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Kategorie: Onlinerecht

VG Ansbach: Videoüberwachung in Fitnessstudio datenschutzwidrig

Eine Videoüberwachung in einem Fitnessstudio, die auch den Trainingsbereich mit aufnimmt, verletzt die Persönlichkeitsrechte der Kunden und ist datenschutzwidrig (VG Ansbach, Urt. v. 23.02.2022 - Az.: AN 14 K 20.00083).

Die Klägerin betrieb ein Fitnessstudio und hatte eine Videoüberwachung (ohne Tonaufzeichnung) installiert, auf die die Kunden auch durch entsprechende Schilder hingewiesen wurden. Die Kameras nahmen den gesamten Trainingsbereich auf, in dem die Kunden ihre sportlichen Aktivitäten ausübten. Das Unternehmen begründete diese Maßnahme zum einen damit, dass sie der Prävention und Aufklärung von Diebstählen und Sachbeschädigungen diene. Zum anderen werde damit der Schutz der weiblichen Trainierenden vor sexuellen Übergriffen gewährleistet, da eine durchgängige Anwesenheit des Personals in allen Räumen nicht sichergestellt werden könne.

Als die zuständige Datenschutzbehörde den Betrieb der Videoüberwachung verbot, wehrte sich die Firma vor Gericht.

Jedoch ohne Erfolg.

Der Einsatz der Kameras sei nicht DSGVO-konform, so das Gericht. 

"Die Interessen der Trainierenden überwiegen jedoch die von der Klägerin vorgebrachten berechtigten Interessen an der Videoüberwachung.

Die Trainierenden sind in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG berührt und zwar in ganz erheblicher Weise. Bei der durchgehenden Videoüberwachung im Fitnessstudio der Klägerin während der gesamten Öffnungszeiten auf allen Trainingsflächen handelt es sich um einen gravierenden Eingriff in dieses Grundrecht aller Trainierenden, mithin einer erheblichen Anzahl von Personen, ohne räumliche oder zeitliche Ausweichmöglichkeit.

Schon aufgrund dieser Alternativlosigkeit der Trainierenden überwiegen deren Interessen die der Klägerin. Ihr stehen nämlich durchaus andere, zwar möglicherweise nicht genauso effektive, aber jedenfalls ausreichend effektive Maßnahmen zur Wahrung ihrer Interessen zur Verfügung wie beispielsweise eine Aufstockung des Personals. Die Klägerin kann sich nicht allein darauf berufen, die Videoüberwachung sei gegenüber der Personalaufstockung die wirtschaftlich sinnvollere Alternative (...)."

Und weiter:

"Erschwerend kommt hinzu, dass die Trainierenden nicht mit einer Videoüberwachung im Fitnessstudio rechnen mussten.

Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen ist zu berücksichtigen, dass gemäß Satz 4 des DS-GVO-Erwägungsgrundes 47 insbesondere dann, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine betroffene Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss, die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen könnten.

Laut den gemäß Art. 70 Abs. 1 Buchst. e) DS-GVO zur Sicherstellung einer einheitlichen Anwendung der DS-GVO erlassenen Leitlinien des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) ist entscheidendes Kriterium für die Auslegung des Begriffs der vernünftigen Erwartung, ob ein objektiver Dritter vernünftigerweise in der konkreten Situation erwarten kann, dass er überwacht wird (EDSA, Leitlinien 3/2019 zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Videogeräte, Version 2.0, Rn. 36, (...).

Hinweisschilder, die über die Videoüberwachung informieren, sind zur Bestimmung, was eine betroffene Person objektiv in einer bestimmten Situation erwarten kann, unerheblich (EDSA, a.a.O, Rn. 40). In öffentlich zugänglichen Bereichen können betroffene Personen davon ausgehen, dass sie nicht überwacht werden, vor allem, wenn diese Bereiche typischerweise für Freizeitaktivitäten genutzt werden, wie es bei Fitnesseinrichtungen der Fall ist (EDSA, a.a.O., Rn. 38). Da vorliegend nichts dafür spricht, von diesem Grundsatz abzuweichen, führt auch dies zu einem Überwiegen der Interessen der Trainierenden."

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