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Die einzelnen News
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1.
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OLG Dresden: Bezeichnung "Institut für Innenarchitektur" für Privat-Unternehmen irreführend
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Die Bezeichnung "Institut für Innenarchitektur" für ein privatwirtschaftliches Unternehmen ist irreführend und somit wettbewerbswidrig, da der Verbraucher eine staatliche Einrichtung erwartet (OLG Dresden, Beschl. v. 08.04.2024 - Az.: 14 U 64/24). Das verklagte Unternehmen, eine GmbH, warb mit der Aussage “Institut für Innenarchitektur”.
Wie schon die Vorinstanz - das LG Dresden (Urt. v. 18.12.2023 - Az.: 5 O 578/23) - stufte das als Täuschung des Konsumenten ein. Denn bei dieser Wortwahl erwarte der Verbraucher eine öffentliche Stelle. "Zwar dürfte allein die Bezeichnung „Institut“ zur Irreführung noch nicht geeignet sein. Dies hat das Landgericht mit der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 15.08.2023 – 3 Wx 104/23 – fehlerfrei angenommen. Denn danach führt angesichts der heute verbreiteten Verwendung der Bezeichnung „Institut“ im privatwirtschaftlichen Bereich dessen Verwendung für sich betrachtet bei dem angesprochenen Verkehr nicht mehr zu der Vorstellung, es handele sich um eine unter öffentlicher Aufsicht oder Förderung stehenden Einrichtung mit wissenschaftlichem Personal (a.a.O., Rn. 14)."
Und weiter: "Jedoch kommen hier Umstände hinzu, die dem Fall sein entscheidendes Gepräge geben. So erweckt die Verbindung mit der Tätigkeitsangabe („Institut für Innenarchitektur“) den Eindruck wissenschaftlicher Betätigung. Denn auch die Berufung stellt nicht in Abrede, dass es sich bei der Fachrichtung Innenarchitektur um einen wissenschaftlichen Bildungszweig handelt, der regelmäßig von Hochschulen angeboten wird (vgl. Übersicht Anlage K 5). Dass die Beklagte ihren Sitz in der Universitätsstadt Dresden hat und die TU Dresden überdies eine Fakultät für Architektur aufweist, verstärkt den gedanklichen Bezug zu einer Hochschule. Schließlich fehlt in dem Auftritt jeder Hinweis auf die Rechtsform GmbH, der eine – für sich alleine ohnehin nicht ausreichende – Klarstellungsfunktion zukommen könnte (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 15 m.w.N.)."
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2.
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OLG Frankfurt a.M.: Streitwert für DSGVO-Ansprüche bei Deezer-Datenleck liegt bei 3.000,- EUR
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Für Streitigkeiten, die DSGVO-Ansprüche (u.a. Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz) wegen eines Deezer-Datenlecks zum Gegenstand haben, liegt der Streitwert bei 3.000,- EUR (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 11.07.2024 - Az.: 6 W 46/24). Der Kläger machte datenschutzrechtliche Ansprüche wegen einer behaupteten Datenschutzpanne beim Musikstreaming-Dienst Deezer geltend, u.a. auf Unterlassung, Auskunft und Zahlung von Schadensersatz von mindestens 1.000,- EUR. Das OLG Frankfurt a.M. hatte nun zu beurteilen, welcher Streitwert für die vorliegende Auseinandersetzung festzusetzen war. Die Frankfurter Richter legten einen Betrag von insgesamt 3.000,- EUR als angemessen fest: - für den Anspruch auf Schadensersatz: 1.000,- EUR - für den Anspruch auf Feststellung: 500,- EUR - für den Anspruch auf Unterlassung: 1.000,- EUR - für den Anspruch auf Auskunft: 500,- EUR Die Juristen betonen auch, dass es sich dabei um keine Entscheidung im konkreten Einzelfall handle, sondern diese Grundsätze in allen Deezer-Datenlecks annehmen wird: “Der Senat sich hieraus ergebenen Gesamtstreitwert von 3.000 € nimmt der Senat nicht nur in diesem Verfahren an; er wird eine derartige Festsetzung nunmehr - sofern nicht im Einzelfall konkrete Umstände eine andere Entscheidung bedingen - in Verfahren der vorliegenden Art betreffend Deezer-Datenlecks regelmäßig praktizieren, unabhängig davon, ob bei identischem Rechtsschutzziel eine Aufspaltung der Anträge den Anschein eines umfangreicheren Prozessstoffs suggerieren soll.”
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3.
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OLG Koblenz: Erteilte Einwilligung in YouTube-Veröffentlichung nur eingeschränkt widerrufbar
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Eine einmal erteilte Einwilligung in die Veröffentlichung von YouTube nach § 22 KunstUrhG ist nur eingeschränkt widerrufbar (OLG Koblenz, Beschl. v. 31.07.2024 - Az.: 4 U 238/23). Die Parteien des Rechtsstreits, beide Unternehmer, standen in einer laufenden Geschäftsbeziehung. Die Beklagte produzierte und veröffentlichte mehrere Videos auf ihrem YouTube-Kanal, in denen der Kläger zu sehen war. Der Kläger hatte zuvor eine entsprechende Einwilligungserklärung unterzeichnet. Einige Zeit später widerrief der Kläger diese Erlaubnis und forderte die Löschung der Videos. Als die Beklagte der Aufforderung nicht nachkam, ging der Kläger vor Gericht. Das OLG Koblenz wies darauf hin, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe. 1. Einwilligung nur eingeschränkt widerrufbar: Die erfolgte Einwilligung des Klägers sei wirksam und grundsätzlich bindend. Ein Widerruf ist nur in Ausnahmefällen möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliege, was hier nicht der Fall war. Der Kläger habe nicht ausreichend dargelegt, dass sich seine Persönlichkeit oder seine geschäftliche Stellung in einer Weise verändert habe, die einen Widerruf rechtfertigen könnten:"Hieraus folgt, dass die erteilte wirksame Einwilligung nach § 22 Satz 1 KunstUrhG grundsätzlich bindend ist. "Hieraus folgt, dass die erteilte wirksame Einwilligung nach § 22 Satz 1 KunstUrhG grundsätzlich bindend ist. Ausnahmen von der Bindungswirkung werden von der Rechtsprechung zugelassen, wenn dem Persönlichkeitsrecht unter bestimmten Aspekten aus einem wichtigen Grund Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtssicherheit und Vertragstreue einzuräumen ist (…), etwa weil sich die der Einwilligung zugrunde liegende innere Einstellung des Betroffenen nachweislich geändert hat (…). Einen derartigen Ausnahmefall hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht hinreichend dargetan."
Und weiter: "Soweit er sein Widerrufsrecht damit begründet, er sei aufgrund seiner unternehmerischen Weiterentwicklung inzwischen ein bedeutender Wettbewerber der Beklagten im Bereich der .(…), diente das der Beklagten, aus dem eines der streitgegenständlichen Videos stammt, wie der Kläger selbst vorträgt (…), gerade dazu, die Teilnehmer bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung als Unternehmer zu unterstützen. Wenn diese vom Kläger gewünschte Entwicklung mit oder ohne Zutun der Beklagten gelungen ist, kann dies allein einen Widerruf der Einwilligung in die Nutzung der Videos nicht begründen. In den Videos geht es schließlich zu einem nicht unerheblichen Teil darum, dass der Kläger auf dem Weg ist, neben seinem eine aufzubauen. Deren Wettbewerbsverhältnis zur Beklagten war mithin bei Erteilung der Einwilligung mindestens bereits absehbar bzw. vom Kläger angestrebt, sodass es sich nicht um einen gänzlich unerwarteten Umstand handelt, den der Kläger nicht berücksichtigen konnte und wegen dem ausnahmsweise die Bindungswirkung der Einwilligung zurückzutreten hätte. Soweit der Kläger ergänzend vorträgt, er habe auch im Übrigen den Kontakt zu den Geschäftsführern der Beklagten vollständig abgebrochen und stehe deren Strategien teilweise nunmehr kritisch gegenüber, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Zwar kann eine Distanzierung vom Geschäftspartner je nach Umständen des Einzelfalls ggf. einen wichtigen Grund für einen Widerruf der Einwilligung zur Veröffentlichung von Kooperationsvideos rechtfertigen, hierzu müssen dieser Distanzierung aber ihrerseits wichtige Gründe zugrunde liegen. Derartiges trägt der Kläger nicht vor."
2. Auch kein Löschungsanspruch nach DSGVO: Auch komme ein Löschungsanspruch auf Basis der DSGVO-Normen nicht in Betracht, da für die weitere Veröffentlichung ein sachlicher Grund bestünde: “Denn selbst wenn man im vorliegenden Fall von einer Anwendbarkeit des Art. 17 Abs. 1 DSGVO ausginge und zugunsten des Klägers unterstellen würde, dass die Einwilligung in die Datenverarbeitung gemäß Art. 7 Abs. 3 DSGVO wirksam widerrufen wurde, stünde dem Kläger jedenfalls deshalb kein Unterlassungsanspruch zu, weil dieser nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 lit. b) DSGVO im Falle des Widerrufs der Einwilligung nur dann entsteht, wenn es an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung fehlt.”
Und weiter: "Die weitere Datenverarbeitung bleibt mithin zulässig, wenn diese noch aus weiteren Gründen erfolgen durfte (…). Vorliegend kann die Beklagte die Datenverarbeitung indes auch auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) DSGVO stützen, da die Veröffentlichungen im YouTube-Kanal der Beklagten im Rahmen einer Geschäftsbeziehung der Parteien erfolgten, zu deren Inhalt es nach dem Vortrag beider Parteien jedenfalls auch gehörte, dass beide Parteien in Videos über das Unternehmen der jeweils anderen Seite berichtet. Die Formulierung „Erfüllung eines Vertrags“ in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) DSGVO ist unionsrechtlich autonom und weit auszulegen. Sie erfasst jedwedes rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis und bezieht vertragsähnliche Konstellationen mit ein (…). Es kann aus Sicht des Senats kein Zweifel daran bestehen, dass die von beiden Parteien vorgetragene Geschäftsbeziehung der Parteien, in deren Zusammenhang die Videos produziert und veröffentlicht wurden, als Vertrag in diesem Sinne anzusehen sind. Zu dieser Geschäftsbeziehung gehörte es ersichtlich, die Medienpräsenz der wechselseitigen Unternehmen und Unternehmer durch die produzierten Videos und der Veröffentlichung im Internet zu erhöhen bzw. zu erhalten."
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4.
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OLG Nürnberg: YouTube haftet nach Art. 6 DSA nur bei ausreichend konkreter Meldung des Rechtsverstoßes
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Auch nach Inkrafttreten des Digital Service Act (DSA) bleibt es dabei: YouTube haftet nach Art. 6 DSA nur bei ausreichend konkreter Meldung des Rechtsverstoßes (OLG Nürnberg, Urt. v. 23.07.2024 - Az.: 3 U 2469/23). Mitte Februar 2024 ist der DSA in Kraft getreten. Er hat zum Ziel, die Verbreitung illegaler Inhalte auf digitalen Plattformen umfassend zu kontrollieren und einzuschränken. Er richtet sich an eine Vielzahl von Unternehmen im Online-Bereich, insbesondere Suchmaschinen, (große) Plattform-Anbieter oder Webhosting-Unternehmen. Siehe dazu auch unseren beiden Rechts-FAQ Digital Service Act (DSA): Einführung und Überblick und Digital Service Act (DSA): Neue Pflichten für Webhosting-Unternehmen. Der Kläger beanstandete ein Video auf YouTube, in dem er namentlich erwähnt wurde. Er forderte die Löschung des Videos, da seiner Meinung nach sein Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. YouTube weigerte sich jedoch, da die Beanstandungen nicht ausreichend konkret genug sein. Das OLG Nürnberg gab der Online-Plattform recht und wies die Klage ab. Auch nach Inkrafttreten des DSA würden grundsätzlich die bisherigen Leitlinien weitergelten: Ein Host-Provider wie YouTube müsse nur dann aktiv werden, wenn der jeweilige Beschwerdeführer die Verstöße ausreichend konkret benenne, sodass eine unkomplizierte und schnelle Überprüfung möglich sei: "Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Störerhaftung steht in Einklang mit den Vorgaben des nunmehr geltenden Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über digitale Dienste (DSA), der die bisherigen Haftungsbeschränkungen des § 10 S. 1 TMG ersetzt. aa) Bei der Beklagten handelt es sich um einen Vermittlungsdienstleister i.S.v. Art. 2 Abs. 1 DSA, weil sie einen „Hosting“- Dienst betreibt, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in dessen Auftrag zu speichern (Art. 3 lit. g) iii) DSA). Es ist nicht dargetan, dass die Beklagte beim Hochladen des Videos ihre neutrale Rolle verlassen und eine aktive Rolle eingenommen hat (vgl. Erwägungsgrund 18 S. 1 DSA), insbesondere dass sie bewusst mit einem Nutzer zusammenarbeitet, um rechtswidrige Tätigkeiten auszuüben (vgl. Erwägungsgrund 18 S. 1 DSA). Insbesondere genügt allein die Bereitstellung der technischen Infrastruktur samt Such- und Rankingfunktion nicht, um eine aktive Rolle des Diensteanbieters zu begründen (vgl. EuGH GRUR 2021, 1054 Rn. 95, 107 ff. – YouTube und Cyando). bb) Anbietern von Vermittlungsdiensten wird keine allgemeine Verpflichtung auferlegt, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten (Art. 8 DSA, vgl. § 7 Abs. 2 TMG a.F.)."
Und weiter: "Darüber hinaus enthält die Vorschrift des Art. 6 DSA einen Haftungsausschluss für Hostingdienste, um die Haftungsrisiken für diese Dienste im Rahmen zu halten. Deren Anwendungsbereich ist eröffnet, da weder der Nutzer Herr J. der Beklagten untersteht oder von ihr beaufsichtigt wird, noch es sich bei dem Video um eigene oder zu eigen gemachte Inhalte der Beklagten handelt. Daher haftet die Beklagte als Diensteanbieterin nicht für die im Auftrag des Nutzers Herrn J. in dem Video gespeicherten Informationen, sofern sie keine tatsächliche Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten hat, und sobald sie diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, zügig tätig wird, um den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten zu sperren oder diese zu entfernen. Dabei ist die Kenntnis von einer konkreten rechtswidrigen Information erforderlich, weshalb der Hinweis auf eine behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung so präzise sein muss, dass der Diensteanbieter die beanstandeten Inhalte leicht auffinden und deren Rechtswidrigkeit ohne Weiteres feststellen kann (…). Auch nach Art. 6 DSA muss somit ein Anlass für den Diensteanbieter bestehen, einen Inhalt auf seine Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. Ein solcher Anlass kann insbesondere durch hinreichend präzise und begründete Nutzermeldungen im Verfahren nach Art. 16 DSA entstehen, wobei sich die Unaufklärbarkeit der Rechtswidrigkeit nicht zulasten des Diensteanbieters auswirken darf (…). Auch in einem vorzusehenden Meldeverfahren muss nach Art. 16 Abs. 3 DSA die Information es einem sorgfältig handelnden Anbieter von Hostingdiensten ermöglichen, ohne eingehende rechtliche Prüfung festzustellen, dass die einschlägige Tätigkeit oder Information rechtswidrig ist. Sie darf es nicht erforderlich machen, dass der Hostingdiensteanbieter den Kontext eigenständig einschätzen und einer detaillierten juristischen Prüfung unterziehen muss (…)."
Im vorliegenden Fall habe der Kläger die Rechtsverletzung nicht hinreichend deutlich benannt, sodass YouTube nicht habe tätig werden müssen: "Im vorliegenden Fall können unter Berücksichtigung des zugrundezulegenden rechtlichen Maßstabs (…) die behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers nicht unschwer bejaht werden (…). Daher wurde dadurch eine Pflicht der Beklagten, i.S.v. Art. 6 Abs. 1 DSA bzw. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung als mittelbare Störerin tätig zu werden, nicht ausgelöst."
Gegenstand der Beanstandungen waren mehrdeutige Meinungsäußerungen, bei denen es an einer offensichtlichen Rechtsverletzung fehlte.
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5.
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VG Berlin: Behörde muss vor Fahrtenbuchauflage Google-Suche bemühen
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Vor dem Erlass einer Fahrtenbuchauflage muss die zuständige Behörde alle zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen ergreifen. Dazu gehört u.U. auch eine Google-Suche (VG Berlin, Urt. v. 26.06.2024 - Az.: 37 K 11/23). Die Berliner Straßenverkehrsbehörde ordnete gegen eine Firma eine Fahrtenbuchauflage an, weil eines ihrer Fahrzeuge mit 30 km/h zu schnell geblitzt wurde. Jedoch konnte der Fahrer nicht ermittelt werden, sodass das Amt die entsprechende Maßnahme des Fahrtenbuchs ergriff. Zu Unrecht, wie das VG Berlin nun entschied. Das Gericht stellte fest, dass die Behörde nicht alle zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen ergriffen hatte, um den Fahrzeugführer zu identifizieren. Insbesondere hätte eine einfache Google-Bildersuche in Kombination mit den vorhandenen Halterdaten ausgereicht, um den Fahrer zu identifizieren. Da diese Ermittlungen unterlassen wurden, liege keine „Unmöglichkeit“ der Fahrerermittlung vor, die eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigen würde: "Daran gemessen hat der Beklagte nicht die ihr zumutbaren Ermittlungen vorgenommen. Angesichts des Fahrzeugtyps und der Haltereigenschaft der Klägerin als juristische Person des Zivilrechts sowie des guten Frontfotos wäre eine Google-Recherche zu erwarten gewesen. Dem erkennenden Einzelrichter ist es nämlich ohne großen Aufwand, insbesondere ohne Anlegung gesonderter Accounts in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Xing, möglich gewesen, den Geschäftsführer der Klägerin als Fahrzeugführer zu identifizieren. Es ist schlechterdings nicht vermittelbar, dass die Berliner Polizei bei Ermittlung von Personen nicht diese naheliegende Erkenntnisquelle nutzt, zumal die Verwertbarkeit der Information als allgemein zugängliche Quelle, deren Inhalte regelmäßig konform zur Datenschutzgrundverordnung verfügbar sind, unproblematisch ist. Im vorliegenden Fall konnte schon allein anhand des Firmennamens und des Namens des Geschäftsführers über die Google-Bildsuche der Fahrer identifiziert werden. So wurde beim ersten Zugriff ein Foto aus dem Xing-Konto des Besagten bereits in der Google-Trefferliste sowie Bilder der Website des Unternehmens eingeblendet, aus denen sich diese Erkenntnis ergab."
Auch den Einwand der Behörde, dass eine solche Suche bei der erheblichen Anzahl der Verstöße unzumutbar sei, ließ das Gericht nicht gelten: "Soweit sich der Behördenvertreter in der mündlichen Verhandlung in der Weise einließ, dass es gerade bei Firmenfahrzeugen und angesichts der fehlenden Bereitschaft der Halterin an der Aufklärung mitzuwirken, uferlos sei, weitere Recherchen anzustellen, geht dies fehl. Gerade, weil diese Recherche nach dem Stand der Technik so gut wie keinen Aufwand und keine besonderen Kenntnisse erfordert und vorliegend aufgrund des Fahrzeugtyps Audi Quattro insbesondere der Geschäftsführer als Fahrer in Betracht zu ziehen war, drängte sich diese Aufklärungsmaßnahme auf. Würde hingegen die Überlegung des Beklagten zutreffen, dass allein die fehlende Mitwirkung zu einer Einstellung der weiteren Ermittlungstätigkeiten im Ordnungswidrigkeitenverfahrens berechtigte, würde dies den vorgeschriebene Untersuchungsgrundsatz nach § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 160 Abs. 1 und 2 StPO unterlaufen und wird der geschriebenen tatbestandlichen Voraussetzung der Ermächtigungsnorm des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO für eine Fahrtenbuchauflage nicht mehr gerecht (Unmöglichkeit der Ermittlung des Fahrzeugführers). (…) Hierbei ist auch in Erinnerung zu rufen, dass der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage (…) eine präventive und keine strafende Funktion zukommt. Sie setzt tatbestandlich nicht voraus, dass der Halter seine Mitwirkungsobliegenheiten schuldhaft nicht erfüllt hat oder die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers sonst zu vertreten hat "
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6.
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LG Hamburg: Leistungen von Synchronsprecher, Synchronregisseur und Dialogbuchautor sind urheberrechtlich geschützt
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Die Leistungen von Synchronsprecher, Synchronregisseur und Dialogbuchautor sind urheberrechtlich geschützt (LG Hamburg, Urt. v. 10.05.2024 - Az.: 310 O 214/23). Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung war die englischsprachige Animationsserie “Robin Hood – Schlitzohr von Sherwood”. Die Kläger waren als in verschiedenen Aufgaben an der Übersetzung der Serie ins Deutsche beteiligt, u.a. als als Synchronsprecher, Synchronregisseur und Dialogbuchautor. Die Kläger begehrten eine namentliche Nennung in der Serie sowie eine angemessene Vergütung. Die Beklagte bestritt, dass die Leistungen der Kläger urheberrechtlich geschützt seien. Das LG Hamburg gab den Klägern Recht und nahm einen Urheberrechtsschutz an: 1. Leistungen eines Dialogbuchautoren: "Den deutschen Dialogbüchern kommt bereits ein eigener Werkschutz als Schriftwerk iSd § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG zu. Es handelt sich insoweit um persönliche geistige Schöpfungen (…). Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei den Dialogbüchern um die Übersetzungen der englischen Vorlagen handelt. Auch Übersetzungen kann eigener Werkschutz gemäß § 3 S. 1 UrhG zukommen, soweit diese über eine schlichte Wort-für-Wort-Übersetzung hinausgehen, da der Übersetzer insoweit auch einen Gestaltungsspielraum ausschöpft. Die Kammer erkennt, dass der Gestaltungsspielraum vorliegend aufgrund der englischen Sprachfassung und der vorgegebenen Geschichte begrenzt sein mag. Er ist jedoch jedenfalls nicht auf Null reduziert. Dass die Kläger von diesem zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum auch Gebrauch gemacht haben, zeigt sich exemplarisch auch an den vorgelegten Gegenüberstellungen. Die Dialogbücher sind zwar bereits im Original – adressaten- und kindergerecht – insgesamt von einer einfachen Sprache getragen, die sich sodann auch in der deutschen Fassung widerspiegelt. Gleichwohl sind Abweichungen zu sehen, die die Ausschöpfung eines zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraums belegen. Das zeigt sich etwa schon an dem Umstand, dass die englischen Folgentitel nicht lediglich aus der Vorlage übernommen worden sind, sondern jeweils verschiedene Titelvorschläge unterbreitet worden sind. Zudem zeigt sich auch in dem Chatverlauf, dass den Dialogbuchautoren ein gewisser Spielraum bei der Benennung der (Neben-)Figuren zugekommen ist (bspw. Nachrichten zwischen (…) zur Bezeichnung der Figur »Lady Nachtigall«/»Lady Vogelfrei«). Insbesondere aber mussten die Dialogbuchautoren auch etwaige Fantasiewörter entsprechend übersetzen, exemplarisch sei hierfür nur der in der Folge »Der Wunderheiler« genutzte Ausspruch »schlafidi-schliefidi«, welchem in der Vorlage »The Charlatan« der Ausspruch »sleepity-dipity« zugrunde lag, genannt. Hieran zeigt sich, dass die Autoren etwaige bestehende Gestaltungsspielräume ausgenutzt haben, womit auch den Dialogbüchern selbst Werkschutz – jedenfalls als sogenannte kleine Münze in Anbetracht der englischen Vorlagen – zukommt."
2. Leistungen eines Synchronregisseurs: "Auch der Regieleistung (…) kommt ein eigenständiger Werkschutz iSd § 2 Abs. 2 UrhG zu, da sie sich als persönliche geistige Schöpfung der Klägerin darstellt. Bei Filmwerken ist es allgemein anerkannt, dass es sich bei der Leistung des Filmregisseurs um eine gestalterische, schöpferische Leistung iSd § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG handelt, weil mit ihr der erfundene bzw. vorgegebene Stoff ins Bildliche umgewandelt bzw. dergestalt festgehalten wird. Nichts anderes kann nach Auffassung der Kammer in Fällen der sogenannten Synchronregie gelten. Der Synchronregie unterfällt gerade die Leitung und Umsetzung der gesamten Sprachaufnahmen, wobei ein wesentliches Augenmerk der Synchronregie neben der ausdrucksgerechten Wiedergabe des Textes gleichzeitig auf der sogenannten Lippensynchronität liegen muss. Insoweit muss die Synchronregie auch auf die Synchronsprecher Einfluss nehmen und sie diesbezüglich anleiten. Es ist der Beklagten zwar zuzugestehen, dass bei Animationsserien wie der vorliegenden geringere Anforderungen an die Lippensynchronität zu stellen sind als bei Realfilmen. Diese geringeren Anforderungen reduzieren die gestalterische Leistung der Synchronregie jedoch nicht zugleich auf Null. Darüber hinaus haben die Kläger für die Kammer nachvollziehbar dargelegt, dass die Synchronregie den Synchronsprechern auch den (Gesamt-)Handlungsablauf und die Einbindung der jeweiligen Rolle in das Geschehen erläutert, wobei das Auftreten der Figuren, ihre Motivation und das Verhältnis zu den jeweils anderen Figuren erklärt wird. Soweit die Beklagte diesbezüglich bestritten hat, dass die Synchronregie insoweit jeweils eine individuelle Arbeit mit den einzelnen Synchronsprechern vornimmt und entwickelt, kann dies dahinstehen, da auch eine Arbeit etwa in der Gruppe mit allen oder zumindest mehreren Synchronsprechern eine Bewertung der Leistung der Synchronregie als gestalterisch und schöpferisch rechtfertigt."
3. Leistungen eines Synchronsprechers: "Bei den (…) ) erbrachten Synchronisationsleistungen für die deutschsprachige Fassung der streitgegenständlichen Animationsserie handelt es sich um eine künstlerische Darbietung iSd § 73 UrhG (…). Die Kläger haben durch ihre Synchronisationsleistungen ein Werk dargeboten. Werk iSd § 73 UrhG meint jedes Werk iSd § 2 UrhG, das künstlerisch dargeboten bzw. interpretiert werden kann- Diese Werke sind hier jeweils die von den Klägern (…) erschaffenen Dialogbücher (s. oben) und nicht etwa nur die einzelnen in einem Take aufgenommenen Wortfolgen. Die Dialogbücher sind von den Kläger (…) auch dargeboten worden. Eine Darbietung iSd § 73 UrhG liegt jedenfalls dann vor, wenn ein hinreichender Spielraum für die künstlerische Interpretation besteht. Denn die künstlerische Interpretation eines Sprachwerkes erschöpft sich nicht in der akustischen Textwiedergabe, die dem Hörer einen Gedanken oder eine Information vermittelt. Sie setzt vielmehr darüber hinaus voraus, dass der Hörer mit den Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache – unabhängig vom sachlichen Inhalt – einen Sinneseindruck empfängt, der seine Stimmung, sein Empfinden, sein Gefühl oder seine Phantasie anregt (vgl. BGH GRUR 1981, 419 [421] – Quizmaster). Die Kläger haben durch den spielerischen Einsatz ihrer Stimmen so auch den Charakter der Animationsfiguren geprägt, wofür auch der Umstand streitet, dass die Tonspuren ihrer Stimmen ohne Veränderung für die Hörspiele adaptiert werden konnten."
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7.
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LG Hamburg: Kein älteres Markenrecht der The New York Times an Wort "Wordle" in Deutschland
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Die Zeitung “The New York Times” steht kein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen einen deutschen Rätselmacher zu (LG Hamburg, Urt. v. 18.07.2024 - Az.: 327 O 195/23). Erfunden wurde das Online-Rätselspiel “Wordle” im Jahr 2021 von dem Briten Josh Walsh, der das Game bei sich auf seiner privaten Homepage veröffentlichte. Bei diesem Spiel handelte es sich um ein ursprünglich browserbasiertes Rätsel, von dem täglich ein neues Lösungswort veröffentlicht wurde. Das Lösungswort bestand aus einer unterschiedlichen Anzahl von Buchstaben und musste von dem Spieler in möglichst wenigen Versuchen gefunden werden. Innerhalb kürzester Zeit wurde das Spiel weltweit bekannt und populär. Anfang 2022 erwarb die Zeitung “The New York Times” die entsprechenden Nutzungsrechte, u.a. auch die Markenrechte an dem Wort “Wordle”. Der Beklagte, ein Hamburger Rätselmacher, erfuhr bereits im Jahr 2021 von dem Spiel und meldete eine entsprechende nationale Marke auf den Begriff an. Die US-Zeitung klagte nun u.a. auf Unterlassung vor dem LG Hamburg. Und verlor. Die Hamburger Richter wiesen die Klage ab. 1. Kein Markenrecht durch Josh Walsh, da nur private Verwendung: Die Nutzung des Zeichens durch Josh Walsh fand nicht im geschäftlichen Verkehr statt, sondern auf einer privaten Website. Damit könne kein Werktitelrecht zugunsten der Klägerin in Deutschland entstehen. "Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Nutzung des Werktitels (…) auf dessen privater Website nicht im geschäftlichen Verkehr erfolgt ist. Die Website wies unstreitig keinerlei kommerzielle Inhalte auf. Weder fanden sich allgemeine werbliche Inhalte noch konnten irgendwelche Waren oder Dienstleistungen über diese Website bezogen werden. Die gesamte Aufmachung der Website wies den gesamten Januar 2022 hindurch einen unzweifelhaften privaten Charakter auf, wie sich schon der Überschrift „Hi, I am J..“ entnehmen lässt. Auch der verwendete Domainname (…) lässt keinen kommerziellen Inhalt erkennen. Schließlich wurde auch das streitgegenständliche Spiel „Wordle“ auf der Seite kostenfrei angeboten. An diesen nach außen erkennbaren Umständen änderte sich bis zum Abschluss der Vereinbarung am 31. Januar 2022 und auch in den Tagen bis zum Umzug auf die Website der Klägerin nichts. Auch die immer stärker steigende Nutzerzahl der Website sowie die Berichterstattung darüber führt nicht dazu, dass sich der Charakter der nach außen unverändert gebliebenen Website geändert hätte. Dass sich viele Menschen für den Inhalt einer Website oder hier für ein dort abrufbares kostenloses Spiel interessieren, führt nicht dazu, dass dessen Titel im geschäftlichen Verkehr genutzt wird, solange der erhöhte Traffic auf der Seite auch weiterhin nicht – etwa durch das Schalten von Werbung – kommerziell genutzt wird."
2. Keine bösgläubige Markenanmeldung durch Beklagten: Die Anmeldung des Kennzeichens in Deutschland durch den Beklagten sei auch nicht bösgläubig erfolgt: "Vorliegend kann nach Abwägung aller relevanten Umstände nicht festgestellt werden, dass der Beklagte die Anmeldung der deutschen Wortmarke „Wordle“ am 1. Februar 2022 in Behinderungsabsicht vorgenommen hat. Es ist zwar davon auszugehen, dass er zu diesem Zeitpunkt sowohl davon wusste, dass J. W. den Titel „WORDLE“ bereits Ende 2021 für sein Rätselspiel genutzt hatte, als auch, dass die Klägerin am 31. Januar 2022 – also am Vortag der Markenanmeldung – die Rechte an diesem Spiel erworben hatte. Dies reicht aber für sich genommen nicht aus, um von einer unlauteren Markenanmeldung auszugehen. Insoweit ist insbesondere von Bedeutung, dass die Klägerin am 1. Februar noch keinen schutzwürdigen Besitzstand im Inland, also in der Bundesrepublik Deutschland, erworben hatte. Da J. W. nicht im geschäftlichen Verkehr gehandelt hat, ist ein Werktitelrecht zu diesem Zeitpunkt noch nicht begründet worden (s.o. I.1.a). Die Klägerin konnte deshalb am 31. Januar 2022 auch kein bereits entstandenes Werktitelrecht erwerben."
Und weiter: "Aufgrund der rein privaten Nutzung ist auch nicht von einer überragenden Verkehrsgeltung des Titels im geschäftlichen Verkehr der USA auszugehen. Auch für den Kläger war aufgrund der Webseitengestaltung von J. W. klar erkennbar, dass insoweit eine rein private Nutzung erfolgt ist, was gegen eine Markenanmeldung in Behinderungsabsicht spricht. Hinzu kommt, dass der Beklagte die Absicht verfolgte, dass Zeichen „Wordle“ selbst für eine deutschsprachige Version des Rätselspiels zu nutzen und insoweit bereits im Dezember 2021 mit der Programmierung begann. Vor diesem Hintergrund kommt auch dem Umstand, dass sich der Beklagte in gestalterischer Hinsicht für sein Spiel an dem englischsprachigen Vorbild orientierte, keine entscheidende Rolle zu. Er führt insbesondere nicht dazu, dass anzunehmen wäre, dass die Sperrabsicht ein wesentliches Motiv bei der Markenanmeldung gewesen ist. Schließlich musste der Beklagte auch in Kenntnis des Rechteerwerbs durch die Klägerin nicht davon ausgehen, dass diese beabsichtigte, sich ihrerseits zeitnah Kennzeichenrechte in Europa und damit auch in Deutschland an dem Zeichen „WORDLE“ zu sichern. Entsprechende hinreichende Anhaltspunkte waren für den Beklagten nicht erkennbar. Auch die Anmeldung der deutschen Marke durch den Beklagten erfolgte nicht in der Absicht, die Klägerin zu behindern. Der Beklagte hatte bereits vor der Markenanmeldung mit der Entwicklung einer deutschen Version des Spiels begonnen und verfolgte legitime geschäftliche Interessen. Schließlich konnte die Klägerin aus ihrer später angemeldeten Unionsmarke keine vorrangigen Rechte ableiten, da diese zeitgleich mit der Marke des Beklagten angemeldet wurde."
3. Kein älteres Markenrecht der Klägerin: Die Klägerin verfüge auch über kein prioritätsälteres Markenrecht, da die eigentliche kommerzielle Nutzung erst nach der Markenanmeldung durch den Beklagten erfolgt sei, so die Richter: "Der Klägerin steht kein deutsches Werktitelrecht zu, das vor dem Zeitpunkt der Anmeldung der deutschen Wortmarke „Wordle“ durch den Beklagten am 1. Februar 2022 entstanden wäre. Sie selbst hat das Zeichen „WORDLE“ erst im Laufe des Februars 2022 auf ihrer Webseite genutzt."
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
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8.
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LG Köln: Keine urheberrechtliche Nachvergütung für Karl-May-Filme, da "Das Boot"-Rechtsprechung des BGH nicht übertragbar
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Für die Karl-May-Filme besteht kein Anspruch auf Nachvergütung, da die "Das Boot"-Rechtsprechung des BGH nicht übertragbar ist (LG Köln, Urt. v. 01.08.2024 - Az.: 14 O 59/22). Die Rechtsprechung des BGH zum Film "Das Boot" hat sich in der Vergangenheit mit der Frage befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen Urheber wie Regisseure oder Kameraleute nachträglich eine zusätzliche Vergütung (Nachvergütung) verlangen können, wenn ihre Werke über einen längeren Zeitraum besonders erfolgreich verwertet werden. Im Kern geht es um die Frage, ob die ursprüngliche Vergütung, die die Urheber für ihre Arbeit erhalten haben, im Verhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes zu gering ist. Im Fall des bekannten Films "Das Boot" hat der BGH vor einigen Jahren entschieden, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die mehrfache Ausstrahlung des Films im Fernsehen erhebliche Vorteile erlangt haben, die über die übliche Vergütung für eine einmalige Nutzung hinausgehen. Diese Vorteile sah der BGH insbesondere in der Ersparnis von Aufwendungen für die Herstellung eines eigenen Programms und bejahte eine Nachvergütung. In der vorliegenden Auseinandersetzung war der Kläger Sohn und Erbe eines verstorbenen bekannten Filmregisseurs. Der Vater hatte mehrere bekannte Karl-May-Filme gedreht, u.a. “Der Schatz im Silbersee” oder “Winnetou I - III”. Der Kläger berief sich nun auf die BGH-Rechtsprechung zum Film “Das Boot” und verlangte auch für die Karl-May-Movies eine Nachvergütung. Das LG Köln wies die Klage ab. Es liege kein vergleichbarer Sachverhalt wie im Film “Das Boot" vor, so die Richter. Denn es gäbe wesentliche Unterschiede: Im Fall "Das Boot" seien die Rundfunkanstalten direkt an der Produktion des Films beteiligt gewesen und hätten umfangreiche, zeitlich unbeschränkte Nutzungsrechte erworben. Im Gegensatz dazu hatten die beklagten Rundfunkanstalten bei den Karl May-Verfilmungen lediglich zeitlich begrenzte Lizenzen für die Ausstrahlung der Filme erworben, ohne an deren Produktion beteiligt gewesen zu sein. Daher sei das Modell der "Wiederholungsvergütung", das im Fall "Das Boot" angewendet wurde, hier nicht geeignet, die Erträge und Vorteile der Rundfunkanstalten angemessen zu bewerten. "Die Kammer hält den hiesigen Fall aber für wesentlich anders gelagert, worauf insbesondere die Beklagten ausführlich in ihren Schriftsätzen hingewiesen haben. Die Kammer erkennt in den Urteilen zu „Das Boot“ kein allgemeingültiges Schätzungsmodell für jegliche TV-Ausstrahlungen im gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkt, sondern eine Einzelfallentscheidung für das dort konkret gegenständliche Filmprojekt. (…) Denn in sachlicher Hinsicht handelt es sich vorliegend aus Sicht der Beklagten bei allen Filmen um reine Fremdproduktionen. (…) Die Kammer hält es deshalb für fernliegend einen Tarifvertrag für die Schätzung von ersparten Aufwendungen der Beklagten heranzuziehen. Hiermit würden die Beklagten faktisch in jedem Fall wie für Eigenproduktionen nachvergüten müssen, was im hiesigen Fall aber durch nichts gerechtfertigt ist. (…) Auch in persönlicher Hinsicht fehlt ein Anknüpfungspunkt, weil weder Herr Dr. O. ein Arbeitnehmer beim öffentlich-rechtlichen CQ. war, noch die Beklagten als Arbeitgeber der Produktion anzusehen wären. Es ist auch von Seiten der Beklagten nachvollziehbar vorgetragen worden, dass zu den Zeitpunkten der Produktionen der meisten streitgegenständlichen Filme die o.g. Tarifverträge noch nicht abgeschlossen waren und das sog. „Wiederholungsvergütungsmodell“ unbekannt war."
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9.
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VG Ansbach: In bestimmten Fällen hat Betroffener Anspruch gegen Datenschutzbehörde auf Einschreiten
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In bestimmten Fällen hat ein Betroffener einen Anspruch gegen Datenschutzbehörde, dass diese entsprechende Maßnahmen gegen einen Dritten ergreift (VG Ansbach, Urt. v. 12.06.2024 - Az.: AN 14 K 20.00941). Die Klägerin verlangte von einem Unternehmen eine DSGVO-Auskunft. Da sie keine zufriedenstellende Antwort erhielt, wandte sie sich an das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) und beschwerte sich über eine Datenschutzverletzung. Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht forderte den Dritten zweimal auf, der Klägerin die geforderte Auskunft zu erteilen. Trotzdem erhielt die Klägerin keine vollständige Auskunft. Daraufhin ging die Klägerin gegen das BayLDA und verlangte, dass die Behörde entsprechende Maßnahmen gegen den Dritten ergreift. Zu Recht, wie das VG Ansbach nun entschied. Es liege im vorliegenden Fall eine sogenannte Ermessensreduzierung auf Null vor, sodass die Klägerin das Aktivwerden des BayLDA verlangen könne. "Die Klägerin hat im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt einen Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten der Datenschutzaufsichtsbehörde gegen den Beigeladenen. Die konkret zu ergreifende Abhilfemaßnahme nach Art. 58 Abs. 2 DS-GVO steht dabei im Ermessen des Landesamts. (…) Der Beklagte ist im Entscheidungszeitpunkt seiner Pflicht zum Ergreifen von Abhilfemaßnahmen ermessensfehlerhaft nicht nachgekommen. Das Entschließungsermessen des Landesamts zum Ergreifen von Abhilfemaßnahmen ist angesichts der konkreten Umstände des Verstoßes des Beigeladenen gegen das subjektive Auskunftsrecht der Klägerin aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO auf null reduziert. (…) Der Beigeladene kam nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen demnach (…) trotz der zweimaligen ausdrücklichen Aufforderung durch das Landesamt seiner Rechtspflicht aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO gegenüber der Klägerin nicht nach. Erst am 5. April 2024 erteilte er der Klägerin eine Negativauskunft. Zwar kann einem Auskunftsersuchen auch durch Negativauskunft nachgekommen werden; auch dann, wenn keine Datenverarbeitung stattfindet, hat die (potenziell) betroffene Person einen Anspruch darauf, dass dies ihr gegenüber bestätigt wird (…). Die Negativauskunft, die am 5. April 2024 gegenüber der Klägerin erfolgte, war allerdings erkennbar unzureichend. Zu diesem Zeitpunkt verarbeitete der Beigeladene laut eigener Aussage jedenfalls noch die E-Mail-Adresse der Klägerin. Jedenfalls diesbezüglich traf ihn also nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO die Pflicht, der Klägerin mitzuteilen, gegenüber welchen Empfängern oder Kategorien von Empfängern die E-Mail-Adresse offengelegt worden war oder noch offengelegt wurde. Der Beigeladene teilte aber lediglich mit, die E-Mail-Adresse gelöscht zu haben und keine Daten mehr zu verarbeiten; eine auf die Vergangenheit bezogene (ggf. Negativ-) Auskunft blieb er schuldig."
Und weiter: "Stellt die Datenschutzaufsichtsbehörde – hier das Landesamt – am Ende ihrer Untersuchung einen Verstoß gegen die Bestimmungen der DS-GVO fest, ist sie verpflichtet, in geeigneter Weise zu reagieren, um der festgestellten Unzulänglichkeit abzuhelfen. Zu diesem Zweck stehen insbesondere die in Art. 58 Abs. 2 DS-GVO aufgezählten Abhilfebefugnisse zur Verfügung. (…) Zunächst ist festzustellen, dass das Landesamt den Beigeladenen zwar zweimal (…) mit „Aufsicht nach Art. 58 DS-GVO“ überschriebenen Schreiben zur Auskunftserteilung aufforderte. Hierin ist aber jeweils keine formale Abhilfemaßnahme zu sehen, insbesondere keine Anweisung i.S.d. Art. 58 Abs. 2 Buchst. c DS-GVO. Den Aufforderungen fehlt es ihrem Wortlaut nach an der Verbindlichkeit einer solchen Anweisung, außerdem wird nicht der Begriff der „Anweisung“ verwendet. Das zweite Schreiben vom 24. März 2020 ist als bloße Bitte formuliert. (…) Das Gericht stellt außerdem fest, dass das Landesamt vorliegend das Beschwerdeverfahren durch Erlass der Abschlussmitteilung beendet hat, ohne vorher sicherzustellen, dass dem begründeten Begehren der Klägerin abgeholfen wurde bzw. würde. Vielmehr hat es dem Beigeladenen durch die Ankündigung, aktuell keine weiteren Maßnahmen zu ergreifen und die Angelegenheit als erledigt zu betrachten, implizit zu erkennen gegeben, dass der Beigeladene unabhängig von seinem weiteren Vorgehen keine aufsichtlichen Maßnahmen zu befürchten habe. Der Beklagte hat seine Untersuchung verfrüht abgeschlossen. Das Landesamt ist damit im Zeitpunkt der Abschlussmitteilung ermessensfehlerhaft nicht seiner Pflicht nachgekommen, die Datenschutzbeschwerde der Klägerin mit aller gebotenen Sorgfalt zu bearbeiten und dem Verstoß abzuhelfen (vgl. EuGH, U.v. 7.12.2023 – C-26/22, C-64/22 – juris Rn. 56 f.)."
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10.
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Niederländische Datenschutzbehörde verhängt 290 Mio. EUR DSGVO-Strafe gegen Uber wg. Übermittlung in die USA
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Die niederländische Datenschutzbehörde (DPA) teilt in einer aktuellen Pressemitteilung mit, dass sie dem Unternehmen Uber eine DSGVO-Strafe von 290 Mio. EUR auferlegt hat, weil es persönliche Daten europäischer Fahrer in die USA übermittelt hat, ohne ausreichende Schutzmaßnahmen gemäß der DSGVO zu ergreifen. Dies betrifft sensible Informationen wie Standortdaten, Zahlungsdetails und medizinische Daten. Die DPA stellte fest, dass Uber die Anforderungen zum Schutz der Daten nicht erfüllt hat, was eine schwere Verletzung der DSGVO darstellt. Uber hat diese Praxis inzwischen eingestellt. Aus der Pressemitteilung: "In Europe, the GDPR protects the fundamental rights of people, by requiring businesses and governments to handle personal data with due care", Dutch DPA chairman Aleid Wolfsen says. "But sadly, this is not self-evident outside Europe. Think of governments that can tap data on a large scale. That is why businesses are usually obliged to take additional measures if they store personal data of Europeans outside the European Union. Uber did not meet the requirements of the GDPR to ensure the level of protection to the data with regard to transfers to the US. That is very serious."
Und zur Höhe der Strafe: "All DPAs in Europe calculate the amount of fines for businesses in the same manner. Those fines amount to a maximum of 4% of the worldwide annual turnover of a business. Uber had a worldwide turnover of around 34.5 billion euro in 2023. Uber has indicated its intent to object to the fine. This is the third fine that the Dutch DPA imposes on Uber. The Dutch DPA imposed a fine of 600,000 euro on Uber in 2018, and a fine of 10 million euro in 2023. Uber has objected to this last fine."
Die vollständigen schriftlichen Entscheidungsgründe gibt es hier zum Nachlesen (auf niederländisch).
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