Auch wenn die Beauftragung eines Legal Tech-Unternehmens mittels eines fehlerhaften Bestellbuttons erfolgt, ist die Beauftragung wirksam und die von der Firma für den Verbraucher ausgesprochene Rüge gegen eine Mietpreiserhöhung zulässig (LG Berlin, II, Urt. v. 08.08.2024 – 65 S 35/24).
Die Klägerin, ein Legal Tech-Unternehmen, machte Rückzahlungsanspruchsansprüche aus einem Mietverhältnis gegen die Beklagte, den Vermieter, geltend. Dazu hatte sie sich die Rückforderungen des Mieters abtreten lassen, die diesem aufgrund eines Verstoßes gegen die Mietpreisbremse zustanden.
Das Vertragsverhältnis zwischen der der Klägerin und dem Mieter war durch einen fehlerhaften Online-Bestellbutton zustande gekommen.
Die verklagte Vermieterin berief sich nun darauf, dass diese Vereinbarung aufgrund von § 312j Abs. 4 BGB unwirksam sei.
Dem folgte das Berliner Gericht nicht, sondern bewertete die Beauftragung als gültig und gab der Klage statt.
Die Regelungen zum Bestellbutton hätten den Zweck, den Verbraucher zu schützen. Würde man hier die Norm anwenden, würde das exakte Gegenteil damit erreicht:
"Ausweislich Erwägungsgrund Nr. 14 der RL 2011/83/EU sollte die Richtlinie das innerstaatliche Vertragsrecht unberührt lassen, soweit vertragsrechtliche Aspekte in der Richtlinie nicht geregelt werden. Deshalb sollte diese Richtlinie keine Wirkung auf nationale Rechtsvorschriften haben, die beispielsweise den Abschluss oder die Gültigkeit von Verträgen betreffen. Die Auslegung von Willenserklärungen – hier die Bestätigung und Wiederholung einer Abtretung – gehört zweifelsfrei dazu (so bereits Kammer, Beschluss vom 16. August 2022 – 65 S 17/22, n.v.).
Dies hat der EuGH in seiner Entscheidung bestätigt (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2024 – C-400/22, Rn. 54f.)"
Und weiter:
"Es lässt sich zudem nicht feststellen, weshalb sich ein außerhalb des Rechtsverhältnisses stehender Unternehmer, zudem ausgerechnet der, gegen den der Verbraucher seine ihm nach dem Gesetz zustehenden Rechte – zweifelsfrei – geltend machen und durchsetzen möchte, sich auf einen etwaigen Mangel im Rechtsverhältnis zwischen dem Verbraucher/Zedenten und der Zessionarin erfolgreich sollte berufen können, dies mit der Folge, dass der Verbraucherschutz – zu dem das Wohnraummietrecht gehört – nicht etwa gestärkt, sondern untergraben wird.
Dies gilt insbesondere deshalb, weil Art. 8 Abs. 2 Satz 4 der RL 2011/83/EU (allein) vorsieht, dass der Verbraucher durch den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden ist, wenn der Unternehmer die Schaltfläche (oder die entsprechende Funktion), mit der der Verbraucher den Bestellvorgang abschließt, nicht gut lesbar mit den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung versehen hat.
Soweit § 312j Abs. 4 BGB dem Wortlaut nach darüber hinausgehend die Wirksamkeit des Vertrages an die Einhaltung der Pflichten nach Absatz 3 knüpft, handelt es sich unter dem Aspekt der (verbraucherfreundlichen) richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts um keine Frage, die durch den Unternehmer zu klären wäre, der – außerhalb des nach § 312j BGB zustande gekommenen Vertrages stehend – deshalb auf die nicht ihn, sondern den Mieter als Verbraucher schützende Regelung beruft, weil er die erfolgreiche Durchsetzung von Regelungen verhindern will, die den Mieter/Verbraucher gegen ihn als Vermieter schützen (…).
Die Beklagte ist weder in den Schutzbereich der Regelung einbezogen noch wird sie vom Schutzzweck der Richtlinie und der auf der Richtlinie basierenden Vorschrift erfasst.
Die Regelung in § 312j Abs. 4 BGB soll ausschließlich den Verbraucher schützen (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 12)."
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Am gleichen Tag hat eine andere Kammer des LG Berlin die identische Frage komplett anders bewertet und die Beauftragung als unwirksam eingestuft, vgl. unsere Kanzlei-News v. 05.09.2024.
Rechtssicherheit ist etwas anderes.
Es gilt also abzuwarten, bis diese Rechtsfrage die nächsthöheren Instanzen erreichen wird.