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Kategorie: Onlinerecht

OLG Hamburg: Bei Werbung mit Internet-Übertragungsgeschwindigkeiten Hinweis "Bis zu..." u.U. nicht zwingend erforderlich

Wird mit Internet-Übertragungsgeschwindigkeiten geworben und handelt es sich dabei um Maximal-Werte, die nicht immer erreicht werden, kann es gleichwohl rechtmäßig sein, den Hinweis "Bis zu..."  wegzulassen. Das ist dann der Fall, wenn in der alltäglichen Praxis diese Werte eingehalten werden. Nicht entscheidend ist, dass für den theoretischen Fall einer gleichzeitige Nutzung aller Anschlussinhaber die Zahlen unterschritten werden (OLG Hamburg, Beschl. v. 30.5.2022 - Az.: 15 W 14/22).

Die Beklagte warb für ihre glasfaserbasierten Internetanschlüssen mit der Aussage "1.000 Mbit/s Download, 250 Mbit/s Upload". Dabei handelte es sich um Maximalwerte, die nicht für alle Nutzer gleichzeitig dauerhaft bereitgestellt werden konnten.

Die Klägerin sah darin eine Irreführung, denn es fehle ein klarstellender Hinweis (z.B. "Bis zu..."), der die Einschränkungen deutlich mache.

Das OLG Hamburg folgte dieser Ansicht nicht, sondern bewertete die Werbung als rechtmäßig. Dabei stellte es maßgeblich auf die Besonderheiten der technischen Infrastruktur bei der Beklagten ab:

"So hat sie – unwidersprochen – ausgeführt, dass das Netz der Antragsgegnerin kein sog. GPON-Netz ist, in dem von einem „Central Office“ einzelne Glasfasern zu den Gebäuden geführt und dort passiv verzweigt werden, mit der Folge, dass die Anschlussleitung am Ende zu einen „Shared Medium“ wird. Bei der Antragsgegnerin wird die aktive Technik in jedes angeschlossene Gebäude ausgelagert. Es handelt sich um ein Point-to-(Multi-)Point-Netz mit gemanagten Verteilkomponenten, bei dem jedem Kunden eine eigene Datenleitung zur Verfügung steht. Bei solchen Netzinfrastrukturen gibt es theoretisch keine Begrenzungen im Up- und Downstream (,,,). (...),"

Und weiter:

"Die Antragsgegnerin hat überdies durch die eidesstattliche Versicherung des (...) glaubhaft gemacht, dass jedenfalls die stichprobenartige Überprüfung eines realen Kundenanschlusses der Antragsgegnerin ergeben hat, dass tatsächlich die ausgelobten Datenübertragungsgeschwindigkeiten nicht unterschritten wurden. Die Einwände der Antragsstellerin gegen die von (...) durchgeführten Messungen teilt der Senat nicht. (...)

Weiter hat die Antragsgegnerin überzeugend und letztlich von der Antragstellerin unbestritten zum von ihr vorgenommenen kontinuierlichen Monitoring vorgetragen, mit dem sie sicherstelle, dass die Auslastung jeder einzelnen Verbindung niemals 90% der möglichen Maximallast übersteige. Oberhalb dieser Schwelle werde der über diese Verbindung laufende Internetverkehr zB auf eine andere Verbindung mit geringerer Auslastung umgeroutet. Dies und die Tatsache, dass die derzeitige Spitzenauslastung der internen wie auch externen Datenverbindungen nur rund 17% der bereitgestellten Transportkapazität nutzt, hat die Antragsgegnerin. durch eidesstattliche Versicherung des Dipl.-Ing. (...) untermauert. (...)

Im Ergebnis hat damit die Antragsgegnerin, wenn man sie sekundär darlegungsbelastet sieht, hinreichend substanziiert vorgetragen, dass die von ihr bereitgestellten und gemanagten Netzkapazitäten insgesamt so groß sind, dass sie tatsächlich allen ihren Kunden zu jeder Zeit die ausgelobten Übertragungsgeschwindigkeiten gewährleisten kann."

Mit anderen Worten: Sorgt ein Dienstleister durch die technische Gestaltung dafür, dass für die jeweiligen Nutzer ausreichende flexible Kapazitäten vorhanden sind, kann auf einen einschränkenden Hinweis bei der Werbung verzichtet werden. Nicht erforderlich ist, dass für alle Kunden die Kapazitäten für eine gleichzeitige Nutzung bereitstehen. Entscheidend sei vielmehr, ob die Leistungen "in der Praxis" zur Verfügung stehen würden:

"Es geht nicht darum, ob bei gleichzeitiger paralleler Datenübertragung an allen Kundenanschlüssen die maximale Bandbreite geliefert wird. Dieses Szenario dürfte in der realen Welt nicht vorkommen und ist nicht der richtige Maßstab für die Überprüfung der streitgegenständlichen Werbung. Hierzu hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass nicht jeder Kunde der Antragsgegnerin gleichzeitig die maximale Bandbreite seines Anschlusses etwa durch Streaming abrufen wird und dass deshalb die von der Antragstellerin angeführte abstrakte Multiplikation der Kundenanzahl mit der maximal abrufbaren Datenmenge zur Ermittlung des vorzuhaltenden Datenvolumens schon im Ansatz fehlgeht.

Für die Verbraucher ist allein entscheidend – und nur so verstehen sie die angegriffenen Tarifwerbungen –, ob ihnen selbst die versprochenen Geschwindigkeiten in der Praxis, dem „wirklichen Leben“, beständig zur Verfügung stehen. Oder, wie das Landgericht (...) zutreffend formuliert hat: Der Verkehr wird nur davon ausgehen, dass jeder Kunde zu jedem beliebigen Zeitpunkt die vereinbarte Datenmenge tatsächlich abrufen kann. Dass dies tatsächlich nicht der Fall sei und die beworbenen Internetanschlüsse die genannten Datenübertragungsgeschwindigkeiten nicht zu jeder Zeit zuverlässig leisten, hat die Ast. weder substanziiert dargelegt noch glaubhaft gemacht."

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