmung damit im Einzelfall in Konflikt mit Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK geraten.

Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des Normengefüges ist es haftungsrechtlich nicht vertretbar, den zivilrechtlichen Rechtsgüterschutz in der Weise vorzuverlagern, dass die deliktische Einstandspflicht unabhängig von einer tatsächlich eingetretenen Beeinträchtigung des Schutzguts und losgelöst von einer einzelfallbezogenen Abwägung mit den entgegenstehenden Rechten Dritter aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK an die abstrakte Gefahr der Bloßstellung eines Verfahrensbetroffenen geknüpft wird.

Die Belange der Verfahrensbetroffenen sind auch ohne die Verwirklichung einer so weitgehenden Rechtsfolge ausreichend abgesichert. Ihnen stehen Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu, sofern sie durch eine Berichterstattung über den Inhalt amtlicher Schriftstücke in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt werden.

Unabhängig davon sind auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 353d Nr. 3 StGB nicht erfüllt. Bei den privaten Tagebuchaufzeichnungen des Klägers, die aufgrund eines von der Staatsanwaltschaft erwirkten Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Köln beschlagnahmt wurden, handelt es sich nicht um "amtliche Dokumente" des Strafverfahrens. In Hinblick auf die Gewährleistungen in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK und Art. 103 Abs. 2 GG verbietet sich ein weites Begriffsverständnis.

Die Bestimmung erfasst daher nicht die Aufzeichnungen privater Urheber. Derartige Aufzeichnungen verwandeln sich nicht dadurch in amtliche Dokumente, dass sie von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt worden sind oder in sonstiger Weise zu Zwecken des Verfahrens in den Gewahrsam einer daran mitwirkenden Behörde gelangen.

Hätte der Gesetzgeber auch Dokumente privater Urheber dem Tatbestand des § 353d Nr. 3 StGB unterstellen wollen, so hätte er dies durch die Bezeichnung "amtlich verwahrte Dokumente" klar zum Ausdruck bringen können und angesichts seiner Verpflichtungen aus Art. 103 Abs. 2 GG auch zum Ausdruck bringen müssen.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB. Zwar berührt die wortlautgetreue Wiedergabe von Auszügen aus den Tagebüchern des Klägers sein allgemeines Persönlichkeitsrecht in den Ausprägungen der Vertraulichkeitssphäre und des sozialen Geltungsanspruchs.

Die Beeinträchtigung der Vertraulichkeitssphäre und des sozialen Geltungsanspruchs des Klägers ist aber nicht rechtswidrig. Das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit. Die Rechte des Klägers sind durch wörtliche Wiedergabe seiner Tagebuchaufzeichnungen nur in verhältnismäßig geringem Maß beeinträchtigt worden. Demgegenüber kommt dem Grundrecht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit im Streitfall ein besonders hohes Gewicht zu.

Mit der wortlautgetreuen Wiedergabe der Tagebuchaufzeichnungen hat die Beklagte einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit in höchstem Maße berührenden Frage geleistet, die auch Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Hamburg ist. Das überragende Informationsinteresse der Öffentlichkeit erstreckt sich auch auf die Wiedergabe der Tagebuchaufzeichnungen im Wortlaut.

Den wörtlichen Zitaten kommt ein besonderer Dokumentationswert im Rahmen der Berichterstattung zu. Sie dienen dem Beleg und der Verstärkung der Aussage der Beklagten, es dränge sich der Verdacht auf, dass hochrangige Hamburger Politiker Einfluss auf Entscheidungen der Finanzbehörden im Zusammenhang mit Steuerrückforderungen nach Cum-Ex-Geschäften genommen hätten. Dies hat der Kläger hinzunehmen.

Urteil vom 16. Mai 2023 - VI ZR 116/22

Vorinstanzen:
LG Hamburg - 324 O 502/20 - Urteil vom 5. März 2021
OLG Hamburg - 7 U 25/21 - Urteil vom 22. März 2022

Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 17.05.2023

zurück zur Übersicht

____________________________________________________________

3. OLG Dresden: Online-Vermittlungs-Provision für Neukunden von Anwälten verboten = Affiliate-Vertrag unwirksam
_____________________________________________________________

Berechnet eine Online-Plattform Anwälten eine Vermittlungs-Provision für das Anbieten von Neukunden, so liegt hierin ein Rechtsverstoß vor, der zu Unwirksamkeit des Vertrages führt, sodass der Affiliate keinen Vergütungsanspruch hat (OLG Dresden, Urt. v. 06.04.2023 - Az.: 8 U 1883/22).

Die klägerische Webseite hatte Neukunden an die Beklagte, eine Anwaltskanzlei, die auf das Straßenverkehrsrecht spezialisiert war, vermittelt und wollte nun rund 235.000,- EUR hierfür haben. In der Vergangenheit war bereits eine Vergütung von knapp 4 Mio. EUR geflossen.

Das OLG Dresden lehnte den Anspruch ab, da die Parteien mit dem Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hätten. § 49 b Abs.3 BRAO bestimme nämlich, dass ein Anwalt für die Mandantenvermittlung keine Provisionen bezahlen dürfe:

"Die Vereinbarung der Parteien verstößt aber gegen ein gesetzliches Verbot und ist deshalb nach § 134 BGB nichtig. § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO bestimmt, dass die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, unzulässig ist.

Kern des Rechtsstreits ist die - hier zu bejahende - Frage, ob die Klägerin von der Beklagten mit der Lizenzgebühr eine Vergütung für die Vermittlung von Mandanten erhalten sollte. Mit dem Provisionsverbot soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten; die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate "gekauft" und "verkauft" werden (...)."


Auch die Argumentation der Klägerin, die in Rechnung gestellten Leistungen seien gar nicht für die Vermittlung, sondern lediglich für allgemeine Dienstleistungen, überzeugte das Gericht nicht:
"Daran gemessen verstößt das von den Parteien praktizierte Geschäftsmodell in der gewählten Form gegen das Provisionsverbot.

Die Klägerin versucht darzulegen, dass ihre Dienstleistungen nicht in der Mandatsvermittlung liegen, sondern sie im Ergebnis nur Interessenten zusammenbringe und eine Infrastruktur vergütungspflichtig bereitstelle. Es handele sich nicht um die Vermittlung von Aufträgen, sondern um das Erfassen von Daten, deren Nutzung den Beteiligten (Kanzlei und Interessent) die Möglichkeit eröffne, miteinander Verträge zu schließen.

Dieses Zusammenbringen von Interessent (Betroffener in einem Bußgeldverfahren) und Partnerkanzlei ist aber in der konkreten Ausgestaltung durch die Parteien nichts anderes als eine Vermittlung von Mandaten, weil der sog. Lead erst an die Partnerkanzlei weitergeleitet wird, wenn der Interessent die Vollmacht eingereicht hat und weil eine Vergütung an das konkrete Mandat anknüpft.

Soweit die Klägerin der Meinung ist, auf ein Zustandekommen eines Mandats nach Akteneinsicht habe sie keinen Einfluss, mag das richtig sein, es ändert aber nichts daran, dass sie Mandate vermittelt, nämlich bereits solche zur Akteneinsicht und damit zur außergerichtlichen Vertretung. Darauf weist die Beklagte zutreffend hin. Beide Parteien tragen vor, der von der Klägerin generierte Lead erreiche nur dann die Partnerkanzlei, wenn der Interessent die Vollmacht der Partnerkanzlei, die ihm von der Klägerin elektronisch übersandt wird, an die Klägerin zurücksende. (...)

Die von den Parteien praktizierte Form der Vergütung für Mandatsakquise, die der Berechnung der streitgegenständlichen Forderung zugrunde liegt, stellt sich als erfolgsbezogene Vergütung für die Vermittlung von konkreten Mandanten und nicht nur als Werbung oder die anwaltliche Tätigkeit unterstützende Dienstleistungen durch das Bereitstellen einer Software dar."


Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Dieses Provisionsverbot gibt es nicht nur bei Rechtsanwälten, sondern darüber hinaus auch bei einer Vielzahl von weiteren verkammerten Berufen, z.B. Steuerberatern. So hat beispielsweise das OLG Köln (Urt. v. 08.04.2021 - Az.: 6 U 143/21) Mitte 2022 eine Vermittlungs-Provision bei Steuerberatern für wettbewerbswidrig eingestuft.

Durch den Verstoß gegen das gesetzliche Verbot ist der geschlossene Affiliate-Vertrag unwirksam und es somit kein Zahlungsanspruch. Aber nicht nur das: Da der Vertrag von Beginn an nichtig ist, steht ebenso im Raum, ob nicht die bereits geflossenen Gelder iHv. 4 Mio. EUR möglicherweise zurückgefordert werden können.

zurück zur Übersicht

____________________________________________________________

4. VGH München: Gericht muss anonymisierte Fassung eines Strafbefehls an Journalisten herausgeben
_____________________________________________________________

Mit Beschluss von gestern hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass das Amtsgericht Erding verpflichtet ist, einem Journalisten eine anonymisierte Fassung eines bereits rechtskräftigen Strafbefehls herauszugeben.

Das Amtsgericht Erding hatte einen entsprechenden Antrag eines Journalisten auf Übersendung des anonymisierten Strafbefehls abgelehnt. Zur Begründung der Ablehnung hatte das Amtsgericht auf die Besonderheiten des Strafbefehlsverfahren verwiesen, wo- nach eine Verurteilung ohne mündliche Verhandlung erfolgen kann. Eine Publikationspflicht zur Veröffentlichung des Strafbefehls bestehe anders als bei Strafurteilen mangels mündlicher Verhandlung nicht.

Das Verwaltungsgericht München hatte den Freistaat Bayern als Rechtsträger des Amts- gerichts auf Antrag des Journalisten in erster Instanz verurteilt, innerhalb einer Woche nach Rechtskraft der Entscheidung eine anonymisierte Fassung des Strafbefehls an den Journalisten herauszugeben. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des vom Strafbefehl Betroffenen, den das Verwaltungsgericht zum Verfahren beigeladen hatte.

Der BayVGH hat nunmehr mit seinem Beschluss die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München bestätigt und den presserechtlichen Auskunftsanspruch im vorliegenden Fall bejaht. Die allgemein anerkannte Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen umfasse auch Strafbefehle. Die Publikationspflicht sei nicht deshalb zu verneinen, weil der Strafbefehl ohne mündliche Verhandlung erging.

Der streitgegenständliche Strafbefehl sei eine veröffentlichungswürdige Entscheidung, weil – wie die konkrete Presseanfrage zeige – an dessen Herausgabe ein öffentliches Interesse bestehe. Das Verwaltungsgericht München sei ferner zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Informationsinteresse des Journalisten im konkreten Einzelfall der Vorzug gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Beigeladenen zukomme.

Zu berücksichtigen sei, dass der Strafbefehl hier auch die geschäftlichen Beziehungen des Beigeladenen zu Dritten betreffe und damit der im Vergleich zur Intim- oder Privatsphäre weniger schutzwürdigen Sozialsphäre zuzurechnen sei.

Gegen den Beschluss des BayVGH gibt es kein Rechtsmittel.

(BayVGH, Beschluss vom 15. Mai 2023, Az. 7 CE 23.666)

Quelle: Pressemitteilung des VGH München v. 16.05.2023

zurück zur Übersicht

____________________________________________________________

5. OLG Nürnberg: Falsche Blickfangwerbung kann nicht durch Fussnoten-Hinweise richtiggestellt werden
_____________________________________________________________

Eine objektiv falsche Blickfangwerbung kann nicht durch entsprechende Hinweise in einer Fußnote richtiggestellt werden (OLG Nürnberg, Beschl. v.  23.12.2022  - Az.: 3 U 1720/22).

Das verklagte Möbelhaus warb mit der Aussage

"39 % in ALLEN Abteilungen
Tische& Stühle, Betten, Sofas, Küchen, Reduzierte Waren, Große Marken, Haushalt, Teppiche, Lampen, Deko, Gardinen"

In der Fußnote der Anzeige hieß es dann:
"(...) gewährt Ihnen folgenden Rabatt: Auf Möbel, Küchen und Matratzen sowie auf Artikel der Abteilungen Haushalt, Geschenke, Dekoration, Bettwaren, Gardinen, Leuchten und Teppiche „39 % in allen Abteilungen“. Ausgenommen von diesem Rabatt sind Kaufgutscheine, Bücher, anderweitig reduzierte Produkte, als „Tiefpreis“ oder „Aus unserer Werbung“ gekennzeichnete Artikel sowie Artikel der Marken Quooker, Oster, Leicht, Team7, Waiden, Möbelwerke, Leonardo, ASA Selection, Silit, WMF, Joop!, Paulmann Licht, Vossen und Cawö."

Das OLG Nürnberg bewertete die Aussage "39 % in ALLEN Abteilungen" als objektiv falsche Werbung, die auch nicht mehr durch etwaige Klarstellungen in den Fußnoten korrigiert werden könne:
"Handelt es sich um eine falsche Angabe zu einer leicht nachprüfbaren, objektiven Tatsache, für die es keinen vernünftigen Grund gibt (...), bzw. eine leicht zu vermeidende, eindeutig falsche Werbeaussage, für die kein vernünftiger Anlass besteht (...), liegt eine sogenannte „dreiste Lüge“ vor. In einem solchen Fall der objektiven Unrichtigkeit kann der erzeugte Irrtum nicht durch einen erläuternden Zusatz in Form einer Fußnote oder ähnlichem richtiggestellt werden (...).

In anderen Fällen, in denen eine blickfangmäßig herausgestellte Angabe in einer Werbung bei isolierter Betrachtung eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, kann der dadurch veranlasste Irrtum durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der selbst am Blickfang teilhat."


Und weiter:
"Es handelt sich bei der Angabe "39 % in ALLEN Abteilungen (...)"  um eine Blickfangwerbung.  (...).

Diese Werbeaussage enthält (teilweise) objektiv unzutreffende Angaben, bei denen die Unrichtigkeit eindeutig sowie leicht zu vermeiden ist. Der dadurch erzeugte Irrtum kann nicht durch einen erläuternden Zusatz in Form einer Fußnote oder ähnlichem richtiggestellt werden.

Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen die Aussage (...) dahingehend, dass in allen Abteilungen auch ein nicht unwesentlicher Teil von bereits reduzierten Waren von dem Rabattangebot profitiert.

Diese für den Verbraucher eindeutige Werbeaussage ist objektiv unzutreffend, da „anderweitig reduzierte Produkte“ von dem Angebot ausgenommen sind. Es handelt sich daher dabei nicht nur um eine präzisierungsbedürftige Unklarheit oder Halbwahrheit, sondern um eine falsche Angabe zu einer leicht nachprüfbaren, objektiven Tatsache."



zurück zur Übersicht

_____________________________________________________________

6. LG Hannover: Auf Online-Bewertungen, für die Käufer finanzielle Vorteile erhält, muss explizit aufgeklärt werden
_____________________________________________________________

Bei Bewertungen eines Online-Shops, für die ein Käufer finanzielle Vorteile erhält, muss gesondert auf diesen Umstand hingewiesen werden, damit der Verbraucher, der die Rezensionen liest, entsprechend informiert ist (LG Hannover, Urt. v. 22.12.2022 - Az.: 21 O 20/21).

Die Beklagte vertrieb Möbel im Online-Handel und warb mit Bewertungen ihrer Kunden auf der Webseite. U.a. erhielten Käufer bestimmte finanzielle Vorteile je Bewertung (100 X Points = 1 EUR), die sie abgaben.

Das LG Hannover stufte diese Ausgestaltung als rechtswidrig ein:

Wenn für die jeweiligen Kundenbewertungen finanzielle Anreize gewährt würden, müsse dies bei der Wiedergabe der Käuferaussagen entsprechend erklärt werden.

"Einträge in Bewertungsportalen, die Erfahrungen von Nutzern mit einem Produkt oder einem Unternehmen wiedergeben, sind für viele Verbraucher eine überaus wichtige Informationsquelle, auch wenn sie subjektiv gefärbten positiven wie negativen Bewertungen erfahrungsgemäß mit größerer Skepsis begegnen. Jedenfalls erwarten die Verbraucher, dass der Bewerter dafür kein Entgelt bekommen hat und dass es sich auch um keine gekauften erfundenen Beiträge handelt. (...)

Der Verkehr wird bei Produktbewertungen grds. davon ausgehen, dass diese grds. ohne Gegenleistung erstellt werden. Er mag den Bewertungen zwar nicht den gleichen Stellenwert einräumen wie redaktionellen Beiträgen, jedoch davon ausgehen, dass die Bewerter die Produkte auf Grund eines eigenen Kaufentschlusses erworben haben und nunmehr ihre Bewertung unbeeinflusst von Dritten mitteilen. "


Und weiter:
"So liegen die Dinge hier.

Die Bewertungen sind hier zumindest teilweise nicht frei und unabhängig abgegeben worden. Es ist davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bewertungen nur deshalb abgegeben wurde, weil die Bewerter durch X-points belohnt wurden. Es liegt auch auf der Hand, dass solche Bewertungen eher positiv ausfallen. Es ist damit zwar keine bezahlte Empfehlung im Wortsinn gegeben. Gleichwohl sind die Bewertungen nicht als objektiv anzusehen (....)."


Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die Gewährung von Incentives für Kundenbewertungen ist also nicht grundsätzlich verboten, sondern durchaus möglich.

In einem solchen Fall muss dann jedoch bei Wiedergabe der Kundenbewertungen hinreichend deutlich und transparent auf diesen Umstand hingewiesen werden. Andernfalls liegt ein Wettbewerbsverstoß vor.

zurück zur Übersicht

_____________________________________________________________

7. LG Leipzig: Online-Werbung "Wir verkaufen Ihre Immobilie zum Bestpreis" ist irreführend
_____________________________________________________________

Die Online-Werbung "Wir verkaufen Ihre Immobilie zum Bestpreis"  ist eine irreführende Alleinstellungsbehauptung (LG Leipzig, Urt. v. 13.07.2022 - Az.: 05 O 555/22).

Das verklagte Online-Portal warb u.a. mit der Aussage

"Wir verkaufen Ihre Immobilie zum Bestpreis" .

Das LG Leipzig stufte dies als unzulässige Alleinstellungswerbung ein und verbot die Aussage:
"Wird eine Werbung von einem erheblichen Teil des Publikums dahin verstanden, dass der Werbende allgemein oder in bestimmter Hinsicht für sich eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch nimmt, so liegt eine Werbung mit Alleinstellung vor."

Und weiter:
"Dies ist hier der Fall, weil die typische Ausdrucksweise für eine derartige Selbsteinschätzung die Verwendung des Superlativs ist (...). Nicht anders verhält es sich bei der hier verwendeten Wendung “Bestpreis”. Eine solche Alleinstellungsbehauptung ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie wahr ist (...).

Hinzukommen muss, dass der Werbende einen nach Umfang und Dauer deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern hat und dass dieser Vorsprung auch eine Aussicht auf gewisse Stetigkeit bietet (...).

Hieran fehlt es aber vorliegend. Auch der Beklagte vermag keine Umstände aufzuzeigen, die gerade seiner Tätigkeit eine außergewöhnlich günstige Preisgestaltung für Verkäufer zuschreiben kann.

Schließlich trifft auch seine Auffassung nicht zu, es handele sich nicht um eine Spitzen- oder Alleinstellungswerbung, sondern lediglich um eine allgemeine reklamehafte Anpreisung für eine Maklertätigkeit ohne Aussagegehalt. Das OLG Hamburg hat überzeugend herausgearbeitet (...), dass “der bei einem Hausverkauf erzielte Preis (…) ohne Weiteres eine messbare Größe und nicht lediglich eine nichtssagende reklamehafte Anpreisung (ist), mag die Nachprüfbarkeit im Einzelfall auch schwierig sein”



zurück zur Übersicht

_____________________________________________________________

8. LG München I: Telefonica darf keine Positivdaten an SCHUFA und andere Auskunfteien melden
_____________________________________________________________

Die nach Abschluss eines Telekommunikationsvertrages erfolgte Übermittlung von Positivdaten durch Telefonica  an die SCHUFA ist rechtswidrig. Weder der Vertrag  (Art. 6 Abs.1 b) DSGVO) noch berechtigte Interessen (Art. 6 Abs.1 f) DSGVO) sind ausreichende Rechtsgrundlagen für eine Übertragung (LG München I, Urt. v. 25.04.2023 - Az.: 33 O 5976/22).

Inhaltlich ging es um folgende Klausel von Telefonica:

"Wir übermitteln zum Schutz der Marktteilnehmer vor Forderungsausfällen und Risiken personenbezogene Daten über die Beantragung, Aufnahme und Beendigung des Telekommunikationsvertrages (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Information  über  den Abschluss dieses Telekommunikationsvertrags, Referenz zum Vertrag) an die SCHUFA, wenn sich dahingehend aus den Verträgen eine hinreichende Relevanz ergibt (Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO)."

Telefonica übermittelte auf dieser Basis Positivdaten von seinen Kunden an die SCHUFA.

Positivdaten sind Informationen, die keine negativen Zahlungsinhalte beinhalten, aber gleichwohl für die Errechnung der Bonität einer Person von Relevanz sind (z.B. Beginn und Ende eines Vertrages).

Im vorliegenden Fall bewertete das LG München I sowohl Art. 6 Abs.1 b) DSGVO (= Vertrag) als auch Art. 6 Abs.1 f) DSGVO (= berechtigte Interessen) als nicht ausreichende Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung.

Art. 6 Abs.1 b) DSGVO (= Vertrag):

"Die Datenverarbeitung ist nicht von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) DSGVO gedeckt, weil die Beklagte mit den Kunden auch ohne Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien Verträge abschließen kann und diese Datenübermittlung zur Erfüllung des Vertrages bzw. zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen nicht erforderlich ist.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass auch nach Einstellung der beanstandeten Datenübertragung durch die Beklagte bis zur Klärung der Rechtslage weiterhin entsprechende Verträge geschlossen und abgewickelt werden.

Das Vertragsverhältnis steht und fällt auch nicht mit der Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien."


Art. 6 Abs.1 f) DSGVO (= berechtigte Interessen):
"Die Datenverarbeitung ist auch nicht von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO gedeckt, da die Interessen der Betroffenen an dem Schutz ihrer Daten und deren Grundrechte die Interessen der Beklagten an der Übermittlung der Positivdaten an die Auskunftei überwiegen.

Die Kammer legt bei ihrer gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO zu treffenden Abwägung zugrunde, dass verschiedene Interessen grundsätzlich auch für die Übermittlung von sog. Positivdaten sprechen.

Allen voran ist insoweit die auch aus Sicht der Beklagten als Verantwortliche im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO hervorgehobene Betrugsprävention und die damit verbundene Schadensvermeidung im zweistelligen Millionenbereich zu nennen, welche u. a. durch eine Identitätsprüfung auf der Basis der Positivdaten bzw. die Verhinderung eines Identitätsdiebstahls durch den Abgleich mit Positivdaten erreicht werden soll. (...)

Es kann auch unterstellt werden, dass die Meldung entsprechender Daten bzw. deren Austausch über die Auskunftei der Reduzierung des Kredit- und des Ausfallrisikos der Beklagten und einer frühzeitigen Kundenbindung sowie einer höheren Abschlussquote (wegen gesteigerter Annahmequoten) dient.

Auch kann ein gesamtwirtschaftliches general- und spezialpräventives Interesse an der Betrugsbekämpfung und -prävention, ein Interesse an einer besseren finanziellen Inklusion von finanziell schwächeren Verbrauchern und auch an verbesserten Chancen zum Vertragsabschluss unterstellt werden."


Und weiter: Es seien auch vergleichbare, weniger intensive Möglichkeiten machbar:
"Es gibt, jedenfalls in Bezug auf einen Teil der verfolgten Interessen, im Vergleich zur streitgegenständlichen Einmeldung der Positivdaten mildere Mittel, d. h. Mittel, die bei gleicher Effektivität ohne einen vergleichbaren Eingriff in die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen auskommen.

So ist etwa mit Blick auf eine Verbesserung von Abschlussquoten, eine Erhöhung der Chancen zum Abschluss eines Erstvertrages sowie eine frühzeitige Kundenbindung eine Anpassung des Leistungskonzepts der Beklagten, z. B. durch Vertragsmodelle mit geringeren kreditorischen Risiken oder die Einstellung von mehr (qualifiziertem) Personal zur Kundenwerbung-, Kundenbetreuung und Kundenbewertung ein milderes, aber mit Blick auf den verfolgten Zweck gleich effektives Mittel.

Neue Leistungskonzepte ohne erhöhtes kreditorisches Risiko und eine (personal)intensivere Akquise mit höheren Kontrollschwellen stellen auch in Bezug auf das Ziel des Schutzes des Einzelnen vor Überschuldung sowie der Reduktion eines Kredit- und Ausfallrisikos ein milderes Mittel als die anlasslose Einmeldung von Positivdaten aller Kunden dar.

Hinsichtlich des Interesses an einer besseren Inklusion finanziell schwächerer Verbraucher bzw. an insgesamt günstigeren Tarifen (die aus einer effektiven Betrugsbekämpfung resultieren können) besteht etwa die Möglichkeit, neue Tarifmodelle zu errechnen oder ggf. Kosten an anderer Stelle einzusparen.

Was etwaige (negative) Schlüsse aus kontextlosen Negativdaten bzw. nicht vorhandenen Daten und die etwaige „Chance“ des Verbrauchers auf die Verbesserung seines Scores durch das Vorhandensein von Positivdaten betrifft, ist es ein milderes - und mit Blick auf die wenig umfassende Erhebung letztlich auch angezeigtes - Mittel, keine negativen Schlüsse aus nicht vorhandenen Daten zu ziehen.

Das Interesse der Auskunfteien an den Positivdaten in Bezug auf eine Verbesserung ihrer Scoreberechnung und auch als Basis ihres Geschäftsmodells könnte schließlich auf der Basis von mit Einwilligung erteilten personenbezogenen Daten erfolgen."


Und weiter: Außerdem würden nicht hinreichend die Interessen des einzelnen betroffenen Verbrauchers berücksichtigt:
"Ungeachtet etwaiger milderer Mittel verkennt die Beklagte in Bezug auf die Gesamtheit der von ihr benannten Interessen, auch mit Blick auf das grundsätzlich legitime general- und spezialpräventive Interesse der Betrugsbekämpfung, des Schutzes vor Identitätsdiebstahl und einer - durch Schutz vor Straftaten - Schadensreduktion im zweistelligen Millionenbereich, die Intensität des Eingriffs, welcher aus der pauschalen Ermächtigung zur Einmeldung von Positivdaten auf der Grundlage der von ihr verwendeten Klausel ausgeht, sowie das Gewicht der geschützten Interessen der von Einmeldung betroffenen Verbraucher, was die streitgegenständliche Datenübermittlung im Ergebnis unverhältnismäßig macht."

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

zurück zur Übersicht

_____________________________________________________________

9. LG Köln: Irische Datenschutzbehörde: 1,2 Milliarden EUR Strafe für Meta wg. unerlaubtem US-Datentransfer
_____________________________________________________________

Wie die Irische Datenschutzbehörde in einer Pressemitteilung erklärt, hat sie ein Geldstrafe von 1,2 Milliarden EUR gegen Meta verhängt.

Es geht dabei um den unerlaubten US-Datentransfer von personenbezogenen Informationen von Europa in  die Vereinigten Staaten:

"The inquiry was initially commenced in August 2020, and was subsequently stayed by Order of the High Court of Ireland, pending the resolution of a series of legal proceedings, until 20 May 2021. Following a comprehensive investigation, the DPC prepared a draft decision dated 6 July 2022. Notably, it found that:

1. the data transfers in question were being carried out in breach of Article 46(1) GDPR; and
2. in these circumstances, the data transfers should be suspended.

Under a cooperation procedure mandated by the GDPR (Article 60), the draft decision prepared by the DPC was submitted to its peer regulators in the EU/EEA, also known as Concerned Supervisory Authorities (“CSAs”).  The nature of the processing under examination by the inquiry was such that all other EU/EEA Supervisory Authorities were engaged as CSAs for the purpose of the cooperation procedure.

On the question of Meta Ireland’s non-compliance with the GDPR, and the DPC’s proposal to make an order to suspend the data transfers, the CSAs agreed with the DPC’s decision."


Neben der Geldstrafe wurden dem Konzern auch weitreichende Umsetzungspflichten auferlegt:
"The EDPB adopted its decision on 13 April 2023.  Consistent with its obligations to adopt its final decision “on the basis of” the EDPB’s decision, the DPC’s decision of 12 May 2023 records the exercise of the following corrective powers by the DPC:
  1. an order, made pursuant to Article 58(2)(j) GDPR, requiring Meta Ireland to suspend any future transfer of personal data to the US within the period of five months from the date of notification of the DPC’s decision to Meta Ireland;
  2. an administrative fine in the amount of €1.2 billion (reflecting the EDPB’s determination that an administrative fine ought to be imposed, to sanction the infringement that was found to have occurred. The DPC determined the amount of the fine to be imposed by reference to the assessments and determinations that were included in the EDPB’s decision); and
  3. an order, made pursuant to Article 58 (2)(d) GDPR, requiring Meta Ireland to bring its processing operations into compliance with Chapter V of the GDPR, by ceasing the unlawful processing, including storage, in the US of personal data of EU/EEA users transferred in violation of the GDPR, within 6 months following the date of notification of the DPC’s decision to Meta Ireland."

Meta hat bereits mit einer eigenen Stellungnahme reagiert und angekündigt, sich rechtlich gegen die behördliche Maßnahme zu wehren. Das Unternehmen stellt dabei heraus, dass es sich um kein Facebook-bezogenes Einzelproblem handle, sondern der US-Datentransfer Tausende von Unternehmen in Europa betreffe und daher grundsätzlicher Natur sei:
  • "Thousands of businesses and organisations rely on the ability to transfer data between the EU and the US to operate and provide everyday services.
  • This is not about one company’s privacy practices — there is a fundamental conflict of law between the US government’s rules on access to data and European privacy rights, which policymakers are expected to resolve in the summer.
  • We will appeal the ruling, including the unjustified and unnecessary fine, and seek a stay of the orders through the courts.
  • There is no immediate disruption to Facebook in Europe."


zurück zur Übersicht

_____________________________________________________________

10. Video zu Webinar "Update 2023: Werbeeinwilligungen nach DSGVO und UWG" ist online
_____________________________________________________________

Das Video zu unserem letzten Webinar "Update 2023: Werbeeinwilligungen nach DSGVO und UWG"  ist ab sofort online zum Streamen und zum Download verfügbar. Zudem gibt es auch die Folien zum Download.

Inhalt des Vortrages war:

"Update 2023: Werbeeinwilligungen nach DSGVO und UWG"

Auch dieses Jahr – dem 4. Jahr in Folge - sind wir wieder am Start und freuen uns auf Sie!
Wie gewohnt gibt es auch 2023 ein großes Jahres-Update zum Thema Werbeeinwilligungen nach DSGVO und UWG. Welche neuen rechtlichen und tatsächlichen Entwicklungen gibt es in Sachen Werbeeinwilligungen? Welche neuen Urteile erleichtern dem Unternehmer das Leben? Und welche neuen Probleme sind aufgetaucht?

Das Webinar richtet sich an alle Unternehmen, die entweder beratend im Direktmarketing tätig sind oder die selbst eigene Direktmarketing-Aktivitäten durchführen.

Die Veranstaltung ist – wie in den Vorjahren – bewusst anders konzipiert. Sie bietet keinen allgemeinen, weitschweifigen Überblick, sondern konzentriert sich auf das Wesentliche: Was Unternehmen, die im Direktmarketing tätig sind, im Jahr 2023 wissen müssen. Mit zahlreichen Tipps und Tricks.

Referenten:
Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr, Kanzlei Dr. Bahr
Claudia Rigon, DIGITAL HUNTER GROUP

Alle Inhalte gibt es hier zum Anschauen und Downloaden.

zurück zur Übersicht