Erst vor kurzem hat das LG Halle (Urt. v. 13.05. 2005 - Az.: 1 S 28/05) entschieden, dass auch derjenige Online-Händler sich wettbewerbswidrig verhalten kann, wer sich exakt an das fernabsatzrechtliche Musterformular nach der BGB-InfoV richtete, da das amtliche Muster falsch sei.
Das Urteil hat in der Internet-Szene für viel Wirbel gesorgt. Wichtig dabei festzuhalten ist, dass das LG Münster einen Sachverhalt beurteilte, der sich im Jahre 2003 zugetragen hatte, und hat somit auch inzwischen überarbeitetes novelliertes Recht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat. Unabhängig davon, ob man der Argumentation des LG Halle folgt oder nicht, ist die Anlage 2 der BGB-InfoV durch Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 02.12.2004 (BGBl. I S. 3102) zwischenzeitlich neu gefasst worden.
Nun hatte das LG Münster (Urt. v. 02.08.2006 - Az.: 24 O 96/06) eben diese Frage zu beantworten: Ob durch die Gesetzesnovelle nunmehr die BGB-InfoV und somit auch das amtliche Muster Gesetzesrang hat.
Dies bejaht das Gericht in letzter Konsequenz
Zuerst stellen die Juristen fest, dass auch das neue Musterformular nicht mit dem geltenden Recht vereinbar ist:
"Zwar stimmt die vom Verfügungsbeklagten verwendete Formulierung über den Beginn der Widerrufsfrist „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" nicht mit § 312 d Abs. 2 BGB überein. Denn nach § 312 d Abs. 2 BGB ist für den Beginn der Widerrufsfrist auch der Erhalt der Ware maßgebend."
Es liege jedoch kein Rechtsverstoß vor, da der Online-Händler das amtliche Muster verwende. Durch die Novellierung habe die BGB-InfoV nunmehr Gesetzesrang.
"Allerdings entspricht die vom Verfügungsbeklagten verwandte Belehrung über das Widerrufsrecht der Fiktion des § 14 BGB-InfoV.
Im Hinblick darauf, dass die BGB-InfoV durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Femabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 02.12.2004, BGB1 2004, Seite 3102 Gesetzesrang erhalten hat, steht § 14 BGB-InfoV mit §§ 355, 312 d Abs. 2 BGB normenhierarchisch auf einer Ebene.
Dies hat zur Folge, dass ein Gesetzesverstoß in Bezug auf die Widerrufsbelehrung dann zu verneinen ist, wenn die vom Verfügungsbeklagten verwendete Widerrufsbelehrung dem Muster (...) entspricht. Dies ist vorliegend hinsichtlich der in der Widerrufsbelehrung enthaltenen Formulierung über den Beginn der Widerrufsfrist der Fall."
Im Klartext: Das amtliche Musterformular ist zwar (weiterhin) falsch, aber nicht wettbewerbswidrig, weil der Gesetzgeber selber seit Jahren unfähig ist, ein ordnungsgemäße Formulierung bereitzustellen. Die aktuelle Entscheidung ist ein weiteres, schönes Beispiel für den gesetzgeberischen Offenbarungseid im Fernsatzrecht.