Das OVG Münster teilt in einer aktuellen Pressemitteilung mit:
"Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 10. Juni 2008 eine erste Entscheidung zur Zulässigkeit von Pokerturnieren getroffen.
Die in Nordrhein-Westfalen ansässige Antragstellerin beabsichtigt die Durchführung von Pokerturnieren im Rahmen der "Poker-Bundesliga" in einer Gaststätte in Rheine. Bei diesen Turnieren wird um Gewinne gespielt, die Sponsoren zur Verfügung gestellt haben. Die Spielteilnehmer zahlen lediglich eine Teilnahmegebühr in Höhe von 15 Euro, die ausschließlich der Deckung der sonstigen Veranstaltungskosten dient. Jeder Spieler erhält zu Beginn des Turniers eine bestimmte Anzahl von Jetons; die Möglichkeit eines Nachkaufs während des Turniers ("Re-Buy") besteht nicht.
Im Dezember 2007 untersagte die Stadt Rheine (Antragsgegnerin) die Durchführung dieser Turniere mit sofortiger Wirkung. Sie ist der Auffassung, die Antragstellerin veranstalte im Rahmen der Turniere öffentliches Glücksspiel, das dem Straftatbestand des § 284 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) unterfalle.
Der dagegen gerichtete vorläufige Rechtsschutzantrag der Antragstellerin wurde vom Verwaltungsgericht Münster mit Beschluss vom 3. April 2008 abgelehnt.
Der Beschwerde der Antragstellerin gegen diesen Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht mit dem eingangs genannten Beschluss stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, das von der Antragsgegnerin ausgesprochene Verbot sei voraussichtlich rechtswidrig. Das Pokerspiel in der von der Antragstellerin geplanten Weise sei kein verbotenes Glücksspiel im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB. Ein solches Glücksspiel sei u.a. dadurch gekennzeichnet, dass die Spieler einen Spieleinsatz zahlten, aus dem die Gewinnchance des Einzelnen erwachse.
Die von der Antragstellerin erhobene Teilnahmegebühr stelle einen solchen Spieleinsatz nicht dar, weil sie nicht der Finanzierung der Gewinne, sondern ausschließlich der Deckung der sonstigen Veranstaltungskosten diene. Soweit im Rahmen solcher Pokerturniere für (andere) illegale Pokerveranstaltungen geworben werde, komme grundsätzlich nur ein Verbot der Werbung dafür, nicht aber des ganzen Turniers, auf dem geworben werde, in Betracht.
Der Senat weist allerdings darauf hin, dass die Antragsgegnerin nunmehr zu prüfen habe, ob es sich bei den Pokerveranstaltungen um andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit im Sinne der Gewerbeordnung (§ 33 d) handele und sie zu untersagen seien, weil die erforderlichen Voraussetzungen (Erlaubnis, Unbedenklichkeitsbescheinigung) fehlten. Diese Entscheidung könne das Gericht selbst nicht treffen, weil bei einem solchen Verbot der Behörde Ermessen zustehe.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.
Az.: 4 B 606/08"
(aus: Pressemitteilung des OVG Münster v. 10.06.2008)
Kommentar von RA Dr. Bahr:
Die Entscheidung des OVG Münster ist eine klare Absage an die bislang überwiegende instanzgerichtliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, jede Zahlung als Einsatz und somit als Glücksspiel anzusehen.
In der Praxis ist durch die Entscheidung jedoch nichts gewonnen, denn das OVG Münster deutet bereits selbst in den Entscheidungsgründen an, dass die Behörde aller Voraussicht nach auf Basis anderer Rechtsgrundlagen - namentlich des § 33 d GewO - ein dann begründetes Verbot wird aussprechen können. Insofern handelt es sich bei der vorliegenden Entscheidung lediglich um einen Etappensieg.
Bereits das VG Hamburg hat vor kurzem in einer ausführlichen Entscheidung (Beschl. v. 30.04.2008 - Az.: 6 E 4198/07) dargelegt, dass es für ein Verbot nicht darauf ankommt, Poker als Glück- oder Geschicklichkeitsspiel einzustufen. Denn wird Poker als bloßes Geschicklichkeitsspiel eingestuft, ist in jedem Fall eine Erlaubnis nach § 33 d S.1 GewO und möglicherweise auch eine nach § 33 i Abs. 1 S.1 GewO erforderlich.
Eine solche Erlaubniserteilung scheitert jedoch an dem Umstand, dass Poker durch Veränderung der Spielbedingungen mit einfachen Mitteln als Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB veranstaltet und somit die nach § 33 d Abs.2 GewO erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erteilt werden kann (§ 33 e Abs.1 S.2 GewO). Eine Freistellung nach § 5 a SpielVO kommt nämlich nicht in Betracht.