Die Entwicklung in Sachen Glücksspiel-Recht in Deutschland in den vergangenen Monaten ist außerordentlich turbulent.
Ende letzten Jahres hat der EuGH (Urt. v. 6 . November 2003 - Az.: C-243/01 - Gambelli) eine grundlegende Entscheidung in Sachen Glücksspiele getroffen ("Gambelli"). Vgl. dazu den Artikel von RA Dr. Bahr: "Glücksspiele: Grundlegende Änderung der Rechtsprechung".
Seitdem streiten die deutschen Gerichte miteinander.
Die Rechtmäßigkeit eines Glücksspiel mit einer europäischen Lizenz ist durch den Beschluss des LG München (Besch. v. 27. Oktober 2003 - Az.: 5 Qs 41/2003), die Entscheidung des AG Heidenheim(Beschl. v. 01.12.2003 - AZ.: 3 Ds 424/03 = PDF, 76 KB), des LG Berlin (Beschl. v. 23.09.2003 - Az.: 526 Qs 214/03 = Kanzlei-Info v. 01.02.2004), des Hessischen VGH (Beschl. v. 9. November 2003 - Az.: 11 TG 3060/03 = Kanzlei-Info v. 24.02.2004); des AG Bremen (Beschl. v. 10. März 2004 - Az.: 74 Ds 601 Js 7083/03 = Kanzlei-Info v. 15.04.2004) und des LG Karlsruhe (Urt. v. 21. Januar 2004 - Az.: 14 O 3/04 KfH III = Kanzlei-Info v. 15.05.2004) in der nationalen Rechtsprechung bestätigt worden. Vgl. hierzu den Artikel von RA Dr. Bahr: "Neuigkeiten aus dem Bereich des Glückspiel-Rechts".
Dagegen haben das BayOLG (Beschl. v. 26.11.2003 - 5 St RR 289/03 = Kanzlei-Info v. 21.01.2004), das VG Stade (Beschl. v. 27.11.2003 - Az.: 6 B 1674/03 = Kanzlei-Info v. 27.01.2004) und das VG Arnsberg (Beschl.v. 17.11.2003 - Az.: 1 L 1646/03 = Kanzlei-Info v. 16.02.2004) eine Änderung der bisherigen Rechtslage verneint.
Nun hat das VG Karlsruhe (Beschl. v. 7. Mai 2004 - Az.: 3 K 145/04) ebenfalls die Rechtmäßigkeit eines Glücksspiels mit europäischer Lizenz bejaht.
Der Antragsteller betrieb in Karlsruhe ein Büro zur Vermittlung von Sportwetten. Die Sportwetten wurden an eine englische Firma weitergeleitet, die dort über eine entsprechende staatliche Lizenz verfügten.
Die Antragsgegnerin, die Stadt Karlsruhe, verbot den Betrieb dieses Wettbüros und ordnete die sofortige Vollziehung an. Hiergegen wandte sich der Antragsgegner und beantragte die aufschiebende Wirkung wieder herzustellen.
Diesem Antrag folgte das Gericht.
"Bei der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens (...) offen. Der vorliegende Fall wirft eine Vielzahl von schwierigen Rechtsfragen auf, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist.
Bei dieser Sachlage misst die Kammer dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers höheres Gewicht bei als dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der verfügten Untersagung."
Und weiter:
"Zweifelhaft ist bereits, ob die Voraussetzungen der polizeilichen Generalklausel (...) vorliegend gegeben sind. Die Antragsgegnerin leitet einen Verstoß (..) aus dem Umstand her, dass dieser aufgrund der Vermittlung von Sportwetten (...) den Tatbestand der Beihilfe zur unerlaubten öffentlichen Veranstaltung eines Glücksspiels gem. § 284 Abs.1 StGB erfüllt habe. (...)
Zwar handelt es sich nach herrschender Meinung (...) bei der Veranstaltung von Oddset-Wetten (...) um ein Glücksspiel i.S.d. § 284 StGB. Vorliegend hat der Antragsteller aber unter Vorlage eines mit der englischen Firma H. (...) geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrags geltend gemacht, dass die Annahme von Wetteinsätzen auf 20,- EUR und der Gesamtverlust eines Wettkunden auf 2.500,- EUR beschränkt sei.
Insoweit fehlt bisher seitens der Antragsgegnerin jegliche Auseinandersetzung mit denr echtlichen Auswirkungen einer solchen begrenzung (...)."
Hinsichtlich des Punktes europäischer Lizenz führt das Gericht aus:
"Entscheidend kommt in diesem Zusammen die (...) Frage hinzu, ob die Strafvorschrift des § 284 StGB (...) unanwendbar zu bleiben hat, weil sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in den EG-Vertrag gewährleistete Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit der englischen Firma H. (...) darstellt. (...)
Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfte sowohl ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit als auch ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit (...). vorliegen.
Ein solcher Eingriff (...) ist nach der Rechtsprechung des EuGH nur mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zu rechtfertigen.
Als zwingende Allgemeininteressen hat der EuGH grundsätzlich den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeutungs und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spiel anerkannt. An die Eignung der Beschränkungen, dieses Ziel zu erreichen, stellt der EuGH allerdings erhöhte Anforderungen. Nach dem (...) vorliegenden (...) Sachverhalt bestehen erhebliche Zweifel, ob für die Erreichung (...) der Ziele die in Baden-Würrtemberg insoweit geltende Regelung erforderlich ist."