Durch einen Artikel in der aktuellen c´t (10/2003, S.196) stellen sich nun viele Leser die Frage, ob durch die dort erwähnte EU-Richtlinie eine Änderung der deutschen Spam-Rechtslage eintreten wird.
Sachlich geht es um die Europäische Richtlinie "über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation" vom 12.07.2002 (2002/58/EG).
Bislang gilt in Deutschland der Grundsatz des Opt-In. D.h. derjenige, der Empfänger einer Mail ist, muss dem vorher zugestimmt hat. Wird diese Zustimmung im Vorwege nicht eingeholt, handelt es sich um Spam, also unerbetene E-Mail. Eine solche Handlung verstößt nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung gegen § 1 UWG bzw. § 823 BGB und kann kostenpflichtig abgemahnt werden.
Nach Ansicht des LG München I (Urt. v. 05.11.2002 - Az.: 33 O 17030/02) soll sogar derjenige als Mitstörer haften, der dem Spammer bestimmte Versendefunktionen (E-Cards, Newsletter) zur Verfügung stellt.
Auch Werbe-SMS sind nach Ansicht des LG Berlin (Urt. v. 14.01.2003 - Az.: 15 O 420/02) rechtswidrig, obgleich nach Meinung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. nicht strafbar (Az 3Zs82/03).
Die nun oben zitierte Europäische Richtlinie schickt sich an, diese bestehende Rechtslage zu ändern. Noch hat sie der deutsche Gesetzgeber nicht in nationales Recht umgesetzt, was aber bis spätestens zum 31.10.2003 zu erfolgen hat.
Stein des Anstoßes ist Artikel 13, der lautet:
"(1) Die Verwendung von automatischen Anrufsystemen (...) für die Zwecke der Direktwerbung darf nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer gestattet werden.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 kann eine natürliche oder juristische Person, wenn sie von ihren Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung (...) deren elektronische Kontaktinformationen für elektronische Post erhalten hat, diese zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen verwenden, sofern die Kunden klar und deutlich die Möglichkeit erhalten, eine solche Nutzung ihrer elektronischen Kontaktinformationen bei deren Erhebung und bei jeder Übertragung gebührenfrei und problemlos abzulehnen, wenn der Kunde diese Nutzung nicht von vorneherein abgelehnt hat."
Daraus ergibt sich:
Das schon derzeitig bestehende "Opt-In"-Prinzip wird grundsätzlich beibehalten (Art. 13 Abs.1). Davon wird aber in Art. 13 Abs.2 eine wichtige Ausnahme gemacht: Innerhalb einer Kundenbeziehung darf der Unternehmer nunmehr grundsätzlich davon ausgehen, dass der Kunde mit dem Empfang von weiteren Mails einverstanden ist. Hier wird also das "Opt-Out"-Modell statuiert.
Unklar ist, was unter "im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produktes oder einer Dienstleistung" exakt gemeint ist. Ob hierunter nur die Geschäfte fallen, bei denen eine Ware oder eine Dienstleistung auch tatsächlich verkauft wird, oder ob auch schon bloße Verhandlungen und vorhergehende Informationsgespräche zu fassen sind. Streitträchtig dürfte auch der Begriff "ähnliche Produkte oder Dienstleistungen" sein. Kauft z.B. Herr X ein Auto, darf der Unternehmer ihn dann nur über weitere PKW-Modelle informieren? Oder aber auch über besondere Service-Leistungen wie verbesserte Klimaanlage, neue Reifen, spezielle Wartungsverträge mit Werkstätten, günstige Versicherungen usw.?
Der Unternehmer darf seine Mails von vornherein nur dann nicht versenden, wenn der Kunde von Beginn dies untersagt hat. Zudem kann der Kunde jederzeit den weiteren Empfang von Mails untersagen. Der Unternehmer muss ihm zu einer solchen Untersagung "gebührenfrei und problemlos" die Möglichkeit geben.
Auf die Frage, ob sich durch die EU-RiL die bisherige Rechtslage in Sachen Spam ändert, kann also mit einem klaren "Jein" beantwortet werden: Vom Grundsatz her nicht. Nur im Bereich der Kundenbeziehungen gilt ein qualifiziertes Opt-Out-Prinzip.