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OLG Hamburg: Fehlende Preisangabe im Online-Handel u.U. nicht abmahnfähig

Das OLG Hamburg hat seine bisherige Rechtsprechung in Sachen Preisangabepflichten im Online-Handel in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 14.02.2007 - Az. 5 U 152/06) um eine weitere Nuance bereichert.

Die Beklagte betrieb einen Online-Shop. Auf den Übersichtsseiten wurden die Produkten dargestellt, es fehlte jedoch ein Hinweis auf die Mehrwertsteuer. Ein Hinweis erfolgte erst später auf einer der Folgeseiten. In den AGB der Beklagten wurde jedoch unter dem Begriff „Zahlungsbedingungen“ mitgeteilt, dass die angegebenen Kaufpreise sich inklusive der gesetzlich geltenden Umsatzsteuer verstehen. Auf der Übersichtsseite selber fand sich auch ein Link zu den AGB.

Die Richter werteten diesen Sachverhalt als wettbewerbswidrigen Verstoß:

"§ 1 Abs. 6 PAngVO verlangt, dass die „Angaben nach dieser Verordnung“ dem Angebot oder der Werbung eindeutig zugeordnet werden sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar sind.

Dazu gehört, dass sich der Preis und seine Bestandteile entweder in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der Werbung mit den Artikeln befindet oder der Nutzer jedenfalls in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der Werbung unzweideutig zu dem Preis mit allen seinen Bestandteilen hingeführt wird (...). Die eindeutige Zuordnung und leichte Erkennbarkeit (...) umfasst dabei sowohl das „Wo“ als auch das „Wie“ der Angaben, denn beide Komponenten sind untrennbar miteinander verknüpft. (...)

Im vorliegenden Fall befinden sich die (...) erforderlichen Angaben erst auf der Internetseite „Warenkorb“ (...) und werden somit erst nach Einleitung des Bestellvorganges und unmittelbar vor Abgabe der Bestellung gemacht. Hierdurch ist den Anforderungen der §§ 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 PAngV nicht Rechnung getragen, da diese nach der PAngVO bereits bei der Werbung unter Angabe von Preisen zu erfüllen sind."


Und weiter:

"Auch der Umstand, dass in den AGB der Beklagten darüber aufgeklärt wird, dass die angegebenen Kaufpreise sich inklusiv der gesetzlichen Umsatzsteuer verstehen, führt nicht aus dem Verstoß (...) heraus. Denn auf die AGB wird nicht durch einen mit der Werbung oder dem Angebot in unmittelbar räumlichem Zusammenhang stehenden „sprechenden Link“ hingewiesen. Der Verbraucher findet erst (...) ganz unten das Kürzel „AGB“ (...). Der Hinweis „AGB“ lässt lediglich vermuten, dass hier Angaben zu AGB zu finden sind. In AGB´s wird der informierte und verständige Verbraucher regelmäßig aber keine Angaben darüber erwarten, ob die Preise die Umsatzsteuer einschließen oder nicht."

Jedoch sei dieser Wettbewerbsverstoß nicht abmahnfähig, da er nicht die vom Gesetz geforderte Erheblichkeitsschwelle überschreite (§ 3 UWG).

"Für eine nur unerhebliche Beeinträchtigung spricht zunächst, dass der Unternehmer (...) schon nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngVO verpflichtet ist, die Preise anzugeben hat, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind, d.h. sogenannte Endpreise. Bereits hierdurch wird im weiten Umfang zugunsten des Letztverbrauchers sichergestellt, dass ihm der von ihm zu entrichtende effektive Preis genannt wird.

Unklarheiten über die Preise oder deren Zustandekommens sind bereits hierdurch im Hinblick auf die Umsatzsteuer regelmäßig beseitigt. Dass der Verbraucher daneben in den Fällen des speziellen Fernabsatzvertrages auch noch die sich bereits aus dem Gesetz ergebende Selbstverständlichkeit mitgeteilt bekommt, dass der Endpreis die Umsatzsteuer enthält, stellt sich im Verstoßfall nach Auffassung des Senates als allenfalls geringe Beeinträchtigung der Interessen des Verbrauchers und auch der sonstigen Marktteilnehmer dar."


Und weiter:

"Zu dem gleichen Ergebnis führt auch die Erwägung, dass der durchschnittlich verständige Verbraucher schon aufgrund des ihm gewohnten, langjährig üblichen Preisauszeichnungsverhaltens insbesondere der Einzelhändler an die Nennung von Preisen einschließlich der Umsatzsteuer gewöhnt ist. Er wird daher bei den im Fernabsatz genannten Preisen (...) davon ausgehen, dass die dort genannten Preise Endpreise sind, also die Umsatzsteuer umfassen. Auch unter diesem Gesichtspunkt stellt sich der Verstoß (...) materiell als eher geringfügig dar.

Entscheidend für die Annahme einer nur unerheblichen Beeinträchtigung ist vorliegend, dass die Beklagte die erforderliche Angabe in aller Deutlichkeit auf der Seite „Warenkorb“ mitteilt. Unmittelbar unter der Gesamtsumme (Endpreis) befindet sich der Hinweis, dass „die Umsatzsteuer in der Gesamtsumme enthalten“ ist (...). Hierdurch wird die Angabe zwar (...) zu spät, aber doch noch vor Abgabe der zum Vertragsabschluss führenden Willenserklärung gemacht. Hierdurch ist das Beeinträchtigungspotential des Verstoßes weiter entschärft."


Mit anderen Worten: Dadurch, dass der Unternehmer zwar verspätet, aber letzten Endes doch den Hinweis erteilt, führt dazu, dass die Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten ist und der Wettbewerbsverstoß nicht abmahnfähig ist.

Bei der Verallgemeinerungsfähigkeit dieses Urteils ist außerordentliche Vorsicht geboten. Das Gericht trifft hier seine Entscheidung insbesondere aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls. Und selbst wenn sich diese Ansicht beim OLG Hamburg als grundsätzliche Meinung durchsetzt, so ist damit für den Online-Shop-Betreiber nicht wirklich etwas gewonnen: Der Abmahner kann aufgrund des fliegenden Gerichtsstands im Internet jederzeit ein anderes Gericht wählen, von dem er weiß, dass es die Abmahnfähigkeit bejaht.

Siehe zu dem Problem der Preisansagepflichten im Online-Handel auch die Entscheidungen des

BGH:
Preisangabe-Pflichten bei Online-Shops (vgl. die Kanzlei-Info v. 30.11.2005)

des OLG Hamburg:
Angabe von Liefer- und Versandkosten bei eBay (vgl. die Kanzlei-Info v. 16.03.2007)
Preisangabepflichten bei Fernabsatz-Werbung (vgl. die Kanzlei-Info v. 22.01.2005)
Preisangabepflichten im Online-Handel (vgl. die Kanzlei-Info v. 04.03.2005)
"Hotline"-Hinweis Verstoß gegen PreisangabenVO (vgl. die Kanzlei-Info v. 26.07.2004)
Preisangabepflichten für Web-Hosting-Anbieter (vgl. die Kanzlei-Info v. 07.03.2005)

des OLG Köln:
Preisangabepflichten bei Online-Shop (vgl. die Kanzlei-Info v. 18.02.2005)
Preisangabe bei einem Link (vgl. die Kanzlei-Info v. 26.07.2004)

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