Werden hinsichtlich der Einbindung von Google Fonts in eine Webseite massenhaft Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht, ist das Begehren rechtsmissbräuchlich und damit unbegründet (LG München I, Urt. v. 30.03.2023 - Az.: 4 O 13063/22).
Der Beklagte hatte Ende 2022 massenhaft Ansprüche gegen Webseiten-Betreiber geltend gemacht, die Google Fonts extern bei sich in die Webseite eingebunden hatten.
Ende Dezember 2022 gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass sie sowohl bei dem Abmahner als auch seinem Anwalt entsprechende Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt habe. Es bestünde der Verdacht des Betruges und der Erpressung.
Der abgemahnte Kläger wollte vor Gericht festgestellt wissen, dass die ausgesprochen Abmahnung unwirksam sei.
Das LG München I gab der Klage statt.
Es fehle bereits an der persönlichen Betroffenheit des Abmahners, da die jeweilige Webseite automatisiert und nicht persönlich aufgerufen worden sei:
"Allerdings setzt eine Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus, dass tatsächlich eine persönliche Betroffenheit gegeben ist.
Nach den Ausführungen in den Schriftsätzen der Parteien sowie des weiteren Akteninhalts und der Erklärungen der Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung ist das Gericht davon überzeugt, dass eine solche persönliche Betroffenheit hier nicht gegeben war.
Es ist nicht davon auszugehen - und spätestens seit dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09.03.2023 wohl auch unstreitig -, dass der Beklagte tatsächlich persönlich die Website des Klägers aufgesucht hat bzw. die Websites anderer Abgemahnter.
Vielmehr wurde ein automatisiertes Programm (sog. Crawler) eingesetzt, um Websites aufzufinden, auf denen Google-Fonts dynamisch eingebunden waren. (...) Wer Websites gar nicht persönlich aufsucht, kann persönlich auch keine Verärgerung oder Verunsicherung über die Übertragung seiner IP-Adresse an die Fa. Google in den USA verspüren. (...)
Selbst wenn jedoch angenommen würde, dass auch ein automatisierter Besuch einer Web¬site, der zur Übertragung der IP-Adresse des Nutzers führt, grundsätzlich geeignet wäre, eine Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts zu begründen, so scheidet ein Unter¬lassungsanspruch des Beklagten gegen den Kläger unter dem Gesichtspunkt der Tatprovokation aus. Der mutmaßlich vom Beklagten eingesetzte Crawler sollte ja gerade Websites mit dynami¬scher Google-Fonts-Einbindung finden. Die Übertragung der IP-Adresse in die USA war dann auch zwingende Voraussetzung, um überhaupt einen Unterlassungsanspruch geltend zu ma¬chen. Wer sich aber bewusst und gezielt in eine Situation begibt, in der ihm eine Persönlichkeitsrechtsverletzung droht, gerade um die Persönlichkeitsverletzung an sich zu erfahren, um sodann daraus Ansprüche zu begründen, ist nicht schutzbedürftig."
Weiterhin sei das Begehren auch rechtsmissbräuchlich:
"Im Übrigen wäre ein (...) Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO oder aus § 823 Abs. 1 BGB (...) auch wegen Rechtsmissbrauch, § 242 BGB ausgeschlossen.
Der Beklagte ließ gezielt durch den Crawler Websites aufsuchen, gerade um behauptete Verletzungen seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu begründen. Es ist aber nicht Sinn und Zweck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder der Datenschutzvorgaben nach der DSGVO, Personen eine Erwerbsquelle zu verschaffen wegen behaupteter Verletzungen ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Wer einen Verstoß gegen sein Persönlichkeitsrecht gezielt provoziert, um daraus hernach Ansprüche zu begründen, verstößt gegen das Verbot selbstwidersprüchlichen Verhaltens."