Ein Vereinsmitglied kann einen Anspruch auf Übermittlung der Mitgliederliste inkl E-Mail-Adressen haben, soweit ein überwiegendes berechtigtes Interesse besteht. Ein berechtigtes Interesse kann beispielsweise darin liegen, den Kontakt zu anderen Mitgliedern aufzubauen, um eine Opposition gegen Entscheidungen des Vorstandes zu ermöglichen (OLG Hamm, Urt. v. 26.04.2023 - Az.: 8 U 94/22).
Der Kläger war eines von etwa 5.500 Mitgliedern des verklagten Vereins. Die Satzung des Vereins nimmt wiederholt auf die Möglichkeit einer Kommunikation des Vereins mit seinen Mitgliedern per E-Mail Bezug. Eine ausdrückliche Verpflichtung der Mitglieder, eine E-Mail-Adresse mitzuteilen, sieht die Satzung des Beklagten nicht vor.
Der Kläger begehrte in Vorbereitung einer Mitgliederversammlung die Übermittlung einer Mitgliederliste inkl. E-Mail-Adressen, um eine Opposition gegen das Vorgehen des Vorstands zu organisieren. Der Verein lehnte das Ansinnen unter Hinweis auf die DSGVO ab.
Zu Unrecht, wie nun das OLG Hamm entschied:
"Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Überlassung einer Mitgliederliste unter Angabe auch der E-Mail-Adressen an sich selbst. (...).
Der Kläger hat auch ein überwiegendes Interesse daran, die E-Mail-Adressen der Kon-Mitglieder zu erhalten (...).
Dafür sprechen die aufgezeigten Vorzüge der unmittelbaren, individualisierten und kostengünstigen Kommunikationsform. Eigeninteressen des Beklagten stehen dem nicht entgegen. Dafür spricht außerdem besonders das Kosteninteresse des Klägers. Wäre er auf den postalischen Versand von Erklärungen angewiesen, so würde dies die unmittelbare Kontaktaufnahme mit den (hier: rund 5.500) Kon-Mitgliedern wirtschaftlich weitgehend vereiteln. Das – mögliche – gegenläufige Interesse einzelner Mitglieder an Nichtbelästigung wiegt für sich nicht schwer und überwiegt das Interesse des Klägers nicht."
Als DSGVO-Rechtfertigungsgrund zieht das OLG Hamm den Vertrag heran:
"Was zur Erfüllung des Vertrags erforderlich ist, bestimmen die Rechte und Pflichten des Vertrags. Eine Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenpflichten ist dabei nicht vorzunehme (...)
Bei der Bewertung als „erforderlich“ ist dabei – anders als im Verhältnis zwischen Bürger und Staat – kein objektiver Maßstab anzulegen, sondern der von den Parteien privatautonom gewählte Interessenausgleich zugrunde zu legen. Die dabei im allgemeinen gegebene Gefahr eines Missbrauchs der privatautonomen Gestaltungsmacht besteht dabei im vorliegenden Fall nicht. Zwar beruht auch der aus dem Mitgliedschaftsverhältnis fließende Informationsanspruch auf der Grundlage des Vertrags (i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO; also Beitritt und Satzung). Die Informationspflichten werden jedoch als – weithin sogar zwingende – Nebenpflichten gesetzlich begründet.
Die hier begründete Pflicht des Vereins, dem Mitglied eine Mitgliederliste mit Namen, Adressen und E-Mail-Adressen zu übermitteln, ist dabei bereits im Wege der Interessenabwägung als für die Zwecke der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte erforderlich begründet. Die Begründung beruht ja gerade darauf, dass die Mitgliedschaftsrechte ohne die Informationspflicht nicht effektiv ausgeübt werden könnten oder sogar leerliefen (...)."