Das OLG Braunschweig (Urt. v. 28.10.2004 - Az.: 2 U 95/04) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, wann eine Namensnennung eines Straftäters in der Öffentlichkeit erlaubt ist.
Der Kläger war ein gewalttätiger Demonstrant aus dem rechten politischen Bereich, der deswegen auch verurteilt wurde. In der Presse wurde über ihn mit vollständigem Namen berichtet. Hiergegen wendete er sich.
Dieses Begehren lehnte das OLG ab und erklärte die Namensnennung für rechtmäßig.
Zunächst weist das Gericht darauf, dass auch bei Straftaten unterhalb des Bereichs der Schwerkriminalität der Täter namentlich genannt werden dürfte, wenn die Tat angesichts der Person oder Stellung des Täters und/oder der Art der Tat bzw. ihrer spezifischen Verhältnisse die Öffentlichkeit besonders berührt:
"Das ist der Fall.
Denn die berichteten Vorkommnisse und die hieran beteiligten Personen bilden aus ihrem aktuellen politischen Kontext heraus ein zeitgeschichtliches Geschehen, so dass die Handelnden als relative Personen der Zeitgeschichte anzusehen sind und sich deshalb (...) zumindest ihre bildliche Darstellung in der Öffentlichkeit gefallen lassen müssen.
Zwar wäre im Gegensatz zur bildlichen Darstellung dieses Geschehens (...)die in Rede stehende Namensnennung anders zu beurteilen, wenn der Kläger nicht Täter, sondern nur Opfer oder ein sonst unfreiwillig in das Tatgeschehen Hineingezogener gewesen wäre, insbesondere wenn er - wie er behauptet hat - aus einer Notwehr- oder Nothilfesituation heraus zugeschlagen hätte.
Diese Behauptung wird jedoch durch die Bildsequenzen des über den Vorfall aufgenommenen Videofilms widerlegt (...)."
Als besonderen Rechtfertigungsgrund für die Namensnennung wertet die Braunschweiger Richter insbesondere das eigene Verhalten des Klägers:
"Danach ist es der Kläger gewesen, der angegriffen hat, nachdem er sich zuvor aus einem Gerangel um das anschließend als Tatwaffe benutzte Transparent befreit hatte.
Bei seiner Schlagführung, die das eigentlich anvisierte Ziel verfehlt und mit dem Verletzten dann auch noch einen Unbeteiligten getroffen hat, war der Kläger jedoch keinem bereits geführten oder sonst unmittelbar bevorstehenden Angriff ausgesetzt, welcher Anlass zu der Annahme hätte bilden können, er müsse sich irgendwie seiner Haut wehren. (...)
Zwar handelt es sich bei dem Kläger nicht um eine herausgehobene Persönlichkeit des rechten politischen Spektrums. Selbst die von der Beklagten behauptete Wahrnehmung einer Ordnerfunktion bei der betreffenden Demonstration bewirkt für sich allein eine solche Heraushebung noch nicht.
Gleichwohl unterliegt die im Zeitungsbericht wiedergegebene Tat einem gesteigerten Unterrichtungsinteresse, da sie nach der Ereignisabfolge, wie sie aus den Bildsequenzen herauszulesen ist, exemplarisch erscheint für die politische "Kultur" an beiden Enden des politischen Spektrums und symptomatisch wirkt für das hasserfüllte Umgehen der jeweiligen politischen Gegner untereinander bei ihrem häufig sogar gesuchten Aufeinandertreffen."
Und weiter:
"Der aktive Teilnehmer an diesen abzusehenden, häufig sogar gesuchten Demonstrationsexzessen ist vielmehr bereits aufgrund eigener Entscheidung aus der Anonymität herausgetreten und muss es sich deshalb bis zu einem gewissen Grade auch gefallen lassen, mit dieser Entscheidung beim Wort genommen zu werden.
Zumindest muss er es hinnehmen, wenn das in seinem Auftreten zugleich als Gegenstand der Berichterstattung aufgegriffene zeitgeschichtliche Sachproblem in ihm derart personalisiert wird, dass er und seine Tat als repräsentativ für die behandelte zeitgeschichtliche Erscheinung auf- und angegriffen werden."