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Die einzelnen News
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1.
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EuG: Bezeichnung "Halloumi“ bleibt weiterhin als Ursprungsbezeichnung geschützt
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Das Gericht weist eine Klage gegen die Eintragung des Namens „Halloumi“ als geschützte Ursprungsbezeichnung ab Im April 2021 trug die Europäische Kommission auf Antrag der zyprischen Behörden den Namen „Χαλλούμι“ (Halloumi)/„Hellim“ als geschützte Ursprungsbezeichnung (g. U.) ein. Halloumi ist ein zyprischer Käse mit charakteristischem Geruch und Geschmack. Er wird aus Schafs- oder Ziegenmilch oder einer Mischung aus beiden mit oder ohne Kuhmilch hergestellt. Er hat die Eigenschaft, bei hohen Temperaturen nicht zu schmelzen. Die Papouis Dairies Ltd, eine zyprische Gesellschaft, sowie andere Personen beantragen beim Gericht der Europäischen Union, die Durchführungsverordnung der Kommission1 über die Eintragung des Namens „Χαλλούμι“ (Halloumi)/„Hellim“ als g. U. für nichtig zu erklären. Mit seinem Urteil weist das Gericht diese Klage in vollem Umfang ab. Es stellt fest, dass die Kommission bei der Prüfung, ob die Eintragung als g. U. im Einklang mit dem Unionsrecht steht, nicht untersuchen muss, ob das im Antrag auf Eintragung beschriebene Verfahren zur Gewinnung des Erzeugnisses einem bereits bestehenden nationalen Erzeugungsstandard entspricht. In jedem Fall steht der Antrag auf Eintragung für Halloumi-Käse nicht im Widerspruch zu dem bereits bestehenden nationalen Erzeugungsstandard, um den es hier geht. Das Gericht stellt fest, dass dieser Standard es nicht ausschließt, dass der Anteil der Ziegen- oder Schafsmilch oder ihrer Mischung in diesem Käse höher ist als der Anteil der Kuhmilch. Anschließend weist das Gericht das Vorbringen zurück, die Kommission habe offensichtliche Fehler bei der Beschreibung des Zusammenhangs zwischen der Qualität oder den Eigenschaften des betreffenden Erzeugnisses und seinen geografischen Ursprungsverhältnissen nicht berücksichtigt. Außerdem verwirft das Gericht das Argument, die Kommission habe keine geeignete Analyse des Marktes für die Erzeugung von Halloumi und der Situation der Unternehmen, die dieses Produkt vertreiben, vorgenommen. Schließlich stellt das Gericht fest, dass die Nichtigerklärung eines von den Behörden des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen der nationalen Phase des Eintragungsverfahrens erlassenen Rechtsakts durch ein nationales Gericht nach der Eintragung des Namens zwar die Kommission verpflichtet, die Konsequenzen zu bestimmen, die aus einer derartigen gerichtlichen Nichtigerklärung zu ziehen sind, diese jedoch nicht von Rechts wegen zur Nichtigkeit des Eintragungsaktes der Kommission führt. Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-361/21 | Papouis Dairies u. a./Kommission Quelle: Pressemitteilung des EuG v. 21.02.2024
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2.
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BGH: BKartA darf Geschäftsgeheimnisse von Google gegenüber Mitbewerbern offenlegen
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat gestern darüber entschieden, ob das Bundeskartellamt in einem Kartellverwaltungsverfahren bestimmte vertrauliche Informationen, die Google als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ansieht, gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten offenlegen darf. Sachverhalt: Das Bundeskartellamt versandte im Juni 2023 eine vorläufige rechtliche Einschätzung an Alphabet Inc., Mountain View, USA, und Google Germany GmbH, Hamburg, zu Googles Praktiken im Zusammenhang mit den Google Automotive Services (GAS). Das Bundeskartellamt beabsichtigt, Google unter Anwendung der neuen Vorschriften für Digitalkonzerne (§ 19a GWB), verschiedene wettbewerbsgefährdende Verhaltensweisen zu untersagen. Die GAS sind ein Produktbündel, das Google Fahrzeugherstellern zur Lizenzierung anbietet. Es umfasst den Kartendienst Google Maps, eine Version des App-Stores Google Play und den Sprachassistenten Google Assistant. Google bietet Fahrzeugherstellern die Dienste grundsätzlich nur als Bündel an und macht nach Auffassung des Bundeskartellamts weitere Vorgaben für die Präsentation dieser Dienste im Infotainmentsystem des jeweiligen Fahrzeugherstellers, damit diese bevorzugt genutzt werden. Nach vorläufiger Einschätzung des Bundeskartellamtes erfüllt Googles Verhalten die Voraussetzungen mehrerer Tatbestände des § 19a Abs. 2 GWB, auf dessen Grundlage Unternehmen mit marktübergreifender Bedeutung gem. § 19a Abs. 1 GWB verpflichtet werden können, die jeweiligen Praktiken zu beenden, sofern sie nicht sachlich gerechtfertigt sind. Das Bundeskartellamt beabsichtigt, seine vorläufige Einschätzung zu Googles Praktiken gegenüber zwei am Verfahren beteiligten Wettbewerbern Googles in teilgeschwärzter Fassung offenzulegen, damit diese zu den wettbewerblichen Bedenken Stellung nehmen können. Google beanstandet die Schwärzungen als unzureichend, weil damit Wettbewerber Kenntnis von Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Googles erhalten würden. Bisheriger Prozessverlauf: Google hat gegen die Offenlegung bestimmter im Einzelnen bezeichneter Textpassagen Beschwerde beim Bundeskartellamt eingelegt. Dieses hat die Beschwerde, nachdem es ihr nicht abgeholfen hat, dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung gemäß § 73 Abs. 5 GWB vorgelegt. Das Bundeskartellamt und Google haben sich hinsichtlich einiger Textpassagen bereits vor der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof und hinsichtlich weiterer, aber nicht aller in Streit stehender Textpassagen in der mündlichen Verhandlung geeinigt. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat der Beschwerde hinsichtlich eines einzelnen aus internen Unterlagen Googles stammenden wörtlichen Zitats stattgegeben und sie im Übrigen zurückgewiesen. Die Zurückweisung betrifft insbesondere neben Bewertungen der Strategie Googles durch das Bundeskartellamt auch die wörtliche Wiedergabe einzelner Klauseln aus Verträgen Googles mit Fahrzeugherstellern. Dem liegen folgende Erwägungen zu Grunde: Der Bundesgerichtshof ist für die vorbeugende Unterlassungsbeschwerde gegen die Offenlegung der geltend gemachten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als selbständig anfechtbarer Verfahrenshandlung gemäß § 73 Abs. 5 GWB erst- und letztinstanzlich zuständig. Die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gegenüber am Verfahren beteiligten Wettbewerbern zu Ermittlungszwecken sowie zur Wahrung ihrer Verfahrensrechte kommt in Betracht, wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird. Die Offenlegung gegenüber den Wettbewerbern muss zur Sachaufklärung geeignet, erforderlich und angemessen sein. Angemessen ist sie, wenn bei der vorzunehmenden Interessenabwägung das Sachaufklärungsinteresse des Bundeskartellamts das Interesse an der Wahrung der grundrechtlich geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse überwiegt. Dabei ist zunächst zu ermitteln, welches Gewicht den konkreten Nachteilen, die durch die Offenlegung drohen, und dem Sachaufklärungsinteresse jeweils zukommt. Zu berücksichtigen ist ferner das Interesse des Bundeskartellamts und der am Verfahren beteiligten Wettbewerber an der Wahrung des rechtlichen Gehörs. Bei den noch in Streit stehenden Textpassagen handelte es sich – mit der oben genannten Ausnahme - entweder bereits nicht um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Googles, oder das Sachaufklärungsinteresse des Bundeskartellamts überwog das Geheimhaltungsinteresse Googles. Beschluss vom 20. Februar 2024 - KVB 69/23 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 21.02.2024 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 19a GWB (1) Das Bundeskartellamt kann durch Verfügung feststellen, dass einem Unternehmen, das in erheblichem Umfang auf Märkten im Sinne des § 18 Absatz 3a (Mehrseitigen Märkten und Netzwerken) tätig ist, eine überragende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. … (2) Das Bundeskartellamt kann im Falle einer Feststellung nach Absatz 1 dem Unternehmen untersagen, 1. beim Vermitteln des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten die eigenen Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern bevorzugt zu behandeln, insbesondere a) die eigenen Angebote bei der Darstellung zu bevorzugen; b) ausschließlich eigene Angebote auf Geräten vorzuinstallieren oder in anderer Weise in Angebote des Unternehmens zu integrieren; 2. Maßnahmen zu ergreifen, die andere Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit auf Beschaffungs- oder Absatzmärkten behindern, wenn die Tätigkeit des Unternehmens für den Zugang zu diesen Märkten Bedeutung hat, insbesondere a) Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer ausschließlichen Vorinstallation oder Integration von Angeboten des Unternehmens führen; … 5. die Interoperabilität von Produkten oder Leistungen oder die Portabilität von Daten zu verweigern oder zu erschweren und damit den Wettbewerb zu behindern; … Dies gilt nicht, soweit die jeweilige Verhaltensweise sachlich gerechtfertigt ist. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt insoweit dem Unternehmen. … § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB (1) … (2) An dem Verfahren vor der Kartellbehörde ist oder sind beteiligt: … 3. Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die die Kartellbehörde auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen hat; … § 56 GWB (1)Die Kartellbehörde hat den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Über die Form der Anhörung entscheidet die Kartellbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. … … (4) Die Behörde hat die Einsicht in die Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Behörde sowie zur Wahrung des Geheimschutzes oder von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen oder sonstigen schutzwürdigen Interessen des Betroffenen, geboten ist. In Entwürfe zu Entscheidungen, die Arbeiten zu ihrer Vorbereitung und die Dokumente, die Abstimmungen betreffen, wird Akteneinsicht nicht gewährt. § 57 Abs. 1 GWB (1) Die Kartellbehörde kann alle Ermittlungen führen und alle Beweise erheben, die erforderlich sind. § 73 Abs. 5 GWB (5) Der Bundesgerichtshof entscheidet als Beschwerdegericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen Verfügungen des Bundeskartellamts 1. nach § 19a, auch in Verbindung mit §§ 19, 20 und Artikel 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie § 32 Absatz 1, 2 und 3, 2. nach den §§ 32a und 32b, soweit diese Vorschriften auf Sachverhalte im Sinne des § 19a angewendet werden, jeweils einschließlich aller selbständig anfechtbaren Verfahrenshandlungen.
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3.
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BFH: Juristische Person kann keine DSGVO-Auskunftsrechte nach Art. 15 DSGVO geltend machen
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Einer juristischen Person stehen die Auskunftsrechte nach Art. 15 DSGVO nicht zu. Nur natürliche Personen können sich grundsätzlich auf die Norm berufen (BFH, Urt. v. 08.02.2024 - Az.: IX B 113/22). In einer finanzgerichtlichen Auseinandersetzung berief sich die klägerische GmbH u.a. auf Art. 15 DSGVO und macht gegenüber dem zuständigen Finanzamt ein Auskunftsbegehren geltend. Der BFH entschied, dass die Klägerin als juristische Person sich nicht auf die DSGVO-Norm berufen könne. Da die Klägerin als GmbH eine juristische Person sei, komme sie nicht in den Genuss des Anwendungsbereich des Art. 15 DSGVO. Hierauf könnten sich nur natürliche Personen, also Menschen, berufen: "Jedenfalls enthält die Datenschutz-Grundverordnung nach deren Art. 1 Abs. 1 und 2 nur Vorschriften zum Schutze natürlicher Personen. Sie erfasst nicht die Daten, die juristische Personen betreffen (…). Als betroffene Personen kommen daher nur natürliche Personen in Betracht (vgl. Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Im Erwägungsgrund 14 der DSGVO heißt es hierzu, dass die Datenschutz-Grundverordnung nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten juristischer Personen und insbesondere als juristische Person gegründeter Unternehmen, einschließlich Name, Rechtsform oder Kontaktdaten der juristischen Person, gilt. Dementsprechend betont der EuGH, dass der Begriff "Informationen, die sich auf Körperschaften beziehen" streng von dem unionsrechtlich definierten Begriff der personenbezogenen Daten natürlicher Personen zu unterscheiden ist. Das Recht natürlicher Personen auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten ist ein Grundrecht, das durch Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird. Dagegen werden Informationen, die juristische Personen betreffen, im Unionsrecht nicht in vergleichbarer Weise geschützt (…). Im Streitfall kann die Klägerin, eine GmbH, als juristische Person daher keine Rechte aus Art. 15 DSGVO ableiten."
Und weiter: "Ob der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin gegebenenfalls Rechte betreffend Daten einer sogenannten "Ein-Mann-GmbH" geltend machen kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Den hier streitgegenständlichen Antrag hat der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin nicht als möglicherweise betroffene natürliche Person im eigenen Namen, sondern im Namen der Klägerin, also einer juristischen Person, gestellt."
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4.
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KG Berlin: DSGVO-Bußgeld-Verfahren iHv. 14,5 Mio. EUR gegen Deutsche Wohnen wird neu verhandelt
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Das DSGVO-Bußgeld-Verfahren iHv. 14,5 Mio. EUR gegen die Deutsche Wohnen wird neu verhandelt. Das KG Berlin hat die Entscheidung des LG Berlin, das Verfahren einzustellen, aufgehoben (KG Berlin, Beschl. v. 24.01.2024 - Az.: 3 Ws 250/21, 161 AR 84/21, 3 Ws 250/21 - 161 AR 84/21). Ausgangspunkt ist die Verhängung eines Bußgeldes iHv. 14,5 Mio. EUR durch die Berliner Datenschutzbeauftragte gegen Deutsche Wohnen, da das Unternehmen angeblich massiv gegen die DSGVO verstoßen habe. Das LG Berlin stellte das Verfahren erstinstanzlich ein, vgl. unsere Kanzlei-News v. 24.01.2021. In der Beschwerdeinstanz rief das KG Berlin den EuGH an, der dann vor kurzem entscheid, vgl. unsere Kanzlei-News v. 06.12.2023. Nun urteilte das KG Berlin, dass das LG Berlin erneut über das Bußgeld zu verhandelt hat und hob die Einstellung auf: "Unter Zugrundelegung der Maßgaben aus der Vorabentscheidung des EuGH und ihrer Weiterungen auf das nationale Verfahrensrecht erfüllt der Bußgeldbescheid der BlnBDI die Voraussetzungen des § 66 OWiG. Ohne Weiteres grenzt der Bußgeldbescheid den Gegenstand des Verfahrens in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht ab, und die Betroffene kann mühelos erkennen, welcher konkrete Vorwurf gegen sie erhoben wird. Namentlich die durch § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG erforderten Essentialia, nämlich die „Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird“ sowie „Zeit und Ort ihrer Begehung“, sind bei der gebotenen funktional-normativen Betrachtung eingehalten. Der Bußgeldbescheid wirft der Betroffenen vor, es zwischen dem 25. Mai 2018 und dem 5. März 2019 vorsätzlich unterlassen zu haben, die notwendigen Maßnahmen zur Ermöglichung der regelmäßigen Löschung nicht mehr benötigter oder in sonstiger Weise zu Unrecht gespeicherter Daten von Mietern zu treffen. Weiter wird ihr vorgeworfen, personenbezogene Daten von mindestens 15 näher bezeichneten Mietern fortgesetzt gespeichert zu haben, obgleich bekannt gewesen sei, dass dies nicht oder nicht mehr erforderlich war. Diese – hier nur kursorisch zusammengefassten – Vorwürfe sind im Bußgeldbescheid ausgesprochen konkret und ausführlich dargestellt. Der Bußgeldbescheid bezeichnet die insgesamt 16 Tathandlungen auf mehr als 17 Seiten in einer ausdifferenzierten und nachgerade ziselierten Weise. Die Ausführungen vermitteln der Betroffenen präzise, was ihr vorgeworfen wird, und sie ermöglichen es ihr, sich hiergegen zu verteidigen. Dabei ist auch zu beachten, dass es sich bei den vorgeworfenen Handlungen (oder Unterlassungen) ersichtlich um keine Individualexzesse in einem Dunkelbereich des Unternehmens handelt. Gegenstand des Bußgeldverfahrens bildet die Speicherung bzw. Archivierung (oder Nichtlöschung) von Kundendaten. Es geht um einfach gelagerte und verständliche Sachverhalte und im Letzten um gewöhnliche Vorgänge in einem operativen Unternehmensbereich."
Nicht notwendig sei es auch, wer die eigentlichen rechtswidrigen Handlungen begangen habe: "Nicht folgen kann der Senat der Überlegung der Betroffenen, der Bußgeldbescheid müsse konkretisieren, „welches Organ durch welche Handlung die Voraussetzungen des § 30 OWiG erfüllt hat“. Abgesehen davon, dass der Bußgeldbescheid die Rechtsverstöße auch in ihrer Entstehung („Handlung“) durchaus nachvollziehbar darstellt und umreißt, deduziert sich ein solches Erfordernis aus der überkommenen Vorstellung, eine Verbandshaftung erfordere das Verschulden eines Repräsentanten (§ 30 OWiG) oder eine Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG). Sie lässt die europarechtlichen Einflüsse auf das Verbandsanktionenrecht außen vor und missachtet die Rechtsprechung des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren. Wenn der EuGH ausdrücklich formuliert, die Bebußung erfordere nicht, dass ein „Verstoß von einer identifizierten natürlichen Person begangen wurde“ (Rn. 46), so stellt er klar, dass juristische Personen dafür verantwortlich sind, dass Daten im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit rechtmäßig verarbeitet werden (Rn. 44). Sanktioniert wird hiernach nicht (nur) eine fehlerhafte Organisation, sondern gerade die Pflichtverletzung des Verbands bzw. im Verband, als „genuine Verbandstat“ (…)."
Und dann, mit deutlichen Worten: Das Unternehmen selbst sei schuldfähig: "Nach der Vorabentscheidung des EuGH ist auch eine juristische Person schuldfähig, so dass es zu einem Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Haftbarkeit kommt (…). Damit fallen alle Personen, die im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit handeln, in den abstrakten Verantwortungskreis der juristischen Person, und selbst eine normentsprechende Organisation führt – jedenfalls in aller Regel – nicht zur Exkulpation. Dies entspricht dem Effektivitätsgrundsatz des europäischen Rechts. Dass der Verband (materiell-rechtlich) allein datenschutzrechtlich Verantwortlicher ist (…), wirkt sich damit unmittelbar auf die verfahrensrechtlich gebotene Darstellungsdichte im Bußgeldbescheid aus. Insbesondere muss dieser gerade nicht bezeichnen, welchem Repräsentanten oder welchem „Organ“ welche konkrete Handlung oder welches konkrete Unterlassen zur Last fällt. Im Übrigen bleibt es aber auch insoweit dabei, dass der hier zu beurteilende Bußgeldbescheid die Tathandlungen bemerkenswert und – gemessen an den vom EuGH formulierten materiell-rechtlichen Haftungsvoraussetzungen ersichtlich – überobligatorisch konkret darstellt. e) Auch kann sich der Senat der noch weitergehenden Überlegung der Verteidigung nicht anschließen, es sei sogar „unverzichtbar, dass ein Bußgeldbescheid die verfahrensmaßgeblichen Handlungen der natürlichen Person beschreibt“, um einen Vorwurf gegen den Verband „erkennen, abgrenzen, bewerten und sich gegen ihn verteidigen zu können“. Auch diese Auffassung verstößt eklatant gegen das im hiesigen Verfahren ergangene Urteil des EuGH. Das durch die Verteidigung erkannte Erfordernis geht darüber hinweg, dass eine Sanktionierung gerade nicht erfordert, dass ein „Verstoß von einer identifizierten natürlichen Person begangen wurde“ (Rn. 46). Dieses klare EuGH-Diktum ist mit der Forderung der Verteidigung, der Bußgeldbescheid müsse die „Handlung der natürlichen Person beschreiben“, ersichtlich unvereinbar. Allerdings gilt auch insoweit: Der Bußgeldbescheid beschreibt die vorgeworfenen Handlungen – zum großen Teil in der Form des Unterlassens der Löschung, teilweise als unterlassene Kennzeichnung von Daten – nachvollziehbar und deutlich. Der Betroffenen ist es möglich und unbenommen, im Bußgeldverfahren darzustellen, dass die Daten nicht gespeichert oder rechtmäßig gespeichert und ggf. rechtzeitig gelöscht wurden. Jedenfalls unter Zugrundelegung der vom EuGH umrissenen Grundzüge einer umfassenden Unternehmensverantwortung ist nicht ersichtlich, dass eine noch ausführlichere und noch „konkretere“ Darstellung der Tatvorwürfe im Bußgeldbescheid die Verteidigungsmöglichkeiten der Betroffenen substantiell erweitern könnte. Durch das EuGH-Judikat verringerte Exkulpationsmöglichkeiten sind nicht Folge eines unkonkret bleibenden Bußgeldbescheids, sondern einer dem Effektivitätsgrundsatz geschuldeten europarechtskonform erweiterten Verbandsverantwortung."
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5.
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OLG Hamburg: Nicht alle Online-Coaching-Verträge unterfallen der FernUSG-Pflicht
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Ein Online-Coaching-Vertrag bedarf nur dann der Zulassung nach dem Fernunterrrichtsschutzgesetz (FernUSG), wenn eine Überwachung des Lernerfolgs vertraglich geschuldet ist (OLG Hamburg, Urt. v. 20.02.2024 - Az.: 10 U 44/23). Die Klägerin bot online Lehrgänge an, mit denen die Teilnehmer erfolgreich im Internet mit Print on demand sein sollten. U.a. hieß es "Möchtest du M(...) die Masterclass bewusst als Unternehmer zum Aufbau deines online Shops und Gewerbes neben deinem Angestellten Job kaufen?"
Der wesentliche Vertragsinhalt des sechsmonatigen Programms bestand aus dem Zugang zu einem Videokursbereich mit 235 Schulungsvideos mit etwa 40 Stunden Videomaterial. Zudem gab alle drei Wochen ein Zoom-Meeting á 2 Stunden. Das Online-Coaching kostete insgesamt rund 6.400,- EUR. Der Beklagte schloss einen entsprechenden Vertrag ab, widerrief aber den Kontrakt einige Zeit später. Nun stellte sich die Frage, ob der geschlossene Kontrakt wirksam war. In der 1. Instanz verneinte das LG Hamburg diese Frage, weil die notwendige FernUSG-Zulassung nicht vorliege, vgl. die Kanzlei-News v. 31.10.2023. Das OLG Hamburg hob diese Entscheidung nun in der Berufung auf und verurteilte den Teilnehmer zur Zahlung. Das FernUSG finde nur dann Anwendung, wenn auch eine Überwachung des Lernerfolgs vertraglich vereinbart worden sei. Eine solche Verpflichtung sei aber im vorliegenden Fall nicht eingegangen worden: "Jedenfalls aber ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien nicht, dass eine „Überwachung“ des Lernerfolges vertraglich geschuldet gewesen wäre. Zwar ist dieses Tatbestandsmerkmal nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen, da mit dem FernUSG der Schutz der Lehrgangsteilnehmer gestärkt werden und die Enttäuschung der Bildungswilligkeit verhindert werden sollte (BGH, Urteil vom 15.10.2009 - III ZR 310/08, zitiert nach juris). Aus dem Gesetzgebungsverfahren ergibt sich, dass eine wiederholte Überwachung des Lernerfolges nicht notwendig, sondern die einmalige Überwachung ausreichend sein sollte (BT Drs 7/4965, S. 7). Ausreichend sein soll, dass der Lernende das Recht hat, eine Überwachung des Lernerfolges einzufordern, um den Lernerfolg kontrollieren zu lassen (BGH Urteil vom 15.10.2009 - III ZR 310/08)."
Und weiter: "Dass der Beklagte nach dem streitgegenständlichen Vertrag das Recht gehabt hätte, eine solche Kontrolle einzufordern, hat der Beklagte aber gerade nicht dargelegt. Aus dem von den Parteien vorgetragenen Inhalt des Vertrages ergibt sich ein solches Recht nicht. Geschuldet wird in dem streitgegenständlichen Vertrag gerade keine „Überwachung“ des Lernerfolges, sondern der Vertragspartner sollte dem Beklagten nur für individuelle Fragen im Rahmen des „Coachings“ bzw. „Mentorings“ zur Verfügung stehen. Dem Wort „Überwachung“ wohnt ein Kontrollelement inne (…/). Allein die Gelegenheit des Beklagten im Rahmen des Coachings Fragen zu stellen, stellt schon dem Wortsinne nach keine „Überwachung“ dar. Eine Kontrolle eines etwaigen Lernerfolges schuldete die Klägerseite gerade nicht. Den Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf solche Fälle auszudehnen, in denen gerade keine Kontrolle des Lernerfolges vereinbart wurde, sondern lediglich die Möglichkeit des Vertragspartners besteht, Fragen zu stellen, würde insofern dem klaren Wortlaut widersprechen."
Und schließlich: "Ein solches Verständnis von der Norm widerspricht auch nicht der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.10.2009 (III ZR 310/08, zitiert nach juris). Im dortigen Fall hatte die Klägerin den Anspruch, eine persönliche Lernkontrolle herbeizuführen, „ob das bisher Erlernte richtig verstanden wurde“ und „sitzt“. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lässt sich ein solcher Anspruch gerade nicht aus dem Vertrag herleiten, denn im streitgegenständlichen Fall wurde gerade kein Vertrag über einen „Lehrgang“ oder ein „Studium“ geschlossen, der Beklagte sollte kein „Absolvent“ sein und auch kein „Zertifikat“ erhalten. Keiner der im streitgegenständlichen Fall verwendeten Begriffe („Mentoring“, „Coaching“) lässt darauf schließen, dass eine Lernerfolgskontrolle stattfinden sollte. Dem steht auch nicht das Urteil des OLG Celle vom 01.03.2023 - 3 U 85/22 entgegen. Im dort entschiedenen Fall hatte die Beklagte - anders als der Beklagte im streitgegenständlichen Fall - Zugang zu einer „Akademie“, die auch „Prüfungen“ beinhaltete und das jeweils nächste Videokursmodul wurde erst dann freigeschaltet, wenn der vorangehende Abschnitt angesehen worden war. Entsprechende Bestandteile einer Erfolgskontrolle wies der streitgegenständliche Vertrag gerade nicht auf. Eine „Überwachung“ des Lernerfolges i.S.d. § 1 FernUSG war damit gerade nicht geschuldet. Der Vertrag ist daher nicht nichtig gem. § 7 Abs. 1 FernUSG."
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OLG Naumburg: Keine Schwärzung von Unterschriften im Handelsregister
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Es besteht kein Anspruch darauf, die beim Handelsregister eingereichten Unterschriften auf Gesellschafterlisten zu schwärzen. Im Registerwesen findet die DSGVO keine Anwendung (OLG Naumburg, Beschl. v. 11.01.2024 - Az.: 5 Wx 14/22). Inhaltlich ging es um die Entfernung von Unterschriften auf Gesellschafterlisten, die beim Handelsregister eingereicht worden waren. Die Kläger beriefen sich dabei auf die DSGVO. Zu Unrecht, wie das OLG Naumburg nun entschied. Die DSGVO komme im Registerwesen nicht zur Anwendung. Die Publizität des Handelsregisters genieße entsprechenden Vorrang. 1. Kein Anspruch aus Art. 17 DSGVO: "Das von den Beteiligten reklamierte Recht auf Löschung gem. Art. 17 Abs. 1 DS-GVO findet aufgrund der Ausnahmevorschrift des Art. 17 Abs. 3 lit. b DS-GVO im Registerwesen keine Anwendung (…). Danach ist die Art. 17 Abs. 1 DS-GVO unanwendbar, wenn „die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde“. Dass die Tätigkeit eines Hoheitsträgers, die darauf gerichtet ist, in Erfüllung von Publizitätspflichten übermittelte Daten in einer Datenbank zu speichern sowie interessierten Personen Einsicht zu gewähren, zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehört, hat der Europäische Gerichtshof bereits entschieden (EUGH ZD 2012, 522). Eine solche Tätigkeit stellt zudem auch eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe im Sinne des Art. 17 Abs. 3 lit. b DS-GVO dar (…). Im Übrigen hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Salvator Manni zur von der DS-GVO abgelösten Datenschutz-RL, die eine mit Art. 17 Abs. 3 lit. b DS-GVO vergleichbare Anwendungsausnahme nicht kannte, hervorgehoben, dass die Registerpublizität grundsätzlich Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz genießt (EuGH ZD 2017, 325, 327). Ein Löschungsbegehren kam daher schon unter Herrschaft Datenschutz-RL nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, also in Konstellationen, in denen der Betroffene besonders schutzbedürftig erscheint (…). Eine solche Schutzbedürftigkeit der Beteiligten ist hinsichtlich der hier streitbefangenen Unterschriften nicht ersichtlich."
2. Kein Anspruch aus Art. 16 DSGVO: “Auch auf Art. 16 Abs. 1 DS-GVO können sich die Beteiligten nicht berufen. Denn der dort geregelte Berichtigungsanspruch setzt eine - hier nicht gegebene - unrichtige Angabe in Bezug auf personenbezogene Daten voraus.”
3. Auch kein Anspruch aus sonstigen Rechten: "Schließlich folgt auch kein Löschungsanspruch aus den Grundrechten der Beteiligten. Zwar steht einem solchen, anders als das Registergericht meint, nicht bereits entgegen, dass die Beteiligten die Veröffentlichung ihrer Unterschriften seinerzeit willentlich veranlassten und es damit an einer Grundrechtsbeeinträchtigung fehlte (…). Denn angesichts der (faktischen) Erweiterung der Einsichtsrechte in das Register und die dort eingestellten Dokumente infolge der Digitalisierungsrichtlinie und ihrer Umsetzung in nationales Recht durch das DiRUG aufgrund der Statuierung der Kostenfreiheit der Einsicht verlöre die ursprüngliche Einwilligung ihre Geltung und wäre ein fortwirkender Verzicht auf die in Art. 7, 8 GRCh verankerten Grundrechte der Beteiligten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ausgeschlossen (zum Verhältnis der deutschen Grundrechte zu europäischen in - wie hier - nicht vollständig unionsrechtlich determinierten Bereichen mit nationalen Gestaltungsspielräumen BVerfG, NJW 2020, 300, 302). Gleichwohl können die Beteiligten nicht die Schwärzung ihrer Unterschriften in den zum Register seinerzeit eingereichten Unterlagen verlangen. Anerkanntermaßen ist ein grundrechtlicher (Folgen-)Beseitigungsanspruch insoweit begrenzt, als die in der Rechtsfolge begehrte Handlung rechtlich und tatsächlich möglich sein muss (…). Diese Schranken kommen hier zur Anwendung: Denn einmal in den Registerordner eingestellte Dokumente können zum Schutz der Registerwahrheit grundsätzlich nicht verändert werden (…). Daher ist es nicht Aufgabe des Registergerichts, in freigegebene Dokumente nachtäglich einzugreifen. Daran ändert auch der mit Wirkung zum 23. Dezember 2022 neu eingefügte § 9 Abs. 7 HRV nichts. Nach dieser Vorschrift ist beim Austausch eines in den Registerordner eingestellten Dokuments gegen ein neues Dokument der Austausch kenntlich zu machen und das Datum der Aufnahme des alten Dokuments in den Registerordner anzugeben. Diese Vorschrift setzt die Möglichkeit des nachträglichen Austausches von Dokumenten damit zwar voraus. Doch erstreben die Beteiligten hier keinen unter die Vorschrift fallenden Austausch von Dokumenten, sondern begehren die Veränderung des Ausgangsdokuments. Auf die von § 9 Abs. 7 HRV nicht beantwortete Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Austausch überhaupt möglich ist, kommt es hier nicht an. Im Übrigen wäre der § 9 Abs. 7 HRV unterfallende Austausch vom Notar, und nicht, wie hier, den Beteiligten gegenüber dem Registergericht zu veranlassen (vgl. § 12 Abs. 2 HGB)."
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7.
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VG Bremen: Datenschutzbehörde hat umfassenden Auskunftsanspruch bei unerlaubter E-Mail-Werbung gegen Unternehmen
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Besteht der Verdacht der unerlaubten Werbezusendung per E-Mail in mehreren Fällen, kann die zuständige Datenschutzbehörde die Vorlage aller Werbeeinwilligungen für den Zeitraum der letzten 6 Monate verlangen. Ein solches Auskunftsbegehren ist angemessen und verhältnismäßig und verletzt nicht die Rechte des betroffenen Unternehmens (VG Bremen, Beschl. v. 16.02.2024 - Az.: 4 V 2968/23). Dem betroffenen Unternehmen wurde vorgeworfen, Werbe-Mails ohne Einwilligung zu versenden. Die Datenschutzbehörde erließ im Laufe der außergerichtlichen Korrespondenz folgende Anordnung: "I. Die Antragstellerin wird verpflichtet, die nachfolgenden Informationen uns gegenüber schriftlich bereitzustellen: 1. Welche natürlichen Personen (bitte Vor- und Nachnamen sowie zugehörige E-Mail-Adressen nennen) hat die Antragstellerin seit dem 1. Juni 2023 bis zum Zugang dieser Anordnung zu Werbezwecken per E-Mail kontaktiert und wie oft jeweils (bitte für jede natürliche Person einzeln nennen)? 2. Die Antragstellerin wird verpflichtet, die jeweiligen schriftlichen oder elektronischen datenschutzrechtlichen Einwilligungserklärungen der unter Frage Ziffer 1.1 benannten Personen uns in Kopie vorzulegen, mit denen diese der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu Werbezwecken durch die Antragstellerin zugestimmt haben. II. Die sofortige Vollziehung der vorstehenden Verfügung unter Ziffer I. wird angeordnet. III. Falls die Frage Ziffer I.1. binnen zweier Wochen nach Zustellung dieses Bescheids uns gegenüber nicht, nicht vollständig oder nicht wahrheitsgemäß schriftlich beantwortet worden ist, wird ein Zwangsgeld in Höhe von € 5000,00 angedroht. Für den Fall, dass die unter Ziffer 1.2 angeforderten Einwilligungserklärungen binnen zweier Wochen nach Zustellung dieses Bescheids nicht oder nicht vollständig vorgelegt worden sind, wird ein Zwangsgeld in Höhe von € 5000,00 angedroht. Hinweis: Im Falle der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes tritt an dessen Stelle Ersatzzwangshaft. IV. Die sofortige Vollziehung der vorstehenden Zwangsgeldandrohung unter Ziffer III. wird angeordnet. V. Die Antragstellerin hat die Kosten dieses Bescheids zu tragen. Für diesen Bescheid werden Kosten in Höhe von € 300,00 festgesetzt."
Dagegen wehrte die Firma und beantragte einstweiligen Rechtsschutz. Es sei unverhältnismäßig, dass das Amt einen solchen umfangreichen Auskunftsanspruch über den eigentlichen Fall hinaus begehre. Das VG Bremen lehnte den Rechtsschutz ab. Die erlassene Anordnung sei aller Voraussicht nach rechtmäßig. 1. Keine Ermessensfehler erkennbar: Ermessensfehler seien nicht ersichtlich, so das Gericht: "Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass die Antragsgegnerin die Auskunftsanordnung ermessensfehlerhaft erlassen hat (…). Insbesondere liegt kein Fall einer Ermessensüberschreitung in Form einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vor. Mit der Durchsetzung der der Antragsgegnerin von der Datenschutzgrundverordnung vorgegebenen Aufgaben (s. o.) liegt ein legitimer Zweck vor. Die Auskunftsanordnung ist zur Zweckerreichung evident geeignet und erforderlich, weil mildere Mittel zur Ermittlung des Sachverhalts nach der Weigerung der Antragstellerin nicht ersichtlich sind. Schließlich erweist sich die Anordnung auch als angemessen. Die im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit zu treffende Abwägung zwischen den Interessen der Antragsgegnerin und der Petentin sowie der weiteren Betroffenen auf der einen Seite und den Grundrechten der Antragstellerin auf der anderen Seite, fällt zu Ungunsten der Antragstellerin aus. Die Antragsgegnerin ist vorliegend tätig geworden, um die ihr von Art. 57 Abs. 1 lit. a) und lit. f) DSGVO zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen (s. o.). Das Interesse der Antragsgegnerin an Verfolgung möglicher datenschutzrechtlicher Verstöße im Zusammenhang mit dem Interesse der Betroffenen an einer datenschutzkonformen Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Sinne der DSGVO überwiegt das Interesse der Antragstellerin an einer unkontrollierten Verarbeitung der Daten der betroffenen Dritter. Insoweit gebührt dem Grundrecht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung der Vorrang vor der Berufsfreiheit der Antragstellerin."
2. Umfang des Auskunftsbegehren angemessen: Auch der von der Behörde geltend gemachte Auskunftsumfang sei nicht zu bestanden. Zum einen hätten sich noch andere Personen über die Klägerin bei der Behörde beschwert. Zum anderen sei auch die Reichweite des Verstoßes zu ermitteln: "Zu Gunsten der Antragstellerin ist zwar zu berücksichtigen, dass die sofortige Vollziehung für die Antragstellerin irreparable Folgen hätte, da sie aufgrund der erheblichen Höhe des angedrohten Zwangsgeldes faktisch dazu gezwungen wäre, die von der Antragsgegnerin begehrten Auskünfte zu erteilen. Indes ist zu Gunsten der Antragsgegnerin zu berücksichtigten, dass der Bescheid vom 12.12.2023 evident materiell rechtmäßig ist (…). Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass die von der Antragsgegnerin befürchteten datenschutzrechtlichen Verstöße, die die Antragstellerin begangen haben soll, nicht bloß die Petentin betreffen, sondern weitere Betroffene sich bei der Antragsgegnerin über das Geschäftsgebaren der Antragstellerin beschwert haben und zudem eine unbestimmte Anzahl weiterer Betroffener von etwaigen datenschutzrechtlichen Verstößen der Antragsgegnerin betroffen wäre (…)."
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FG Hannover: Influencerin kann Kleidung nicht als Betriebsausgabe steuerlich ansetzen
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Eine Mode-Influencerin kann die von ihr gekaufte Kleidung nicht als Betriebsausgabe steuerlich berücksichtigen (FG Hannover, Urt. v. 13.11.2023 - Az.: 3 K 11195/21). Die Klägerin war seit 2007 Influencerin und Bloggerin und wollte bei ihrer Einkommensteuer-Erklärung entsprechende Ausgaben für erworbene Kleidung abziehen. Dies lehnte das FG Hannover - wie schon das Finanzamt - ab. Denn die gekauften Gegenstände könnten auch privat genutzt werden: "Aufwendungen für bürgerliche Kleidung sind nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzugs entzogen. Ein - ggf. auch nur teilweiser - Abzug als Erwerbsaufwendungen scheidet daher aus (…). Dies gilt auch bei einer gewissen Erwerbsnähe (…). Zwar ließen sich theoretisch auch Aufwendungen etwa für bürgerliche Kleidung, für eine Brille oder für eine Armbanduhr bei feststehender Arbeitszeit aufteilen. Derartige Aufwendungen sind aber grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 und § 9 EStG entzogen, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden. Insoweit scheidet eine Aufteilung der Aufwendungen in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben einerseits und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung andererseits aus (…). Dem entspricht im Ergebnis die bisherige Rechtsprechung, die Aufwendungen für bürgerliche Kleidung als nicht abziehbar beurteilt hat, da es sich um Kosten der Lebensführung handelt; diese sind nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG selbst dann nicht abzugsfähig, wenn sie zugleich der Förderung des Berufs dienen (…)."
Es handle sich auch nicht um den Ausnahme-Fall, dass es sich Berufskleidung handle, so die Richter weiter: "Unabhängig davon, ob dem Beruf des Influencers überhaupt eine Art typischer Berufskleidung zugeordnet werden kann, zeigt sich bei Betrachtung der im Rahmen des Einspruchsverfahrens durch die Kläger vorgelegten Liste der Kleidungsstücke und damit zusammenhängender Gegenstände (…), deren Erwerbsaufwand der Beklagte nicht zum Abzug zugelassen hat, dass hier über einen Zeitraum von knapp vier Jahren zwar ganz überwiegend Produkte von namhafteren Modemarken (z.B. Chanel, Louis Vuitton, Gucci) angeschafft wurden, die hierfür aufgewendeten Beträge aber noch dem Segment gehobener Modeausstattung zuzurechnen sein dürften. Lediglich für acht Handtaschen sind Zahlungen im niedrigen vierstelligen Bereich geflossen, im Übrigen bewegen sich sämtliche Aufwendungen im Rahmen von ca. 120 EUR bis 990 EUR, wobei ausweislich der Rechnungen (…) teilweise mehrere Artikel erworben wurden. Dies entspricht nach der Erfahrung des Gerichts indes demjenigen Kostenumfang, den auch ein nicht geringer Teil der übrigen Steuerpflichtigen - unabhängig von deren beruflicher Tätigkeit - für Kleidung und Accessoires aufzuwenden bereit ist. Dass insoweit den erworbenen Kleidungsstücken und Gegenständen eine Besonderheit oder Einzigartigkeit dergestalt innewohnen würde, dass sie als typische Berufsbekleidung im Sinne der Rechtsprechung des BFH eingeordnet werden könnten, ist nicht ersichtlich. Weder sind die betreffenden Modemarken auf den Vertrieb besonderer Berufskleidung spezialisiert, noch ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die hier zu beurteilenden Gegenstände und Kleidungsstücke Unikate wären, die vom übrigen Sortiment herausgehoben eine außerordentliche, der bürgerlichen Kleidung nicht mehr zugängliche Position im Luxusbereich einnehmen könnten. Die Kläger haben ebenso wenig etwas dazu vorgetragen, was den Schluss zuließe, es handelte sich im vorliegenden Fall doch um typische Berufsbekleidung."
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VG München: Kein Zugang zum Masterstudium, da Täuschung durch KI-erzeugtes Essay
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Ein Student, der beim Zugang zu einem Master-Studiengang täuscht, indem er das notwendige Essay mittels Künstlicher Intelligenz (KI) herstellt,kann zulässigerweise abgelehnt werden (VG München, Beschl. v. 28.11.2023 - Az.: M 3 E 23.4371). Der Kläger wollte zu einem Masterstudium zugelassen werden. Voraussetzung hierfür war u.a. die Vorlage eines von ihm selbst verfassten Essays. Bei der Durchsicht fiel den Prüfern auf, dass der Aufsatz mittels Künstlicher Intelligenz (KI) erzeugt wurde. Die Hochschule lehnte den Kläger daraufhin ab. Der klagte nun vor dem VG München, bekam jedoch kein Recht. 1. Beweislast bei Hochschule und Anforderungen an Nachweis: Die Beweislast, dass das Essay nicht vom Kläger stamme, trage die Hochschule. Dieser Verpflichtung sei die staatliche Einrichtung jedoch in ausreichender Weise nachgekommen: "Dass das vom Antragsteller abgegebene Essay sich über seinen gesamten Umfang auffällig von denen der anderen Bachelorabsolventen und von dem von ihm im Vorjahr abgegebenen Essay unterscheidet und zugleich Merkmale aufweist, die für durch künstliche Intelligenz erstellte Texte typisch sind, lässt nach allgemeinem Erfahrungswissen darauf schließen, dass das Essay mit unerlaubter Hilfe erstellt wurde. Durch den vom Antragsgegner selbst mittels ChatGPT erstellten Text (Bl. 30 d.A.) ist hinreichend dargetan, dass für Bewerber zugängliche Programme künstlicher Intelligenz grundsätzlich in der Lage sind, dem Essay vergleichbare Texte zu produzieren. Auf die Frage, wie aussagekräftig die Herstellerangaben (https://www.t....com/products/features/...) zur Verlässlichkeit der Überprüfungssoftware sind und ob bei der genannten „false positive rate“ auf Ebene von Sätzen und des Gesamttextes von einer hinreichenden Verlässlichkeit ausgegangen werden kann, kommt es vorliegend nicht an."
Insbesondere sei die Annahme einer Täuschung plausibel und begründet: "Der Antragsgegner stützt die Annahme eines erheblichen Regelverstoßes auf die Prüfung und Beurteilung des Essays durch Prof. S. und Dr. M. und behandelt das Prüfungsergebnis der Überprüfungssoftware T... lediglich als Indiz, das zu einer Überprüfung durch Prof. S. und Dr. M. Anlass gab. Gleiches gilt für Prof. S. selbst, der zwar in seinen Stellungnahmen vom 28. September und 6. November 2023 die Funktionsweise der Software erläutert und zu deren Verlässlichkeit Stellung nimmt, jedoch, ausdrücklich unter Verweis darauf, dass eine vollkommene Verlässlichkeit der Software nicht gegeben sei, eine von der Software unabhängige eigene Prüfung des Essays zusammen mit Dr. M. durchgeführt hat. Nach der Stellungnahme von Prof. S. vom 28. September 2023 fällt das vom Antragsteller eingereichte Essay im Vergleich zu den Essays anderer Bewerber durch die sehr stark strukturierte Form auf; erfahrungsgemäß wiesen längere schriftliche Arbeiten von Studierenden selbst bei intensiver Betreuung gewisse Brüche in Struktur und Logik auf. Ferner steche die Kürze und Inhaltsdichte der Sätze und Abschnitte des Antragstellers ins Auge; im Vergleich zu den Essays nahezu sämtlicher weiterer Bewerber sei die Arbeit des Antragstellers deutlich kürzer, enthalte jedoch alle relevanten Aspekte. In der Regel neigten Bachelorabsolventen zur Nutzung verschachtelter Sätze und zur Überlänge; selbst erfahrenen Wissenschaftlern bereite es mitunter Mühe, Forschungsartikel in der gegebenen Kürze abzufassen. Die wesentliche Stärke von Programmen der künstlichen Intelligenz liege darin, Inhalte komprimiert darzustellen. Schließlich sei die Arbeit des Antragstellers in geschliffenem Englisch und frei von Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehlern abgefasst, was nicht den bisherigen Erfahrungen der Prüfer entspreche. Die Prüfer verweisen damit auf Auffälligkeiten in Bezug auf Struktur, inhaltliche Dichte und Fehlerfreiheit bei Wortwahl, Rechtschreibung und Zeichensetzung. Dem Vergleich lagen die Arbeiten anderer Bewerber der laufenden Bewerbungsrunde und darüber hinaus die allgemeinen Erfahrungen der Prüfer zu den Fähigkeiten von Bachelorabsolventen bei der Abfassung von Texten zugrunde. Angesichts dieses breiten Vergleichsspektrums lassen sich die Auffälligkeiten nicht allein mit der Spannbreite der gezeigten Leistungen der Bewerber und einer in diesem Rahmen am oberen Rand liegenden Leistung des Antragstellers erklären. Ins Gewicht fällt, dass Prof. S. im Hinblick auf die auffällige Prägnanz des Essays des Antragstellers sogar die Texte erfahrener Wissenschaftler zum Vergleich heranzieht. Diese festgestellten Auffälligkeiten in Gestalt einer besonderen Qualität des Textes korrespondieren nach den Erfahrungen der Prüfer genau mit den Stärken von durch künstliche Intelligenz erstellten Texten, nämlich Inhalte derart kompakt darzustellen."
2. Vorlage eines KI-erzeugtes Essay ist Täuschung: Die Vorlage einer Ki generierten Abhandlung sei ein Täuschungsversuch und führe zum Ausschluss des Bewerberstatus: “Eine erhebliche Verletzung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis (…) liegt damit voraussichtlich vor. Ein Anspruch auf Zulassung zum Eignungsverfahren besteht daher voraussichtlich nicht.”
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10.
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Video zu Webinar "ChatGPT, BERT, Watson, Midjourney & Co: Rechtliche und wirtschaftliche Betrachtung - Update 2024" ist online
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Das Video zu unserem letzten Webinar "ChatGPT, BERT, Watson, Midjourney & Co: Rechtliche und wirtschaftliche Betrachtung - Ein Update im Jahr 2024" ist ab sofort online zum Streamen und zum Download verfügbar. Zudem gibt es auch die Folien zum Download. Inhalt des Vortrages war: "ChatGPT, BERT, Watson, Midjourney & Co: Rechtliche und wirtschaftliche Betrachtung - Ein Update im Jahr 2024" Vor knapp einem Jahr, im März 2023, gab es das erste Webinar zu diesem Thema. Trotz dieser nur kurzen Zeit, haben sich die Dienste und ihre Leistungen explosionsartig weiterentwickelt. Ein Update ist daher mehr als dringend geboten: Welche neuen rechtlichen und tatsächlichen Entwicklungen gibt es? Wie ist der aktuelle Rechtsstand? Wie wird die weitere Entwicklung sein? Auch dieses Mal wird die Veranstaltung der Frage nachgehen, welche rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen sich für uns alle ergeben. Zuhörer können Ihre Fragen per Chat oder Video-/Audio-Live-Zuschaltung stellen. Die Veranstaltung ist kostenfrei. Referenten: Martin Geuß, Blogger & Betreiber von www.drwindows. Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr, Kanzlei Dr. Bahr
Über die Referenten: Martin Geuß betreibt seit 2007 unter www.drwindows.de eine der führenden Webseiten im deutschsprachigen Raum, die sich mit dem Unternehmen Microsoft und seinen Produkten befassen. Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr ist seit mehr als 20 Jahren Anwalt und spezialisiert auf den Bereich Recht der Neuen Medien und Autor zahlreiche Bücher und Fachaufsätze zum Thema Online, u.a. regelmäßige Kolumne in der Website Boosting“.
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