Das OLG Hamburg (Urt. v. 22.05.2007 - Az.: 7 U 137/06) hat entschieden, dass die bekannte Suchmaschine Google keine Mitstörerhaftung bei rechtswidrigen Usenet-Inhalten trifft, auch wenn sie diese anzeigt.
"Selbst wenn man der Antragsgegnerin eine potentielle Störereigenschaft im Hinblick auf ihre Position zubilligen würde, würde es doch hier an der zusätzlich zu fordernden Zumutbarkeit der künftigen Einflussnahme fehlen.
Es ist nämlich anerkannt, dass eine Haftung als Störer auf künftige Unterlassung nur dann in Betracht kommt, wenn für die betreffenden Person zumutbare Kontrollmöglichkeiten bestehen und wenn es ihr möglich ist, für die Zukunft zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um Vorsorge dafür zu treffen, dass es nicht zu weiteren Verletzungen kommt (...).
Hierbei ist zunächst zu beachten, dass der Antragsteller nicht die Entfernung des Zugangs zu konkret bezeichneten Beiträgen begehrt. Nach dem Vortrag der Parteien ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin die jeweils an sie gerichteten konkreten Beanstandungen unverzüglich an Google Inc. weitergeleitet hat, von wo umgehend der Zugang über Google Groups zu den jeweiligen Postings gelöscht wurde.
Mit seinem Antrag verfolgt der Antragsteller jedoch das weiter gehende Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Verbreitung künftiger Postings zu unterlassen.
Um dies zu gewährleisten, müsste die Antragsgegnerin das Usenet ständig daraufhin überprüfen, ob der genannte Beitrag erneut erscheint, und gegebenenfalls seine Verbreitung unterbinden.
Beides ist nach Auffassung des Senats der Antragsgegnerin nicht zuzumuten.
Die Antragsgegnerin selbst verfügt über keine speziellen technischen Hilfsmittel, Postings, die ins Usenet gestellt werden, aufzufinden. Sie kann hierzu lediglich von der der Allgemeinheit zugänglichen Suchmaschine Gebrauch machen. Eine derartige manuelle - engmaschige - Überwachung für eine mögliche Fülle von zu erwartenden Verletzungen ist ihr nicht zuzumuten.
Die Antragsgegnerin verfügt darüber hinaus auch über keine technischen Mittel, den Zugang zu bestimmten Inhalten des Usenet zu sperren. Ihr ist es ferner nicht möglich, selbst die Entfernung eines ihr bekannten Beitrags aus dem Usenet zu betreiben, während der Antragsteller dies im Wege des "Fremdcanceln" (...) könnte."
Und weiter:
"Selbst wenn nämlich Google Inc. selbst als Störer in Anspruch genommen werden könnte, was hier nicht zu entscheiden ist, könnte die Störerhaftung dieses Unternehmens unter keinem Gesichtspunkt dazu führen, dass dieses eine Verpflichtung zur Sperrung der Domain träfe.
Hierbei ist zu beachten, dass die Dienstebetreiberin Google Inc. den Schutz der freien Meinungsäußerung des Art. 5 Abs.1 GG für sich in Anspruch nehmen kann, weil sie in vielfacher Weise den Austausch und die Verbreitung von Informationen und Meinungen fördert. Dies betrifft nicht nur die von diesem Unternehmen betriebene Internet-Suchmaschine, sondern gerade auch die hier maßgebliche Zurverfügungstellung einer Schnittstelle zum Usenet, die Millionen von Nutzern die Teilnahme an dem weltweiten Forum ermöglicht. Durch die Sperrung der Domain würde aber für eine unübersehbare Vielzahl von Personen der Zugang zu den Beiträgen des Usenet und die eigene Teilnahme an dem Forum erschwert. Dies gilt insbesondere auch für die gleichfalls von Google Inc. betriebene Suchmaschine, die die ins Usenet gestellten Postings auffindbar macht.
Die der Antragsgegnerin abzuverlangende Maßnahme würde damit eine erhebliche Beeinträchtigung des allgemeinen Meinungsaustauschs nach sich ziehen und wäre schon deshalb unangemessen und unzumutbar."
Lesenswert ist die Entscheidungen des OLG auch deswegen, weil sie Ausführungen zur Stellung des Admin-C enthält. Nach Auffassung der Richter haftet dieser nicht für die auf der Domain begangenen Rechtsverletzungen:
"Es erscheint indessen fraglich, ob allein die Innehabung dieser Vermittlerstelle zur DENIC als maßgeblicher Beitrag zur Vermittlung zum Zugang zu im Usenet stehenden rechtswidrigen Inhalten im Sinne einer Störereigenschaft anzusehen ist. Eine solche Ausweitung des Störerbegriffs könnte dazu führen, dass jeder Mitarbeiter eines Betriebs, von welchem rechtswidrige Handlungen ausgehen, als Störer in Betracht kommen würde, auch wenn er selbst unmittelbar mit deren Ausführung nicht befasst wäre, sofern er nur in der Lage wäre, den gesamten Betrieb durch eine eigene Handlung lahm zu legen. (...)
Dem steht auch nicht entgegen, dass dann, wenn der Admin-C nicht als Störer zur künftigen Unterlassung verpflichtet werden kann, der Verletzte den ungleich schwereren Rechtsweg gegen einen ausländischen Webseitenbetreiber beschreiten muss.
Eine gesetzliche Verpflichtung zur Benennung eines administrativen Partners im Inland durch den im Ausland ansässigen Betreiber einer in Deutschland erreichbaren Website existiert nicht. Allein die Tatsache, dass die Domainvergabestelle DENIC für die eigene Vertragsabwicklung einen solchen Ansprechpartner mit entsprechenden Vollmachten fordert, kann nicht zu einer erweiterten Haftung dieses Ansprechpartners auch für den Inhalt der jeweiligen Website gegenüber Dritten führen. Da somit ein Unterlassungsanspruch des Antragstellers nicht besteht, ist die einstweilige Verfügung unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils aufzuheben."
Noch vor kurzem hatte das LG Hamburg in mehreren Entscheidungen (= Kanzlei-Infos v. 19.04.2007 und v. 07.06.2007) die Admin-C-Haftung bejaht. Diese Ansicht dürfte sich angesichts der aktuellen Entscheidung des OLG Hamburg nunmehr überholt haben.
Abzuwarten bleibt dagegen, welche Auswirkungen das vorliegende Urteil für das Berufungsverfahren "Mitstörerhaftung für Usenet-Zugangsdienst" (= Kanzlei-Infos v. 25.05.2007) hat. Eine 1:1-Übertragung auf das dortige Verfahren ist deswegen nicht möglich, weil das OLG Hamburg im vorliegenden Fall sehr stark auf die Funktion der Suchmaschine Google abstellt, während es sich im Usenet-Fall um einen Zugangsdienst handelt.