Die Bewertungs-Plattform Kununu muss nicht immer die Identität des Bewertenden preisgeben (OLG Dresden, Urt. v. 17.12.2024 - Az.: 4 U 744/24).
Das klagende Unternehmen ging gegen das Bewertungsportal kununu.de vor, weil dort eine negative Bewertung unter der Überschrift “Schlechtester Arbeitgeber aller Zeiten” veröffentlicht worden war.
Der Verfasser der Bewertung gab an, früher in der Verwaltung des Unternehmens gearbeitet zu haben.
Das Unternehmen bestritt, dass der Bewertende jemals dort beschäftigt gewesen sei und verlangte die Löschung des Kommentars.
Kununu überprüfte die Bewertung und forderte den Verfasser auf, dies zu belegen. Dieser legte anonymisierte Dokumente (u.a. einen Arbeitsvertrag) vor.
Das Unternehmen verlangte weiterhin die vollständige Löschung der Bewertung und argumentierte, dass keine ausreichenden Nachweise für ein Arbeitsverhältnis vorlägen.
Das OLG Dresden wies die Klage ab.
Die Bewertung sei von der Meinungsfreiheit gedeckt und daher zulässig, so die Richter:
"Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aufgrund des Inhaltes der von der Beklagten veröffentlichten Drittbewertung "Schlechtester Arbeitgeber aller Zeiten" als solchem.
Eine unzulässige Schmähkritik ist darin schon deshalb nicht zu erkennen, weil ersichtlich die Auseinandersetzung in der Sache, nämlich die Erfahrungen der bewertenden Person als Beschäftigte/r in einem Unternehmen, im Vordergrund steht, und nicht die Herabsetzung einer bestimmten - natürlichen - Person.
Auch Äußerungen, die in scharfer und abwertender Kritik bestehen oder mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden, wären insoweit zulässig (…)"
Und weiter:
"Die vorliegende Meinungsäußerung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil für die getroffene Bewertung keinerlei tatsächliche Anknüpfungspunkte bestünden. Die Klägerin vermag mit ihrer Behauptung, der streitgegenständlichen Bewertung liege kein tatsächliches Beschäftigungsverhältnis bei ihr zu Grunde, nicht durchzudringen. (…)
Ihrer sie nach diesen Grundsätzen treffenden sekundären Darlegungslast hat die Beklagte nach Auffassung des Senats durch die Vorlage der gegenständlichen Unterlagen und Erteilung von Auskünften, die sie nach ihrem Vortrag und den diesen bestätigenden Aussagen der Zeugin Z... in dem von ihr auf das Löschungsverlangen der Klägerin hin durchgeführten Prüfungsverfahren erlangt hat, genügt."
Auch bestünde kein Anspruch auf Offenlegung der Person des Bewertenden:
"Ist die Offenlegung der Identität des Rezensenten weder grundsätzlich gefordert noch zulässig, so war die Beklagte zur Offenlegung weiterer Daten wie insbesondere des genauen Beschäftigungszeitraumes nicht verpflichtet. Aufgrund der damit verbundenen Gefahr einer Identifizierbarkeit der bewertenden Person hat der Bundesgerichtshof für ein Ärztebewertungsportal auf die Wahl eines größeren Zeitfensters zur Anonymisierung verwiesen (BGH, Urteil vom 01.03.2016 - VI ZR 34/15, MMR 2016, 418). Dementsprechend erscheint vorliegend die Angabe des Jahres des Ausscheidens der bewertenden Person aus dem Unternehmen der Klägerin ausreichend.
Eine unbeschränkte Offenlegung der Identität der bewertenden Person kann vom Betroffenen aber auch schon deshalb nicht stets verlangt werden, weil § 19 Abs. 2 TTDSG ein Recht auf anonyme oder pseudonyme Nutzung des Internets gewährleistet. Freilich besteht kein berechtigtes Interesse daran, die Anonymität des Verursachers aufrecht zu erhalten, wenn ein Dritter geltend macht, durch bestimmte Inhalte in seinen Rechten verletzt zu werden. § 21 Abs. 1 TTDSG (vgl. § 14 Abs. 2 TMG a.F.) ermächtigt die Diensteanbieter daher zur Herausgabe personenbezogener Bestandsdaten, soweit dies "zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist". § 21 Abs. 2 TTDSG (vgl. § 14 Abs. 3 TMG a.F.) verpflichtet den Diensteanbieter zur Auskunft über die bei ihm vorhandenen Bestandsdaten, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen Verletzung absoluter Rechte durch rechtswidrige Inhalte erforderlich ist und der rechtswidrige Inhalt als solcher einen der in § 1 Abs. 3 NetzDG enumerierten Straftatbestände erfüllt. Die Auskunftspflicht besteht ausdrücklich auch gegenüber dem Verletzten (§ 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG), setzt allerdings gemäß § 21 Abs. 3 TTDSG eine vorherige gerichtliche Anordnung voraus. Eine darüber hinausgehende Offenlegungspflicht kann somit von Rechts wegen nicht bestehen.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn lediglich geltend gemacht wird, dass der Bewertung kein geschäftlicher Kontakt zugrunde gelegen habe. Ob etwas anderes gilt, wenn geltend gemacht wird, dass die Bewertung einen rechtswidrigen Inhalt als solchen enthalte, und die Berechtigung eines Vorwurfs nicht ohne Offenlegung der Identität aufzuklären sei, kann vorliegend dahinstehen. Vorliegend geht es der Klägerin ihrem Vortrag zufolge nämlich - abgesehen davon, dass sie in der Bewertung (unzutreffend) eine Schmähkritik sieht - (nur) um eine von ihr behauptete Rechtswidrigkeit infolge eines fehlenden vertraglichen Verhältnisses zwischen der bewertenden Person und ihr."