Kanzlei Dr. Bahr
Navigation
Kategorie: Onlinerecht

AG München: Einwilligung in E-Mail-Newsletter-Werbung kann 4 Jahre nach Nichtnutzung entfallen

Nach Ansicht des AG München kann die Wirksamkeit einer Einwilligung in E-Mail-Newsletter-Werbung entfallen, wenn diese 4 Jahre lang nicht genutzt wird (AG München, Urt. v. 14.02.2023 . Az.: 161 C 12736/22).

Der Kläger wehrte sich gegen die aktuelle Zusendung eines Werbenewsletters durch die Beklagte.

In der Vergangenheit hatte der Kläger wirksam seine Einwilligung erteilt. Die letzte Zusendung - vor der aktuell streitgegenständlichen - erfolgte Ende 2017. Danach war vier Jahre Funkstille.

Ende 2021 schickte die Beklagte erstmalig wieder einen Newsletter.

Der Kläger sah darin eine unerlaubte Werbezusendung, weil seine in der Vergangenheit erteilte Einwilligung durch die lange Nichtnutzung unwirksam geworden sei.

Dieser Ansicht schloss sich das AG München an.

Zunächst führt das Gericht in den aktuellen Stand der Rechtsprechung ein:

"Ob und ab wann eine ursprünglich erteilte Einwilligung nicht mehr wirksam ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten und bisher nicht abschließend geklärt.

(1) Der BGH (BGH, Urteil vom I . Februar 2018 – III ZR 196/17 –, juris 31) führt hierzu aus (Hervorhebungen seitens des Gerichts):
„Eine zeitliche Begrenzung einer einmal erteilten Einwilligung sieht weder die RL 2002/58/EG noch S. 7 UWG vor. Hieraus ergibt sich, dass diese – ebenso wie eine Einwilligung nach 183 BGB – grundsätzlich nicht allein durch Zeitablauf erlischt (...). Vor diesem Hintergrund bestehen jedenfalls gegen die gegenständliche Regelung zur Geltungsdauer keine Bedenken. da diese eingegrenzt ist auf die Zeit während des laufenden Vertragsverhältnisses bis Zu höchstens zwei Jahre ab Vertragsbeendigung und zumindest während dieses überschaubaren Zeitraums bei einem Verbraucher, der seine Einwilligung im Rahmen des Vertragsschlusses erteilt, von seinem fortbestehenden Interesse an einer Information über neue Services und Angebote der Beklagten ausgegangen werden kann (...)."

Der BGH wendet sich also im Grundsatz gegen das Erlöschen einer Einwilligung mit Zeitablauf.
5
Er schränkt dies nachfolgend jedoch insoweit ein, als dass dies jedenfalls für die dort streitgegenständliche Regelung gelte, die sich auf höchstens zwei Jahre nach Vertragsbeendigung beziehe. In diesem überschaubaren Zeitraum sei bei einem Verbraucher von seinem fortbestehenden Interesse an Information auszugehen.

Ein Teil der instanzgerichtlichen Rechtsprechung befürwortet das Erlöschen einer Einwilligung mit der Zeit, so beispielsweise das LG München I ab einem Zeitraum von mehr als 1,5 Jahren (LG München l, Urteil vom 8. April 2010 – 17 HK 0 138/10 –, juris Rz. 21), das LG Berlin bei einem Zeitraum von zwei Jahren später (LG Berlin, Beschluss vom 2. Juli 2004 – 15 O 653/03) und das LG Hamburg bei einem Zeitraum von zehn Jahren später (LG Hamburg, Urteil vom 17.02.2004 312 O 645/02, openjur.de/u/30531.html, Rz. 63).

Gegen ein Erlöschen der Einwilligung wenden sich das OLG Stuttgart (OLG Stuttgart, Urteil vom 22. März 2007 – 2 U 159/06 –, juris Rz. 34) bei einem Zeitraum von einem Jahr und drei Monaten sowie das OLG Köln bei einem Zeitraum von einem Jahr und vier Monaten (OLG Köln, Urteil vom 7. Dezember 2012 – I-6 U 69/12 juris Rz. 15)."

In dem vorliegenden Einzelfall kommt das AG München schließlich zur Rechtswidrigkeit.

Wobei es maßgeblich auf die besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls abstellte:

"Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Einwilligung grundsätzlich zeitlich unbegrenzt gilt, so ist hier nach den Umständen des Einzelfalls nicht mehr von einem Fortbestehen der Einwilligung des Klägers auszugehen.

Der Kläger hatte die Newsletter der Beklagten 2015 und 2017 abonniert, seinen Account auf der Website der Beklagten aber seit Dezember 2017 nicht mehr genutzt. Seit Dezember 2017 hatte der Kläger infolge seines Austritts aus einem Golfclub keine Newsletter mehr erhalten. Der Austritt aus dem Club und die anschließende Nichtnutzung waren der Beklagten ausweislich ihrer Stellungnahme in Anlage K7 auch bekannt. Die Beklagte nahm nach eigenen Angaben in Anlage K7 erst im Dezember 2021 wieder Kontakt auf, nachdem die Kooperation mit dem Deutschen Golf Verband ausgelaufen war.

Zu berücksichtigen ist daher, dass eine ausdrückliche Einwilligung zunächst zwar unstreitig vorlag. Das Abonnement war zunächst wohl mit einer Mitgliedschaft des Klägers in einem Golfclub gekoppelt. Diese Mitgliedschaft endete Ende 2017. Hiervon hatte die Beklagte auch Kenntnis und sandte dem Kläger entsprechend keine E-Mails mehr zu. Als sich die internen Regelungen der Beklagten Ende 2021 änderten, hatte der Kläger seit vier Jahren weder seinen Account bei der Beklagten genutzt noch E-Mails der Beklagten erhalten.

Die Beklagte hatte auch keine positive Kenntnis von einer erneuten Anmeldung des Klägers für den Newsletter oder für einen weiteren mit der Beklagten verbundenen Golfclub. Vor dem Hintergrund der erheblichen Zeit von vier Jahren sowie dem Ende der Zusendung infolge des Austritts des Klägers aus einem Golfclub durfte die Beklagte nicht davon ausgehen, die Einwilligung des Klägers bestehe fort. Sie hätte sich vielmehr zunächst erkundigen müssen, ob dies noch der Fall war (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 2. Juli 2004 – 15 O 653/03)."

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Das AG München nimmt also nicht automatisch nach vielen Jahren der Nichtnutzung einer E-Mail-Adresse den Wegfall der Einwilligung an. Vielmehr stellt es auf maßgeblich auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ab (Vereinsaustritt und Newsletter an Vereinsmitgliedschaft) und kommt daher zu diesem Ergebnis.

Rechts-News durch­suchen

11. Oktober 2024
Anbieter dürfen auf Instagram nicht mit Vorher-Nachher-Bildern für kosmetische Eingriffe wie Hyaluron-Spritzen werben, da dies gesetzlich verboten…
ganzen Text lesen
11. Oktober 2024
Handgel mit desinfizierender Wirkung muss eine Biozid-Zulassung haben und darf nicht als Kosmetikprodukt vertrieben werden.
ganzen Text lesen
09. Oktober 2024
Ein Unternehmen, das einen Klempner- oder Heizungsnotdienste anbietet, muss in der Handwerksrolle eingetragen sein, um online werben zu dürfen.
ganzen Text lesen
08. Oktober 2024
Ein Lebensmittel aus einem Drittland darf das EU-Bio-Logo nur tragen, wenn es allen Vorgaben des Unionsrechts entspricht, nicht aber bei lediglich…
ganzen Text lesen

Rechts-News durchsuchen