Bei der Bestimmung einer Vertragsstrafe nach dem Hamburger Brauch sind sämtliche Kriterien des § 13a UWG heranzuziehen, also insbesondere das Ausmaß und die Folgen der Zuwiderhandlung, die Schwere des Verschuldens und die Größe und Marktstärke des Abgemahnten (OLG Hamm, Beschl. v. 15.07.2025 - Az.: 4 U 11/25).
Das verklagte Unternehmen hatte sich im Jahr 2015 verpflichtet, Biozidprodukte nur noch mit einem vorgeschriebenen Warnhinweis zu bewerben. Aktuell warb es dennoch ohne diesen Hinweis für ein anderes Produkt.
Der Kläger sah darin einen erneuten Verstoß gegen die Unterlassungserklärung und verlangte eine Vertragsstrafe in Höhe von 6.000 EUR.
Das OLG Hamm stufte die Höhe der Verstrafe als angemessen ein.
Zunächst äußert es sich dazu, welche Kriterien für die Bewertung heranzuziehen sind:
“Nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 bis 4 UWG, der auch auf die Vereinbarung einer Vertragsstrafe nach dem sog. Neuen Hamburger Brauch anzuwenden ist (…), sind bei der Festlegung einer angemessenen Vertragsstrafe nach § 13 Abs. 1 UWG als Umstände zu berücksichtigen
- die Art, das Ausmaß und die Folgen der Zuwiderhandlung (Nr. 1),
- die Schuldhaftigkeit der Zuwiderhandlung und bei schuldhafter Zuwiderhandlung die Schwere des Verschuldens (Nr. 2),
- die Größe, Marktstärke und Wettbewerbsfähigkeit des Abgemahnten (Nr. 3)
. und das wirtschaftliche Interesse des Abgemahnten an erfolgten und zukünftigen Verstößen (Nr. 4).Daneben ist nach der weiterhin anwendbaren Rechtsprechung des BGH auf die Funktion der Vertragsstrafe als pauschaliertem Schadensersatz abzustellen (vgl. BGH GRUR 1994, 146 Rn. 20 f. – Vertragsstrafebemessung; KG, Beschluss vom 9.12.2021 – 5 U 151/19 – Optimiere Deinen Schlaf, GRUR-RR 2022, 383 Rn. 34-37, beck-online).”
Auf den konkreten Fall übertragen bewertet das Gericht die geforderten 6.000,- EUR als angemessen:
"Dabei ist zunächst einmal zu berücksichtigen, dass nach der Gesetzesbegründung zu § 13a UWG jedenfalls dann keine nur unerhebliche Beeinträchtigung vorliegt, wenn – wie hier – angesichts des Umfangs der Geschäftstätigkeit des Gewerbetreibenden eine größere Anzahl von Verbrauchern betroffen ist (…).
Unstreitig handelt es sich bei der Beklagten um ein besonders marktstarkes Unternehmen, das aufgrund seines umfangreichen bundesweiten und sogar internationalen Filialnetzes (mit 2.200 Verkaufsstellen allein auf dem deutschen Markt) jedenfalls in Deutschland allgemeine Bekanntheit genießt und bspw. im Jahr 2023 einen Umsatz von 15,1 Milliarden Euro erwirtschaftet hat. Weiter ist zu berücksichtigen, dass Werbemaßnahmen im Internet aufgrund der weltweiten Abrufbarkeit stets eine besondere Reichweite haben, so dass die gesteigerte Gefahr bestand, dass eine erhebliche Anzahl von Internetbesuchern die Werbeaussage zur Kenntnis nehmen, was wiederum eine erhebliche Nachahmungsgefahr begründet.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Zuwiderhandlung der Beklagten eine Irreführung von Verbrauchern darstellt und es sich bei Art. 72 Biozid-VO ausweislich des Erwägungsgrundes 3 der Biozid-VO um eine Regelung handelt, die ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier – darunter vor allem besonders vulnerable Gruppen wie Schwangere und Kinder – sowie für die Umwelt gewährleisten soll. In einem solchen Bereich wiegen Rechtsverletzungen stets besonders schwer. Danach sprechen bereits Art und Ausmaß der Zuwiderhandlung sowie die Größe, Marktstärke und Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten gegen eine zu niedrige Bemessung der Vertragsstrafe.
Danach erschient bereits aufgrund der vorerwähnten Umstände eine Vertragsstrafe in Höhe von 6.000,00 € nicht unbillig. Denn bereits im Geschäftsbereich normaler wirtschaftlicher Bedeutung – von einer solchen kann aufgrund der marktstärke der Beklagten im Streitfall nicht mehr ausgegangen werden – lässt sich die Spanne einer ausreichenden Vertragsstrafe von 2.500,00 € bis 10.000,00 € bemessen, geringere Beträge reichen zum Erzielen der mit der Vertragsstrafe zuvorderst bewirkten Abschreckung vor weiteren Verstößen nicht aus und sind allenfalls bei einer Geschäftstätigkeit im – hier unstreitig nicht vorliegenden – wirtschaftlichen Bagatellbereich akzeptabel (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 21. Juni 2021 – 5 U 3/20 –, Rn. 34, juris; OLG Celle, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 13 W 77/13 –, Rn. 10, juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 12. August 2009 - 1 W 37/09, juris Rn. 9; Spoenle in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 13a UWG (Stand: 05.06.2024), Rn. 5).
Unter ergänzender Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei der hier in Rede stehenden Werbung jedenfalls bereits um den dritten Verstoß der Beklagten gegen die im Jahr 2015 geschlossene Vertragsstrafenvereinbarung handelt, ist die vom Landgericht zuerkannte Vertragsstrafe in Höhe von 6.000,00 € keinesfalls unbillig. Ein darunter liegendes Maß wäre zur hinreichenden Abschreckung der besonders umsatz- und finanzstarken Beklagten schon nicht mehr geeignet."
Und weiter:
"Schließlich darf auch das Interesse des Klägers an der Verhinderung künftiger Verletzungshandlungen durch die Beklagte nicht zu gering eingeschätzt werden.
Hierbei muss auch und gerade dem – bereits vorerwähnten – Umstand angemessen Rechnung getragen werden, dass die Gefahr der Nachahmung bei Wettbewerbsverstößen im Internet außerordentlich hoch ist. Denn auch die Auffälligkeit, mit der Verletzungshandlungen in die Öffentlichkeit treten, und die hierdurch bewirkte Gefahr der Nachahmung durch Dritte bestimmen die Gefährlichkeit der zu unterbindenden Handlung für den Verletzten (…).
Etwas anderes folgt auch nicht unter Berücksichtigung der Schwere des der Beklagten zur Last zu legenden Verschuldens. Denn selbst, wenn das Handeln der Beklagten nicht als grob fahrlässig einzustufen sein sollte, was zwischen den Parteien streitig ist, ändert dies nichts daran, dass die zuerkannte Vertragsstrafe nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls und der in ihre Bemessung einzubeziehenden Kriterien nicht – allein dies ist Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle – unbillig übersetzt ist."