Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat mit seinem am Ende der heutigen mündlichen Verhandlung verkündeten Urteil auf die Berufung der beklagten Stadt die Klage eines Verlags aus Dortmund, der von der beklagten Stadt verlangt hat, ihr Telemedienangebot im Rahmen der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit auf die redaktionelle Darstellung der eigenen Aktivitäten zu beschränken, abgewiesen. Der klagende Verlag trägt die Kosten des Rechtsstreits, die Revision zum Bundesgerichtshof ist zugelassen.
Die Klägerin ist ein Verlag aus Dortmund, der unter anderem digitale Medien – wie etwa ein digitales Nachrichtenportal – verbreitet.
Die beklagte Stadt ist verantwortlich für ein Internetportal, das – jedenfalls im Mai 2017 – in Teilen werbefinanziert gewesen ist.
Der klagende Verlag verlangt von der beklagten Stadt, ihr Telemedienangebot im Rahmen der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit auf die redaktionelle Darstellung der eigenen Aktivitäten zu beschränken. Er meint, das Gebot der Staatsferne der Presse würde es der öffentlichen Hand – und damit auch den Kommunen – untersagen, in Wettbewerb zur privaten Presse mit eigenen Angeboten zu treten. Ausgenommen hiervon seien Veröffentlichungen zur Öffentlichkeitsarbeit in einem gebotenen Umfang.
Die beklagte Stadt würde den Bereich kommunaler Öffentlichkeitsarbeit überschreiten, wenn sie beispielsweise Artikel zum allgemeinen lokalen Stadtgeschehen veröffentliche. Insbesondere die Berichterstattung über Fremdaktivitäten – wie nichtstädtische Veranstaltungen in einem „Veranstaltungskalender“, einen Profi-Fußballverein oder „Nightlife“ – gehöre nicht in ein städtisches Informationsmedium und sei der freien Presse vorbehalten. Dagegen vertritt die beklagte Stadt u. a. die Ansicht, sie erfülle durch das Internetportal ihre Verpflichtung zur öffentlichen Daseinsvorsorge.
Das Landgericht Dortmund hat am 08.11.2019 der Klage stattgegeben (Az. 3 O 262/17). Die beklagte Stadt verstoße – so das Landgericht – gegen den Grundsatz der Staatsferne der Presse, weil das von ihr betriebene Internetportal als Informationsplattform mit journalistischen Beiträgen über das gesamte politische und gesellschaftliche Leben in der Stadt berichten wolle. Gegen dieses Urteil wendet sich die beklagte Stadt mit ihrer Berufung, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage begehrt.
Die zur Entscheidung anstehenden Sach- und Rechtsfragen hat der Senat in der heutigen mündlichen Verhandlung mit den anwesenden Parteien und ihren Anwälten ausführlich erörtert. Dabei hat der Senat zu erkennen gegeben, dass bei Vornahme einer wertenden Gesamtbetrachtung eine Verletzung des aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz folgenden Gebots der Staatsferne der Presse nicht feststellbar sei.
Es könne nicht festgestellt werden, dass das Internetportal der Stadt in unzulässiger Weise die private Presse substituiere. Im Hinblick auf den Umfang des Internetportals einschließlich der großen Anzahl an Haupt- und Unterseiten könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass durch den Betrieb des Stadtportals in der streitgegenständlichen Form ein Leseverlust bei der privaten Presse und eine damit dem Institut der freien Presse zuwider laufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten eintrete.
Zwar würden einzelne Artikel gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoßen. Diese würden aber aufgrund der abrufbaren Fülle an Informationen „untergehen“.
Einzelheiten der Begründung der Senatsentscheidung ergeben sich aus dem noch abzusetzenden Urteil, das nach der Zustellung an die Parteien auch zur Veröffentlichung vorgesehen ist.
Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10.06.2021 (Az. 4 U 1/20, OLG Hamm), nicht rechtskräftig
Quelle: Pressemitteilungen des OLG Hamm v. 10.06.2021 und v. 01.06.2021