Der BGH hat bestätigt, dass die Pflicht zur Grundpreisangabe auch bei Nahrungsergänzungsmitteln in Kapselform besteht (BGH, Urt. v. 23.03.2023 - Az.: I ZR 17/22).
Die Parteien stritten um die Frage, ob auch bei Aminosäureprodukten in Kapselform die Grundpreisangabe nach § 4 PAngVO erfolgen muss.
Der BGH bestätigte die Vorinstanz, das OLG Hamburg (Urt. v. 20.01.2022 - Az.: 3 U 66721), und ging von einem Wettbewerbsverstoß aus:
"Das Berufungsgericht hat für Aminosäureprodukte in Kapselform verneint, dass diese nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht werden (...).
Die Ermittlung der Verkehrsauffassung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung dahingehend, ob das Berufungsgericht den Tatsachenstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft hat und die Beurteilung mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen in Einklang steht. Da es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung im eigentlichen Sinne, sondern um die Anwendung spezifischen Erfahrungswissens handelt, kann ein Rechtsfehler auch darin bestehen, dass die festgestellte Verkehrsauffassung erfahrungswidrig ist (...). Gemessen daran sind die Erwägungen des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden."
Und weiter:
"Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass es sich nach der Verkehrsauffassung bei Aminosäureprodukten in unterschiedlichen Darreichungsformen nicht um unterschiedliche Lebensmittel handelt. (...)
Anders als die Revision meint, ist ein Inverkehrbringen nach Stückzahl auch nicht allein deswegen anzunehmen, weil es sich bei Aminosäurepräparaten um Nahrungsergänzungsmittel handelt. Dass Nahrungsergänzungsmittel gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 NemV Lebensmittel sind, die in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, bedeutet nicht zugleich, dass sie nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht werden. Dies gilt schon allein deshalb, weil § 1 Abs. 1 Nr. 3 NemV neben "stückigen" Darreichungsformen (wie Kapseln und Pillen) auch unterschiedliche Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern erwähnt.
Der Umstand, dass bei Kapseln die Hülle verzehrbar ist, führt entgegen der Annahme der Revision ebenso wenig zu der Folgerung, diese würden aus Sicht der Verbraucher nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht."
Und schließlich:
"Das aus § 1 Abs. 7 Satz 1 PAngV aF folgende Gebot der Preisklarheit und Preiswahrheit (...) steht der Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln in Kapselform unter Angabe des Grundpreises ebenfalls nicht entgegen. Anders als die Revision meint, ist eine hieraus resultierende Irreführung des Verkehrs über die Werthaltigkeit der einzelnen Aminosäureprodukte nicht zu befürchten. Das Berufungsgericht hat den entgegenstehenden Vortrag des Beklagten nicht übergangen, sondern ist seiner Auffassung, Aminosäureprodukte seien generell nicht miteinander vergleichbar und Grundpreisangaben nach Gewicht führten den Verkehr in die Irre, lediglich nicht gefolgt.
Aus dem Umstand, dass nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 6 AMG bei Fertigarzneimitteln die Darreichungsform und der Inhalt nach Gewicht, Nennvolumen oder Stückzahl anzugeben sind, lässt sich entgegen der Auffassung der Revision nichts für die Beantwortung der Frage herleiten, ob Nahrungsergänzungsmittel im Sinne von Nr. 1 Buchst. c des Anhangs IX der LMIV normalerweise nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht werden."